Verwandlungskünstler
Ein Musikus hat viele Zusatzaufgaben: CDs brennen, Wave-Dateien komprimieren und MIDI-Files in Audio-Dateien konvertieren. Außerdem wollen Notenfuchser ihre Partituren oft untereinander tauschen. Mit der neuesten Version von Capellas Media Producer soll all dies schnell und einfach möglich sein.
Von Harald Wittig
Die im nordhessischen Söhrenwald im Landkreis Kassel behei-matete Capella Software GmbH wird einigen Lesern vor allem wegen des kostengünstigen Notensatzprogramms Capella bekannt sein, das sich auch bei professionellen Anwendern ho-her Beliebtheit erfreut, da es eine kostengünstige Alternative zu Profi-Notationsprogrammen wie Finale oder Sibelius (Test in Ausgabe 8/2006) ist. Außer dem Flagschiff Capella 2004 bieten die Hessen noch andere Programme an, wie beispielsweise das Sequenzer-Programm Capriccio oder eben den Media Producer, der gerade für Homerecordler attraktiv ist: Das Pro-gramm bietet für einen günstigen Anschaffungspreis von rund 100 Euro eine umfangreiche Werkzeug-Palette für die schnelle und bequeme Bearbeitung von Musik-Dateien unterschiedlicher Formate. Damit soll es mehrere separate Programme obsolet machen. Darüber hinaus sei der Media Producer das weltweit einzige Programm, das die XML-Formate der Notensatz-Software Capella, Finale und Sibelius per Mausklick konvertiert. Grund genug für Professional audio Magazin den Media Producer 5 in einem ausführlichen Test unter die Lupe zu nehmen, damit Sie wissen, ob das Programm hält, was das Infoblatt verspricht.
Der Media Producer 5 ist eine reine Windows-Anwendung für die Betriebs-Systeme Windows 2000, XP und soll laut Hersteller auch unter dem künftigen Vista problemlos laufen. Wir testen das Programm unter dem derzeit gängigen Windows XP SP 2. Die eigentliche Installation ist zügig erledigt. Solange die Soft-ware noch nicht aktiviert, also freigeschaltet ist, können Sie das Programm zunächst 30 Tage in allen Funktionen benutzen. Nach Ablauf dieser Frist verhält sich die Software wie eine Demo-Version und ist bis zur Aktivierung nicht mehr verwendbar. Die Aktivierung kann online oder telefonisch erfolgen, beides Mal wird der Rechner, auf dem die Software installiert ist, registriert – das Programm funktioniert also grundsätzlich nur auf einem Computer, die Erteilung von Mehrfach-Lizenzen, zum Beispiel für Schulen, ist möglich.
Sobald das Programm gestartete ist, präsentiert sich in gewohnter Windows-Optik mit allen typischen Bedienelementen eine übersichtliche Benutzeroberfläche. Hier findet sich jeder sofort zurecht, auch wenn die Optik ein wenig hausbacken wirkt. Erfreulicherweise lässt sich das Programm intuitiv bedienen, da es bereits Voreinstellungen enthält, mit denen sofort losgelegt werden kann.
Ganz links im Bild findet sich die so genannte Jobleiste. Was ist aber ein „Job“? Damit ist eine fest eingestellte Konfiguration gemeint, bei der einem Quellmedium – gemeint sind damit die jeweiligen Verzeichnisse beziehungsweise Ordner, worin die zu bearbeitenden Dateien abgelegt sind, – die verschiedenen Bearbeitungswerkzeuge, Filter genannt, zugeordnet sind. Auf diese folgt ein so genanntes Zielmedium, also der Ordner, in den die fertig bearbeitete Datei abgelegt wird. Das erste Arbeiten mit dem Programm ist sehr einfach: In der Grundeinstellung sind bereits zwei Jobs angelegt: Der selbsterklärende CD-Brenner und der Standard-Job, womit sämtliche Aufgaben sofort ausgeführt werden.
Ein Praxisbeispiel soll die Arbeit mit dem Media Producer etwas klarer machen: Wir haben ein längeres Musikstück unter Sonar 6 aufgenommen, gemischt und den fertigen Mixdown als Wave-Datei im CD-Format exportiert. Diese Datei wollen wir via E-Mail an einen Kollegen verschicken. Mit 104 MB ist die Audio-Datei recht groß, daher wollen wir sie komprimieren. Also wählen wir das neue Stück im entsprechenden Verzeichnis per Mausklick aus, sofort erscheinen die Filter Audio-Player, Wave-Konverter, Audio-Kompressor und Artworker. Wir wählen Audio-Kompressor und könnten jetzt direkt im Hauptfenster die Schalt-fläche Ausführen anklicken, die Datei würde sofort komprimiert werden. Allerdings zunächst nur als WMA-File, wir benötigen aber das MP3-Format. Deswegen klicken wir die virtuelle LED rechts im Kompressor-Filter an: Es klappt ein Kontextmenü auf, wo wir einen Encoder aussuchen. In der Version 5 liefert das Programm die anerkannt guten Open-Source-Encoder Blade und Lame mit, die MP3-Dateien in hoher Qualität erzeugen. Im jeweiligen Konfigurations-Menü lassen sich alle Kompressions-Parameter (Klangqualität, Komprimierungseigenschaften und ähnliches) vornehmen, über Attribute werden alle relevanten Beschreibungen für die Zieldatei wie Titel, Autor, der Urheber-rechts-/Copyright-Vermerk und das Entstehungsjahr für die zu erstellende MP3-Datei ausgewählt und eingegeben. Allein damit bietet der Media Producer schon mehr als die meisten Freeware-Komprimierungsprogramme, zumal das Eingeben dieser Meta-Daten gerade auch fürs Internet-Publishing sehr wichtig ist. Grundsätzlich lässt sich jeder Encoder für die Arbeit mit dem Media Producer einrichten, allerdings ist das für so genannte Kommandozeilen-Encoder – wie beispielsweise Lame – eher etwas für Fortgeschrittene. Da ist es umso erfreulicher, dass dieser Encoder bereits fertig konfiguriert an Bord ist; schließlich soll eine Software wie der Media Producer dem Musiker Arbeit abnehmen. Sind alle Einstellungen wie gewünscht vorgenommen, genügt ein Mausklick auf Ausführen und die Software erledigt den Rest. Praktisch: Die fertige MP3 wird standardmäßig im selben Ordner wie die Quelldatei abge-legt und lässt sich sogleich über den Audio Player anhören. Sollte etwas schief gelaufen oder der Klang doch zu dürftig sein, ist es kein Problem, die Datei zu löschen, ohne die Anwendung zu verlassen. Damit lässt sich wirklich Zeit sparen, denn die Arbeits- und Kontrollschritte erfordern kein Hin- und Herspringen zwischen verschiedenen Verzeichnissen und Anwendungen. Außerdem kann der Audio Player praktisch jedes Audio-Format, so auch Aiff, Ogg und Ape wiedergeben, was längst nicht für jeden Software-Player gilt.
Weniger überzeugen kann der Wave-Konverter. Wir wollen im Test eine Audio-Datei, die wir mit 32 Bit und 96 kHz aus Sonar 6 exportiert haben, ins CD-Format konvertieren. Leider kann der Wave-Konverter nur Audio-Files im Red Book/CD-Format verkleinern, eine Datei auf 16 Bit/44,1 Kilohertz herunter-schrauben geht nicht. Das ist sicherlich verschmerzbar – immerhin sind derlei Operationen verhältnismäßig einfach mit jedem leistungsfähigen Sequenzer-Programm möglich. Schön wäre es gleichwohl, wenn dies auch im neuen Media Producer möglich wäre.
Der CD-Brenner erledigt seinen Job im Ergebnis wunschgemäß, die Bedienung ist allerdings im Vergleich beispielsweise zum Nero 6 etwas umständlicher, da sich der Anwender durch diverse Kontext-Menüs und Dialoge klicken muss. Allerdings wird das in der Praxis nicht allzu häufig nötig sein, denn das Programm merkt sich die benutzerdefinierten Einstellungen für künftige Arbeiten. Auch der Artworker, womit sich CD-Labels und Booklets erstellen lassen, ist nicht gerade narrensicher in der Bedienung – der Cover-Designer des Nero hat hier in Punkto Bedienkomfort klar die Nase vorn. Dafür fallen die Ergebnisse mit dem Artworker sehr viel ansprechender, also professioneller aus. Beim Brenner und beim Artworker hilft zum Glück die Online-Hilfe oder das im Großen und Ganzen gut verständliche Handbuch – beide Funktionen sind aber sicherlich nichts für Ungeduldige und Lesefaule. Dagegen ist das Grappen einzelner Titel einer CD sehr komfortabel, zumal dieser Filter standardmäßig eine unkomprimierte Datei erzeugt – auf Wunsch wird ein Titel auch sofort komprimiert. Aber Vorsicht: Für die Komprimierung legt das Programm eine Zwischendatei an. Um diese leichter aufzufinden, sollte der Anwender vor der Ausführung nicht vergessen, das temporäre Verzeichnis festzulegen.
Wer eine Audio-CD aus MP3s erstellen möchte, wird sich über die umfangreichen Decoding-Optionen freuen, vor allem über die Möglichkeit, Real-Player-Files, wovon es beispielsweise im Internet unzählige gibt, per Mausklick zu dekomprimieren, denn das funktioniert mühelos. Wer gerade diese Funktion häufig benötigt, kann dafür einen eigenen Job anlegen. Das geht sehr einfach, alle benutzerdefinierten Einstellungen speichert der Media Producer automatisch ab.
Richtig gut sind die verschiedenen Möglichkeiten MIDI-Files zu bearbeiten. In klanglicher Hinsicht überzeugt der Filter MIDI-Wave-Konverter, denn er arbeitet dabei mit der mitgelieferten Open-Source-Software Timidity: Dieses Programm setzt die Wave-Datei aus vielen kleinen Wave-Schnipseln zusammen, die Klangqualität ist hörbar besser als bei anderen Programmen wie beispielsweise dem Shareware-Programm MIDI Converter Studio 5.3, das zur Konvertierung die so genannte Soundkarten-Methode verwendet, indem es die MIDI-File über die Soundkarte abgespielt und gleichzeitig aufnimmt. Außerdem lässt sich der Klang des MIDI-Wave-Konverters noch aufpeppen: Im Internet, beispielsweise unter www.hammersound.net, gibt es zahlreiche Sound-Font-Libraries für Timidity zum kostenlosen Download. Wir laden einige dieser Sample-Libraries herunter und sind erstaunt, wie gut die Klänge oft gesampelt sind. Allerdings sind die klanglich besten auch die Umfangreichsten: Eine Sammlung wie Acoustic Pianos beansprucht bereits fast zwei Megabyte Speicher-Platz. Der Konverter des Media Producers ist gerade für Musiklehrer interessant, die für ihre Schüler häufig Übungs-CDs anfertigen: Die Noten werden zunächst in einem beliebigen Notensatzprogramm erstellt, danach wird eine MIDI-File von der Partitur exportiert, diese wird als Quellmedium im Media Producer ausgewählt und für Übungs-CDs entsprechend konvertiert. Ebenso ist es möglich, MIDI-Files in das Capella-Notensatzformat zu konvertieren, allerdings ist diese Funktion für Capella-User kaum interessant, da Capella – wie jedes andere Notensatz-Programm auch – den Import von MIDI-Dateien gestattet. Wesentlich cleverer ist da schon der MIDI-Melodiesucher: Im Musikeralltag kann schon mal kreatives Chaos herrschen und beim Ablegen der Dateien war der Künst-ler vielleicht mit den Gedanken ganz woanders und hat vergessen, wo er eine bestimmte MIDI-File abgelegt hat. Der Melodiesucher hilft beim Auffinden, indem der Benutzer eine bestimmte Sequenz aus dem gesuchten Stück als Noten eingibt, der Media Producer geht dann auf die Suche nach MIDI-Files, in denen dieses Melodiefragment vorkommt,. Erstaunlicherweise ist diese Suchfunktion so intelligent, dass auch ein schlampiges Notat ausreicht um die MIDI-File zu finden. Wir geben eine sehr rudimentäre Notenzeile des Themas des Adagios aus dem Concierto D´Aranjuez von Rodrigo ein – tatsächlich präsentiert uns der Media Producer nach einer Weile das MIDI-File. Klasse.
