Edelstreifen

Mit dem ADL 700 stellte Presonus jüngst sein neues Flaggschiff vor. Der Channelstrip soll sich zur klanglichen Veredelung sämtlicher Signaltypen eignen.

Von Harald Wittig und Sylvie Frei 

Der Channelstrip basiert auf dem beliebten Stereo-Vollröhrenvorverstärker Presonus ADL 600, den der Hersteller in Kooperation mit dem US-amerikanischen Röhren-Experten Anthony DeMaria im Jahr 2005 entwickelt hatte. Für den ADL 700 wurde die einkanalige Variante des Röhren-Preamps in Class A-Schaltung mit einer auf ihn abgestimmten FET-Kompressor- und Vierband-Equalizer-Kombination zu einem vielseitig einsetzbaren Channelstrip ergänzt. Der ADL 700 bietet sich sowohl für den Studio- als auch den Live-Einsatz an. Er besitzt Anschlüsse für alle analogen Signaltypen – XLR-Eingänge für Mic-, und Line-Signale, einen unsymmetrischen, hochohmigen HiZ-6,3mm-Klinkeneingang für passive E-Gitarre/E-Bässe und einen XLR-Ausgang. Der Röhren-Vorverstärker des ADL 700 ist mit Phantomspannung, einer Phasenumkehrfunktion, einem variablen Hochpassfilter und einer Eingangsdämpfung komfortabel ausgestattet. Außerdem verfügt der Mikrofonvorverstärker über eine variable Eingangsimpedanz – doch dazu später mehr. Zur Dynamikbearbeitung und Klangformung dienen der FET-Kompressor und der semi-parametrische Vierband-Equalizer, die beide besonders „musikalisch“ klingen sollen. Der ADL 700 verfügt zudem über eine flexible Schaltung, welche die beiden Effekte getrennt voneinander umgehen und in der Schaltungsreihenfolge umkehren lässt. Der ADL 700 macht einen überaus edlen und wertigen Eindruck. Der imposante 19-Zöller misst auch in der Tiefe fast 19 Zoll und belegt mit einer Höhe von fast zehn Zentimetern gleich zwei Rack-Slots. Das mehr als zehn Kilogramm schwere Gerät hat ein solide erscheinendes schwarzes Metallgehäuse, welches das elektronische Innenleben behütet. Seine Frontplatte strahlt mit den 17 antik wirkenden Drehreglern- und -schaltern, den elf metallenen Kippschalten und dem analogen VU-Meter einen gefälligen Vintage-Charme aus. Eher modern wirken hingegen die bei Aktivität der einzelnen Funktionen blau erstrahlenden LEDs. Die Mehrheit der Anschlüsse – namentlich die XLR-Eingänge für Mikrofon- und Linesignale, der XLR-Ausgang und der TRS-Anschluss – befinden sich auf der Rückseite des ADL 700.

