Wandlung mit Weis(s)heit

Mit dem Namen Weiss verbindet der Kenner digitale Studio-Geräte der Spitzenklasse. Der neue D/A-Wandler DAC2 lässt die Herzen der Mastering-Ingenieure höher schlagen.  

Von Harald Wittig

Der Schweizer Daniel Weiss gilt in der Pro-Audio-Szene als einer der bedeutendsten Digital-Gurus. Der studierte Elektro-Ingenieur gründete sein Unternehmen Weiss Engineering im Jahre 1984, nachdem er zuvor fünf Jahre bei Studer beschäftigt war und dort unter anderem eine zweikanalige   DASH-Bandmaschine mitentwickelte. Für Aufsehen und Aufhorchen bei Mastering-Ingenieuren sorgte Weiss Engineering Ende der 1980er-Jahre mit der ersten Generation der modularen 102-Serie, eines kompletten digitalen Racksystems fürs Mastering.

Noch heute, 20 Jahre nach Produktionsstart, erfreut sich das 102-System großer Beliebtheit bei Mastering-Profis und nicht nur die aktuellen, weiter verbesserten Geräte, sondern auch die der ersten Generation sind bei professionellen Produktionen immer noch im Einsatz. Bereits 1995 konnten die Schweizer eine Version der 102-Serie-Module anbieten, die mit einer maximalen Abtastrate von 96 Kilohertz arbeiteten. Bereits eine Jahr davor setzte Weiss mit der Gambit-Serie von 19-Zoll-Geräten eine weiteres Glanzlicht: Das POW-R-Dithering-Modul, das erstmals die fortschrittlichen POW-R-Dithering Algorithmen in einem Hardware-Gerät verfügbar machte. Daniel Weiss gehört zu den Mitentwicklern der POW-R-Algorithmen und ist nach wie vor Präsident des POW-R-Konsortiums. Auch der High-End-Wandler DAC1 der Gambit-Serie genießt einen ganz vorzüglichen Ruf bei der Pro-Audio-Prominenz. Der große Bob Katz beispielsweise nannte den Edel-Wandler „Holy DAC“ und vertraut bei seiner Arbeit auf die Übersetzerqualitäten des Schweizers.
Auch unser Testgerät, der 2008 vorgestellte DAC2 gehört zur Gambit-Serie. Dabei handelt es sich – wie der Namen schon sagt –, um einen Digital-Analog-Wandler, der als Besonderheit neben standesgemäßen AES/EBU-Ein und Ausgängen mit einer Firewire-Schnittstelle ausgestattet ist. Damit empfiehlt sich das rund 2.200 Euro teure Gerät als Wiedergabegerät im Zusammenspiel mit einem PC oder MAC und soll in erster Linie beim rechnerinternen Mastering Verwendung finden. Gleichzeitig ist der DAC2 dank seiner Maximal- Auflösung von 24 Bit/192 Kilohertz auch für das Abspielen sogenannter HD-Audiofiles geeignet. Dabei handelt es sich um unkomprimierte Musikdateien (24 Bit mit 88,2, 96, 176 oder 192 Kilohertz Abtastrate), die immer mehr Labels, Vertriebe und Künstler zum meist kostenpflichtigen Download anbieten. Den DAC2 gibt es übrigens auch in einer baugleichen, aber optisch aufgehübschten HiFi-Version. Dann heißt er sinnigerweise Minerva – Minerva ist die Göttin der Weis(s)heit – und kostet mit 3.600 Euro 65 Prozent mehr. Wer sich für den Minerva interessiert, erfährt also alles Wesentliche in diesem Test und kann selbst entscheiden, ob ihm die durchaus gefällige Optik des Zwillingsgerätes den Mehrpreis wert ist.               