Da wir nun bei den Noten sind: Wenn ein Programm aus dem Hause Capella kommt, müssen auch Capella-Partituren in irgendeiner Form zu ver- und bearbeiten sein. Selbstverständlich kann der Media Producer Capella-Partituren als MIDI-Datei abspielen. Nützlich ist die Möglichkeit, aus einer CAP-Datei ein MIDI-File zu generieren. Diese lässt sich in ein anderes Notensatzprogramm importieren und dort gegebenenfalls weiterbearbeiten. Beim Test laden wir ein so erstelltes MIDI-File in Sibelius und haben keinen Anlass zur Klage. Da auf der Capella-Homepage eine umfangreiche Partitur-Bibliothek zum kostenlosen Download bereitsteht, unter andrem gibt es einen Link zum Gesamt-Werk von Bach, ist allein dies für die Nutzer anderer Notensatzprogramme als Capella, so für Finalisten und Sibelius-Anhänger, überaus interessant. Hinzukommt, dass auch die MIDI-Konvertierung von Music-XML-Dateien gewährleistet ist, was den Media Producer noch vielseitiger macht.
Apropos Music-XML: Noch besser und tatsächlich innovativ ist die Möglichkeit, eine Partitur die im Capella Cap-XML-Format vorliegt, in das von Finale und Sibelius akzeptierte Music-XML-Format zu konvertieren: Im Unterschied zu MIDI, wo je nach Qualität der MIDI-File mitunter sehr viel Nacharbeit erforderlich ist, werden bei Music-XML-Dateien die relevanten Informationen (Tonhöhe und Notenwerte) einwandfrei übertragen. Umgekehrt kann das Programm jede Music-XML-Datei ins Capella Cap-XML-Format übertragen. Damit ist der Media-Producer in der aktuellen Version eine echte Schnittstelle zumindest zwischen Capella und Finale. Mit Sibelius – was nicht den Capella-Entwicklern anzulasten ist – sieht es indes etwas anders aus: Sibelius kann zwar Music-XML-Dateien lesen, allerdings kann Sibelius die eigenen Sib-Dateien ohne das mit rund 270 US-Doller nicht eben billige Plug-in Dolet 3 von Recordare (Infos unter www.recordare.com) nicht als Music-XML-Files exportieren. Ein Noten-Austausch zwischen Sibelius- und Capella-Usern ist aber über einen Umweg möglich: Wer das Noten-Scanner-Programm Capella scan hat, kann Pdfs von Sib-Dateien einscannen, nach Capella konvertieren und dort weiter-bearbeiten – für den Sibelius-Kollegen lässt sich die überarbei-tete Partitur wieder ins Music-XML-Format umwandeln. Im Test versuchten wir eben dies mit einer Demoversion von Capella scan, was nach Installation des kostenlosen Plug-ins Ghostscript (einen passenden Link gibt es auf www.capella.de), tatsächlich problemlos klappt.
Auch im Zusammenhang mit Music-XML-Dateien bewährt sich übrigens der Melodiensucher, denn auf gleiche Weise wie bei der MIDI-Melodiesuche beschrieben, sucht diese Funktion auch Partituren in diesem Format – und ist dabei erfolgreich.
Fazit
Der Media Producer 5 von Capellas ist ein leistungsfähiges Programm mit dem Musiker viele Aufgaben schnell und bequem erledigen. Weitgehend intuitiv bedienbar erleichtert es das Bearbeiten von MIDI-, MP3- und Wave-Files. Innovative Features wie der Melodiensucher und die XML-Konvertierung von Partituren bringen Ordnung ins kreative Chaos und schaffen neue Austauschmöglichkeiten zwischen den Anwendern unterschiedlicher Notensatzprogramme.
Erschienen in Ausgabe 02/2007
Preisklasse: Oberklasse
Preis: 98 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut – überragend
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