Die Freiheit nehm´ ich mir

Musiker, die sich selbst aufnehmen, können aufatmen. Tranzport befreit sie räumlich ab sofort vom Sequenzer. 

Von Georg Berger

Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, dann muss der Berg eben zum Propheten kommen. So ähnlich könnten die Entwick-ler der amerikanischen Firma Frontier Design gedacht haben, als sie mit Tranzport eine Funkfernbedienung zur Steuerung von Sequenzern konzipiert haben. Die Zeiten sind damit endlich vorbei, wo der Musiker in seinem kreativen Fluss gestört wurde, in dem er entnervt zum entfernt stehenden Computer gehen musste, um den Sequenzer zu steuern. Dieses kleine, aber verhältnismäßig schwere Plastik-Kästchen gestattet, unabhängig vom Standort des Musikers, in erster Linie die wichtigsten Funktionen des Aufnahme-prozesses zu steuern. Ein zweizeiliges, hintergrundbeleuchtetes 20-Zeichen Display gibt dabei Auskunft über die wichtigsten Werte der gerade aus-gewählten Spur. Zum Zeitpunkt des Tests lassen sich mit Tranzport 18 Anwendungen ansteuern. Außer den gebräuchlichsten Sequenzern ist sogar der Windows Media Player damit steuerbar. Eine gerade neu erhältliche Modifikation erlaubt überdies die Steue-rung des Alesis HD24 Festplattenrecorder. Angekündigt sind Anpassungen für die digitale Audio Workstation Roland VS 2480 und die Mac-Software DJ 1800.

Um das Tranzport erfolgreich mit diesen Programmen verbinden zu können, muss zuvor eine zusätzliche Software auf dem Computer installiert werden, die die entsprechenden Spezifikationen zu dieser Anwendung enthält. Der Support für das Tranzport über Internet ist vorbildlich. Es tut sich eine Menge dort, denn offensichtlich sind die Entwickler von Frontier Design bemüht, den Rahmen der ansprechbaren Programme und Geräte ständig zu erweitern. Für knapp 230 Euro erhält der Nutzer außer der Fernbedienung noch die entsprechende Empfängereinheit – Tranzceiver genannt –, die an eine USB-Schnittstelle des Computers angeschlossen wird. Im Vergleich zum stabilen Äußeren der Fernbedienung wirkt diese fast Handteller große Empfängereinheit eher zerbrechlich. Vier Batterien zum Betrieb des Tranzport sind ebenfalls im Lieferum-fang enthalten. Es kann also direkt los gehen.

Genauso wie die Fernbedienung eines Fernsehers ist Tranzport ständig betriebsbereit. Durch steuerbare Abschaltautomatiken des Be-triebszustands und der Display-Beleuchtung am Gerät, kommt der Musiker mit einem Satz Batterien über lange Zeit hinweg problemlos aus.
Tranzport sendet Daten über das beliebte 2,4 Gigahertz-Band. Die Befürchtung, dass Tranzport andere Funk-Geräte, wie Telefone, Handys, Bluetooth oder sogar Mikrowellenherde stören könnte oder um-gekehrt ist unbegründet. Denn Tranzport sendet seinen eigenen Identifikationscode. Im Test treten jedenfalls keinerlei Probleme auf. Die Funksignale selbst verlaufen bidirektional. Der Musiker sendet Befehle an den Sequenzer und der Computer sendet beispielsweise die laufende Zeitanzeige des gerade ablaufenden Stückes zurück.
Im Test zeigt sich die Funkverbindung als sehr stabil. Die Bedienung der Fernbedienung aus einem separaten Aufnahmeraum etwa geschieht ohne Probleme.
Allerdings ist bei einem weiteren Versuch schon nach etwas mehr als zehn Metern  Distanz die Verbindung zum Computer unterbrochen. Aber da wollen wir mal nicht meckern.

Die weiß beschrifteten Bedienelemente auf der Fernbedienung sind selbsterklä-rend und erfordern bei Betätigung einen gewissen Kraftaufwand, der den Eindruck der stabilen Verarbeitung unterstützt. Komfortabel sind zusätzliche LEDs, die bei Betätigung der Record-, Mute-, Solo-, Punch- und Loop-Taste den jeweiligen Aktivierungsstatus anzeigen. Die Anordnung der Tasten ist übersichtlich und logisch in kleine Gruppen zusammengefasst. Der Musiker findet die gebräuchlichsten Funktionen innerhalb eines Aufnahmeprozesses auch in der Hektik leicht und ohne Mühe. Ein paar Beispiele: Stört beim Aufnehmen ein bestimmtes Instrument im Arrangement, so lässt es sich problemlos anwählen und stumm schalten. Müssen die Lautstärken oder die Panorama-Positionen einiger Instrumente im Arrangement für den Aufnahmeprozess korrigiert werden weil sie stören, so lässt sich das ebenfalls über diese kleine blaue Kiste bewerkstel-ligen. Sogar das Setzen von Markern gestattet die Fernbedienung, um bequem an bestimmte Stellen im Arrangement zu springen.

Sie wollen einen bestimmten Abschnitt markieren und dann im Loop-Modus zu Übungszwecken wiederholen? Das ist auch kein Problem. Punch-in Aufnahmen lassen sich selbstverständlich ebenfalls mit Tranzport realisieren. Eine Klinkenbuchse am Gerät gestattet den Anschluss eines Fußschalters, der diese Aufgabe bequem erledigt. Beim Aufnehmen selbst ist noch nicht einmal der Blickkontakt zum Computer-Monitor erforderlich. Denn das Display zeigt alle relevanten Informationen, angefangen beispielsweise vom Namen der aus-gewählten Spur, bis hin zur Zeit- und Taktangabe, Lautstärkeeinstellungen und der Panoramaposition. Abhängig davon, mit welchem Sequenzer das Gerät kommuniziert, stehen logischerweise unterschiedlich umfangreiche Anzeigen zur Verfügung.
 
Aber Tranzport kann noch mehr. In den meisten Sequenzer-Modi – Ausnahme bildet hier das FL Studio 6 von Image Line – besitzen fast sämtliche Tasten Zusatzfunktionen, die über die Shift-Taste erreicht werden und die Möglichkeiten der Fernbedienung zur Steuerung des Sequenzers erweitern. Doch damit ist immer noch nicht genug. In einigen anderen Sequenzer-Anpassungen wird der Funktionsumfang der Fernbedienung durch weitere Tastenkombinationen zusätzlich erweitert. In Cubase geschieht das über die Kombination Shift-, Stop- und Auswahl der entsprechenden Funktionstaste. In Logic können weitere Funktionen über die Punch- oder Loop-Taste erreicht werden und in Sonar über die Stop-Taste. Interessant ist die Möglichkeit, in Cubase SX3, Sonar und in Samplitude 8.3 den Tasten des Tranzport zusätzliche Sequenzer-Funktionen selbst zuweisen zu können, was den Funktions-umfang noch einmal erweitert. In Cubase SX3 geschieht dies über den Geräte-Einstellungs-Dialog. Durch Drop-down-Menüs im rechten Fenster lässt sich dort eine Unzahl an Funktionen den Tastern zuweisen (siehe Abbildung). So kann bei Bedarf die Quantisierung etwa auf die in-Taste gelegt werden.
Diese Programmiermöglichkeit würden wir uns auch für alle anderen Sequenzer wünschen.

Bei aller Begeisterung gibt es auch einen Schwachpunkt zu nennen. Im Test mit Cubase SX3 kann das Tranzport zwi-schen MIDI- und Audio-Spur nicht unterscheiden. Bei Anwahl einer Spur über die Fernbedienung wird jede Spur im Sequenzer angewählt. Allerdings zeigt sich bei Anwahl einer MIDI-Spur auf dem Display lediglich die letzte angewählte Audio-Spur. Die Konsequenz: Der Anwender hat keine verlässliche Information mehr, in welcher Spur er sich tatsächlich befindet. Abhilfe lässt sich durch das Gruppieren und Verschieben der MIDI-Spuren ans untere Ende des Arrangier-Fensters schaffen. An der Erkennung der Spuren sollte also noch einmal gearbeitet werden.

Fazit

Tranzport empfiehlt sich für alle Musiker, die beim Aufnehmen außerhalb der Reichweite des Computers sind. Eine Klassen-Zuweisung ist für diesen markanten Controller nicht möglich, da uns bis dato nichts Vergleichbares bekannt ist.

Erschienen in Ausgabe 07/2006

Preisklasse: Oberklasse
Preis: 229 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut