Der Klang-Magier

Tomo Audiolabs präsentiert mit LIAM einen Channelstrip, der nicht nur mit edlen Bauteilen und Highend-Sound den Boutique-Sektor aufmischen will. Eine eigenwillige Vorverstärkerschaltung sowie ein dynamischer Equalizer der Extraklasse liefern weitere Kaufanreize und heben LIAM von den Mitbewerbern ab.

Von Georg Berger

Mal ehrlich: Hat nicht jeder von uns einmal davon geträumt, sich sein Equipment nach seinen eigenen Vorstellungen und Wünschen fertigen zu lassen? Doch dieser Traum wird angesichts der damit verbundenen Kosten und aufgrund mangelnden Know-hows sogleich wieder verworfen. Dennoch gibt es Enthusiasten die diesen Traum wahr werden lassen und leben wie im Fall von Thomas Frei, der mit Tomo Audiolabs seine eigene Pro Audio Edel-Manufaktur ins Leben gerufen hat. Der begeisterte und versierte Tonstudio-Besitzer kann sich dies auch leisten, denn sein Geld verdient er mit einem mittelständischen Industrie-Unternehmen. Das bietet ordentlich Freiraum, um Tontechnik-Entwicklungen reifen zu lassen und vor allem auch aus dem Vollen zu schöpfen. Mit Helmut Butz hat er das Glück gehabt, einen nicht minder versierten und findigen Tontechnik-Entwickler an Bord zu haben, der Schaltungen und Konzepte jenseits des Üblichen ersinnen kann. Mit ihrem Erstlingswerk, dem rund 14.000 Euro kostenden Mastering-Equalizer LISA haben Frei und Butz den Tontechnik-Sektor seit 2009 gehörig aufgemischt (Test in Heft 04/2010). Kein Wunder, denn das ganz und gar eigenständige Konzept eines dynamischen Equalizers inklusive paralleler Signalbearbeitung plus MS-Matrix sucht bis heute seines Gleichen. Wir konnten uns seinerzeit im Test selbst ein anschauliches Bild über die Möglichkeiten dieses genial konstruierten Entzerrers machen. Mehr noch, machte LISA Appetit auf mehr aus dem Hause Tomo Audiolabs. Doch zunächst herrschte einmal Sendepause bis sich der Hersteller 2013 mit der Ankündigung zurückmeldete, mit LIAM ein weiteres Stück erlesener Tontechnik auf den Markt bringen zu wollen. Herausgekommen ist ein Channelstrip, der mit einer dreistufigen Vorverstärker-Schaltung inklusive zumischbarer Röhrenstufe plus Equalizer-Sektion aufwartet, wobei sich letztere der Technik des LISA-Entzerrers bedient. Kompressoren, De-Esser oder Limiter sind Fehlanzeige. Das erledigt der dynamische Equalizer sozusagen in Personalunion. Anders als in LISA verfügt LIAM jedoch über lediglich zwei Filter, respektive Bänder, die einmal mehr über parallele Signalverarbeitung dem Originalsignal anteilig zugemischt werden können. Kostenpunkt: Rund 3.300 Euro. Das ist ein ordentlicher Batzen und mit diesem Preis-Niveau befindet sich LIAM im gleichen Fahrwasser wie die Äquivalente etwa von Manley, Avalon, Chandler, Tube-Tech oder SSL. Dafür erhält der Anwender ein Stück Tontechnik, das – insoweit bleibt sich Tomo Audiolabs treu – mit qualitativ hochwertigen Bauteilen sowohl aus eigener Fertigung, als auch von Drittanbietern ausgestattet ist. Spulen sind handgewickelt und selbst gefertigt, ebenso wie Übertrager und einmal mehr kommen die in HiFi-Kreisen hochgeschätzten Kondensatoren von Mundorf zum Einsatz. Das verheißt schon einmal Großes. Ob LIAM mit dieser Ausstattung auch im Mess- und Hörtest bestehen kann und den geforderten Preis wert ist, heben wir uns noch ein wenig auf. Werfen wir stattdessen als erstes einen Blick auf die Ausstattung, das Geräte-Konzept und die Einstellmöglichkeiten.

LIAM = Preamp + dynamischer Equalizer

Zum Test erhalten wir vom deutschen Vertrieb For-Tune gleich zwei Geräte geschickt. Hintergrund dafür: LIAM ist nicht nur als klassisches Recording-Frontend geeignet, sondern bietet sich mit seinem Entzerrer nach Aussage von Stefan Mayer von For-Tune auch hervorragend zum Mastering an, sozusagen als Light-Variante von LISA.
Auffällig ist das mit rund acht Kilogramm sehr hohe Gewicht von LIAM. Kein Wunder, denn das Gehäuse und auch die mehrlagige Frontblende bestehen aus dickem Blech beziehungsweise Aluminium. Das hat schon Militär-Qualitäten und unterstreicht schon einmal eindrucksvoll den selbstgesteckten Anspruch. Die Bedienelemente auf der Frontplatte sind in zwei Sektionen unterteilt, was durch Drehknöpfe in schwarz und silber deutlich gekennzeichnet wird. Links findet sich die Vorverstärker-Sektion mit silbernen Knöpfen. Den Großteil der Frontplatte nehmen jedoch die Einstellmöglichkeiten der beiden Filter ein. Insgesamt 17 hinterleuchtete Drucktaster verteilen sich schließlich scheinbar wahllos über beide Sektionen. Beim Betätigen der Taster rasten sie mit einem satten Klicken ein. Allerdings besitzen die Taster-Fassungen um die Frontplatte ein ganz leichtes Spiel. Ein Blick ins Innere zeigt, dass sie nicht mit der Frontplatte verschraubt sind, was wiederum wenig robust wirkt. Da hätten wir anderes erwartet. Letztlich ist das aber Jammern auf ganz hohem Niveau, denn um den Tastern Schaden zufügen zu können, muss schon mutwillig Gewalt ausgeübt werden. In Sachen Anzeigen gibt sich LIAM eher spartanisch. Eine horizontale LED-Meter-Kette zeigt den Pegel des verstärkten Eingangs-Signals an und je eine rote LED gibt über ein Pulsieren Auskunft über die Arbeit der Dynamik-Sektionen in den Filtern.

In Sachen Anschlüsse gibt sich der LIAM Channelstrip ungleich offenherziger. Vier XLR-Anschlüsse und eine Klinken-Buchse sind auf der Rückseite eingelassen. Mic in dient zum Anschluss des Mikrofons. Main-out und Pre-out führen separat das Summensignal oder nur das reine Vorverstärker-Signal aus dem Channelstrip heraus. Der mit Line-in bezeichnete Eingang erlaubt das Einspeisen externer Signale zwischen Vorverstärker und Equalizer, so dass sich bei Bedarf weitere Effekte zur Klangformung einbinden lassen oder ausschließlich der Equalizer nutzen lässt. Für ersteres muss logischerweise das Pre-out-Signal in das externe Effektgerät geleitet werden, das seinerseits das bearbeitete Signal via Line-in zurück in LIAM führt. Die rückseitige Klinken-Buchse erlaubt mit Hilfe eines Stereo-Klinkenkabels schließlich das Verkoppeln von zwei LIAMs. Genauer gesagt, werden im Stereo-Betrieb über diese Leitung die Dynamik-Sektionen beider Channelstrips synchronisiert. Noch genauer gesagt: Die Arbeitspunkte, in dem Fall der Pegel, der zuerst den eingestellten Threshold-Wert übersteigt, steuert gleichzeitig den Regelkreis des anderen Kanals. Frontseitig erlaubt schließlich noch eine Mono-Klinken-Buchse den Anschluss von elektrischen Instrumenten.

Recording-Frontend und Mastering-Effekt in Einem

Um den Wust an Bedienmöglichkeiten auf der Frontplatte erkennen und beherrschen zu können ist schon ein wenig Einarbeitungszeit erforderlich. Aber einmal verstanden, eröffnet sich eine Vielzahl an Optionen zur Klangformung. Via Drehschalter wird als erstes ausgewählt, ob ein Mikrofon- oder Hi-Z-Signal verarbeitet werden soll. Für beide Eingänge steht ein eigener Gain-Regler und mithin auch Verstärker zur Verfügung, wobei der Mic-Gain-Regler als Drehschalter ausgeführt ist und pro Rastung eine Änderung um zwei Dezibel ausführt. Doch damit fängt das Pegeln erst an. Über den Tube Gain-Regler wird die Röhren-Verstärkungsstufe hinzugemischt und via Pre-Out das Gesamtsignal in der Lautstärke kontrolliert. Näheres zur Vorverstärker-Schaltung steht im Kasten auf Seite XX. Der Pre-Out-Regler kontrolliert logischerweise auch den Pegel am gleichnamigen XLR-Ausgang. So wird das Eingangssignal durch geschicktes Austarieren von drei Reglern entsprechend verstärkt und je nach Stellung des Tube-Gain-Reglers mit einer ordentlichen Portion harmonischer Oberwellen versorgt. Außer den üblichen Einstellmöglichkeiten (Phantomspannung, Phasen-Invertierung, Pad-Funktion, Lo-Cut-Filter) verfügt die Preamp-Sektion von LIAM über nicht alltägliche Features. So wird über den Bright-Taster eine Höhenanhebung im Hi-Z-Kanal ausgeführt. Das in drei Stufen einstellbare Air-Band erledigt das Gleiche in beiden Kanälen. Beide Funktionen sorgen für einen Schuss an Luftigkeit und Frische. Besonderheit: Das Lo-Cut-Filter arbeitet vor der Röhren-Stufe, so dass tieffrequente Signalanteile beim heißen Anfahren der Röhre nicht über das Mass zerren. Das Air-Filter ist hingegen direkt in die Röhrenstufe integriert und sorgt dort für den nötigen Schuss an Glanz. So etwas findet sich auch nicht alle Tage und zeugt vor allem vom Know-how und der Praxis-Erfahrung des Herstellers. Über den Insert-Taster wird schließlich die interne Verbindung zwischen Preamp und Equalizer gekappt, um wahlweise externe Signale oder Effekte einspeisen zu können. Ganz rechts und der Preamp-Sektion zugehörig sorgen ein Output- und der Dry Level-Regler für ein Regulieren der Lautstärke am Main-out-Anschluss sowie für ein Ausbalancieren zwischen Originalsignal und entzerrtem, bearbeiteten Signal.

Dreistufige Preamp-Schaltung

Die Ausstattung beider Filter-Bänder fällt identisch aus mit Ausnahme der Frequenzwahl-Schalter, die mal vom Sub-Bass bis in den Mittenbereich und vom Mittenbereich bis in die Höhen jeweils einen weiten Frequenzbereich abdecken und auch einander überlappen. Dabei lassen sich auch Frequenzen jenseits des Hörbereichs einstellen, die in Extrem-Positionen bei 12 Hertz und 26 Kilohertz liegen, je nach Einstellung der Filterflanken, aber durchaus für entsprechende (subtile) Auswirkungen im Hörbereich sorgen. Jedes Filterband ist per Bypass-Schalter einzeln aktivierbar. Per Drehschalter kann zwischen Shelv- oder fünf fest eingestellten Güte-Werten ausgewählt werden. In dem Fall arbeiten die Filter in Glocken-Charakteristik. Der Gain-Regler erledigt erwartungsgemäß das Anheben oder Absenken der zuvor eingestellten Center-Frequenz. Dabei muss per Taster bestimmt werden, ob das Band angehoben oder abgesenkt werden soll. Der Clou: Über einen weiteren Taster lässt sich die gewählte Center-Frequenz mit einem Schlag sogar verdoppeln.
Weiter geht’s mit der Dynamik-Abteilung, die ebenfalls per Taster separat aktivierbar ist. Wer mag, kann den EQ also auch nach alter Väter Sitte statisch einsetzen. Via Threshold-Parameter bestimmten wir den Einsatzpunkt der dynamischen Entzerrung und ähnlich wie im guten alten Fairchild-Kompressor erlaubt ein Drehschalter die Auswahl fest eingestellter Attack- und Release-Parameter, die in Kombination die drei Stellungen Fast, Mid und Slow besitzen. Der Ratio-Taster erlaubt das Umschalten zwischen zwei Kompressions-Verhältnissen (niedrig, hoch). Last but not Least findet sich noch ein eher kryptisch mit zwei vertikalen Keilen bezeichneter Taster direkt neben der Gain-Reduktions-LED. Mit seiner Hilfe kann die Dynamik-Sektion zwischen Kompression und Expansion umgeschaltet werden. Insgesamt offeriert LIAM mit dieser Ausstattung weitreichende Möglichkeiten zum Formen anliegender Signale, die teils über das Maß dessen ragen, was ein Channelstrip für gewöhnlich zu bieten hat.

