Wer hat, der KANN
Astell & Kern geht mit dem KANN neue Wege – der DAP setzt voll auf Power und wartet mit einem mächtigen Kopfhörerverstärker auf, der auch die hungrigsten Kannen bespielen kann.
Von Freda Ressel
Allein die Namensgebung zeigt: der KANN hat Sonderstatus im Astell & Kern-Sortiment. Während die bisherigen Digital Audio Player des koreanischen Herstellers durch den markentypischen Vorsatz AK gekennzeichnet sind, steht der Name KANN für sich allein. Und das ist wörtlich zu nehmen: brauchte es bislang stets einen zusätzlichen dedizierten Kopfhörerverstärker, um leistungshungrige Kopfhörer mit AK-Playern zu betreiben, will der KANN es auch mit hochohmigen Vertretern locker aufnehmen können. Dazu kommen ein interner Speicher mit ordentlichen Erweiterungsmöglichkeiten und eine ungewöhnlich lange Akkulaufzeit, sowie praktische Konnektivitäts-Funktionen, die den KANN zu einem echten Einzelkämpfer auf dem DAP-Markt machen. Für 1.099 Euro (UVP) liefert er damit ein Rundum-Paket, das sich sehen lassen kann.
Robuste Schale
Astell & Kern ist bekannt für seine starken Design-Statements. Das Äußere des KANN ist geprägt von futuristischem Alu-Chic mit einem Hauch des Flairs eines edlen S. T. Dupont-Feuerzeugs. Das in silberner oder blauer Ausführung erhältliche Gehäuse besteht aus in unterschiedlichen Stärken geripptem Aluminium. Durch seine Trapezform und die feinen Metallrillen an den Seiten liegt er sehr gut in der Hand und kann problemlos einhändig bedient werden. Auch das elegant ins Design integrierte walzenförmige Lautstärkerad lässt sich je nach genutzter Hand bequem mit Daumen oder Zeigefinger verstellen und ist dabei, ähnlich wie beim AK300, leichtgängig wie ein hochqualitatives Zahlenschloss. Dabei ist aber stets nur eine Justierung um höchstens zehn Lautstärkestufen pro Drehung möglich, sodass selbst bei versehentlichem Verstellen nicht die Gefahr einer plötzlichen extremen Lautstärkesteigerung besteht.
Wo gehobelt wird, da fallen Späne: auf den ersten Blick erscheint der KANN deutlich wuchtiger als die meisten Konkurrenzprodukte, was natürlich den verbauten Komponenten geschuldet ist. Mit knapp 280 Gramm ist der KANN jedoch auch nur 60 Gramm schwerer als etwa der Calyx M, obwohl das Format ein viel höheres Gewicht vermuten lässt. Allerdings ist er mit einer Tiefe von 2,5 cm etwas zu wuchtig für die handelsübliche Hosentasche – hier muss schon eine Jeans- oder stabile Jackentasche herhalten.
Die Transporttasten befinden sich nicht wie bei den meisten DAPs an der Seite, sondern sitzen unterhalb des Displays. Sie weisen die optimale Mischung aus Leichtgängigkeit und Widerstand auf, um nicht versehentlich betätigt zu werden. Start und Pause können ausschließlich über die entsprechende Taste betätigt werden, zum Skippen hat man die Wahl zwischen dem klassischen Wischen auf dem Display und den Tasten. Praktisch ist der physikalische Homebutton, der stets zum Startbildschirm zurückführt. Das Display mit 480 x 800 Pixel Auflösung ist, wie von Astell & Kern gewohnt, gestochen scharf und setzt Albumcover schmuckvoll in Szene. Das Glas ist plan in die Gehäusefront eingelassen und damit gut geschützt vor Stoßschäden.
Universell nutzbar
Der KANN verfügt auf der Oberseite über jeweils zwei dedizierte Kopfhörer- und Line-Ausgänge, wovon einer unsymmetrisch (3,5 mm Klinke) und einer symmetrisch (2,5 mm Klinke) ist. Die Ausgangsspannung für den Line-Out lässt sich in vier Stufen regeln (0,7 V, 1 V, 1,25 V, 2 V), sodass sich der Player an verschiedene Ausgabequellen anpassen kann.
Auf der Unterseite sitzen zwei Kartenslots zur Erweiterung des 64 GB Flashspeichers: eine MicroSD (bis 256 GB) und eine SD-Karte (bis 512 GB) können hier wie beim Calyx M den Speicher auf über 800 GB erweitern. Damit schafft man es auf satte 20.000 WAV-Dateien mit einer Durchschnittslänge von 4 Minuten. Über die Micro-USB-Schnittstelle kann der KANN als USB-DAC verwendet werden und gibt Dateien wahlweise als PCM (bis 32 Bit/384kHz) oder DoP (DSD bis DSD256 nativ) wieder. Mit einem OTG-Adapter lässt sich der KANN sogar mit anderen USB-Audiogeräten verbinden, sodass auf den Lieblings-USB-DAC oder –Kopfhörerverstärker nicht verzichtet werden muss.
