Par excellence
Er ist überall. Der blaue Bolide MEC 1A der dänischen Edelmanufaktur Tube-Tech belegt weltweit hunderte Höheneinheiten in den Racks professioneller Tonstudios. Professional audio Magazin klärt warum.
Von Michael Nötges
Der dänische Pro-Audio-Hersteller Tube-Tech, entwickelt und fertigt seit über 20 Jahren professionelles Outboard-Equipment in Röhrentechnik und vertreibt mittlerweile weltweit in mehr als 40 Ländern. Begonnen hat die Erfolgsgeschichte 1985 in der Garage des Firmeninhabers John G. Petersen mit der Produktion der ersten Einheiten des Tube-Tech PE 1A, einer Kopie des Pultec Programm-Equalizers EQP 1A. Damals wie heute legt der Entwickler nach eigenem Bekunden sein Hauptaugenmerk auf hervorragende klangliche Eigenschaften und eine hochwertige Fertigung. Dies will er durch besonders ausgetüftelte Schaltungen, grundsätzlich trafosymmetrierte Ein- und Ausgänge, penible Qualitätssicherung und last not least durch konsequente Handfertigung erreichen. Der zum Test anstehende einkanalige Channelstrip MEC 1A genießt in Profikreisen seit Jahren einen ausgezeichneten Ruf und darf in vielen Racks großer Studios nicht fehlen. Er kombiniert drei Tube-Tech-Geräte – Mikrofonvorverstärker (MP 1A), Equalizer (EQ 1A) und Opto-Kompressor (CK 1B) – in einem kompakten 19-Zoll-Gerät. Als Allrounder eignet er sich sowohl für Mikrofon- als auch Instrumentenaufnahmen und lässt sich bei Bedarf sogar als Line-Verstärker umfunktionieren. Der Recording-Spezialist kostet stolze 4.200 Euro, hat dafür aber auch einiges zu bieten. Er ist sehr sauber verarbeitet und die Drehregler und Kippschalter, sowie das etwas klein geratene, hinterleuchtet VU-Meter demonstrieren eindrucksvoll, dass es sich hier um ein analoges Gerät im Vintage-Stil handelt. Obwohl aufgrund der zahlreichen Bedienelemente die Frontplatte etwas beengt erscheint, bleibt doch ausreichend Platz für komfortables Handling. Sieben auf einen Streich Der Lichtstrahl der überdimensionierten, roten Power-Leuchte lässt auch bei Tageslicht keinen Zweifel aufkommen, ob das Gerät an- oder ausgeschaltet ist. Ein Blick ins Innere zeigt: die Konstrukteure haben ganze Arbeit geleistet. Kurze Kabelwege, sorgfältig bestückte Platinen, ein aufwändig abgeschirmter Ringkerntrafo, Luftspulen für den passiven Equalizer und mittendrin sieben Doppeltrioden – also 14 aktive Bauteile. Dabei handelt es sich um drei chinesische ECC81, weitere drei ECC83 der russischen Firma Sovtek, sowie eine ebenfalls aus russischer Auftragsfertigung stammende ECC82EH des amerikanischen Röhrenherstellers Electro Harmonix. Diese ist, laut Electro Harmonix, originalen GE 6189 nachempfunden. Der Channelstrip unterteilt sich klassisch in die drei Module Vorverstärker, Equalizer und Kompressor. Über die XLR-Buchse auf der Rückseite des Gerätes gelangt das Signal zunächst zum Eingangsübertrager.
Dieser trennt es galvanisch und hebt es um zehn Dezibel an. Danach reicht er es an die beiden sogenannten Dual-Tube-Amplifier weiter. Der hochohmige DI-Eingang (ein Megaohm) ist für schnelles Plug and play bei E-Gitarren oder -Bässen in die Frontplatte integriert. Dieser unsymmetrische Eingang umgeht den Übertrager und speist die Eingangsstufe direkt. Wird ein Instrument angeschlossen, ist der Mikrofoneingang automatisch inaktiv. Zum exakten Einpegeln dienen zwei der griffigen Drehregler, die auf festen Positionen sanft einrasten. Der erste (Coarse) ist fürs Grobe zuständig. Er hebt das Eingangssignal in Zehn-Dezibel-Schritten (+20 bis +60 Dezibel) an. Der Gain-Regler sorgt für die Feinjustierung in Ein-Dezibel-Schnritten (+1 bis +9 Dezibel). Daraus ergibt sich ein Verstärkungsbereich von insgesamt 50 Dezibel. Mit Hilfe von vier satt klickenden Kippschaltern lassen sich Phantomspeisung, PAD (-20 Dezibel), Phasenumkehrung und Trittschallfilter aktivieren. Zur flexiblen Eliminierung von tieffrequenten Störgeräuschen verfügt der Hochpassfilter über zwei Einsatzfrequenzen mit unterschiedlichem Dämpfungsgrad: 20 Hertz mit zwölf und 40 Hertz mit sechs Dezibel pro Oktave. Aber das ist bei Weitem noch nicht alles, was der MEC 1A in punkto Filterung zu bieten hat. Das Equalizer-Modul verfügt zunächst über einen Low- und High-Shelf-Filter. Beide offerieren sechs vorgegebene Einsatzfrequenzen (Bässe: 20 bis 160 Hertz, Höhen: vier bis 26 Kilohertz). Die jeweiligen Frequenzwahlschalter rasten auf den einzelnen Positionen ein, während je ein Kippschalter über Anhebung oder Dämpfung des gewählten Bereichs entscheidet. Ein kontinuierlich verstellbarer Gain-Regler bestimmt die Amplitudenänderung zwischen Null und 15 Dezibel. Das Glockenfilter für das Mittenband bietet zwölf Centerfrequenzen von 40 Hertz bis zehn Kilohertz. Im Gegensatz zu den Seitenbändern sind hier Amplitudenänderungen von 20 Dezibel möglich. Über die beiden Modi Boost oder Cut lassen sich sehr gezielt bestimmte Frequenzbereiche betonen oder herausfiltern. Für die genaue Ortung bestimmter Frequenzen, sowie die klangliche Feinjustage, lässt sich zusätzlich der Q-Faktor des Glockenfilters fließend von sharp auf broad ändern. Wichtig: Ein Bypass-Schalter ermöglicht das Abschalten des gesamten Equalizers. Auffallend ist die weite Überlappung der Frequenzbänder. Zieht man den Trittschallfilter hinzu, können feine bis wüste Klangveränderungen über den gesamten Frequenzbereich vorgenommen werden. Das Höhenfilter reicht sogar weit über den hörbaren Bereich hinaus (26 Kilohertz) und ermöglicht damit nuancierte klangliche Manipulationen. Aber auch für ausreichende Signalkontrolle ist gesorgt. Das Opto-Kompressor-Modul bietet zunächst pflichtbewusst alle vier Standardparameter – Ratio, Threshold, Attack- und Relelase-Zeit – und einen Bypass an. Die Aufholverstärkung (Null bis + 10 Dezibel) erfolgt über den Ausgangspegel-Regler mit praxisnaher logarithmischer Beschriftung. Der Ratio-Regler ändert stufenlos die Kompressionsverhältnisse von 1,5:1 bis hinauf zu 10:1, während der Einsatzpunkt der Kompression (Off bis -20 Dezibel) durch die Stellung des Threshold-Reglers bestimmt wird. Wahre Ingenieurskunst Die Attack-Zeit lässt sich von einer bis auf 100 Millisekunden verlängern, die Release-Zeit changiert nach Bedarf zwischen 0,07 und 2,5 Sekunden. Im Vergleich zum Avalon Channelstrip VT-737 SP (Test 8/2007) greift der MEC 1A schneller – der Avalon hat eine minimale Attack-Zeit von zwei Millisekunden. Die minimale Releasezeit des Tube-Tech ist mit 700 Millisekunden dafür deutlich länger als beim VT-737 SP (100 Millisekunden). Es ist eine Frage des Charakters: der sanfte Däne konzentriert sich eben eher auf die Kompression der Transienten und weniger auf Pumpeffekte durch kurze Release-Zeiten. Zusätzlich wartet der MEC 1A mit einem Kippschalter zur Aktivierung festgelegter Attack- (eine Millisekunde) und Release-Zeit (50 Millisekunden) auf: Mit einem Handgriff ist die universelle Einstellung definiert, die Intensität der Kompression über Ratio und Threshold aber immer noch bestimmbar. Als wäre das noch nicht genug, bietet der ausgezeichnet bestückte Channelstrip gleich zwei Sidechain-Wege. Ein dreistufiger Kippschalter wählt die auf der Rückseite des Gerätes installierten Buchsen (6,35-mm-Klinke) an. In Mittelstellung sind beide Hilfswege inaktiv. Zeigt der Schalter nach oben ist der Erste ausgewählt, weist er nach unten der Zweite. Anwendungsbeispiel: An den ersten Sidechain ist ein externer Equalizer angeschlossen, der frequenzabhängige Kompressionen möglich macht. Damit kann das Kompressormodul bei Gesangsaufnahmen zum De-esser erweitert werden.
Der zweite Sidechain verlinkt den MEC 1A beispielsweise mit einem zweiten Channelstrip. Um einen der beiden als Slave zu terminieren, muss der Threshold dieses Gerätes auf Linksanschlag stehen, da der stärker wirkende Kompressor immer den schwächeren dominiert. Ratio und Gain sollten im Stereobetrieb gleiche Werte aufweisen, Attack- und Release-Zeiten werden automatisch vom Master übernommen. Bei Gesangsaufnahmen kann nun der eingeschleifte Equalizer zum entschärfen der Zischlaute hilfreich sein (Kippschalter auf link1). Für Stereo- oder Mehrkanalaufnahmen ist die parallele Verlinkung von bis zu zehn Geräten (Kippschalter auf link2) möglich. Das nervige Umstecken und neue Verkabeln bleibt einem erspart. Nicht erspart bleibt dem findigen Toningenieur allerdings das Umlegen eines weiteren Kippschalters, wenn er die Reihenfolge von Kompressor- und Equalizer-Modul vertauschen möchte. Hintergrund: klanglich macht es einen Unterschied, ob zunächst bestimmte Frequenzbereiche gefiltert und anschließend die veränderten Pegelspitzen komprimiert werden, oder ob ein bereits komprimiertes Signal gefiltert wird. Übrigens: Da auch beim Mastern häufig mit der Reihenfolge von Equalizer und Kompressor experimentiert wird und der MEC 1A dank der PAD-Funktion auch als Lineverstärker umfunktioniert werden kann, ist sogar ein Einsatz als Mastering-Tool durch Kaskadierung zweier Geräte denkbar. Ein Blick auf die Messwerte bestätigt: Die Entwickler bei Tube-Tech verstehen ihr Handwerk. Die Eingangsemfpindlichkeit des Mikrofoneingangs bietet mit -69 Dezibel selbst für Aufnahmen mit Bändchenmikrofonen beste Verstärkungsreserven. Dabei wirkt sich anscheinend die hochwertige Abschirmung des Eingangsübertragers auf die guten Werte aus. Der Geräuschspannungsabstand beträgt 82,5 Dezibel, der Fremdspannungsabstand 80,4 Dezibel. Hier dominieren, wie die FFT-Analyse zeigt, demnach vorwiegend Brummkomponenten, die Rauschwerte liegen deutlich darunter. Die Werte für die Gleichtaktunterdrückung – sie liegen oberhalb von 300 Hertz weit unterhalb von -70 Dezibel – werden durch Störungen des eigenen Netzteils leicht getrübt. Bei 50 und 100 Hertz steigen sie bis auf -53 beziehungsweise -63 Dezibel an. Von Dr. Jekyll zu Mr. Hyde Der Klirr bleibt ohne Kompression über den gesamten Frequenzbereich unter 0,1 Prozent – für Röhrengeräte ein beachtlich gutes Ergebnis. Eins ist klar: Der MEC 1A ist in erster Linie auf neutrale Klangübertragung getrimmt. Aber er kann auch anders. Bei starker Kompression wird der MEC 1A von Dr. Jekyll zu Mr. Hyde und klirrt saumäßig. Die Werte schießen bewusst bis auf zehn Prozent und k2 und k3 reichen bis an die -40-Dezibel-Marke heran. Er vergisst die guten Vorsätze und zeigt, was noch in ihm steckt. Mit den Erkenntnissen aus dem Messlabor, gehen wir erwartungsvoll in die letzte Runde – dem Hör- und Praxistest von Professional audio Magazin. Zum Vergleich tritt der F355 von Lake People (Heft 8/2006) an, der die neutrale Referenz darstellt. Gleiches gilt für das verwendete Kondensatormikrofon M 950 von Mikrotech Gefell (Heft 6/2007), das sich durch einen außergewöhnlich ausgewogenen Klang auszeichnet. Wir nehmen Gesang und Steelstring-Gitarre über den Mikrofon- sowie E-Bass über den DI-Eingang auf: zunächst neutral, dann mit unterschiedlichen Kompressor- und Equalizer-Einstellungen. Das Einpegeln des Gesangs führt, nach kurzer Gewöhnungsphase an das analoge VU-Meter und einigen kurzen Testaufnahmen, zu einem perfekten Aufnahmepegel. Dabei erweisen sich die beiden Eingangs- und der Ausgangsregler als perfektes Gespann für die Pegelkontrolle.
Wer bei den Aufnahmen einen üppigen Röhrensound erwartet, ist auf dem Holzweg. Der Gesang kommt natürlich und ausgewogen. Sehr überzeugend ist die nuancierte Auflösung, die das charakteristische Timbre und feine Schmatz- und Atemgeräusche exakt abbildet. Die Unterschiede zum F355 liegen im Detail: Auch wenn die Höhen bei beiden sehr frisch klingen und das Signal nach oben hin keine Grenzen zu haben scheint, klingt der MEC 1A etwas abgerundeter. Zischlaute und Wortenden mit Konsonanten erscheinen insgesamt etwas weicher. Zusätzlich sind die unteren Mitten ein wenig angedickt. Die Stimme bekommt mehr Bauch und klingt einen Hauch fülliger, bleibt dabei aber natürlich und transparent, ohne das Klangbild zu verfärben. Bei Aktivierung des Kompressors bleibt erneut der Sound-Schock aus. Mit steigender Kompression ist der satte und samtige Vintage-Sound zwar deutlich zu hören, allerdings wirkt der Kompressor äußerst sanft und behutsam. Angereichert mit angenehm klingenden Obertönen und mit weich komprimierten Spitzen rückt der Gesang weiter in den Vordergrund, gerät charakteristischer und vordergründiger. Die Gitarrenaufnahmen zeigen sich als realistisches, ausgewogenes Abbild der Wirklichkeit. Nach aufwändigem Vergleichen mit dem F355 bestätigt sich der Höreindruck der Gesangs-Session. Für die Steelstring-Gitarre wirkt sich das in einem dezent kräftigerem Gesamtklang und weicheren Anschlagsgeräuschen aus, so als wäre ein etwas dickeres Plektrum beim Spielen verwendet worden. Neben der sehr elegant klingenden Kompression erweist sich der Equalizer als wirkungsvoller Klangveredler. Zunächst lässt sich durch das Low-Shelf-Filter das Dröhnen beim kräftigen Anschlag der Bass-Saiten eliminieren. Das Switchen durch die sechs Einsatzfrequenzen, bei maximaler Dämpfung (-15 Dezibel) führt im Handumdrehen zur richtigen Einstellung und klanglich zum gewünschten Ziel. Eine leichte Anhebung bei 26 Kilohertz durch das High-Shelf-Filter erzeugt einen etwas crisperen Sound, der sich gerade in komplexen Mischungen besser durchsetzt und diese geschmackvoll auffrischt. Mit Hilfe des Glockenfilters suchen wir bei schmal eingestellter Bandbreite die charakteristische Frequenz der Akustikgitarre und heben diese bei kleinem Gütefaktor um zirka zwei Dezibel an. Der A/B-Vergleich bestätigt: Die Filter leisten saubere Arbeit. Schließlich nehmen wir Plug and play ernst, schließen den E-Bass über den DI-Eingang an und spitzen die Ohren. Der Kompressor kontrolliert die mitunter sehr dynamisch gespielten Grooves. Dabei bringt ihn einfach nichts aus der Ruhe und auch beim Slappen hat er alles im Griff. Vor allem aber klingt der Bass mit steigender Kompression zunehmend mächtiger und strotzt vor Energie und Lebendigkeit. Durch gezielten Einsatz des Equalizer-Moduls lassen sich unterschiedliche Bass-Sounds generieren: Von knorrig-präsent bis samtig-weich ist alles möglich. Dabei führen auch extreme Einstellungen zu interessanten Klangeindrücken. Schlecht klingt es eigentlich nie, höchstens ungewöhnlich.
Fazit
Tube-Tech zeigt mit dem Channelstrip MEC 1A, was durch kompromissloses Design auf Röhrenbasis möglich ist. Die Bedienung ist praktisch und äußerst komfortabel. Ausstattung, technische Konzeption und die klanglichen Eigenschaften lassen keine Wünsche offen. Erreicht wird dieses hohe Niveau nicht zuletzt durch eine wahre Materialschlacht, sowie die aufwändige Handfertigung und pingelige Bauteilselektion. Die hohen Anschaffungskosten von rund 4.200 Euro relativieren sich in Anbetracht der klanglichen und technischen Excellence.
Erschienen in Ausgabe 10/2007
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 4177 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: gut
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