Alles im Fluss

Schluss mit dem langweiligen und stupiden Filter auf- und zudrehen. Das FilterShaper-Plug-in hebt Parameteränderungen auf ein neues Bedienungs-Level und realisiert auch komplizierteste Filterverläufe im Handumdrehen. Der Brüller ist allerdings der Preis.   

Von Georg Berger 

Wenn es darum geht, statischen Klangverläufen mehr Dramatik zu verleihen oder schlappen Synthesizer-Sounds auf die Sprünge zu helfen, empfiehlt sich in den meisten Fällen ein Filter-Plug-in. Ein mehr oder weniger drastischer Eingriff über Cutoff und Resonanz liefert sehr schnell das entsprechende Ergebnis und verhilft der Musik zu ungeahnter Lebendigkeit. Spätestens mit Aufkommen der virtuellen Nachbildungen dieser Synthesizer-Filter-Sektionen konnten auch alle anderen Signale von diesen charakteristischen Soundformungs-Möglichkeiten profitieren. Mittlerweile buhlen Legionen von Filter-Plug-ins um die Gunst des Käufers, was eindrucksvoll den nach wie vor hohen Stellenwert dieser Komponente dokumentiert. Doch offensichtlich scheint dieses Marktsegment immer noch nicht ausreichend gesättigt zu sein. Denn mit dem vom Berliner Unternehmen Cableguys produzierten FilterShaper kommt jetzt ein neues Filter-Plug-in auf den Markt, das sich mit eigenständigen Bedienungs- und Programmiermöglichkeiten markant von den Mitbewerbern absetzen will. Dies wollen die Entwickler mit Hilfe eines interaktiven Graphik-Displays erreichen, mit dem sich sehr individuelle Wellenformen erstellen lassen. Diese liefern das Basismaterial für das Schwingungsverhalten von insgesamt vier LFOs, die wiederum nach alter Väter Sitte das Filter-Cutoff, die -Resonanz und sogar die Lautstärke modulieren. FilterShaper erlaubt damit virtuose und sehr lebendige Parameter-Änderungen jenseits der üblichen Dreieck-, Rechteck- und Sägezahn-Wellen und ist den Mitbewerbern in dieser Disziplin weit voraus. Die Attraktivität des Plug-ins wird zusätzlich durch seinen sehr günstigen Verkaufspreis gesteigert.

 

Das ausschließlich über die Cableguys-Homepage erhältliche Plug-in ist bereits in der kostenlosen Demo-Version voll funktionsfähig. Einzige Einschränkung: Es lässt sich nur eine Instanz im Sequenzer nutzen. Wer mehr Instanzen pro Sequenzer-Projekt einsetzen will, verzichtet auf den nächsten Kneipenbesuch und zahlt verbraucherfreundliche 30 Euro. Mac- und Pro Tools-Anwender schauen allerdings in die Röhre. Denn FilterShaper ist bis dato ausschließlich als VST2-Plug-in für Windows-PCs erhältlich. Auf Nachfrage wird uns jedoch mitgeteilt, dass zumindest an einer VST2.4-Version für Mac gearbeitet wird. 

Der Grund für diese Zurückhaltung in Sachen Schnittstellen wird schnell nachvollziehbar. Das noch recht junge Berliner Zwei-Mann-Unternehmen Cableguys führen die beiden Inhaber Jakob Rang und Steffen Rose momentan ausschließlich in der Freizeit, neben ihrem Hauptberuf als Angestellte bei renommierten Berliner Softwarehäusern. Ihr Know-how in Sachen Plug-in-Programmierung haben die beiden praktizierenden Musiker neben ihrem Studium der Medieninformatik erworben. Mit FilterShaper haben die beiden Masterminds zumindest schon einmal bewiesen, das sie trotz zeitraubendem Hauptberuf in der Lage sind, ein professionelles Produkt zu entwickeln. 

Das Design der Bedienoberfläche in dominantem weiß ist eher nüchtern und spröde gehalten, was man jedoch als durchaus gelungen und kreativ empfinden kann. Über Geschmack lässt sich halt nicht streiten. Jedenfalls sind sämtliche Bedienelemente übersichtlich in Sektionen angeordnet, die im direkten Zugriff erreichbar sind. Das Handbuch liefert zu jeder Bedieneinheit knappe, aber informative Erläuterungen. Unverständlich für ein deutsches Unternehmen ist allerdings, dass dieses lediglich in Englisch vorliegt, was schade ist.

Das interaktive Graphik-Display nimmt logischerweise den Großteil der Bedienoberfläche ein. Sehr schön: Eine Reihe von Schaltflächen erlaubt das Ausführen verschiedener Funktionen zum Erstellen und Ändern von Wellenformen. Standards wie Sinus-, Sägezahn-, Rechteck-, Dreieck- und Zufalls-Wellenformen sind bequem per Klick erstellt. Ihre Amplituden und Phasengänge sind absolut und relativ per Schaltfläche editierbar. Allerdings zeigt sich im Praxis-Test, dass die Schrittweiten beim Ändern recht grob ausfallen und so ein präzises Positionieren von Wellentälern und -hügeln am Anfang und Ende eines Schwingungszyklus verhindern. Überdies vermissen wir die Möglichkeit, die gesamte Wellenform bequem mit der Maus zu positionieren, was den Bedienkomfort deutlich steigern würde. Da ist noch Spielraum für künftige Updates vorhanden. Ansonsten wartet das Display mit Funktionen zum Spiegeln und Umkehren von Wellenformen auf, die den Komfort beim Editieren wiederum deutlich erhöhen. Bei Bedarf lässt sich das erzielte Ergebnis kopieren und auf einen der insgesamt zehn Speicherplätze im Plug-in einfügen. Die erstellten Wellenformen werden anschließend zusammen mit dem Effekt-Preset abgespeichert. Wer unterschiedliche Wellenformen aus verschiedenen Presets miteinander kombinieren will, braucht sie nacheinander nur aus den jeweiligen Presets zu kopieren, ins Ziel-Preset einzufügen und anschließend zu speichern. Im Test ist das mehrfache Aufrufen, Kopieren und Zwischenspeichern von Wellenformen ins neue Preset etwas lästig und wir hätten uns schon die Möglichkeit gewünscht, Wellenformen separat speichern und laden zu können. Doch angesichts des Verkaufspreises geht das noch in Ordnung. 

Das Bedienen der Schaltflächen markiert jedoch erst den Anfang der Möglichkeiten. So richtig mächtig wird der Dialog erst durch das Einzeichnen von insgesamt 20 editierbaren Punkten, die jetzt ein nachhaltiges und individuelles Verbiegen der Wellenform gestatten. Ähnlich wie in einem Graphik-Programm bieten die Punkte verschiedene Verhaltensweisen an, wenn man sie mit der rechten Maustaste anklickt. So ist es beispielsweise möglich, harte und zackige Verläufe mit fest definierten Eckpunkten zu realisieren, oder per sogenannter Soft Points weiche Kurvenverläufe zu erstellen, ähnlich wie bei Nutzung eines Bezier-Werkzeugs. Darüber hinaus verfügt FilterShaper über drei Interpolations-Algorithmen, die den Verlauf der Kurve entweder weich und organisch oder eher grob und kantig ausführen, was im letzten Fall das Verhalten von frühen Digitalsynthesizern emuliert. 

Ohne Zweifel, das Graphik-Display ist das Haupt-Feature in FilterShaper. Doch es kann nichts ohne das Zutun der übrigen Komponenten, die sich unterhalb der Anzeige in den einzelnen Sektionen editieren lassen. Außer dem selbsterklärenden Lautstärkeregler bietet FilterShaper die üblichen Eingriffsmöglichkeiten in zwei Filter und vier LFOs. Eine Modulations-Matrix sorgt für die entsprechende Verknüpfung der Quellen und Ziele.

FilterShaper besitzt zwei unabhängig arbeitende Filter, die in Serie verschaltet sind und Eingriffe in einem Bereich zwischen 50 Hertz bis 18,1 Kilohertz gestatten. Möglichkeiten, sie im Stereo-Betrieb parallel zu nutzen, existieren nicht, würden den Funktionsumfang jedoch erweitern. Im Test vermissen wir diese Option jedoch nicht. Außer den üblichen Reglern für Cutoff und Resonanz besitzt jedes Filter noch ein Ausklapp-Menü zur Auswahl von Tief-, Hoch- und Bandpass-Charakteristiken in Flankensteilheiten mit sechs, zwölf und 24 Dezibel pro Oktave. Auf die vier LFOs lassen sich per Menü die zuvor im Display erstellten Wellenformen routen. Die Geschwindigkeit der LFOs ist wiederum über eine Ausklapp-Liste ausschließlich in fest vorgegebenen Taktwerten zwischen einer 128-stel und 32 Takten einstellbar. Die LFOs von FilterShaper sind also ständig mit dem Sequenzer-Tempo synchronisiert. Die Takteinteilungen sind klug und musikalisch sinnvoll gewählt. Bei Einsatz einer langsamen Geschwindigkeit, also einer hohen Taktzahl, ändert sich sogar das Verhalten des LFOs und er arbeitet wie eine Hüllkurve. Das ist pfiffig gelöst. 

Die Filter und LFOs werden anschließend in der selbsterklärenden Modulations-Matrix miteinander verknüpft und erwecken dadurch FilterShaper zum Leben. Jeder LFO lässt sich anteilig durch Werteeingabe in das entsprechende Kästchen auf sämtliche Modulationsziele anwenden. Zur Auswahl stehen Cutoff und Resonanz der beiden Filter und sogar die Ausgangslautstärke, was nicht alltäglich ist. FilterShaper besitzt also gleichzeitig noch einen Tremolo-Effekt. Bemerkenswert: Die Matrix erlaubt bei den Filter-Parametern auch die Eingabe negativer Werte, so dass der Kurvenverlauf des LFOs invertiert auf den Parameter einwirkt. 

Alles in allem bietet die Ausstattung von FilterShaper eine Menge an flexiblen Möglichkeiten zur Klanggestaltung. Im Hör- und Praxistest muss das Plug-in zuerst einmal seine musikalischen und klanglichen Qualitäten unter Beweis stellen. Als erstes widmen wir uns dem Grundklang der Filter. FilterShaper empfiehlt sich durch einen neutralen und nüchternen Grund-Sound, der in analytischer Art und Weise die Frequenzgänge anliegender Signale verfärbungsfrei beschneidet. Böse Zeitgenossen würden den Filter-Sound als kühl und digital abqualifizieren. Doch das wäre ungerecht. Denn FilterShaper erledigt einen sehr guten Job. Die sechs-Dezibel-Versionen überzeugen durch subtile Änderungen im Klang. Die 24-Dezibel-Charakteristiken gehen kraftvoll ans Werk. Die Tiefpass-Variante etwa schafft es spielend leicht, beim Beschneiden von Frequenzen bis 50 Hertz anliegende Signale so zu verändern, dass am Ende fast schon ein synthetischer Sound zu hören ist. Ein anderes Thema ist allerdings die Filterresonanz. Ein Aufreißen des entsprechenden Reglers auf 100 Prozent liefert beim anschließenden Ändern des Cutoffs ein vergleichsweise verhaltenes Pfeifen der selbstoszillierenden Filter. Wer auf färbend klingende Filtersweeps analoger Machart mit bissig vordergründigem Resonanzpfeifen spekuliert, ist aber mit dem Fabfilter Simplon (Test in Heft 6/2007) besser bedient, wenngleich die Bedienung nicht an die des FilterShaper heranreicht. Wer wiederum mehr Ausstattung benötigt, ist mit dem großen Bruder von Simplon, Volcano 2, besser beraten. Der übertrifft FilterShaper zwar in Sachen Eingriffsmöglichkeiten, ist aber auch viermal so teuer. Doch da ist ja noch der zweite Filterschaltkreis, mit dem wir aus dem FilterShaper letztlich doch noch die gewünschte Schärfe herausholen. Unabhängig von der Kombination der Filterarten in beiden Schaltkreisen schafft es FilterShaper bei Einsatz des zweiten Filters, ein ordentliches Schippchen mehr an Filterresonanz zu erzeugen und damit ordentlich Gas zu geben. Allerdings schießt das Plug-in übers Ziel hinaus, wenn bei jeweils voll aufgedrehter Resonanz die Cutoff-Einstellungen beider Filter deckungsgleich sind. Die anliegenden Signale sind fast überhaupt nicht mehr zu hören und das Resonanzpfeifen sorgt für eine brachiale Übersteuerung. Techno- und Industrial-Musiker werden diese Option lieben.

