Auf den Punkt gebracht

Wenn der DAW-Gigant Digidesign einen Nahfeld-Monitor präsentiert, sind die Erwartungen allerorten hoch. Um diese nicht zu enttäuschen, setzen die Amerikaner auf die Kompetenz und Erfahrung des britischen Lautsprecher-Spezialisten PMC.

Von Harald Wittig

Digidesign kann es sich als Marktführer im Bereich professioneller Audio-Workstations nicht leisten, ein Produkt auf den hartumkämpften Pro-Audio-Markt zu bringen, das gerade mal einigermaßen „gut“ bis „in Ordnung“ ist. Deswegen muss ein Nahfeld-Monitor, der den klangvollen Namen des amerikanischen Herstellers trägt, über jeden Zweifel erhaben sein. Bestenfalls besitzt er Referenz-Qualitäten. Die Digidesign-Strategen kennen natürlich ihre Kernkompetenzen – und die liegen gerade nicht im Lautsprecherbau. Folgerichtig suchten die Amerikaner einen insoweit erfahrenen und renommierten Partner. Fündig wurden sie beim britischen Lautsprecherspezialisten PMC, dessen Schallwandler in den Ohren vieler Profis Synonym für höchste Übertragungsgüte sind – vom Mix bis zu anspruchsvollen Mastering-Aufgaben. Nicht umsonst vertraut beispielsweise das Team um Tobias Lehmann der Berliner Teldex Studios auf Abhöranlagen von PMC und am Institut für Musik und Medien der Fachhochschule Düsseldorf hören Professoren und Tontechnik-Studenten inzwischen über eine PMC-7.1-Anlage. Schließlich konnte sich auch Professional audio Magazin von der Qualität der britischen Monitore überzeugen: Ein 2.1-System aus dem Hause PMC verdiente sich beim Test in Ausgabe 6/2007 souverän das Prädikat „Klang sehr gut bis überragend“.

Der RM2 ist zunächst einfach ein aktiver Zwei-Wege-Lautsprecher, ausgestattet mit dem gleichen Ein-Zoll-Seiden-Hochtöner, der auch im kleineren Bruder, dem RM1 für den oberen Mitten- und Höhenbereich zuständig ist. Den Antrieb besorgt eine 50 Watt starke, analog gesteuerte Class-D-Endstufe, für den Tieftonkanal sind es immerhin 100 Watt Class-D-Endstufen-Power. Die Frequenzweiche hat ihren Übergangspunkt bei drei Kilohertz und wird digital, über einen eingebauten DSP (Digital Sound Prozessor) erzeugt, für dessen Entwicklung Digidesign verantwortlich zeichnet. Der DSP arbeitet mit einem 48-Bit-Festkommaprozessor und ist gleichzeitig für die Klangregelung (Raumanpassungs-Equalizer), eine Bass-Reflex-Emulation und die Kanalwahl im Digital-Betrieb zuständig.
Genau, Sie haben es erkannt: Der RM2 stellt ein hybrides System dar, wobei das Übergewicht auf digitaler Technik liegt. Dementsprechend sitzt auch hinter der analogen Eingangsstufe ein A/D-Wandler, der die Signale mit einer Abtastrate von 96 Kilohertz bei 24 Bit Wortbreite digitalisiert. Der RM2 benötigt dementsprechend einen kurzen Moment, bis er betriebsbereit ist: Nach etwa zwei bis drei Wartesekunde signalisiert eine hellblau-strahlende LED auf der Gehäuse-Front, dass der interne Prozessor hochgefahren ist und der Monitor seine schallwandlerische Aufgabe wahrnehmen kann.
Selbstverständlich und konsequenterweise verfügt der RM2 auch über digitale Eingänge im professionellen AES3-Format. Der AES/EBU-Eingang folgt dem Takt des eingehenden Digital-Signals – der A/D-Wandler ist intern getaktet – und akzeptiert die Abtastraten 44,1, 48, 88,2 und 96 Kilohertz. Wenn schon digital, dann richtig, dachten sich die Entwickler: Obwohl es möglich ist, gleichzeitig analoge und digitale Signalquellen anzuschließen, hat der Digitalbetrieb immer Vorrang. Erkennt der Lautsprecher ein Digital-Signal, wird der Analog-Eingang automatisch stumm geschaltet. Alle RM-Lautsprecher verfügen zusätzlich über einen RJ45-Port. Der dient im reinen Digital-Betrieb der Vernetzung eines Stereopaars mit Hilfe eines Standard-Netzwerk- beziehungsweise CAT5-Kabels. Wie es beispielsweise in ähnlicher Form auch von Dynaudios Air-Monitoren bekannt ist, können auch die Digidesign-Lautsprecher über einen auf der Rückseite angebrachten kleinen Kippschalter angewiesen werden, den rechten oder linken Kanal des AES/EBU-Signals zu empfangen. Die Lautsprecher arbeiten dann im Master-/Slave-Betrieb.

Verlassen wir für einen Moment die Welt der Nullen und Einsen und widmen wir uns dem Tieftonbereich des RM2. Im Unterschied zu den Bassreflex-Konstruktionen der meisten Mitbewerber kommt hier, wie bereits einleitend erwähnt, die PMC-Spezialität schlechthin, die Advanced-Transmission-Line-Technology (ATL) zum Einsatz. Dabei ist der Treiber des Tief-Mitteltöner mit einem Rohr oder Tunnel, der sogenannten Transmissionline, verbunden. Die Schallenergie wird durch diese Röhre geführt und über eine Öffnung nach außen geleitet. Diese Austrittsöffnung muss – ebenso wie der Durchmesser des Tunnels – zwingend größer sein als der Membran-Durchmesser des Tief-Mitteltöners. Die Länge des Rohres hängt ab von der gewünschten unteren Grenzfrequenz. Im Falle des RM2 ist das – gefaltete – Rohr immerhin 1,5 Meter lang, was von außen niemand erahnen dürfte, denn der RM2 hat Nahfeldstandardmaße: In Höhe und Breite misst er gerade mal 40 beziehungsweise 20 Zentimeter.
Ohne in puncto Transmissionline weiter ins Detail zu gehen – Interessierte seien auf den Test des PMC DB 15 A in Ausgabe 6/2007 verwiesen –, hat diese Bauweise in der Theorie gewisse Vorteile: Da das Grundprinzip darauf beruht, den von der Membranrückseite des Tief-Mitteltöners abgestrahlten Schall komplett zu absorbieren, ohne die Bewegung der Membran zu dämpfen oder durch reflektierte Schallanteile unnötig zu modulieren, ist eine Transmissionline theoretisch einer Bassreflexkonstruktion überlegen. Hierbei sorgen die systembedingten Reflexionen nämlich für eine Beeinflussung und Modulation der Membran. Dennoch ist das Vorhandensein einer Transmissionline-Konstruktion allein noch kein Garant für eine saubere Basswiedergabe. Genauso leisten auch entsprechend aufwändig konstruierte Bass-Reflex-Systeme erstaunliches. Es kommt eben hier wie dort auf das Können des Entwicklers und auf die praktische Ausführung an. Über die klangliche Qualität der ATL des RM2 bei der Basswiedergabe entscheidet daher der finale Hörtest.

Apropos Bass-Reflex-System: Damit begeben wir uns wieder zurück auf die digitale Ebene, denn der DSP verfügt über eine sogenannte Bass-Reflex-Emulation, was in etwa vergleichbar mit den emulierten Speaker-Cabinets in digitalen Gitarrenverstärkern oder den Multieffektgeräten für die Zupfer-Fraktion ist. Dabei sorgt der Prozessor für eine vergleichsweise aufwändige virtuelle Nachbildung des Frequenzgangs und der Wiedergabeeigenschaften eines Bassreflex-Systems. Dieses auf den ersten Blick auf den Blick etwas merkwürdig erscheinende Feature – als ob die Entwickler der Transmissionline nicht so recht trauen würden –, diene laut Handbuch reinen Kontrollzwecken: Der Toningenieur könne damit überprüfen, wie seine Mischung auf einem Lautsprecher mit Bass-Reflex-Konstruktion klingt. Ohne hier dem Praxistest vorzugreifen: Passender ist „klingen könnte“, denn diese Emulation sorgt für eine deutliche Bassandickung, die sich, je nach Programmmaterial, in unangenehmen Wummer-Bässen hörbar macht. Nach unserer Erfahrung ist dieser Effekt klanglich nicht annähernd mit hochwertigen Bass-Reflex-Systemen á la KRK Exposé oder Geithain MO2 vergleichbar. Wenn Sie Mischfehler ausschließen möchten, aktivieren Sie die Bass-Port-Emulation besser nicht.

Anders kann es dann schon bei den Korrekturfiltern aussehen, wenngleich der RM2 diesbezüglich nur frugale Kost bietet. Im Angebot sind zwei Shelving- oder Kuhschwanzfilter, jeweils mit einer Grenzfrequenz von 500 Hertz beziehungsweise einem Kilohertz. Über entsprechende Drehregler, die Menschen ohne feingliedrige Finger nur mit dem Schraubenzieher verstellen können, kann der Pegel jeweils in 0,5-Dezibel-Schritten in einem Bereich von -4 bis +3dB angehoben oder abgesenkt werden. Offenbar gehen Digidesign und PMC davon aus, dass der potentielle Anwender des RM2 diesen auch in standesgemäßer, sprich akustisch optimierter Umgebung aufspielen lässt. Insofern belassen es die Entwickler bei den beiden Kuhschwanzfiltern – womit sie allerdings in bester Gesellschaft in den gehobenen Preis- und Leistungsklassen sind.

Messtechnisch zeigt sich der RM2 von der besten, soll heißen linearen Seite: Trotz vereinzelter, letztlich völlig vernachlässigbarer Welligkeiten zeigt die Messkurve seines Frequenzgangs einen vorbildlich gleichmäßigen Kurvenverlauf. Dabei ist auffällig, dass der Frequenzgang des PMC DB1S-A fast deckungsgleich ist. Insoweit belegt die Frequenzgang-Messung die Herkunft des Digidesign-Monitors aus der britischen Lautsprecher-Oberschicht. Dann wollen wir doch mal hören, was der RM2 drauf hat.

Für den Praxistest dient uns ein intensiver Blues-Rock-Song mit wildem Gitarren-Solo als Beispiel- und Referenzstück, denn die finale Mischung haben wir unter Sonar 7 unter kompetenter Mithilfe des KRK Exposé EB8 erstellt. Während der Backingtrack des Stücks live im Studio mit Rhythmusgitarre, Hammond-Orgel, Bass und Schlagzeug eingespielt und aufgenommen wurde, handelt es sich beim Solo um einen Overdub, eingespielt mit einer Gibson Les Paul und einem Marshall JCM 800.

Nach wenigen Sekunden beweist der RM2, was seine Hauptdomäne ist: Eine äußerst präzise, messerscharfe Raumdarstellung. Allein die stabile Phantommitte, die sich durch rein gar nichts – außer Spielereien am Panorama-Regler – aus der Ruhe bringen lässt, freut den Praktiker. In diesem Punkt wird der Monitor sogar der Professional audio Magazin-Referenz, den KRK Exposé E8B gefährlich. So shreddet der Leadgitarrist beim Heavy-Blues-Stück exakt in der Mitte – genau so, wie es sein soll. In der Tiefendarstellung hat der KRK zwar die Nase hörbar vorne, allerdings bringt der RM2 die Musik näher an den Hörplatz, was einige Tontechniker sehr zu schätzen wissen. Anderen könnte dieser Effekt eventuell zu vordergründig sein – hier entscheiden letztlich die persönlichen Vorlieben.

Klanglich überzeugt der Monitor durch eine hohe tonale Ausgewogenheit, ohne Vorlieben für bestimmte Frequenzbereiche. Digidesign und PMC haben sich anscheinend am Ideal des neutralen Schallwandlers orientiert und diese Vorgabe insgesamt sehr gut umgesetzt. Vor allem der Hochtöner erweist sich als echter Transienten-Spezialist: Beim Solo unseres Beispielsstücks ist der Sound geprägt von einer Marshall-typischen Präsenz- beziehungsweise bissigen Höhenanhebung. Dadurch knallen die im Plektrum-Wechselschlag ausgeführten Schnellläufe heftig aus den Lautsprechern, was weniger souveräne Hochtöner schnell mit Verzerrungen quittieren. Der RM2 ist darüber erhaben und macht seine Sache auch in puncto Feindynamik und Auflösung sehr gut. Im direkten Vergleich erscheint der KRK zwar etwas weicher und ein Quäntchen präziser, aber das ist reine Geschmackssache und auch die Tester sind insoweit in zwei Fraktionen gespalten.
Auch im kritischen Mittenbereich gibt es nichts zu mäkeln, besonders positiv ist die die hohe Trennschärfe des Monitors. Beim Beispielstück drängen sich nämlich etliche Schallereignisse dicht an dicht im unteren Mittenbereich und weniger präzise Analytiker wie der RM2 können hier schon mal einen indifferenten Klangbrei produzieren oder jedenfalls dem Hörenden eine erhöhte Konzentration abverlangen. Mit dem RM2 lässt sich hingegen stressfrei, vor allem auch bei höheren Pegeln hören. Wenn es hier indifferent mumpft, dann liegt es mit Sicherheit an der Mischung.
Die Basswiedergabe ist geprägt von Klarheit und einer beachtlichen Impulstreue des Lautsprechers. Der Bass ist somit präzise und gut fokussiert, wobei er gegenüber dem des KRK minimal verschlankt erscheint. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass der Referenz-Lautsprecher nach dem Bass-Reflexsystem konstruiert ist, worauf sich die zwar subtilen, aber durchaus hörbaren Unterschiede gründen dürften. Wie bereits weiter oben erwähnt, sorgt die Bass-Port-Emulation für eine gehörige Andickung des Basses, übrigens einhergehend mit einer Pegelanhebung. Ob die Entwickler dabei einen durchschnittlichen Bass-Reflex-Lautsprecher als Vorbild hatten, wissen wir nicht. In jedem Fall ist dieser Effekt mit großer Vorsicht zu genießen: Wir waren beim Beispiels-Arrangement ständig verführt, die E-Bass-Spur via Hochpassfilter abzuspecken und haben schlussendlich ganz darauf verzichtet.

Fazit

Aus der Vernunftehe zwischen Digidesign und PMC ist mit dem RM2 ein sehr guter Abhör-Monitor hervorgegangen, der alles in Allem dadurch auffällt, dass er gerade nicht auffällt. Abgesehen von der fragwürdigen Bass-Port-Emulation ist er ein unspektakulärer, neutraler Vertreter der Nahfeld-Monitorzunft, der allen zu empfehlen ist, die genau darauf größten Wert legen.

Erschienen in Ausgabe 07/2008

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 1833 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut