Den Legenden auf der Spur
Vor drei Jahren kam die schwedische Software-Schmiede Softube auf die Idee, eine Simulation des renommierten Mischpultes Solid State Logic SL 4000 E mit passendem Controller anzubieten, was auf überwiegend sehr positive Resonanz gestoßen ist. Nun wird mit der Mk II eine verbesserte Variante angeboten, und das sogar zu einem niedrigeren Preis.
Von Christian Stede
Jeder, der schon einmal mit einem Software-Sequencer gearbeitet hat, wird bestätigen: Das stetige Fummeln mit Maus und Tastatur kann nervig werden, insbesondere dann, wenn es ans Abmischen geht. Dies haben manche Hersteller natürlich schon vor längerer Zeit erkannt und boten Zug um Zug Controller an, die einen Hardware-seitigen Zugang zur DAW herstellen.
Produzenten, die lieber an Knöpfen drehen als mit der Maus klicken, wissen das zu schätzen. Ein solches Bedienkonzept macht aber nicht nur bei Parametern Sinn, die sich modulatorisch auf den Klang auswirken, sondern auch bei solchen, die dem Mix den Feinschliff geben.
Das Konzept
Genau um diese Feinschliffthematik geht es bei der Console 1 Mk II aus dem Hause Softube, UVP 531 Euro. Die Kombination aus Controller und Software-Plug-in ermöglicht es jedem Benutzer einer DAW mit einer virtuellen Version des legendären Mischpultes Solid State Logic SL 4000 E zu arbeiten, genauer gesagt mit einem Channelstrip des Pultes. Dazu lädt man das Software-Plug-in einfach in die betreffende Spur des Sequencers. Dabei stellt die Benutzeroberfläche nicht nur optisch alle Parameter des Originals zur Verfügung, vielmehr gelang Softube der Transfer des bahnbrechenden SSL-Sounds auf den Computer auf einem derart hohen Niveau, dass Solid State Logic dieses Plug-in offiziell autorisiert hat.
Zusätzlich zum mitgelieferten SL 4000 E-Channelstrip sind zudem weitere Plug-ins optional erhältlich, die das Einsatzspektrum nochmals vergrößern.
Äußeres
Auf den ersten Blick erkennt man kaum Unterschiede der neuen Version Mk II zu ihrem Vorgänger (Test in Ausgabe 03/2014).
Neben dem Hardware-Controller ist im Lieferumfang nach wie vor ein USB-Kabel, ein Downloadcode fürs Plug-in und eine Quick Start-Anleitung enthalten. Nach erfolgreicher Installation wird das Console 1 Plug-in im entsprechenden Ordner der DAW abgelegt. Dafür werden 900MB freier Festplattenspeicher benötigt. Sollte man sich für die Installation weiterer kompatibler Plug-ins entscheiden, werden diese über den kostenlosen Gobbler-Account verwaltet.
Die Hardware ist solide verarbeitet und gefällt durch ihre schlichte, auf das Funktionale beschränkte Optik. Das Gehäuse ist aus stabilem Blech, die Endlos-Drehregler aus Kunststoff. Die Drucktaster wirken im Vergleich dazu allerdings nicht ganz so hochwertig.
Bedienung
Während auf dem analogen Vorbild die Sektionen zur Klangbearbeitung der einzelnen Spuren vertikal übereinander angeordnet sind, findet man sie bei der Console in einer horizontalen Reihenfolge nebeneinander. Die Übersichtlichkeit wird dadurch deutlich erhöht. Ein weiterer Vorteil ist, dass zwischen den Drehreglern genügend Platz auch für große Hände bleibt. Der Drehwiderstand der Regler ist zudem ausreichend hoch, so dass ein versehentliches Verstellen ausgeschlossen werden kann. Die Reglerposition wird nach wie vor durch einen LED-Kranz angezeigt. Beim Vorgänger hatten wir noch moniert, dass je nach Helligkeit des Umgebungslichts diese schlecht zu erkennen waren. Hier hat der Hersteller offensichtlich auf die Kritik reagiert.
Ganz links und damit am Anfang der Signalkette liegt der Regler für den Eingangspegel, der zudem von einer LED-Kette angezeigt wird. Direkt danach folgen ein regelbares Hochpass- und Tiefpassfilter. Es folgen die Sektionen Shape, 4-Band-EQ und Kompressor, die sich alle auch in den Bypass-Modus schalten lassen (siehe auch Abbildung Seite 36). Am Ende des Console-Signalpfades liegt der Output, der ebenfalls komfortable Möglichkeiten der Klangbearbeitung bietet.
Die Shape-Sektion vereint mit ihren vier Reglern die Dynamik-Effekte Expander/Noise Gate und einen Transienten-Effekt. Der Schwellenwert wird mit dem Gate-Regler eingestellt. Bei aktiviertem Hard Gate-Taster werden alle Signale, die unter dieser Schwelle liegen, komplett ausgeblendet, wodurch aus dem Shaper ein Noise Gate wird. Hohe Werte des Punch-Reglers lassen die Transienten stärker hervortreten, was insbesondere bei Aufnahmen von Saiten-/Zupfinstrumenten zu sehr interessanten Ergebnissen führen kann.
Der parametrische Equalizer ist als 4-Band-Version mit Tiefen, unteren/hohen Mitten und Höhen ausgelegt inklusive der Einstellung für die Bandbreite/Güte. Bei Höhen und Tiefen lassen sich die Filter in ihrer Charakteristik zwischen Cut/Bell/Shelf umschalten.
Die Kompressor-Sektion wartet mit den klassischen Einstellungen für Schwellenwert, Ratio, Attack und Release auf, bietet mit dem Parallel-Regler allerdings noch ein besonderes Extra: Hiermit ist es möglich, einen Anteil des unkomprimierten Signals zu dem komprimierten hinzuzufügen. Dies kann insbesondere bei ganz niedrigen Attack-Zeiten sinnvoll sein. Per Drucktaster hat man übrigens nicht nur die Möglichkeit, die drei Sektionen Shape, EQ und Kompressor in den Bypass-Modus zu schalten, sondern auch deren Reihenfolge im Signalfluss zu verändern.
Vor dem Output und dem Balance-Regler kommen noch die beiden Parameter Drive und Character ins Spiel. Hiermit lässt sich der Anteil der Obertöne sowie deren Klangfarbe einstellen, beide ganz wesentliche Bestandteile des typisch warmen SSL-Sounds.
Über den Reglern zur Beeinflussung der Klangparameter sind die 20 Drucktaster angebracht, mit denen die Spuren ausgewählt werden. Mit der Page-Funktion blättert man zu den jeweils nächsten 20 Spuren. Eine Obergrenze außer der Rechnerleistung gibt es dabei nicht. Eine hell leuchtende LED zeigt die Spur an, die sich gerade im Bearbeitungsmodus befindet, ein schwaches Leuchten bedeutet, dass das Console Plug-in in der betreffenden Spur bereits geladen ist.
Auch die gleichzeitige Bearbeitung mehrerer Spuren ist möglich. Hierfür gibt es die
„All“-Funktion, wenn man auf alle Spuren zugreifen möchte. Der „Group“-Taster ermöglicht es, eine Auswahl von Spuren zu treffen, wenn man sich beispielsweise nur die Streicher- oder Backing Vocals herauspicken will.

Alles auf einen Blick: Die Drehregler mit der Nachbildung des legendären Equalizers E242 in der Bildmitte. Mit den Drucktasten oben können die Audiospuren gewählt werden.
Praktische Anwendung der Console im Mixdown
Um die Bandbreite der Console möglichst weit auszuloten, haben wir Projekte unterschiedlichster musikalischer Stilrichtungen in unser Cubase-System geladen und jede Spur mit einem entsprechenden Channelstrip versehen.
Die Anleitung rät dazu, bereits im Vorfeld ein entsprechendes Song-Template zu erstellen, um sich diese einzelnen Arbeitsschritte zu ersparen. Man muss ganz klar sagen, dass die Software-Simulation des SL 4000 E dem Namen ihres realen Vorbildes alle Ehre macht. Einem auf den ersten Blick etwas fade wirkendem Drumgroove des neuen „Rock’n’Roll Essential Packs“ von Steinberg konnte mit Hilfe von EQ und Kompression schon deutlich mehr Leben eingehaucht werden. Bei der angezerrten Rhythmusgitarre kamen dann die schon erwähnten Regler für Drive und Character zum Einsatz, um der Begleitung den nötigen Biss zu geben. Dabei bleibt die Bearbeitung des Signals stets natürlich und das Klangbild angenehm warm, wie man es vom analogen Vorbild kennt.
Bei dem aus Einzelnoten bestehenden Lick der Lead-Gitarre verstärkte die Shape-Sektion deutlich die Prägnanz. Durch genaues Einstellen von Sustain und Punch war es möglich, das Anschlagsgeräusch, das ansonsten fast untergegangen wäre, im Mix nach vorne zu platzieren.
Beim Abmischen eines Dance-Tracks wurde der separat erhältliche SSL XL 9000 K Channel-Strip geladen. Dieses Pult, ebenfalls von Sonic State Logic, erfreut sich wegen seiner Pegelfestigkeit insbesondere bei vielen Hip-Hop und R’n’B-Produzenten größter Beliebtheit.
Um die Bassdrum unseres Tracks sonor zur Geltung zu bringen, schickten wir das Signal durch den EQ und Kompressor. Das Plug-in-Fenster zeigt sowohl den Kompressionsgrad als auch die Änderung des Frequenzgangs in Echtzeit an, und das für beide Kanäle. Wie bei dynamischen Plug-ins üblich, ist bei den Console Plug-ins auch das Routen der Signale per Side-Chain möglich. So geht in unserem Beispiel der Output der Drummachine in den Side-Chain-Eingang der Kompressoren des Lead-Synth, damit dieser auf den betonten Zählzeiten etwas leiser wird, wodurch der Track mehr pumpt und nach vorne treibt. Die richtigen Einstellungen sind dank der übersichtlichen Benutzeroberfläche und den intuitiv zu bedienenden Reglern schnell gefunden. Die Console ermöglicht es zudem, das Signal auch als Side-Chain in den Shape-Eingang zu führen, wodurch sich interessante rhythmische Effekte erzielen lassen, beispielsweise wenn sich das Gate bei den Spitzen des Drumsignals leicht öffnet und die Lautstärke des Synthesizers dadurch variiert.
In allen Fällen war die Schnelligkeit, mit der die richtigen Einstellungen gefunden wurden, verblüffend.
Selbstverständlich kann man alle vom Controller steuerbaren Parameter auch automatisieren, so dass die Software die Reglerbewegung aufnehmen kann. Die Console verfügt sogar noch über eine eigene Undo-Funktion, bei der sich die zuletzt eingegebenen Werte rückwärts verfolgen lassen, und das sogar endlos.

Das Plug-in Fenster der Console 1: Die Bearbeitung des Signals wird in Echtzeit dargestellt. Oben der Summit Audio Grand Channel als kompletter Strip
Erweiterungsmöglichkeiten
Damit sind die Möglichkeiten der Console aber noch längst nicht erschöpft. So ist es nämlich möglich, mit optional erhältlichen Plug-ins den Channelstrip nach den eigenen Vorlieben zu verändern.
Das heißt, dass sich sowohl einzelne Komponenten, wie auch das komplette virtuelle Mischpult austauschen lassen. So bietet Softube neben der Simulation des
SSL SL 4000 E auch eine Version des XL 9000 K (siehe Abbildung) an. Das modulare Design der Console 1 erlaubt es allerdings auch, nur den Kompressor des einen Pultes in den Signalfluss des anderen zu laden.
Eine Übersicht der mit der Console 1 kompatiblen Plug-ins steht auf der Internetseite von Softube zur Verfügung, auch die Anleitung bietet eine Auflistung. Dabei kann man nicht nur die Plug-ins von Softube, sondern auch viele Simulationen von UAD, einem absoluten Experten auf dem Gebiet der Software-Simulation analoger Studiogeräte, laden. Für diese Plug-ins wird allerdings zusätzlich eine PCI-Karte von UAD oder das Apollo-Interface benötigt. Laut Vertrieb ist davon auszugehen, dass das Angebot ständig erweitert wird. Auch wurden bereits Updates angekündigt, die eine Erweiterung der Kompatibilität mit der Software der führenden DAW-Hersteller versprechen.
Zu den kompatiblen Plug-ins zählt auch das des Röhrenkompressors Summit Audio TLA-100A und des zugehörigen EQF-100, die sich beide nicht nur einzeln, sondern auch im Verbund als kompletter Channelstrip in die Konsole laden lassen (siehe Abbildung). Legt man diesen Strip auf einen Clavinet-Spur, lassen sich damit sehr funkige, warme Röhren-Sounds erzeugen.
Zwar stimmt beim geladenen Summit Audio Grand Channel die Anzahl der Drehregler des Controllers nicht mit der des Plug-ins überein. Das kann man aber sofort daran erkennen, dass dann die entsprechende LED auf der Console nicht aufleuchtet, der Regler damit also keine Funktion hat. Werden die Softube-Plug-ins nicht in die Console geladen, sondern nur als einzelne Inserts in der Spur der DAW, lassen sie sich auch mit dem Controller nicht steuern. Das ist das einzige kleine Manko, das wir neben der im Falle von Cubase Pro noch nicht voll ausgereiften Integration bei der Console 1 entdeckt haben. Für eine vollständige Auflistung aller bekannten DAWs mit dem Grad ihrer Kompatibilität sei auf das Manual und die Softube-Intersetseite verwiesen.
Fazit
Die Console Mk II überzeugt durch ihr übersichtliches Bedienkonzept sowie die gelungene Software-Simulation vieler legendärer Studiogeräte. Der Anspruch, nur mit Hilfe des Controllers einen kompletten Mix erstellen zu können, wird eingelöst. Die sehr gute Verarbeitung und das schnell zu verstehende Handling werden auch bei Musikern, die SSL-Pulte nur von Fotos kennen, für echte Erfolgserlebnisse sorgen.
Erschienen in Professional audio 08/2017