Rein wie Quellwasser
Gourmets, die als Zutaten für ihr Klangmenü lediglich den Primärton von Stimmen, Instrumente und Mikrofonen zulassen, schätzen Vorverstärker, die quellwasserklar und klanglich rein sind. Der Clarity MicAmp von DACS soll genau über diese Eigenschaften verfügen.
Von Harald Wittig
Das britische Unternehmen DACS (Digital Audio & Computer Systems) erwarb sich einen guten Ruf bei Aufnahme-Profis durch maßge-schneiderte Hardware-Lösungen, die von den DACS-Entwicklern genau nach den Vorgaben und auf die Wünsche der Kunden maßge-schneidert wurden und werden. Hierzu gehören unter anderem Signalverteiler, mehrkanalige D.I.-Boxen und Kopfhörerverstärker. Bei diesen Spezialanfertigungen ist den Ingenieuren nach eigenem Bekunden nur das Beste gut genug – was sich natürlich in den Preisen nieder-schlägt, über die sich sowohl die Kunden wie auch der Hersteller vornehm ausschweigen. Im Jahr 1998 entschloss sich das Team um Fir-menchef Dr. Douglas Doherty, künftig auch eine kleine, feine Palette von Seriengeräten unter dem viel versprechenden Namen „Clarity“ (Klarheit) herauszubringen. Die mit zwei Geräten sehr überschaubare „Clarity“-Reihe besteht aus dem vier-kanaligen Kopfhö-rer-Verstärker HeadLite und dem Professional audio Magazin vom deutschen Vertrieb Magis Audiobau zum Test überlassenen MicAmp. Dieser – wie übrigens alle DACS-Geräte von Hand gebaute – zwei-kanalige Mikrofon-Vorverstärker genießt in England und den USA bereits Kultstatus, denn er soll in Bezug auf Klangtreue und Neutralität auch die vornehmsten Vertreter der Gattung übertreffen. Knapp 1.900 Euro kostet der Brite, rangiert also in einer Preisklasse, wo der Klanggourmet die Qual der Wahl zwischen mehreren sehr guten Vorverstärkern hat (siehe hierzu die Bestenliste auf Seite 112). Grund genug für uns, den DACS Clarity MicAmp genauestens unter die Lupe zu nehmen, um herauszufinden, ob er nicht nur eine Alternative zu den Mitb-ewerbern, sondern am Ende gar das Non-Plus-Ultra unter den Pre-amps darstellt.
Die Designer bewiesen bei der Gestaltung der Frontplatte des 19-Zoll-Gehäuses, dass auch die scheinbar kühlen Briten keine Frucht vor knalligen Farben haben: Die leuchtend-roten Regler auf lila-schwarzem Grund sind sicher nicht jedermanns Sache, aber warum sollte auch ein edler Pre-amp nicht mal salopp-poppig eingekleidet sein? Das Gehäuse ist sauber verarbeitet, wobei der Hersteller ver-zinktes Blech als Material wählte. Das ist für ein Gerät, das für den Einbau ins Studiorack vorgesehen ist, keineswegs nachteilig: Wegen der hohen elektrischen Leitfähigkeit des Materials, werden Störungen durch externe elektromagnetische Felder verhindert. Allenfalls an der Optik kann sich der eine oder anderer stören, da das Gehäuse ein wenig angelaufen ist und nicht wirklich hochwertig aussieht. Edelstahl als Gehäusematerial, wie er beispielsweise von Lake People für deren Mic-Amp F355 verwendet wird, bringt technisch zwar keine Vorteile – es schaut lediglich besser und teurer aus.
Die Frontplatte ist sehr aufgeräumt, die Beschriftung der Regler gut ablesbar und die Funktion der Bedienelemente erschließt sich praktisch von selbst. Neben dem großen, roten Netzschalter sind alle notwendigen Einstell-elemente zweifach vorhanden, denn die beiden Kanäle sind gleich aufgebaut. Ein griffiger Drehschalter ist für die grobe Einstellung des Eingangspegels zuständig. Über deutlich hör- und fühlbare Raststufen ist der Grad der Ver-stärkung im Bereich von 20 bis 62 dB in 6-dB-Schritten wählbar. Die Feineinstellung erfolgt über einen recht schwergängigen Drehregler, dessen Skalierung von 0 bis 10 dB reicht. Beide Regler sind sehr präzise: Unsere Messungen decken sich aufs Komma mit den Angaben des Herstellers. Aufgrund dieser Präzision im Verbund mit der der guten Skalierung beider Pegelsteller, ist es ein Leichtes, die Verstärkung für beide Kanäle auf einen gemeinsamen Wert akkurat einzupegeln – was die Arbeit im Stereo-Betrieb mit einem gematchten Mikrofon-Paar sehr erleichtert.
Eigen ist die Aussteuerungs-Anzeige, deren drei verschiedenfarbige LEDs (grün, gelb, rot) an eine stilisierte Traube erinnern. Die Funkti-onsweise der Anzeige erinnert entfernt an eine Ampel: Sobald der MicAmp ein Signal emp-fängt, beginnt die grüne LED schon bei sehr schwachen Signalen zu leuchten. Nach unseren Messungen springt diese LED an, wenn die Signalstärkestärke 25 dB unterhalb der vorgewählten Gain-Stufe, beispielsweise 56 dB liegt. Freie Fahrt für die Aufnahme ist erst gegeben, wenn die gelbe LED aufleuchtet. Dezent glimmt sie ab +4 dBu, kräftig strahlt das Lämpchen bis +11 dBu, ab +12 dBu beteiligt sich auch die rote LED an der Lichtschau. Bei zunehmender Signalstärke wird das Rot kräftiger. Erst oberhalb +21 dBu wird es gefährlich: Dann leuchtet die unter der Ampel angeordente, so genannte „Overload“-LED auf: Die Anzeige warnt ab einem Wert von +21 dBu am Ausgang vor Übersteuerung. Diese War-nung sollte auch beherzigt werden: Denn der maximale Ausgangspegel des MicAmp beträgt +22,5 dBu. Für die Praxis heißt das: Konstant sollten nur die grüne und die gelbe LED leuchten, die rote darf nur bei vereinzelten Pegelspitzen aufflammen. Insgesamt ist diese eigene Variante einer Aussteuerungs-Anzeige durchaus zuverlässig und praxisgerecht und keinesfalls schlechter als eine LED-Kette – der Anwender muss nur die Arbeitsweise kennen, die dankbarerweise im kurzen, aber gut gefassten Handbuch erläutert ist.
Für beide Kanäle gibt es einen kleinen Kippschalter zur Umkehrungen der Phase und jeweils zwei Hochpassfilter. Die Einsatzfrequenzen betragen 30 und 80 Hertz, wobei die Absenkung in 12 dB-Schritten pro Oktave nicht abrupt ab den beiden angegebenen Frequenzen einsetzt, sondern bereits früher, also bei etwa 100 beziehungsweise 300 Hertz, einsetzt. Dabei erfolgen beide Pegelreduktionen mit unter-schiedlicher Intensität, die die Tiefen werden aber beides Mal sehr sanft und gleichmäßig abgesenkt.
Einen Schalter für die Phantomspannung hat der MicAmp nicht – er benötigt nämlich keinen. Ein Blick auf die Rückseite des Gerätes erklärt sofort weshalb: Es gibt jeweils zwei XLR-Eingänge für die Mikrofone, einen mit Dauer-Phantomspannung, einen ohne. Nach Aussage des Herstellers werde hiermit die Ansprache bei Verwendung von dynamischen Mikrofonen bei den tiefen Frequenzen besser, da hier kein zusätzlicher Kondensator als Vorwiderstand benötigt wird, um die Eingangsstufe von der 48-Volt-Phantomspannung abzuschirmen. Das ist zumindest theoretisch nachvollziehbar, wenngleich die gängigen Lösungen, abhängig von den verwendeten Bauteilen, klanglich kei-nesfalls schlechter sein müssen.
Zwischen den Eingangsbuchsen und den bei-den symmetrischen XLR-Ausgängen hat der Clarity MicAmp nach zwei Schraubklemmen, mit „0V“ (Null-Volt) beziehungsweise „GD“ (Ground/Erde) beschriftet. Damit kann über einen Überbrückungsdraht eine Masseverbindung zwischen Signal und Gehäuse hergestellt werden, was den Geräuschspannungsabstand verbessern soll. Allerdings beträgt die Verbesserung ausweislich unserer Messungen lediglich 0,1 dB, so dass – worauf der Hersteller indirekt im Handbuch auch hinweist – die Brückung über die beiden Buchsen in der Regel nicht erforder-lich ist.
Im Messlabor zeigt sich, dass der Clarity Mi-cAmp von Könnern gebaut wurde, denn die Messwerte sind durchweg überzeugend und belegen einen hohen Qualitätsstandard. So liegt der Klirrfaktor über den gesamten Frequenzbereich unter 0,005 Prozent, womit der farbenfrohe Pre-amp von der Insel mit dem F355 von Lake People (siehe Test Ausgabe 8/2006) gleichzieht. Ein absolut überzeugender Wert, den bisher nur der Millenia HV-3C (Test in Ausgabe 6/2006) mit unglaublichen 0,0007 Prozent überbieten konnte. Als nicht minder überzeugend erweist sich das Ergebnis der Frequenzgang-Messung, bezogen auf +4 dBu: Auch wenn die Messkurve des Landsmannes BG No.1 von D.A.V. Electronics (siehe Test in dieser Ausgabe, Seite 106) im Bereich von 20 bis 100 Killohertz dem Ideal eines Linealstrichs noch näher kommt, ist der Kurvenverlauf ausgezeichnet und offenbart eine sehr gute Breibandverstärkung und schafft die Voraussetzungen für ein exzellentes Impulsverhalten im Bereich von 20 Kilohertz bis hinunter zu zehn Hertz. Der Abfall oberhalb 20 Kilohertz ist hier noch tolerabel, da er gleichmäßig und sanft erfolgt. Auch bei der Gleichtaktunterdrückung liefert der MicAmp erfreulich gute Messwerte: Zum einen liegen beide Kurven sehr nahe beieinander, zum anderen bleiben die Werte durchweg unter dem sehr guten Wert von etwa -75 dB, womit der Vorverstärker unter Berücksichtigung des technisch Machbaren ohne weiteres das Prädikat „sehr gut“ verdient. Schließlich ist bei dem Klasse-Wert von 90 Dezibel für den Geräuschspannungsabstand die Gefahr von hörbarem Rauschen, das leiseste Signale bei geringer Aussteuerung überdecken könnte, gebannt. Insoweit spielt der MicAmp zumindest messtechnisch in der Klasse eines F355 von LakePeople, der Gainstation 1 von SPL (Test Ausgabe 6/2006) oder auch des Millenia HV-3C – einzelne Abweichungen und Unterschiede sind so minimal, dass sie getrost zu vernachlässigen sind und Einiges in Bezug auf seine Klangqualität erwarten lässt.
Beim Praxistest nehmen wir mehrere Spuren mit verschiedenen Gitarren und Querflöte unter Cubase SX3 auf, wobei wie auch beim Test des BG No. 1 in diesem Heft der Lynx Aurora 8 als Bindeglied zwischen analoger und digitaler Welt dient. Für Stereoaufnahmen verwenden wir sowohl zwei gematchte Earthworks QTC40 als auch ein Pärchen DPA 4006 (Test in dieser Ausgabe, Seite 26), für Monoaufnahmen ein Sennheiser MKH 40 (Test Ausgabe 5/2006) und das Sonotronics Orpheus (Test 11/2006). Beim ersten Abhören der Aufnahmen erweist sich der Clarity MicAmp als ein Vetreter der ganz unauffälligen Art unter den Vorverstärkern. Soll heißen: Er macht den Klang von Instrumenten und Mikrofonen hörbar und belässt es dabei, ohne diese Primärinformationen auszudünnen oder anzu-dicken. So klingt die schon mächtige und bassstarke Kohno Professional 30J Konzertgitarre gemeinsam mit dem Sennheiser MKH 40 noch größer und imposanter, während die Querflöte – beziehungsweise der etwas flache Ansatz des Flötisten – sehr von dem großen, offenen Ton des Sonotronics Orpheus profitiert. Gleichzeitig erlaubt der MicAmp, da er sehr feinfühlig zu Werke geht, geringfügige Änderungen der Abstände zu den Mikrofonen und deren Ausrichtung zu überprüfen. Bei der Aufnahme einer Flamenco-Gitarre, die konstruktionsbedingt schärfer und höhen-reicher klingt, streben wir einen etwas dunkleren, wärmeren Klang an und begeben uns daher auf die Suche nach der besten Position für die beiden Stereo-Mikrofon-Paare. Es fällt uns sehr leicht, die Positionierung sowohl der beiden DPAs als auch der Earthworks zentimeter-genau von der Ausgangsposition zwischen Steg/Saitenhalter und Schalloch zu letzterem hin zu versetzen. Hier zeigt sich die Klasse des Briten: Klanggestaltendes Arbeiten ist auch ohne den Einsatz des Equalizers möglich, denn der Clarity MicAmp gibt auch subtilste Klangunterschiede wieder – sofern ent-sprechend hochwertige Mikrofone zur Verfügung stehen. Das kommt den Anforderungen von Klangpuristen natürlich sehr entgegen.
Auch im direkten Vergleich von Aufnahmen, die wir mit denselben Instrumenten und Mikro-fonen, diesmal aber mit dem Lake People Mic-amp F355 machen, überzeugt der MicAmp von DACS. Die Blindtests sämtlicher Redaktions-mitglieder sind auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen: Beide Vorverstärker geben sich nichts in Punkto Neutralität, Klarheit und Detail-treue. Tatsächlich ist niemand von uns in der Lage, Unterschiede zu hören beziehungsweise sich konkret festzulegen, welche Aufnahme mit dem deutschen und welche mit dem engli-schen Pre-amp angefertigt wurde. Ein Ergebnis, das zunächst nur für die Güte beider Vorverstärker spricht, im Rahmen dieses Tests jedoch die Qualität des DACS unterstreicht – immerhin dient uns der Lake People seit Monaten als Referenz-Vorverstärker, da dessen absolute Klanglosigkeit sich für diffizile Vergleichstests – zum Beispiel um die Klangcharakteristika von Mikrofonen zu ermitteln – hervorragend eignet. Daraus folgt aber auch: Mit dem MicAmp lässt sich der Klang von schlechten Instrumenten und billigen Mikrofonen nicht aufwerten. Ein Ohrenschmeichler, der die Grundzutaten des Aufnahmemenüs mit einem Sahnehäubchen schmackhaft macht, ist er nicht – und will es auch nicht sein.
Wir wollen selbstverständlich auch herausfinden, ob die getrennten Eingänge des Clarity MicAmps für Kondensator beziehungsweise dynamische Mikrofone hörbare Vorteile bringen. Daher nehmen wir mit dem Sennheiser MD 441 (Test auf Seite 26) noch einmal ein Stück mit beiden Vorverstärkern auf. Die tiefste Saite der verwendeten Gitarre (Lakewood D 8) stimmen wir auf „C“ hinunter, um die Tiefen voll ausloten zu können. Es bleibt beim hervorragenden Klangeindruck, nur: Es ist absolut nicht möglich, hier auch nur einen hauchdünnen Vorsprung des MicAmps herauszuhören. Beide Geräte sind bei Wiedergabe dieses recht tiefen Tons (immerhin ein so genanntes „kleines C“) in Bestform, mithin auf gleich hohem Niveau – eine echte Pattsituation also.
Fazit
Der Clarity MicAmp von DACS ist ein sehr guter Mikrofonvorverstärker, der sich allen empfiehlt, die ihr Klangmenü ausschließlich über den Primärton von Instrumenten und Mikrofonen komponieren möchten und für die somit der Vorverstärker klanglich so wenig nahrhaft, dabei aber so rein und klar wie Quellwasser sein muss. Über eben diese Eigenschaften verfügt der Clarity MicAmp von DACS.
Erschienen in Ausgabe 12/2006
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 1899 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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