Der DAC2 ist ein Zwei-Kanal-D/A-Wandler, der bei einer Maximal-Auflösung von 24Bit/192kHz die Digital-Formate AES/EBU und S/PDIF wandelt. Im Falle von S/PDIF gibt es auf der Rückseite sowohl einen elektrischen RCA- als auch als einen optischen Toslink-Eingang, AES/EBU-Signale verarbeitet der DAC2 auch im Dual-Wire-Modus nach Umsetzung der Jumper im Geräteinnern. Viel interessanter als diese – zumindest fürs professionelle Segment – Standard-Schnittstellen, ist die Firewire-Schnittstelle des Schweizers. Diese ist bidirektional ausgelegt und beherrscht die Wandlung von Firewire auf AES/EBU, von AES/EBU auf Firewire und kann auch den direkten Weg von Firewire auf die Analogausgänge gehen, was für DAW-User und HiFI-Jünger gleichermaßen interessant ist. Per Firewire auf AES/EBU wiederum ermöglicht beispielsweise, das vom Rechner beziehungsweise der DAW kommende, finalisierte Material auf einen Mastering-Recorder wie den Tascam DV-RA1000HD (Test in Ausgabe 4/2007) zu überspielen. Noch besser: Es ist ein Leichtes einen digitalen Hardware-Effektprozessor, beispielsweise einen Hallprozessor wie den Bricasti M7 (Test in Ausgabe 10/2007) oder den Lexicon PCM 96 (Test in Ausgabe 11/2008 einzuschleifen. Das funktioniert übrigens ganz ausgezeichnet, denn um den  passenden Signalweg einzurichten, genügt es, den Firewire-Schalter auf der Front länger als anderthalb Sekunden zu drücken.
Über die Taster auf der Front ist der jeweilige Betriebsmodus – also AES/EBU, S/PDIF oder Firewire, was im Zusammenspiel mit dem Rechner die häufigste Betriebsart sein wird, auszuwählen. Die mit „AES/EBU“ und „S/PDIF“ beschrifteten Taster übernehmen zusätzlich die Lautstärkereglung. „AES/EBU“ senkt den Pegel in 0,5 Dezibel-Schritten über einen Dynamikbereich von 120 Dezibel ab, „S/PDIF“ bewirkt eine entsprechende Pegelanhebung. Der „Firewire“-Taster wiederum bewirkt eine Absenkung um 20 Dezibel, arbeitet mithin als Dim-Schalter. Es handelt sich um eine digitale Lautstärkeregelung bei der Dithering, übrigens kein POW-R-Dithering – zum Einsatz kommt. Das ist nach Aussage von Daniel Weiss notwendig, da jeder digitale Eingriff in das eingehende Digital-Signal die Daten beeinflusst. Die digitale Lautstärkeregelung habe ansonsten die Qualität eines analogen Volume-Reglers. Seine Ergänzung findet die digitale Lautstärkeregelung  durch eine analoge. Hierfür hat der DAC2 einen kleinen Drehregler auf der Rückseite mit dem sich vier verschiedene Ausgangspegel einstellen lassen. Der Regler dient genau genommen der Anpassung des gewandelten Signals an nachfolgende Gerätschaften wie beispielsweise einen Monitoring-Controller. Nach unseren Testerfahrungen bedarf es in der Regel keiner Anpassung der Ausgangslautstärke: Sowohl an verschiedenen Monitoring-Controllern als auch an Kopfhörerverstärkern wie dem neuen Violectric HPV-200 (Test in einer der kommenden Ausgaben), deren Pegelsteller ihrerseits  gerade mal zu einem Drittel aufgedreht sind, ist der Ausgangspegel stets mehr als ausreichend.

Beschäftigen wir uns jetzt mit den inneren Werten des DAC2: Herzstück des Geräts ist ein Dice II-Chip der neuesten Generation von TC Applied Technologies (siehe Foto, Seite 30). Zur Verringerung des gefürchteten Sampling-Jitters kommt eine – vereinfacht ausgedrückt – verbesserte Phase-Locked-Loop (PLL)-Schaltung zum Einsatz. Diese nennt sich JET PLL und verwendet wie jede PLL eine Rückkopplung, um einen Oszillator auf eine Referenz zu synchronisieren. Das Besondere: Die JET PLL verwendet zwei PLLs – eine digitale mit einer tiefen Eckfrequenz bei etwa 10 Hertz und eine analoge mit einer viel höheren Eckfrequenz bei 100 Kilohertz. In der digitalen PLL generiert ein sogenannter NCO (Number Controlled Oscillator) Jitter, dieser wird durch Spektrumsformen in die hohen Frequenzen verlagert, wo die analoge PLL den Jitter unterdrückt. Weiss schwört auf dieses Verfahren, denn im Gegensatz zu PLL-Schaltungen, die sich eines Quartzgenerators bedienen, lasse sich eine sehr viel weitere Bandbreite abdecken. Ob JET PLL tatsächlich besser ist als andere Schaltungen, kann dahinstehen, denn diese Schaltung erfüllt ausweislich unserer Messungen in jedem Fall ihren Zweck: Mit einem Jitter-Wert von weniger als einer Nanosekunde ist der DAC2 praktisch Jitter-frei.
Die Sigma-Delta-Wandler des Chips arbeiten mit achtfachem Upsampling vor der eigentlichen D/A-Wandlung. Der DAC2 arbeitet immer, abhängig von der Samplerate des Eingangssignals, mit einer Abtastrate von 352,8 oder 384 Kilohertz. Aus gutem Grund, denn somit ist die Eckfrequenz für das unvermeidliche Anti-Aliasing-Filter, das wie ein Tiefpass hohe Frequenzen, die für störende, Signalverschlechternde Intermodulationen sorgen, aussperrt, nach oben versetzt. Zum Einsatz kommt ein praktisch linearphasiges Filter zweiter Ordnung, das laut Hersteller keine Klangeinbußen bewirkt.

Zum Lieferumfang des DAC2 gehört eine CD mit den Firewire-Treibern für PC und MAC, die übrigens auch von TC Applied Electronics kommen. Mitinstalliert wird auch eine Bediensoftware, die Einstellungen der Puffergröße zulässt und als kleines Schmankerl – allerdings nur unter Windows – mit dem sogenannten DPC Latency Checker eine nützliches Zusatzwerkzeug enthält: Ist er aktiviert, ermittelt er in Windesweile, ob der jeweilige Rechner für das Abspielen von Playbacks echtzeitfähig ist. Wenn nicht, passt die Software den Arbeitsmodus entsprechend an. Das kann auch manuell geschehen: Bei schwachen Systemen empfiehlt sich Safe Mode Level 3, bei Studio-taugleichen Rechnern ist der Normal-Modus beziehungsweise Safe Mode Level 1 die richtige Einstellung. Für den Einsatz als DAW-Interface gibt es selbstverständlich auch einen ASIO-Treiber und dieser sollte tunlichst auch beim Abspielen von Musik über einen Software-Player zum Einsatz kommen. Läuft die Musik beispielsweise in Windows nämlich nicht über ASIO wird das Betriebssystem Up- und Downsampling und andere Prozesse vornehmen, die sich negativ auf den Klang auswirken. Wer kein kostenpflichtiges Abspielprogramm wie beispielsweise Amarra von Sonic Studio verwendet, kann für den bewährten Winamp oder  Foobar ein ASIO-Output-Plug-in, zum Beispiel von otachan.com/out_asio(dll).html, herunterladen, das es erlaubt, den Ausgang auf ASIO zu setzen. Damit ist am ehesten gewährleistet, dass die eigene Musik oder HD-Musik-Dateien ohne vorherige Verschlimmbesserung durch das Betriebssystem vom DAC2 gewandelt werden.
Den obligatorischen Auftritt im Messlabor absolviert der DAC2 mit Bravour: Die Wandlerlinearität ist sehr gut, erst unterhalb von -120 Dezibeln zeigen die Kurven Abweichungen. Auch Fremd- und Geräuschspannungsabstände sind mit 95,3 beziehungsweise 92,8 Dezibeln auf Spitzenniveau, was auch für die Verzerrungen gilt, die nie 0,002 Prozent übersteigen. Das saubere FFT-Spektrum und die schnurgerade verlaufenden Frequenzgänge zeigen keinerlei Verfärbungs-Tendenzen und machen neugierig auf den Klangtest des DAC2.  

Wir vertrauen für den eigentlichen Hör- und Klangvergleichstest neben unseren bewährten Referenz-Monitoren, den KRK Exposé EB8 zusätzlich auf einen AKG K702-Kopfhörer im Verbund mit dem Kopfhörerverstärker Lake People G100. Diese Kombination dient als akustische Lupe, garantiert eine hohe Neutralität und erleichtert das vergleichende Hören mit unserem Referenz-Wandler, dem Lynx Aurora 8 beträchtlich.  Dass Wandler durchaus einen gewissen Eigenklang haben können, hat sich inzwischen herumgesprochen und auch der DAC2 besitzt einen eigenen Klang. Auffällig ist beim Hören jeglicher Musik, dass der Weiss-Wandler alles auf ein solides Tiefenfundament stellt. Das ist schon beim ersten Hinhören ohrenfällig. Das heißt jetzt nicht, dass der DAC2 den Klang deutlich verbiegt oder verfärben würde: Alles klingt nur auf eigentümliche Weise ein wenig fülliger, größer und stabiler. Über den Lynx klingt die Musik zumindest im Bassbereich schlanker und nicht ganz so standfest. Das Mittenband ist bei beiden Geräten sehr gut repräsentiert, ohne auffällige Vorlieben für bestimmte Frequenzbereiche, einmal abgesehen von einer leichten Tendenz, die Tiefmitten anzuschieben, die beim Schweizer ein wenig ausgeprägter erscheint. Das geht allerdings sehr gut ins Ohr und gerade Soloinstrumente wie Klavier, Konzertgitarre und Sprecher- und Gesangsstimmen profitieren durchaus davon. Die Höhen geben beide Wandler sehr sauber und fein aufgelöst wieder, wobei der Lynx ein Quäntchen klarer, aber auch etwas kälter und härter erscheint. Der DAC2 klingt dagegen minimal weicher, mit einer durchaus angenehmen Samtigkeit, enthält sich jedoch klangverfälschender Weichzeichnerei. Klänge mit hochverstärkten Obertönen, beispielsweise stark verzerrte E-Gitarren, klingen für unseren Geschmack mit dem Schweizer sogar runder als mit dem Lynx. Diese Unterschiede sind aber nur mit viel Konzentration unter optimalen Hörbedingungen auszumachen, denn es handelt sich um feinste Nuancen. Was der Weiss – wie auch sein amerikanischer Mitbewerber und andere Wandler der Spitzenklasse – ebenfalls souverän beherrscht, ist die präzise Darstellung von Aufnahmeräumen oder Räumlichkeitseffekten. Tatsächlich scheidet sich auch hier das Fußvolk von der vornehmen Kavallerie: So erleben wir den wunderbaren Klang des Saales in der Stolbergstraße auf der großartigen Klavier-Produktion von MSP Analogue (siehe Interview in diesem Heft, Seite 40) in der gesamten Ausdehnung. Mittelmäßige Audiointerfaces und deren Wandler leisten das nicht.   

Fazit

Der Weiss DAC2 ist ein DA-Wandler der Spitzenklasse, der sich dank seiner bidirektionalen Firewire-Schnittstelle sehr gut ins rechnerbasierte Studio einpasst. Dank sehr guten Klanges mit eigener Note empfiehlt er sich vor allem für die anspruchsvolle Mastering-Arbeit. 

Erschienen in Ausgabe 08/2009

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 2220 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: gut