Aber das ist ja nur ein Teil dessen, was FilterShaper ausmacht. Im Praxistest weiß das Plug-in mit quirliger Lebendigkeit aufzutrumpfen und sein gesamtes Potenzial eindrucksvoll auszuspielen. Die im Lieferumfang enthaltenen Presets geben einen profunden Einblick in die Gestaltungsmöglichkeiten. Eine 16-taktige Orgel-Phrase verschönern wir mit einem lang gezogenen Filtersweep durch Einsatz einer Dreiecks-Kurve mit einem zwölf-Dezibel-Tiefpass. Sehr schön: Im Test können wir uns durch die blitzschnelle und bequeme Anwahl längerer und kürzerer Takte blitzschnell ein akustisches Bild von der Wirkung der Anzahl durchlaufener Filtersweeps machen. Zwei Durchläufe genügen völlig, um die Atmosphäre geschmackvoll zu unterstreichen. Anschließend versetzen wir den Einsatz des Filtersweeps, indem wir die Spitze des Dreiecks im Display mit der Maus nach rechts versetzen. Nach kurzem Ausprobieren setzt der Filtersweep auf einer unbetonten Zählzeit ein. Mit Hilfe des Displays haben wir immer eine visuelle Kontrolle über das zu erwartende Ergebnis. Schön wäre es jetzt, den Filtersweep am Beginn der Phrase auf der Eins einsetzen zu lassen und im zweiten Durchlauf auf der Zwei. Kein Problem: Denn fast jeder Parameter in FilterShaper ist per Host-Automation im Sequenzer steuerbar, inklusive der Kurvenpunkte im Display. In Steinberg Nuendo wählen wir den entsprechenden Parameter in der Automationsliste aus und verschieben den Punkt kurz vor Einsatz des zweiten Sweep-Durchlaufs. Es geht auch anders, indem wir die zuvor erstellte und verschobene Dreieckskurve in einen weiteren Speicherplatz des Plug-ins kopieren und per Automationsbefehl aufrufen. 
Für diese Lösung gebührt den Cableguys ein Extra-Lob. Doch das ist nur die zarte und behutsame Seite von FilterShaper. Ordentlich Gas geben wir bei Einsatz von Presets mit wilden Kurvenverläufen und Zick-Zack-Mustern. Ganz gleich, ob wir ein Schlagzeug, einen Bass oder Gitarren damit veredeln. Je nach Geschwindigkeit der LFOs wird das anliegende Signal rhythmisch synchron zerhackt und sorgt für den entsprechenden Aha-Effekt. Durch Einsatz mehrerer LFOs mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Wellenformen, die separat in den Cutoff und die Resonanz eingreifen,  können wir Signale bis zur Unkenntlichkeit dekonstruieren. Hier zeigt sich auch der Grund, warum FilterShaper so verhalten und neutral klingt. Gerade bei opulenten und schnellen Filterverläufen würde ein analog klingendes Filter nur noch Matsch produzieren. FilterShaper hingegen geht wie ein Präzisionswerkzeug vor und modelliert jeden Verlauf deutlich heraus. Mit dem Arsenal an Eingriffsmöglichkeiten ist auf lange Sicht ein kreatives Arbeiten gewährleistet. Gleichwohl könnte FilterShaper jedoch noch deutlich machtvoller zu Werke gehen, würden die Entwickler ihm noch eine Morphing-Funktion zum Überblenden zwischen  Wellenformen verpassen, ein Freihand-Werkzeug zum Einzeichnen von Wellenformen mitgeben, oder einen Transport-Cursor im Display integrieren. Aber das soll keine Kritik sein, eher eine Anregung für künftige Updates, die hoffentlich nicht so umfangreich ausfallen und den attraktiven Verkaufspreis dadurch nach oben pusten würden. 

Fazit

FilterShaper ist ein machtvolles und flexibles Werkzeug zum nachhaltigen Verbiegen von anliegenden Signalen. Die Palette reicht von zart und subtil bis brachial. Ambitionierte Klangbastler erhalten bereits in der Freeware-Version eine sehr gut klingende, voll funktionstüchtige und musikalisch einsetzbare Sound-Design-Option mit einzigartigem Bedienkonzept. Wer den Spaß beim Filtern mehrfach auskosten will, erhält die Lizenz zum unschlagbaren Shareware-Preis.

Erschienen in Ausgabe 08/2008

Preisklasse: Mittelklasse
Preis: 29 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: überragend