Die einzige Ausnahme bildet der HiZ-Eingang, der praxisgerecht auf der Frontseite des Channelstrips verortet ist. Dort reihen sich die Features in Schaltreihenfolge – Eingangseinstellungen und Vorverstärkerfunktionen, Kompressor-, VU-Meter-, Equalizer- und Ausgangs-Parameter – von links nach rechts auf. Über einen Drehschalter ist zunächst der Signaltyp – Instrument, Line oder Mikrofon – anzuwählen: Wird das Mikrofon-Signal gewählt, stehen vier Eingangsimpedanz-Werte – 1.500, 900, 300 und 150 Ohm – zur Wahl. Dass diese so niedrig sind, ist reichlich ungewöhnlich. Normalerweise sollte die Eingangsimpedanz mindestens fünfmal so hoch wie die Ausgangsimpedanz des jeweiligen Mikrofons sein. Je nach Wert und genutztem Mikrofon sollen sich die Impedanzen – laut Hersteller – mehr oder weniger filterartig auf das eingehende Signal einwirken. Niedrige Werte sollen zu einem tendenziell runderen und weniger offenen, höhere Werte zu einem helleren und filigraneren Klangbild führen. Für den Test verwenden wir zwei Mikrofone: Der Impedanzwandler das Schoeps MK2H/CMC 6U hat beispielsweise eine Ausgangsimpedanz von 35 Ohm, der des Rode NT-6 eine von 200 Ohm. Folgerichtig wären für das Schoeps 600 Ohm, für das Rode 1.000 Ohm empfehlenswert. Bei Werten darunter wären theoretisch Pegelverluste und verstärkte Frequenz-Unregelmäßigkeiten zu erwarten. Wir sind gespannt, wie sich die beiden niedrigeren Werte in der Praxis tatsächlich klanglich auswirken. Zur Einstellung des Eingangspegels stehen dem Nutzer gleich zwei Bedienelemente zur Verfügung. Der Grobeinstellung in Fünf-Dezibel-Schritten dient der Gain-Drehschalter. Zur stufenlosen Feinabstimmungen im Bereich von ±10 dB gibt es den Trim-Drehregler. Eine Eingangspegel-Anzeige suchen wir auf dem Channelstrip allerdings vergeblich. Für das wenig komfortable Pegeln im Blindflug gibt es folglich einen Punkt Abzug. Zumindest eine Kontroll-LED wäre wünschenswert gewesen. Das schmucke VU-Meter zeigt wahlweise entweder den Ausgangspegel oder die Menge der Gain-Reduktion des Kompressors an. Die üblichen Vorverstärker-Features sind alle vorhanden. Über kleine, satt einrastende Kippschalter lassen sich Phantomspannung, Phasenumkehrfunktion sowie der -20-Dezibel-Dämpfungsschalter aktivieren. Das über einen Drehschalter einstellbare Hochpassfilter bietet gleich vier Grenzfrequenzen von 20, 40, 80 und 120 Hertz bei einer Flankensteilheit von -12 Dezibel pro Oktave an. Der FET-Kompressor ist mit den üblichen Drehreglern für Threshold, Ratio, Attack, Release und Gain ausgestattet und besitzt eine Softknee-Charakteristik. Über ein TRS-Verbindungskabel lassen sich außerdem die Kompressoren zweier ADL 700 miteinander verkoppeln, sodass beide Geräte bei Bedarf mit denselben Werten komprimieren. Der Threshold-Regler besitzt eine ST-Stellung, mit der sich einer der beiden Channelstrip-Kompressoren als Slave definieren und sich beide Kompressoren gemeinsam über den Master bedienen lassen. Gain-Werte sind auf beiden Geräten separat einstellbar, was bei unterschiedlich dynamischen Signalen hilfreich sein kann.

Der semi-parametrische Vierband-EQ besitzt vier sich großzügig überlappende Bänder. Alle Bänder können einen gewählten Frequenz-Wert um bis zu ±16 dB in Form einer Glockenkurve mit einem festen Gütewert von 0,55 anheben oder absenken. Die Einstellungen lassen sich über vier Drehregler zur Frequenzauswahl und vier Gain-Regler vornehmen. Die Randbänder sind zudem bei Bedarf separat zu Shelving-Kurven umschaltbar. Im Messlabor kann der ADL 700 ordentlich Eindruck schinden. Mit einer überragenden Empfindlichkeit von -67,5 für den Mikrofoneingang ist der ADL 700 auch der Freund flüsterleiser Bändchen, die er mit 70 Dezibel weit mehr als ausreichend verstärkt. Die Werte für Geräusch und Fremdspannung zwischen knapp 80 und 70 Dezibel sind sehr gut, für ein Röhrengerät sogar hervorragend. Die FFT-Spektren für sämtliche Signale gehen ebenfalls in Ordnung. Der Noisefloor für Mikrofon- und Line-Signal liegt überwiegend unterhalb von sehr guten -90 Dezibel, der für das Instrumenten Signal mit etwa -80 Dezibel etwas höher. Alle drei Kurven weisen einen Peak von 60 bis 70 Dezibel auf einer Höhe von 2k auf, was sich unter Umständen als anwärmende harmonische Färbung bemerkbar machen kann. Weitere kleine Überschreitungen bleiben im nicht wahrnehmbaren Bereich. Der Gesamt-Klirrfaktor für alle Signaltypen ist mit 0,05 Prozent ausgezeichnet. Das Variieren der der Eingangsimpedanz macht sich schon mal messtechnisch bemerkbar: Ausgehend von einem Ausgangswiderstand von 200 Ohm zeigen die Frequenzgänge für Eingangswiderstände von 1.500 und 150 Ohm markante Unterschiede: In 150 Ohm-Einstellung verliert das Signal rund zehn Dezibel an Pegel, gleichzeitig kommt es zu einer eine leichte Anhebung im Höhenbereich und einer Bassabsenkung unterhalb von etwa 40 Hertz. Ob das auch dem gehörmäßigen Klangeindruck entspricht werden wir gleich klären. Einen vorzüglichen Eindruck hinterlässt schließlich auch der Kompressor: Die Kennlinie zeigt eine Soft-Knee-Charakteristik aus dem Lehrbuch, außerdem kann er trotz geringer Werte für das Kompressionsverhältnis vorbildlich greifen. Für unseren Praxistest nehmen wir mehrere unterschiedliche Gesangsstücke mit dem Schoeps MKH2/CMC 6U auf. Wir mischen dabei ruhigeres, lyrisches mit bluesig bis rockig klingendem Material. Zunächst testen wir sämtliche Funktionen einzeln, anschließend unterschiedliche Kombinationen sämtlicher Channelstrip-Elemente. Dazu spielen wir noch ein kurzes Gitarren-Instrumental mit Akustik-Gitarren, mikrofoniertmit dem Rode NT-6, und direkt eingestöpselter E-Gitarre ein. In diesem Fall ist der Kompressor für die Solo-Akustikgitarre und die E-Gitarre schon beim Einspielen aktiv. Tendenziell hat der Röhren-Vorverstärker einen angenehmen, dynamisch fein aufgelösten, leicht angewärmten und durchschnittlich konturierten Klang. Im Vergleich zu unserer Referenz, dem Lake People F355 klingt er weniger klar und präzise – außerdem vernehmen wir ein leises, tieferes Rauschen, das jedoch nicht stört, lediglich im Vergleich zu unserer muxmäuschenstillen Referenz auffällt. Über den Lake People tönt unsere Referenz-Gesangsaufnahme mit dem Schoeps-Mikrofon ausgewogen, fein, frisch und offen. Über den ADL 700 – bei der neutralen Impedanzeinstellung von 1.500 Ohm – klingt unsere Aufnahme etwas nasaler, in den Mitten wärmer und etwas weniger klar und konturiert, hinterlässt aber einen insgesamt angenehmen und stimmigen Klangeindruck. Je weiter wir die Eingangsimpedanz herunterdrehen, desto dunkler wird der Grundklang und verliert zuhörens an Höhen und Obertönen, aber nur ganz leicht an Pegel. Deutliches Nachjustieren des Pegels ist – entgegen der Messwerte – notwendig. Für unsere Aufnahmen entscheiden wir uns für den konventionellen Impedanzwert – schließlich wäre es schade die reiche Obertonstruktur der Frauenstimme grundlos zu beschneiden. Für einen gewollt dunkleren Gesamtklang eignen sich die tieferen Impedanzwerte jedoch gut – allerdings sollte zuvor sorgfältig geprüft werden, ob sie – je nach genutztem Mikrofon – nicht zu einer Überbetonung von Frequenzunregelmäßigkeiten führen. Im Falle eventueller Pegelverluste hat der Verstärker mehr als genug Kraft diese spielend auszugleichen.

Der Kompressor reagiert präzise und fügt dem eingehenden Signal keine merkliche Färbung hinzu. Er kann – je nach Bedarf – sowohl subtil als auch kräftiger zupacken. Für extreme Kompression ist er aufgrund des maximalen Kompressionsverhältnisses von vier zu eins allerdings nicht gemacht. Das Signal erhält selbst bei extremen Einstellungen stets einen Grad an natürlicher Dynamik. Im Test behalten unsere Vocal-Takes ihre Lebendigkeit und Musikalität. Beim Equalizer dauert es eine Weile, bis die optimalen Einstellungen für das jeweilige Material gefunden sind. Die Bypassschaltung macht es uns allerdings leicht das entzerrte Signal mit dem unbearbeiteten Signal zu vergleichen. Nach längerem Experimentieren und Gegenhören nutzen wir das Tiefenband mit seiner höchsten Frequenz von 250 Hertz, nutzen die Shelving-Kurve und senken es maximal ab. So lässt sich – gemeinsam mit dem regulären Hochpassfilter auf 200 Hertz – das leichte tiefe Rauschen sowie das Wummern des Studiorechners wirksam ausblenden. Das Tiefmittenband nutzen wir auf einer Höhe von 500 Hertz und heben es um einen mittleren Wert an, um dem Brustregister der Stimme etwas mehr Resonanz zu verleihen. Das Hochmittenband stellen wir auf fünf Kilohertz ein und senken es deutlich ab, damit die dichten Höhen der Frauenstimme etwas feiner klingen. Das Höhenband heben wir auf einer Höhe von 8.000 Hertz ordentlich an und gestalten den Extrembereich der Stimme offener. Der Equalizer modelliert dabei unser Signal präzise aber unaufdringlich und hinterlässt einen stimmigen Klangeindruck.
In Kombination mischt sich der angewärmte Klang des Vorverstärkers mit dem musikalisch werkelnden Kompressor und dem präzise modellierenden Equalizer sehr gut. Mit den beschriebenen Einstellungen klingen unsere Testaufnahmen warm, druckvoll, dynamisch, durchschnittlich präsent und ausgewogen.
Die Schaltungsreihenfolge von Kompressor und Equalizer kann noch einmal zu merklich variierenden Klangergebnissen führen. Was besser gefällt, ist persönlicher Geschmack und hängt von dem jeweiligen Setup ab. Tendenziell klingen im Test beide Reihenfolgen sehr gut, wobei der Kompressor an erster Stelle mehr von dem natürlichen Stimmklang zu erhalten scheint, der Equalizer an erster Stelle einen etwas stärker modellierten Klang produziert.
Alle bisherigen Festestellungen gelten auch für die Gitarrenaufnahmen, wobei uns das Rode NT-6 am ADL 700 besser als am Lake People gefällt, da der Presonus die bei Nahmikrofonierung mitunter etwas störende Präsenz des Mikrofons angenehm glättet. Die trockenen Aufnahmen eigenen sich sehr gut zur Nachbearbeitung, konkret vertragen sich die Einzelspuren bestens mit Hall-Effekten wie unseren virtuellen Lieblingsraum „Filmorchester Babelsberg“ aus dem Altiverb 7. Der Kompressor ist in der Tat Spitze, denn er entstellt den Klang von Nylonsaiten-Gitarre und Mikrofon nicht, sondern verhilft uns nach sehr kurzer Einstellung nach Gehör dazu, die Sologitarre akustisch ganz vorne auf der imaginären Bühne zu positionieren. Weniger beeindruckt sind wir indes vom Instrumenten-Eingang – im Vergleich zu Top-Preamps aus den Häusern True Systems oder Tube-Tech wohlgemerkt. Unsere 1995er Fender Strat perlt zwar schön, es fehlt aber dieses gewisse Höhenfunkeln das andere Preamps subtil-geschmackvoll herausstellen. Ohne direkten Vergleich klingt der DI-Eingang des ADL 700 allerdings schon sehr gut, keine Frage. Es kommt auch ein wenig auf die Gitarre an. Alternativ probieren wir für ein – später aber verworfenes Solo – eine Gibson Les Paul Studio aus den frühen 2.000er-Jahren. Diese Gitarre hat den klanglichen Nachteil, leicht nasal zu klingen. Diese Nase, die sich recht ausgeprägt zwischen einem und drei Kilohertz erhebt, können mit dem Hochmitten-Filter des ADL 700 einer kosmetischen Operation unterziehen. Wir stellen FREQ auf zwei Kilohertz und drehen den zugeordneten nach links. In der Reglerstellung zwischen -4 und -8 Dezibel – näher an den -4 Dezibel – passt es so recht gut. Damit wird die Gitarre nicht zum gut abgehangenen Vintaginstrument, der wirklich sehr angenehm und tatsächlich musikalisch klingende Equalizer des ADL 700 erweist sich aber in jedem Fall als feiner Klangsteller dieses Edelstreifens.

Fazit

Der Presonus ADL 700 ist ein hochwertiger analoger Channelstrip, der mit seinem angenehm warmen Grundklang und einer flexiblen, klanglich hervorragenden Kompressor- und Equalizer-Sektion überzeugt. Wer ein sorgfältig gefertigtes Analog-Gerät mit nicht alltäglichem Charakter sucht, wird bei Presonus mit dem ADL 700 fündig.

Erschienen in Ausgabe 08/2013

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 2290 €
Bewertung: gut
Preis/Leistung: gut