Exzellente Messwerte

Im Messtest macht der LIAM Channelstrip erwartungsgemäß eine sehr gute Figur. Allerdings zeigen sich einige Auffälligkeiten. So zeigen die ermittelten FFT-Diagramme Brumm-Spektren, die vom Trafo herrühren. Sie liegen zwar unterhalb -80 Dezibel und fallen nicht ins Gewicht. Aber das hätten wir anders erwartet. Ein neutrales, transparentes Signal mit Hilfe der Preamp-Parameter einzustellen, ist nahezu unmöglich, denn der Tube Gain-Regler muss zumindest eine kleine Wenigkeit angehoben werden, sonst kommt nichts durch. So zeigt das FFT-Spektrum bei homöopathischen Tube-Gain-Dosen harmonische Oberwellen bei k2 und k3, die bis hinauf etwa -64 und -84 Dezibel reichen. Drehen wir den Tube-Gain-Regler weiter auf, vermehren sich die harmonischen Oberwellen, die gleichzeitig entsprechend nach oben ragen. LIAM ist also zumindest messtechnisch kein Verfechter der Transparenz, sondern ein ausgewiesen quirliger Vertreter der Gattung Klangfärber. Die Ergebnisse nach Messung des Klirrfaktors stützen dies noch. In „Neutralstellung“ ermitteln wir eine Verlaufskurve, die zwischen hervorragenden 0,06 bis 0,1 Prozent liegt. Sobald wir den Tube-Gain wieder hochdrehen, schießt der Klirrfaktor hoch in Regionen von ein- und sogar zweistellige Prozentwerte. In Sachen Fremd- und Geräuschspannung ist der LIAM hervorragend aufgestellt. Am Mikrofon-Eingang ermitteln wir Werte von 84 und 88,7 Dezibel. Der Instrumenteneingang ist circa acht bis 10 Dezibel schlechter, aber immer noch deutlich besser als manch anderer Preamp. Die Gleichtaktunterdrückung ist ebenfalls vorbildlich und reicht gerade mal bis hinauf -70 Dezibel bei 20 Kilohertz. Mit 46,4 Volt bei satten 13,7 Milli-Ampère zeigt sich auch die Phantomspannung bestens aufgestellt. Einzig die versprochenen 80 Dezibel Verstärkung erreicht der LIAM im Messtest nicht ganz. Wir ermitteln einen Wert von 73, 4 Dezibel, was aber immer noch mehr als ausreichend ist und LIAM ohne Not in die Riege der stärksten Vorverstärker katapultiert. Da kann sich manch ein Mitbewerber eine gehörige Scheibe von abschneiden. Messtechnisch hat sich der LIAM Channelstrip schon einmal in die Spitzenklasse einsortiert und den Test mit einem sehr gut bestanden. Die aufgezeigten Schwachstellen rangieren einmal mehr in der Abteilung „Jammern auf hohem Niveau“.

Klangfarbenmaler

Im Hör- und Praxistest bestätigt LIAM die von uns gewonnenen Eindrücke im Messtest. Der integrierte Preamp ist ein ausgewiesener Klangfärber. Im Vergleich zu unserer Referenz, dem transparenten Lake People Mic-Amp F355, sind die LIAM-Aufnahmen spürbar mit Obertönen gewürzt. In Neutralstellung – der Tube-Gain-Regler liegt etwas unterhalb der Neun-Uhr-Position – klingen Sprach- und Instrumentenaufnahmen zwar wunderbar transparent. Doch im Vergleich zum Lake People besitzen sie auf subtile Art ein wenig mehr Fundament und Seidigkeit. Das ändert sich schlagartig beim Aufdrehen des Tube-Gain und durch geschicktes Austarieren des Mic-Gain, respektive Hi-Z-Gain-Reglers. Aufnahmen einer Akustik-Gitarre klingen vordergründiger, angenehmer und durchsetzungsfähiger. LIAM schmeichelt dem Grundklang der Gitarre ohne Wenn und Aber. Sprachaufnahmen gewinnen ebenfalls an Charakter, wobei wir gerne auch mit dem Air-Band nachhelfen, das dem Ganzen eine ordentliche Portion Glanz und Luftigkeit dazu zaubert. Herrlich. Allerdings gilt es auch vorsichtig mit der Röhrenstufe umzugehen, denn sie besitzt gewaltige Kraftreserven. Das merken wir, als bei der Akustik-Gitarre von Single-Notes auf Akkorde umgeschwenkt wird. Plötzlich sind deutliche Verzerrungen hörbar, die zwar durchaus angenehm, aber in dem Fall unpassend sind. Ein wenig Abhilfe schafft das Lo-Cut-Filter, das noch vor der Röhre wirkt und den Zerr etwas abmildert und auf diese Weise der Gitarre zu merkbar mehr Bissigkeit und Durchsetzungskraft verhilft. Wer es absichtlich böse haben will, kann mit der Röhre Sprach- und Gesangsaufnahmen sogar nachhaltig verzerren und findet sich auf einmal im Industrial und Nu Metal wieder. Doch LIAM hat ja mit seinem Equalizer noch weitaus mehr zu bieten, der, ebenso wie seinerzeit im LISA-Test, sich durch einen angenehm musikalischen Klang auszeichnet, der zwar subtil, aber dennoch spürbar ans Werk geht. Einmal mehr erhalten wir den Eindruck, als ob ein passiver Equalizer seinen Dienst verrichtet und das, obwohl es sich ja um eine aktive Schaltung handelt. In dem Fall zahlt sich die hohe Qualität der Bauteile klanglich in jedem Fall aus. Die Sonne geht aber erst so richtig auf, als wir die Dynamik-Funktion einschalten und obwohl LIAM „nur“ zwei Bänder besitzt, lässt sich damit im Test einiges anstellen. Im Vergleich zu einer statischen Filterung, klingts auf einmal deutlich lebendiger, organischer und frischer. Die Signale fangen förmlich an zu atmen und bei geschicktem Einsatz der Parameter ist vom Filter-Einsatz nichts mehr zu spüren. Dank Parallel-Verarbeitung können wir sogar ungleich mehr Gas beim Filtern geben und das Ergebnis anschließend anteilig mit dem Originalsignal austarieren. Damit besitzt auch LIAM ohne Abstriche tatsächlich Mastering-Qualitäten. Als dynamisch-intelligenter Shelving-Filter eingesetzt,kann er so manchen Mix nachhaltig aufräumen und dank seiner Glocken-Charakteristik an problematischen Stellen auf chirurgische Weise für spürbar mehr Klarheit und Druck sorgen. So etwas findet sich nicht alle Tage, weder im Channelstrip-Sektor, noch zu dem Preis.

Fazit

Tomo Audiolabs präsentiert mit LIAM ein Stück Spitzenklasse-Tontechnik, das sich durch geniale Ingenieurskunst, flexible Gestaltungsmöglichkeiten, ein einzigartiges Gerätekonzept und hervorragenden Sound auszeichnet. Mit den gegebenen Möglichkeiten lädt der Channelstrip zu fröhlichem Experimentieren ein, gehört aber nicht zuletzt durch den machtvollen dynamischen Equalizer in die Hand von Könnern. Dabei ist LIAM gleichsam für Recording und Mastering geeignet. Der geforderte Preis geht angesichts der gebotenen Qualität und Ausstattung mehr als in Ordnung.

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Drei Stufen für ein Halleluja: Die Vorverstärker-Schaltung im LIAM Channelstrip

Dort wo der Großteil der Preamps mit lediglich einer, vielleicht zwei Vorverstärkerschaltungen aufwartet, macht es der LIAM Channelstrip nicht unter drei Vorverstärker-Stufen. Eigentlich sind sogar vier Schaltungen im Gerät verbaut. Doch der Reihe nach. Für Mikrofon und Instrument stehen separate Eingangsstufen bereit. Während die Mikrofonstufe per Übertrager symmetriert ist, wartet der Instrumenten-Eingang mit einer hochohmigen FET-Stufe auf. Weiter gehts in die zweite Stufe, die sich um die Weiterverstärkung kümmert und mit einem Übertrager in ZeroField-Schaltung arbeitet. Die dritte Stufe arbeitet schließlich in Röhrentechnik, wobei eine Doppeltriode vom Typ ECC82/12AU7. Zum Konzept und den Vorzügen gibt uns Entwickler Helmut Butz freimütig folgende Auskunft:
Das dreistufige Verstärkerkonzept ergab sich gewissermaßen aus den gesteckten Zielen: Wir wollten einen bändchentauglichen und klanglich variablen Preamp mit eigenem Grundcharakter haben. Da es in den 50ern und 60ern schon mal Konzepte mit mehreren Übertragern gab, habe ich mich da ein wenig umgeschaut. Heraus kam folgendes: Die erste Stufe mit entsprechendem Eingangsübertrager hat ein wenig Ähnlichkeit mit alten Siemens- und Neveschaltungen. Sie macht mit circa 40dB den Großteil der Verstärkung. Die zweite Stufe in Zero Field-Schaltung macht weitere 25dB Verstärkung. Diese Schaltungsvariante wird hin und wieder als Summierer eingesetzt, wo sie in der Regel mit 1:1-Übertragern läuft. Im LIAM-Konzept wird zwecks Gain-Gewinn ein Übertrager mit Übersetzung 1:5 (14dB Verstärkung) verwendet. Dieser wird als sogenannter  „Stromübertrager“ betrieben. An ihm liegt dabei so gut wie keine Spannung an, es fließt fast nur Strom. Dadurch hat der Übertrager kaum Leistung zu verarbeiten und kann bis in die tiefsten Frequenzen hoch ausgesteuert werden, ohne zu klirren. Der dazugehörige Differenzverstärker stellt die Verbindung zur dritten Stufe her. Diese arbeitet unspektakulär mit einer Doppeltriode vom Typ ECC82 und erzeugt noch einmal knapp 20dB Verstärkung. Triode 1 ist dabei der Spannungsverstärker, Triode 2 der Impedanzwandler der das Signal niederohmig an den EQ weitergibt.

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Dynamic-EQing à la Tomo Audiolab

Das aus dem Mastering-EQ LISA stammende Konzept der dynamisch regulierten Filterschaltkreise wurde 1:1 auch in den beiden Filtern des LIAM-Channelstrips übernommen.
Dabei kommen aktiv arbeitende und rückgekoppelte Filterschaltkreise zum Einsatz. Sie setzen sich aus zwei Operationsverstärkern zusammen, wobei der erste Verstärker über eine klassische RC-Schaltung die Aufgabe des Filterns übernimmt und sich der zweite Verstärker um die Rück-, respektive Gegenkopplung des Signals kümmert, wodurch das Verstärken der Frequenz realisiert wird. Das Absenken von Frequenzen wird hingegen durch ein Invertieren der Phase am Eingang des Filterschaltkreises erreicht. Der Clou bei dieser Arbeitsweise besteht darin, dass die Dynamiksektion in den Rückkopplungsweg des Filterschaltkreises integriert ist, die dadurch Einfluss auf Gain und Güte der eingestellten Frequenz nimmt. Die Dynamikbearbeitung erfolgt dabei mit Hilfe eines optischen Regelglieds, das, anders als für gewöhnlich erwartet, mit einer sehr harten Kompressionskennlinie aufwartet und ein starkes Regelverhalten aufweist. Grund: Durch den Einsatz im Filter-Rückkopplungsweg muss das Regelglied eine solche Charakteristik aufweisen, damit Eingriffe in die Dynamik entsprechend hörbar sind. Anders als viele herkömmliche Equalizer realisieren die LIAM-Filter eine parallele Signalverarbeitung, bei der das eingespeiste Signal zum Einen ohne Bearbeitung direkt an den Ausgang geschickt und zum anderen parallel durch die Filter geschickt wird. Über den Dry Level Regler lässt sich schließlich eine Mischung aus Direkt- und Filtersignal herstellen. Zur Symmetrierung kommen Ein- und Ausgangsübertrager zum Einsatz, die übrigens aus eigener Fertigung stammen. Die für das Definieren der Filterfrequenz zuständigen Kondensatoren stammen hingegen vom Kölner Hersteller Mundorf.

Erschienen in Ausgabe 03/2015

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 3331 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut