Übersetzungsgenie
Um aus digitalen Audio-Files Klang zu machen, bedarf es eines DAC, der als Übersetzer fungiert. Der M1 SE von Bricasti Design bietet sich als besonders kompetenter, womöglich gar genialer Vollprofi an.
Text und Fotos von Harald Wittig

Hinter dem US-amerikanischen Hersteller Bricasti Design stehen die Gründerväter Brian Zolner und Casey Dowdell, die ihr auf die Herstellung von digitalen Audio-Geräten spezialisiertes Unternehmen mit einem Ziel gründeten: Die besten Geräte für Tonschaffende und Musikliebhaber zu schaffen. Bereits ihr Erstlingswerk, der nach wie vor von vielen Könnern und Kennern als Referenz angesehene Hallprozessor M7 mischte die Pro Audio-Szene auf. In Ausgabe 10/2007 von professional audio erschien der ausführliche Test, überschrieben mit „Das neue Raumwunder“ und diese Überschrift hat, wenn wir auf das „neu“ verzichten, fraglos weiterhin Gültigkeit.
Seitdem sind einige Jahre ins Land gegangen und das Produktportfolio ist stetig angewachsen, obschon nach wie vor sehr überschaubar geblieben. Nicht verwunderlich, denn ein Hersteller mit derart hohen Ansprüchen an die eigenen Schöpfungen haut nicht mal eben eine neue Kiste raus. Das widerspräche zu eintausend Prozent dem Konzept von Chefdenker Brian Zolner, der sich seine Sporen übrigens bei Lexicon verdiente. Für den Entwickler aus Leidenschaft ist gerade mal das Beste gut genug und wer den sympathischen, feingliedrigen Mann einmal kennenlernen durfte, erkennt sehr schnell: Der lebt für und – im übertragenen Sinne – in seinen Geräten. Das gilt definitiv auch für den Digital-Analog-Wandler M(odell) 1, unser heutiges Testgerät. Der Wandler gehört zur „Consumer“-Linie von Bricasti Design und gilt seit seiner ersten Inkarnation 2011 bei eingeweihten Audiophilen als „der“ Weltklasse-Wandler schlechthin. Doch Genie schläft nie, weswegen der M1 letzthin gründlich überholt wurde. Damit stelle er – selbstbewusst sind sie im Hause Bricasti – einen „neuen Meilenstein bei der Wiedergabe“ dar. Das verbesserte Modell nennt sich M1 SE, wird wie alle Bricastis von Hand in den USA gebaut, ist Punkt-zu-Punkt verdrahtet und wird inzwischen mit USB-Schnittstelle sowie sehr aufgeräumter Fernbedienung ausgeliefert. Wer ihn haben will, muss allerdings tief in die Tasche greifen. Knapp über 12.000 Euro kostet der M1 SE und ist mithin auch preislich in der HighEnd-Liga angesiedelt. Wobei: Gerade im HiFi-Bereich gibt es noch wesentlich teurere Geräte, die nicht zwingend besser sind, aber glamouröser auftreten. Wir wollen uns indes nicht blenden lassen und nähern uns allen Testgeräten mit der gebotenen Sachlichkeit. Wohlwissend, dass guter Klang keine Sache von Frontplatten aus Platin ist. Genug gescherzt. Ihr Auftritt Modell M1 SE.
Fertigungspräzision
Das Äußere des M1 SE sei schnell abgehandelt: Das Gehäuse ist aus Vollaluminium und anscheinend aus einem Block gefräst und an den Ecken abgerundet. Die Oberfläche fühlt sich samten unter den Fingerkuppen an, die insgesamt sechs Drucktaster und das Einstellrad haben einen gut fühlbaren Druckpunkt beziehungsweise läuft sahnig weich. Das LED-Display gefällt in seiner technisch-nüchternen Machart im typischen Bricasti-Design – Schnick-Schnack gibt es bei den Amerikanern nicht. Auf der Rückseite finden sich die digitalen Eingänge/Schnittstellen: AES/EBU, S/PDIF – optisch und koaxial – sowie der USB-Anschluss zur Verbindung des M1 SE mit einem Rechner. Die Maximal-Auflösung für AES/EBU und S/PDIF beträgt 24 Bit/192 kHz, zudem sind DSD64 und DSD128 im Angebot. Via USB sind maximal 384 kHz möglich, wobei die Wortbreite standardmäßig 32 Bit Fließkomma beträgt. Genau, da merken wir schon mal auf, wohlwissend, dass Datenwort und Dynamik zusammengehören wie die Mylar-Membran zum Kondensatormikrofon.
Doch richtig spannend ist das Innere des M1 SE, denn hier hat sich das Entwicklerteam um Brian Zolner richtig ausgelebt. Konstruktiv haben wir es mit einem Doppel Mono-Wandler zu tun – es gibt also für beide Kanäle eine eigene Sektion. Die sind beim Abnehmen der Deckplatte direkt erkennbar, wobei Digital- und Analogabteilung auf getrennten Platinen untergebracht und von Hand sowie kurzstreckig miteinander verkabelt sind. Wer einen Wandler bauen will, muss etwas von Hochfrequenztechnik verstehen und sich um jedes schaltungstechnische Detail kümmern. Das wissen die Bricasti-Tüftler selbstverständlich, weswegen es nur konsequent ist, dass beide Kanalzüge ihr eigenes auf Rauscharmut optimiertes Netzteil haben. Die beiden links und rechts zu erkennenden Ringkerntransformatoren sind besonders streufeldarm, sodass klangverschlechternde Einstreuungen kaum ein Thema sind. Überhaupt ist die reine Analogsektion, ohne insoweit ins Detail gehen zu wollen, höchst aufwendig gestaltet. Passend zu Brian Zolners Glaubensbekenntnis, dass der Klang des M1 auf der Güte seiner Analogschaltungen beruht.
In der Mitte erkennen wir ein drittes Netzteil mit eigenem Ringkerntransformator. Das ist alleine für die digitalen Schaltungsabschnitte zuständig, die Masseführungen aller drei Netzteile sind unabhängig voneinander ausgeführt, hochfrequente Störsignale von der Digital-Sektion haben damit keine Chance, in die Analog-Abteilung einzudringen. Ausweislich der individuellen Messschriebe, die dem Testgerät beiliegen, kennt der M1 SE Verzerrungen schlichtweg nicht. Ein Saubermann wie er im Pflichtenheft steht.
MDx – Das neue Zauberboard
In der Mitte erkennen wir das neue „MDx Processor Board“, das Bricasti Design übrigens zum einigermaßen kostengünstigen Upgrade-Preis auch in ältere M1-Modelle einbaut. Das MDx-Herzstück ist ein leistungsfähiger DSP von Analog Devices, der ADSP-SC584 SHARC Dual Core Processor. Aber: Der wurde vom Brian Zolner-Team aufgebohrt und kann schlichtweg mehr als der Werks-DSP. Er verwaltet unter anderem das Oversampling, passt auf, dass die beiden Kanalzüge auch ja perfekt synchronisiert zusammen arbeiten und ist, zusammen mit einem AD9951-Chip mitverantwortlich für die Eliminierung des Taktzitterns, besser als Jitter bekannt. Alle eingehenden Signale werden „gereclockt“, also komplett auseinander genommen und optimal in Reihe gebracht. Die beiden AD1955A-Wandler der Kanalzüge empfangen die aufbereiteten Signale, generieren selbst keine eigene Clock mehr, sondern folgen dem Takt des MDx Prozessor Boards. Zumindest nach den Herstellerangaben, wonach der Restjitter acht beziehungsweise sechs Pikosekunden bei 48 kHz und 96 kHz-Abtastrate beträgt, verrichtet der M1 SE seine Arbeit praktisch zitterfrei. Tatsächlich sei eine externe Clock oder ein Reclocker wie der standardmäßig bei uns eingesetzte Mutec MC3+USB nicht vonnöten. Das ist eine Ansage, die wir selbstverständlich im Rahmen des Hörtests überprüfen werden.
USB-Wandler sind grundsätzlich ein feine Sache, allerdings sind die oft mit Rechnern verbunden, deren Bestimmung nicht die audiophile Musikwiedergabe ist. So verhalten sich unsere guten Freunde und unverzichtbaren Mitarbeiter im Gegenteil eher ungezogen und schleudern jede Menge klangvermiesenden Elektroschmutz dem Wandler entgegen. Deswegen ist die USB-Schnittstelle des M1 SE elektrisch isoliert angekoppelt – eine direkte Verbindung mit dem angeschlossenen Rechner gibt es also nicht. Damit bleiben Störsignale außen vor.
Eine Besonderheit des M1 war schon immer die große Auswahl an Rekonstruktionsfiltern, die sämtlich von den Bricasti-Entwicklern programmiert sind. Die AD-eigenen bleiben ganz außen vor. Grundsätzlich bestimmt das Rekonstruktionsfilter in der Digitaltechnik, wie bei der Umwandlung eines diskreten Signals in ein kontinuierliches die einzelnen Abtastwerte interpoliert werden sollen. Heutige Digital-Geräte gehobenen Anspruchs verfügen in der Regel über mehrere optionale Rekonstruktionsfilter unterschiedlicher Charakteristik, die vor allem eine klangentscheidende Wirkung haben. Der M1 SE bietet dem Anwender sechs „Minimum“- und neun „Linear-Phase-Filter“ zur freien Auswahl an. Ihre Wirkungsweise ist im Handbuch erläutert, ohne dass auf Basis dieser Beschreibung unmittelbar auf den Klang geschlossen werden könnte. Gut, Digital-Cracks wissen selbstverständlich, was sie von „gentler slope“, „full attenuation at Nyquist Frequency/vollständiger Dämpfung bei der Nyquist-Frequenz“ erwarten dürfen. Grundsätzlich gilt, dass die Minimum Phase-Filter keine Vorechos, auch als Preringing bekannt, erzeugen. Die Signale sind also artefaktefreier und es überrascht zumindest uns nicht, dass Brian Zolner selbst die Minimum Phase-Filter bevorzugt. Da wollen wir uns anschließen. Unser Favorit, nach extensiven gruppendynamischen Hörtests, ist „Minimum 5“, der für unsere Ohren Präzision und Musikalität bestens unter seinen handgemachten Hut bringt.
Für eine optimale Wiedergabe legt das verantwortungsvolle Handbuch dem M1 SE-Nutzer nahe, die zu dem Wandler geleiteten Digital-Signale, beispielsweise über die entsprechenden Werkzeuge im Rechner, tunlichst nicht „upzusampeln“, um eine 16 Bit/44,1 kHz-Datei als 24 Bit/192 kHz-File zu verkaufen. Das führe unweigerlich zur Klangverschlechterung, denn der M1 könne dann die Daten nicht korrekt rekonstruieren. Er arbeitet selbst nämlich intern mit achtfachem Delta-Sigma-Oversampling und deswegen sollten Signale „bitperfect“, also mit Originalauflösung zugespielt werden. Das ist gerade im Zusammenhang mit Rechnern so eine Sache. Deswegen gehört für das echte Bricasti-Klangerlebnis bei Einsatz mit einem Rechner ein audiophiler Mediaplayer wie Audirvana oder JRriver zum guten Ton. Windows-Nutzer können auch den kostenlosen Foobar wählen, der ebenfalls bitperfect arbeitet, sofern er entsprechend eingestellt ist. Wer hingegen Apple Music als Streaming-Dienst nutzt, muss notgedrungen im Audio MIDI Setup Datenwort und Abtastrate an das Quellmaterial anpassen. Na ja, es gibt Schlimmeres. Dennoch macht das Hören über Audirvana oder JRiver mehr Spaß: Die Player kümmern sich um alle notwendigen Einstellungen, der M1 SE-Nutzer darf sich zurücklehnen und hören.
Klanglich eine Offenbarung
Bevor wir eben dies tun, noch ein, zwei Worte zur Lautstärkeregelung. Die ist im Falle des M1 SE traditionell vollständig digital, mithin bitgenau und damit, allen Unkenrufen mancher HighEnder zum Trotz, bestens aufgestellt. Falls vonnöten, kann der M1 SE damit auch als Vorverstärker dienen: Steht der Ausgangspegel auf null, gibt er ein Line-Signal an Endverstärker – oder Aktivlautsprecher – aus. Auf Wunsch ist er auch geschwind stumm geschaltet – auch nicht zu verachten.
Dann wollen wir mal hören und verbinden den M1 SE via USB mit einem MacBook Pro M1. Die XLR-Ausgänge – deren Ausgangspegel übrigens mittels winziger Trimpotis anpassbar sind – sind mittels Vovox Sonorus-Kabeln mit einem Paar Geithain RL 906 verbunden. Wir öffnen Audirvana und laden als erstes Album „First Recording – Live in Dawg’s Living Room“. Dabei handelt es sich um einen Geniestreich der sogenannten „New Acoustic Music“, die auf akustischen Saiteninstrumenten dargeboten wird und Bluegrass mit Jazz stimmig verbindet. „Dawg“ ist der Spitzname des Mandolinisten, Komponisten, Produzenten und Label-Inhaber David Grisman, der gemeinhin auch als Erfinder dieses Subgenres gilt. Grisman ist schon immer ein Klangfetischist gewesen, weswegen er diesen hochprofessionellen, selbstverständlich analogen Mitschnitt von 1975 höchstselbst digital remasterte. Die Digital-Ausgabe gibt es als HiRes-Download in 24 Bit/96 kHz-Auflösung direkt bei David Grisman unter https://acousticdisc.com/product/david-grisman-quintet-first-recordings-live-in-dawgs-living-room-hi-def-download/ Schon mit dem eröffnenden, rund zehnminütigen „Dawg’s Rag_Take 1„ geht die redensartliche Post ab: Die Solisten, neben Grisman selbst ist unter anderem auch die Gitarreninstanz Tony Rice (1951 – 2020) zu hören, spielen hochvirtuos, streckenweise ungestüm auf, als wollten sie die Bandmaschine zum Schmelzen bringen. Die Dynamik, die sich aus den Geithains Bahn bricht, die millimetergenaue Breiten- und Tiefenstaffelung sorgt unsererseits direkt für Maulsperren. Das ist höchste Wiedergabepräzision, wobei der M1 SE bei keiner einzigen Note frostig-digital tönt. Tatsächlich besticht er mit einer einschmeichelnden Musikalität und Klangsinnlichkeit, die exakt mit der fulminanten Musikdarbietung korrespondiert.
Wir wechseln ins Großformat und wählen den opulenten Soundtrack zu „Tiger and Dragon“ aus der Feder des chinesischen Meisterkomponisten Tan Dun – und unsere Ohren kleben, bildlich gesprochen, in Ehrfurcht an den Lautsprechern. Diese große Bühne, das punktgenaue Setzen der einzelnen Instrumente wie beispielsweise Yo-Yo Ma’s einfühlsames Cello, dieser Detailreichtum und diese – um es noch einmal hervorzuheben – große Musikalität haben wir bislang von nur sehr wenigen Wandlern geboten bekommen. Wir müssen es genauer wissen und legen eine Vergleichshörrunde mit der bewährten Kombination Mutec MC3+USB/Mytek Stereo192-DSD ein und stellen bereits nach einigen Takten Tan Dun fest: Im M1 SE von Bricasti Design hat dieses durchaus kompetente Duo seinen Meister gefunden. Hier ist ein genialischer Vollprofi, erdacht von Genies, am Werk.
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