Eine USB-C-Schnittstelle dient der ultraschnellen Datenübertragung. Zudem wird darüber der potente 6,200 mAh Akku aufgeladen. Dieser soll höchstens vier Stunden zur Aufladung brauchen –unser Schnelllade-Netzteil schaffte es sogar in der Hälfte der Zeit. Beindruckend ist die lange Laufzeit des Akkus: im Testzeitraum bestätigte sich die Herstellerangabe von bis zu 15 Stunden, im Stresstest mit eingeschaltetem Wifi, Bluetooth und dauerhaftem DSD-Streaming bei angeschlossenem Magnetostaten machte er bei immer noch beachtlichen 8 Stunden schlapp – so viel schafft manch anderer DAP nicht mal unter Optimal-Bedingungen. Apropos Wifi und Bluetooth: Der KANN verfügt mit Bluetooth 4.0 in AptX HD Codierung, die eine Übertragung mit 24 Bit Auflösung ermöglicht. Über Wifi ist mit Hilfe der AK Connect App DLNA-Streaming und die Fernsteuerung des KANN über das Smartphone möglich, zudem werden Systemupdates OTA installiert. Wie bei der AK3XX-Serie ist der Streaming Dienst Tidal als App integriert – allerdings weiterhin nur mit Internetverbindung nutzbar.
Kraftvoller Kern
Als DAC kommt, ebenso wie bei den Playern der AK3XX-Serie, der hochwertige AKM AK4490 zum Einsatz. Der KANN unterstützt WAV, FLAC, WMA, MP3, OGG, APE, AAC, ALAC und AIFF. Die DSD-Wiedergabe erfolgt (im Gegensatz noch zum AK300) nativ. PCM wird bis 32 Bit/382 kHz bitgenau wiedergegeben, DSD bis DSD256 (1 Bit 11.2 MHz). Auch im KANN steckt, wie schon im AK300, eine ultrapräzise VCXO Femto Clock zur Jitterminimierung.
Das Alleinstellungsmerkmal des KANN ist sein kräftiger Kopfhörerverstärker. Dieser kann wie beim AK300 auf Normal oder High Gain Betrieb geschaltet werden. Bei normalem Gain liefert der KANN über beide Kopfhörerausgänge eine Ausgangsspannung von 2 Vrms, bei High Gain 4 Vrms für unsymmetrische und 7 Vrms für symmetrische Kopfhörer. Zum Vergleich: Der AK300 in Verbindung mit dem AK AMP liefert außer bei symmetrischen Kopfhörern in High Gain Stellung (7,66 Vrms) gleiche oder geringere Werte – der KANN kommt aber ohne zusätzliches Gerät aus.
Bedienung und GUI
Der KANN überzeugt durch sein sehr angenehmes Handling. Tasten und Lautstärkerad sind sehr intuitiv und komfortabel in der Bedienung. Das GUI ist identisch mit dem des AK300, welches schon seinerzeit vor allem durch seine sinnvolle Sortierung der Musikbibliothek punkten konnte. Hier wird bereits auf dem Startbildschirm das Menü in die Punkte Titel, Alben, Artists, Genre, Playlist und Ordner aufgeteilt. Die Elemente in den jeweiligen Rubriken sind alphabetisch sortiert. Zusätzlich lassen sie sich filtern: DSD-Files sowie Dateien in MQS-Auflösung (Master Quality Sound) mit mindestens 24 Bit in verschiedenen Samplingrate-Bereichen lassen sich gesondert anzeigen – in der Praxis ein sehr nützliches Feature. Zum schnelleren Recherchieren in der Bibliothek steht eine Suchfunktion durch Ziehen am oberen Bildschirmrand zur Verfügung. Der eingegebene Begriff wird in den Ordnern Album, Interpret und Song gesucht, so dass der gewünschte Titel blitzschnell gefunden ist.
Zudem gibt es den Button Store, der momentan ausschließlich zur Tidal-App führt. Ein Reiter für die AK Connect-Funktion befindet sich auf der Bildschirmoberseite. Damit hat man alle wichtigen Funktionen direkt auf einen Blick. Klickt man auf das Albumcover, welches den laufenden Titel anzeigt, landet man in der Playeransicht, wo sich grundlegende Informationen über den Titel, wie die Auflösung, anzeigen lassen, und man mit der Zeitleiste innerhalb des Songs springen kann. Dies funktioniert flüssig, wenn auch nicht ganz so instantan, wie es beim Calyx M der Fall ist. Jeder hier spielende Titel kann, ebenso wie in der Bibliotheksansicht, sofort einer Playlist zugeordnet werden- diese lassen sich auch direkt neu erstellen und individuell benennen. Zudem erstellt der KANN automatisch Playlisten für die am häufigsten gespielten sowie neu hinzugefügten Titel.
Die Audioeinstellungen finden sich, wie bei den meisten androidbasierten GUIs, über das Pulldownmenü am oberen Bildschirmrand. Hier steht jeweils ein 20-bandiger graphischer oder parametrischer Equalizer (mit 100 0,1 dB-Schritten) zur Verfügung, sodass der KANN jede Schwäche oder Eigenart von Musik oder Kopfhörer problemlos ausgleicht. Die Equalizer-Einstellungen sind individuell speicher- und benennbar, so dass der KANN auf jedwedes Setup anpassbar wird. Außerdem finden sich dort die lückenlose Wiedergabe sowie die 120-Schritt- Stereo-Balance.
Auch optisch kann das GUI punkten, denn das Design ist äußerst liebevoll durchdacht, integriert die Cover der Musik sehr schön und verfügt über eine ausgesprochen geschmackvolle Auswahl an verschiedenen Default-Grafiken, falls kein Cover in den Metadaten hinterlegt ist. Die leichte Trägheit, die das GUI des AK300 noch aufwies, geht dem KANN ab – der Player reagiert schnell auf sämtliche Befehle. Die Bedienung des KANN ist damit sehr intuitiv, und der Test zeigte erneut, dass Astell & Kerns GUI eine der besten Bedienoberflächen auf dem Markt ist.
Klang
Dank der reichhaltigen Auswahl an hochwertigen Kopfhörern in der Redaktion war es möglich, die Fähigkeiten des KANN auf Herz und Nieren zu prüfen. So bespielten wir damit die In-Ears Audeze iSine 20 (Test auf Seite 56), radius W n°4 (Test in Ausgabe 10/2016) und den noch in der Testphase befindlichen Optoma HEM Dynamic. Als echte Kraftprobe traten die Magnetostaten Audeze LCD-X und der Hifiman HE1000 V2 (Test auf Seite 40) an, welche schon manchen DAP im Test in die Knie zwangen. Dabei zeigte sich, dass Astell & Kern nicht zu viel versprochen hat: Beide Magnetostaten bespielt der KANN mühelos mit einer Lautstärke, die selbst für überzeugte Lauthörer absolut ausreicht. Es scheint, als sei es dem KANN völlig egal, welchen Kopfhörer man anstöpselt – er bespielt jede Kanne mit einer beeindruckenden Souveränität.
Klanglich präsentiert sich der KANN ebenso kraftvoll, wie seine Ausstattung es vermuten lässt – der Player ist überaus dynamisch und hat eine Power, die vor allem zu Rock- und Pop-Musik hervorragend passt. Das soll aber keinesfalls heißen, dass der KANN nicht für Jazz, Klassik oder andere dynamisch anspruchsvollere Musik nicht geeignet ist, im Gegenteil: die Impulswiedergabe verfügt über eine besondere Knackigkeit über den gesamten Frequenzbereich, die gerade akustische Instrumente wie Kontrabass oder Schlagzeugbecken überaus körperlich wiedergibt.
Die Auflösung ist sehr gut, auch wenn ein Player vom Schlage eines Calyx M noch etwas mehr Feinheiten in den Mitten und Höhen liefern kann. Das ist allerdings Jammern auf ganz hohem Niveau – um diese Unterschiede wahrzunehmen, muss man bei einem umfangreichen Direktvergleich schon ganz genau hinhören. Man hat beim KANN aber auch niemals das Gefühl klanglich etwas zu vermissen, im Gegenteil: der Player wird auch über lange Hörstrecken, die seine Akkulaufzeit ja geradezu fordert, niemals lästig. Die räumliche Wiedergabe ist exzellent, wenngleich einen Hauch weniger klarer definiert bei der räumlichen Orientierung einzelner Instrumente als der in der letzten Ausgabe getestete Acoustic Research AR-M2, welcher hier aber auch wirklich Bestleistungen zu erbringen vermag. Die einzelnen Frequenzbereiche werden sehr harmonisch und neutral wiedergegeben. Hier ist die klangliche Verwandtschaft zum AK300 am deutlichsten zu spüren, welcher ebenfalls sehr akkurat zu Werke geht.
Fazit
Der KANN ist ein sehr gut klingendes Powerhouse, das einfach Freude macht. Mit seiner enormen Kopfhörerverstärkerleistung, der langem Akkulaufzeit und dem großen, erweiterbaren Speicher ist er für so ziemlich alle Aufgaben gewappnet. Die Einzelstellung im Astell & Kern-Programm ist durchaus sinnig: Der KANN kommt „alleine“ klar und ist ganz nah dran am Ideal des essentiellen DAPs.
Erschienen in Professional audio 08/2017