Janusköpfig

Vereint ein Mensch in seinem Charakter zwei sich widersprechende Seiten, gilt er als janusköpfig. Im übertragenen Sinne trifft das auch auf Tascams Audio-Workstation X-48 zu, denn sie vereint die Vorteile eines Festplatten-Mehrspurrekorders mit der Flexibilität einer rechnerbasierten DAW.

Von Harald Wittig 

Die Stand-alone-Workstation X-48 hatte ihre Vorpremiere bereits 2005 auf der Frankfurter Musikmesse: Im nur für die Fachpresse und Händler offenen Hinterzimmer des Tascam-Stands präsentierte der japanische Hersteller ein erstes Vormuster. Findige Journalisten witterten damals eine Kampfansage Tascams an die rechnerbasierten DAW-Systeme, die im Bereich Mehrspuraufnahme die Studios fraglos beherrschen. Die X-48 ist ein Hybrid-System, das nach dem Willen des Herstellers die Betriebssicherheit und einfache Bedienbarkeit mit den wesentlichen Merkmalen eines zeitgemäßen DAW-Systems verbindet. Dazu gehören neben einer grafischen Benutzeroberfläche ein leistungsfähiger virtueller Mixer und die Möglichkeit, VST-Plug-ins in den Signalweg einzubinden. Dabei sollte die X-48 das im fast schon legendären 24-Spur-Harddisk-Rekorder MX-2424 erstmals umgesetzte Hybrid-Konzept in aller Konsequenz zu einem vorläufigen Ende und Höhepunkt führen. Die Vorfreude nicht nur von überzeugten Tascam-Fans und all jenen, die Vorbehalte gegen DAWs hegen, war groß und Tascam konnte sich über etliche Vorbestellungen freuen. Doch die Interessenten mussten sich in Geduld üben, denn die X-48 ist jetzt erst, also rund drei Jahre nach der Erstvorstellung lieferbar. Der Grund: Bis zuletzt feilten die Entwickler an der Implementierung der VST-Plug-ins, denn Tascam wollte gerade hier keine halben Sachen machen. Folgerichtig musste sich auch die Testredaktion von Professional audio Magazin in Geduld üben: Immerhin haben wir die X-48 bereits seit 2006 auf der Wunschliste für einen eingehenden Test. Auch wenn die X-48 erst seit Ende 2007 liefer- beziehungsweise bestellbar ist – heute arbeiten längst zahlreiche der Aufnahmeboliden an vorderster Profifront: Die X-48 gehört bei einigen europäischen Rundfunkanstalten zur Standardausrüstung im Ü-Wagen und ist gerne genommener Partner für Live-Mitschnitte. Aus gutem Grund: Denn bereits in der werksseitigen Grundausstattung erhält der Profi für rund 5.200 Euro einen Mehrspur-Stand-alone-Rekorder mit 48 Ein- und Ausgängen im T/DIF-Format, der sich ohne zu murren an ein Pro-Tools-System oder ein LAWO mc²66-Pult (der Ü-Wagen-Standard) andockt. Dabei ist bereits einleitend angeklungen, dass die X-48 weit mehr als „nur“ ein aufgemotzter MX-2424 ist, weswegen im Folgenden Konzept und Grundausstattung eingehend beschrieben werden.

Die X-48 zeichnet 48 Spuren in allen gängigen Abtast-Raten bis maximal 96 Kilohertz auf. Die Workstation bietet damit auch „krumme“ Samplingraten wie beispielsweise 46080, die zur 48-Kilohertz-Umwandlung vom 25-Frames-PAL-Format ins 24-Frames-Film-Format benötigt wird. Damit ist die Workstation auch für den Einsatz im Video-/Film-Postproduction-Bereich gerüstet. Bei der Wortbreite sind 24 Bit Standard und entsprechen der Werksvoreinstellung. Daneben ist auch die Aufnahme mit 16 Bit und sogar im 32-Bit-Fließkommaformat ohne Beschränkung der Spurenzahl möglich. Letzteres ist absolut professionell und so arbeiten beispielsweise praktisch alle Sequenzer-Programme ab der Oberklasse in der 32-Bit-Fließkomma-Auflösung. Aus guten Gründen, denn zum einen ist so eine höhere Verarbeitungspräzision und bessere Dynamik gewährleistet, zum anderen sind auf der 32-Bit-Fließkomma-Ebene Übersteuerungen praktisch ausgeschlossen. Näheres hierzu finden Sie in der dritten Folge des Mastering-Workshops von Friedemann Tischmeyer „Mehr Bits für mehr Sound“ in dieser Ausgabe auf Seite 98.

Die X-48 zeichnet Audio-Dateien im Broadcastwave-Format mit Zeit-Signatur auf. Dieses Format wird ebenfalls von allen rechnerbasierten DAWs akzeptiert wird, so dass dem Datenaustausch mit anderen Workstations zum Zwecke der Postproduction nichts im Wege steht. Die X-48 ist in der Lage in den Betriebsarten destruktiv/überschreibend – die gute alte Bandmaschine lässt grüßen – oder in der Standardbetriebsart non-destrktiv/nicht-überschreibend aufzunehmen. Als Aufzeichnungsmedium dient zunächst die mit 80 Gigabyte üppig dimensionierte interne Festplatte, externe Laufwerke lassen sich über die vier USB-2.0- und die beiden Firewire-Schnittstellen mit der X-48 verbinden. Der eingebaute DVD+RW-Brenner dient ebenfalls der Datensicherung und akzeptiert die gängigsten optischen Medien – Einzelheiten finden Sie im Steckbrief auf Seite 75.
Ohne dass es überhaupt dem integrierten virtuellen Mixer bedürfte, ist diese Workstation unmittelbar, also gewissermaßen frisch aus dem Karton, funktionsfähig. Sofern ein Mischpult oder Interface mit T/DIF-Schnittstelle(n) vorhanden ist, lässt sich die X-48 wie eine gute alte Bandmaschine verwenden. Die bekannten Bedienelemente finden sich auf der großen Frontplatte des robusten Gehäuses, LED-Ketten für alle 48 Spuren informieren über die jeweiligen Signalstärken, Elementares wie die Anzeige der aktuellen Abtast-Rate und des SMPTE-Timecodes finden sich oberhalb des hintergrundbeleuchteten LCD-Displays. Letzteres zeigt bei Aufnahme und Wiedergabe die aktuelle Zeitposition an, außerdem informiert es den Anwender über die zahlreichen Untermenüs, in denen sich dank der guten, weil Praktiker-freundlich abgefassten Bedienungsanleitung niemand verlieren dürfte. Die X-48 wird laut Aussage von Tascam auch als reine Playback-Maschine beziehungsweise als Zuspieler zu Präsentationszwecken geschätzt. Dafür gibt es den sogenannten Theater-Play-Modus, bei Tascam scherzhaft auch als „Hausmeister-Modus“ bezeichnet: In diesem Modus durchsucht die X-48 zuvor aufgenommenes Material anhand einer Reihe vordefinierter Wiedergabeabschnitte, die mittels frei wählbarer Locatorpunkte begrenzt sind. Bei einer Präsentation genügt ein Druck auf die Play-Taste, die X-48 gibt die Musik vom Anfang des ersten Wiedergabeabschnitts bis zu dessen Ende wieder. Danach fährt sie automatisch zum nächsten Abschnitt und wartet auf einen neuen Play-Befehl. Damit ist die X-48 in solchen Situationen zur Not auch von der Putzfrau bedienbar – praktisch, wenn der verantwortliche Tontechniker gerade im Stau steckt.

Wer – aus welchen Gründen auch immer – analoge Ein- und Ausgänge oder den digitalen Datentransfer im AES/EBU- oder ADAT-Format bevorzugt, muss die X-48 kostenpflichtig aufrüsten. Auf der Geräte-Rückseite sind dafür zwei Slots vorgesehen, in die der X-48-Benutzer Tascams bereits seit MX-2424-Zeiten bekannte IF-Schnittstellen-Karten einbauen kann. Sowohl die analoge IF-AN24X als auch die beiden Digital-Karten IF-AD24X (ADAT) und IF-AE24X (AES/EBU) bieten jeweils 24 Ein- und Ausgänge. Um in den vollen analogen beziehungsweise (abgesehen vom T/DIF-Format) voll digitalen 48-Kanalgenuss zu kommen, sind folglich jeweils zwei der gut 1.400 Euro teuren Erweiterungskarten vonnöten, wodurch der Preis auf fast 8.000 Euro steigt. Da winkt der Homerecordler dankend ab – für ihn ist diese Workstation, wie der finale Praxistest zeigt, auch nicht gemacht. Zunächst schon allein deswegen, weil die X-48 auch mit der analogen Schnittstellenkarte IF-AN24X nur Line-Eingänge anbietet. Am entsprechenden Outboard mit Mikrofon-Eingängen führt kein Weg vorbei. Dementsprechend empfiehlt Tascam ausdrücklich ein Mischpult mit bestenfalls 24 Ein- und Ausgängen und je nach Machart des Mixers eine der optionalen Schnittstellenkarte für die perfekte Verbindung Mischpult/X-48. Es soll auch nicht verschwiegen werden, dass ein gewisser Vorrat an SUB-D-Kabelpeitschen vorhanden sein muss, denn die Karten verfügen allesamt über entsprechende Anschlussbuchsen. Passende Kabel, auch nicht für das bereits eingebaute T/DIF-Interface, gehören nicht zum Lieferumfang.

Stichwort Anschlüsse, Stichwort Zusatzgeräte: Die X-48 ist wie gesagt eine Hybrid-Workstation. Als solche hat sie ein integriertes virtuelles Mischpult, das die Signale intern mit 32-Bit-Fließkomma-Auflösung verarbeitet. Wobei es „virtuelles Mischpult“ genau genommen nicht trifft, denn eigentlich handelt es um einen proprietären Sequenzer, der alle wesentlichen Editierungsmöglichkeiten, die der Praktiker begehrt, bietet. Alten Tascam-Hasen ist der interne Mischer der X-48 bestens bekannt: Die Oberfläche basiert auf Tascams Gigastudio, das heute zur Produktpalette von Bestservice gehört. Um diese zu Gesicht zu bekommen, bedarf es natürlich eines Computer-Monitors mit einer Mindestauflösung von 1024 x 768 Bildpunkten, ein VGA-Anschluss ist am X-48 vorhanden. Selbstverständlich fehlen auch PS/2-Anschlüsse für Maus und Tastatur nicht, alternativ akzeptiert die X-48 auch die USB-Ausführungen der beiden wichtigen Peripherie-/Steuergeräte. Das Gigastudio ist eine Windows-Anwendung, somit basiert auch die X-48 auf der PC-Architektur, als Betriebssystem arbeitet das gute alte und immer noch sehr zuverlässige Embedded Windows XP SP2. Dementsprechend ist die interne Festplatte der X-48 in zwei Partitionen aufgeteilt: Die größere Sektion, Data beziehungsweise Laufwerk D genannt, dient zur Ablage und Verwaltung der Projekte, auf dem Laufwerk C, mit dem Zusatz OS (Operating System/Betriebssystem) findet sich der konventionelle Windows-Explorer, über den der Benutzer Zugriff auf Programm-Ordner, Treiber und den Gerätemanager hat. Hier erteilt das Betriebssystem auch Auskunft über CPU und den Arbeitsspeicher der Workstation: Ein mit 2,8 Gigahertz recht flinker Intel Cerion-Prozessor, unterstützt von einem ein Gigabyte großen Arbeitspeicher, sorgt im reinen Aufnahmebetrieb für praxisgerechten und schlackenlosen Arbeitsfluss. Anders kann es aber aussehen, wenn der Benutzer weidlich Gebrauch vom virtuellen Mixer und Software-Effekten macht. Also legen wir den Focus nun auf die Mischzentrale der X-48.

Sobald die Workstation hochgefahren ist, befindet sich der Anwender nach kurzem Blick auf die Grafik der Betriebssoftware, die von der deutschten Software-Schmiede SanWave für Tascam entwickelt wurde, im Spurbereich des X-48-Gigastudios. Insoweit fühlen sich auch Cubase-, Logic- oder Sonar-Anwender wie zu Hause, den die Umgebung wirkt trotz eigener grafischer Gestaltung angenehm vertraut. Die X-48 lädt automatisch immer das zuletzt bearbeitete Projekt. Alle Projekte werden im Tascam-/X48-eigenen NDR-Format auf der internen Festplatte abgelegt und sind damit nicht kompatibel zu anderen DAWs. X-48-Projekte lassen sich aber in den plattformübergreifenden Formaten Open-TL und AAF (Advanced Authoring Format) exportieren. Grundsätzlich werden beide Formate von vielen DAW-Anwendungen der Profi- beziehungsweise Spitzenklasse, also Nuendo, Logic Pro und Pro Tools unterstützt. Cubase- und Sonar-Anwender bleiben hier außen vor, für diese Anwendergruppe bleibt nur der mühsamere Weg, die einzelnen Broadcast-Wave-Dateien zu kopieren und in die eigene DAW-Anwendung Spur für Spur zu importieren. Ohne Probleme verläuft der Open TL Ex- und Import allerdings auch nicht: Zumindest X-48-Projekte in diesem Format lassen sich auch im aktuellen Nuendo 4 nicht öffnen. Mit AAF-Dateien funktioniert es dafür ohne Schwierigkeiten, allerdings darf in diesem Fall die Export-Dateigröße zwei Gigabyte nicht überschreiten. Der Import eines Nuendo-Open-TL-Projekts in die X-48 gelingt während des Tests auch nicht auf Anhieb: Zwar erkennt die X-48 die Zeitpositionen und Ausführungsdaten der Einzelspuren, findet aber die dazugehörigen Wave-Files nicht. Das liegt an der Ordnerstruktur, die Nuendo beim Open-TL-Export anlegt. Hier hilft nur, die Wave-Dateien auf das D-Laufwerk des X-48 zu kopieren und nacheinander in die Spuren zu laden. Je nach Größe eines Projekts eine langwierige Angelegenheit. Logic Pro-Anwender sind beim Projekt-Export auf das AAF-Format beschränkt, Logic-Open-TL-Projekte lassen sich nicht in die X-48 importieren, da die zugehörigen Audio-Daten im Sound-Designer-II-Format vorliegen. Keine Probleme gibt es mit Pro Tools, Vorrausetzung ist hier aber mindestens die Version 7.4. Das OMF-Format unterstützt die X-48 entgegen der Aussage im X-48-Produkt-Flyer übrigens nicht, dagegen gelingt, zumindest während des Testlaufes, interessanterweise auch der Import von Einzelspuren oder Downmixes im einfachen RIFF-Wave-Format.

Soll ein neues Projekt in der X-48 erstellt werden, gilt es zunächst die grundlegenden Einstellungen, angefangen bei der Abtastfrequenz und Wortbreite bis hin zum grundlegenden Eingangs- und Ausgangsrouting vorzunehmen. Dazu dient „Settings“, zu finden in der Menüleiste als Untermenü des mit „Windows“ bezeichneten Menüs. Da nur das an Gerätschaften verwaltet werden soll und muss, was realiter an Bord der Hardware ist, sind umständliche und zeitaufwändige Einrichtungen von Hardware-Ein- und -Ausgängen bei der X-48 nicht nötig. Die Workstation bietet und gibt an, was eingangs- und ausgangsseitig verfügbar ist. Vor der eigentlichen Aufnahme müssen lediglich die Spuren scharf gestellt und die Eingänge – also analog oder digital – in der Spuransicht, die gleichzeitig der Hauptbildschirm des Mixers ist, eingerichtet werden. Praktisch ist die vollständige dynamische Pegelautomation, die gerade beim Aufnehmen von sehr dynamisch agierenden Solisten höchst hilfreich ist. Sie regelt blitzschnell und abhängig von den eingehenden Pegeln ständig nach, so dass Übersteuerungen praktisch ausgeschlossen sind. Aber Achtung: Wenn Sie den Mixer tatsächlich vollumfänglich nutzen möchten, darf „Mixer Bypass“ auf der Seite „Seetings-System“ nicht aktiviert sein. Also Häkchen weg, anderenfalls sehen und hören Sie nicht nur nichts: Vor allem bleiben sämtliche Klangmanipulationen wirkungslos.
Denn dafür hält der Mixer für jeden Kanalzug einen eigenen parametrischen Vierband-Equalizer und einen Kompressor bereit. Beide Effekte erweisen sich als enorm leistungsfähig und sind dank komfortabler Steuerung über eigene grafische Benutzeroberflächen – ganz so, wie es von Sequenzer-Programmen bekannt ist – kinderleicht zu bedienen beziehungsweise einzustellen. Dabei gilt in diesem Fall die Devise: Sie bekommen, was Sie sehen. Denn ausweislich der Test-Messungen im Messlabor von Professional audio Magazin, verbiegt der Spur-Equalizer den Frequenzgang exakt so, wie es die GUI zeigt, die jeweiligen Kompressor–Kennlinien entsprechen der virtuellen Anzeige (siehe hierzu die beiden Messdiagramme auf Seite 74). Klanglich gehören die beiden Kanalzug-Effekte zu den unauffälligen Vertretern der Gattung. Soll heißen: Markanter Eigenklang, womöglich nach bestimmten Vintage-Vorgaben, können und sollen weder Equalizer noch Kompressor leisten.
Wer es hier vollmundiger und letztlich analoger bevorzugt, muss nicht verzagen, denn hier hat Tascam vorgesorgt: Die X-48 erlaubt die Integration von VST-Plug-ins. Hierfür ist bereits ab Werk ein entsprechender Ordner beziehungsweise Speicherort auf der Festplatte angelegt, der passenderweise nach dem Begründer des VST-Standards „Steinberg“ heißt. Derzeit sind nach wie vor nur die Plug-ins Waves 5 und Antares Auto-Tune 4 offiziell freigegeben, was aber nicht heißt, dass Plug-ins anderer Hersteller auf der X-48 nicht lauffähig wären. Keinerlei Probleme haben wir im Test mit den Plug-ins der Classic-Serie der dänischen Vintage-Spezialisten Kjaerhus-Audio, die jeder unter www.kjaerhusaudio.com/download.php kostenlos herunterladen kann. Die Installation, in diesem Fall über CD-ROM, geht vollkommen problemlos über die Bühne, die Plug-ins lassen sich direkt in einen der insgesamt vier Spur-Effektcontainer laden. Allerdings weigert sich die X-48, den Classic-Reverb zu erkennen. Aus einfachem Grund: Es handelt sich um ein Stereo-Plug-in, das Mischpult kennt aber, passend zur X-48-Hardware nur die 48 Monospuren. Den Trick rechnerbasierter Sequenzer-Programme, auch bei Monospuren einen Stereobetrieb zu erzwingen, kennt der proprietäre Sequenzer nicht. Damit lässt sich sicherlich leben, zumal die 24 vorhandenen Subgruppen, sechs Ausspielwege/Aux-Sends und die zusätzlichen sechs Stereo-Returns-Rückführungen genügend Routing-Möglichkeiten für professionelle interne Mix-Downs mit Hardware-Effekt-Garnitur auf dem Niveau von Kompaktpulten der gehobenen Klasse ermöglichen.
Es ist nicht empfehlenswert, VST-Plug-ins direkt bei der Aufnahme einzusetzen, denn bereits die CPU-Grundlast der X-48 liegt bei 30 Prozent. Je nach Spurinstanzen und nach Leistungshunger eines oder mehrerer Plug-ins kann das System schneller als einem lieb ist an seine Leistungsgrenzen kommen und sogar den Dienst quittieren. Da fragt es sich, ob sich die X-48 vielleicht aufrüsten lässt. Nach Auskunft von Dirk Born, dem Produktmanager von Tascam Deutschland, sind entsprechende Eingriffe beziehungsweise Manipulationen jedoch nicht vorgesehen: Die X-48 sei ein sich geschlossenes und fertig konfiguriertes Gesamt-System, das eine prall ausgestattete DAW mit entsprechender Hardware-Rechenpower nicht ersetzen soll. Damit ist, nebenbei gesagt, auch das Thema Kampfansage an rechnerbasierte DAWs vom Tisch.

Dennoch besitzt auch die X-48 die Qualifikation zum – allerdings sehr spezialisierten – Hostrechner: Mit der zugegeben etwas spartanisch ausgestattete, vorinstallierten Software Tascam Mixer Companion und einem über USB mit der X-48 verbundenem Tascam-Digitalpult wie dem DM-3200 oder dem DM-4800 (Tests in den Ausgaben 5/2006 und 1/2007), speichert die Workstation eine Aufnahme-Session als NDR-Projekt auf der eigenen Festplatte. Zur vorinstallierten Software gehört weiter auch MX-View, womit der Recorder MX-2424 fernsteuerbar ist. Gut so, denn obwohl der MX-2424 nicht mehr hergestellt wird, schätzen ihn Profis immer noch als zuverlässigen Partner. Praktischerweise verfügt die X-48 zusätzlich über ein Dienstprogramm, Drive Benchmarking genannt, mit dem die eingebaute Festplatte, vor allem aber auch jedes externe Laufwerk vor der Verwendung getestet werden kann. Die Workstation führt dabei eine Reihe von Lese- und Schreibtests durch und zeigt abschließend an, auf wie vielen Spuren bei 48 und 96 Kilohertz gleichzeitig aufgenommen werden kann. Diese Funktion ist ein Muss, sollte der Anwender beabsichtigen, eine externe Festplatte als Speichermedium zu nutzen. Allerdings ist Drive Benchmarking nur über das File-Menü im virtuellen Mixer, nicht aber über die Frontplatte aufrufbar.

Die X-48 lässt sich, wie es sich für ein professionelles Gerät gehört, in vielfältiger Weise in eine moderne Studio-Umgebung einbinden. Daher gehören auch zwei Netzwerkanschlüsse – einer davon ist ein superschneller Gigabit-Anschluss – und die Synchronisationsmöglichkeiten, Stichworte sind insoweit Timecode und Word Clock. Die X-48 kann als Clockmaster für andere digitale Geräte arbeiten oder sich selbst zum Takt eines anderen Gerätes synchronisieren. Der Systemtakt kann über eine digitale Audioverbindung geschehen – in diesem Fall ist eine zusätzliche Verbindung nicht erforderlich. Bei einem umfangreichen, aus mehreren, also mehr als zwei Digital-Geräten bestehenden System, wird in den meisten Studios für die Synchronisation das WordclockSignal eines Mastergeräts genutzt. Um sich selbst hierauf zu synchronisieren, hat die X-48 die gängigen BNC-Wordclockanschlüsse In, Out und Thru, was ganz dem Anspruch der Workstation entspricht und zumindest in der Profi-Klasse Standard ist.

Fast interessanter sind die daneben liegenden BNC-Buchsen, die mit „Video“ beschriftet sind. Soll die X-48 im Film-/Video-Postproduction-Bereich zum Einsatz kommen, ist es in der Regel erforderlich, die Workstation anhand der sogenannten Frame-Flanken im Timecode-Signal zu synchronisieren. Dies ist möglich, wenn an der BNC-In-Buchse ein Video-Synchronisationssignal im sogenannten Blackburst-Format, auch als Bi Level Sync bezeichnet, anliegt. Dabei handelt es sich um ein FBAS-(Farb-Bild-Abtast-Synchron)-Signal, bestehend aus Synchronimpulsen, dem Burst und dem Bildinhalt Schwarz. Es handelt sich um ein analoges Videosignal, das standardmäßig zur Sychronisation analoger und digitaler SD- und HD-Geräten verwendet wird. Als Profiworkstation auf dem Stand der aktuellen Technik ist die X-48 nicht auf Black Burst/Bi-Level-Sync beschränkt: Quasi selbstverständlich erkennt die Workstation auch Synchronisationsimpulse im Tri Level Sync-Format, die von HDTV-Geräten verwendet werden. Das Tri-Level-Sync-Format ist im Grunde ein erweiteres Blackburst-Signal. Deswegen bedarf es keines eigenen Anschlusse an der X-48. Liegt am Videoclock-Eingang ein Signal im Tri-Level-Format an, aktiviert die X-48 automatisch die Tri-Level-Synchronisation. Allerdings ist die Videoclock nicht als Systemtaktgeber nutzbar, sie dient einzig dazu, die Frameflanken eines eingehenden oder gesendeten Timecodesignals zu bestimmen, um die Stabilität und Genauigkeit der Synchronisation zu erhöhen. Die X-48 kann sich mit der jeder Framerate im SMPTE-Timecode synchronisieren, vom 30-frame non-drop bis hin zu 29.97 non-drop, dem amerikanischen und 25-frame, dem europäischen Standard für die TV-Postproduction. Sämtliche Synchronisations-Möglichkeiten, also Positionsreferenz über SMPTE- oder MIDI-Timecode und Taktreferenz über Wordclock sind sowohl über die Frontplatte als auch über den Mixer im Windows-Menü abrufbar, was für diesen praktisch relevanten Bereich das hybride Konzept der X-48 unterstreicht.
Wer bis hierhin gefolgt ist, weiß: Nicht jede Funktion der X-48 erschließt sich auch einem erfahrenen Praktiker auf Anhieb. Bei einem solchen Aufnahmeboliden ist Seitenfressen, sprich das Studium der umfangreichen Bedienungsanleitung, unumgänglich. Zumindest ist jetzt klar erkennbar, dass die X-48 für die meisten profirelevanten Einsatzbereiche bestens gerüstet ist.

Bevor wir uns ein Bild über die Klangqualität der X-48 machen, muss sich die Workstation den Mess-Routinen des Audio Precision 2722 stellen. Das FFT-Spektrum (vergleiche das Messdiagramm auf Seite 74) zeigt keinerlei Auffälligkeiten – Verzerrungen sind für die X-48 definitiv kein Thema, was den Schluss auf einen sehr klaren, neutralen Klang zulässt. Die Gleichtaktunterdrückung der analogen Lineeingänge ist ordentlich, denn sie bleibt auch im Bassbereich unter -60 Dezibel. Gleichwohl ist Vorsicht geboten bei langen Kabelstrecken, denn hier ist die Gefahr von Störeinstrahlungen nicht gänzlich auszuschließen. Solange die X-48 live, im Ü-Wagen oder im Studio mit einem Mischpult verbunden ist – was die Standard-Konfiguration darstellen wird –, fällt dies freilich nicht ins Gewicht. Bei der Qualitätsuntersuchung der eingebauten Analog-Digital-Wandler der S/PDIF-Schnittstelle erweist sich die X-48 als grundsolide und übertrifft insoweit auch die Digital-Pulte DM-3200 und DM-4800. Neben vergleichsweise exzellenten Jitterwerten, sind die X-48-Wandler bei der Wandlerlinearität durchaus auf gutem Oberklasse-Niveau, ohne allerdings die Spitzenwerte von Stand-alone-Wandlern zu erreichen: Leichte Nichtlinearitäten treten knapp unterhalb -100 dBu auf, aber erst im Kleinsignalbereich, also ab etwa -120 dBu löst die X-48 nicht mehr sauber auf und arbeitet hier faktisch nicht mehr mit 24, sondern mit 18 effektiven Bits. Das klingt dramatischer als es wirklich ist, denn es handelt sich immer noch um ein gutes Messergebnis.

Da die X-48 keine Mikrofoneingänge hat, erstellen wir für die fachpraktische Prüfung diverse Testaufnahmen – Sprache, Gesang und Instrumente – mit unseren bewährten Referenz-Outboard-Geräten. Als Mikrofonvorverstärker kommt wie üblich unser Referenz-Preamp, der Lake People Mic-Amp F355 zum Einsatz, elektrische Gitarren spielen wir via D.I.-Box und den Studio-Gitarrenpreamp JD 10 MK II von Award Session, alternativ auch mit dem Marshall MG15MSII Mini-Stack ein. Verbunden sind die Geräte mit den Eingängen des Analog-Interfaces IF-AN24X. Dessen Ausgänge OUT 1+2 der X-48 sind praktischerweise mit dem Kopfhörerverstärker Phone-Amp F339 D verbunden, im Modus „All Input“ können wir E-Gitarren und E-Bass somit leise und problemlos einspielen. Als Schallwandler für akustische Signale dienen einmal mehr die vorzüglichen Mikrofone Schoeps MK 2H/CMC 6Ug (Kleinmembran) und Microtech Gefell M-930 (Großmembran). Allerdings hält die X-48 bereits im Vorfeld der Mikrofon-Aufnahmen einen empfindlichen Wermutstropfen bereit: Ihr Lüftergeräusch konkurriert locker mit antiken Ventilatoren – an Mikrofon-Aufnahmen am Aufstellort der X-48 ist somit beim besten Willen nicht zu denken. Sicher, in professioneller Umgebung und bei den vorstehend beschriebenen Einsatzszenarien wie beispielsweise im Ü-Wagen oder im Postproduction-Bereich fällt das laute Gebläse nicht ins Gewicht. Für Homestudios, wo sich Aufnahme und Regie nicht selten einen einzigen Raum teilen müssen, ist die X-48 so nicht zu gebrauchen. Andererseits: Dafür ist diese Workstation nun mal nicht gemacht und der typische Homerecordler benötigt allenfalls einen winzigen Teil ihrer Funktionsvielfalt. Für den Test steht die X-48 folgerichtig nicht im Studio von Professional audio Magazin, sondern vor der Studiotür. Die Workstation ist schließlich trotz ihrer Größe immer noch mobil.

Beim Abhören der Aufnahmen ist ohrenfällig, dass die X-48 in klanglich in bester Tascam-Tradition steht. Soll heißen: Sie ist klanglich völlig neutral und fängt ein, was in sie eingegeben wird. Die für Akustikgitarren immer wieder zu beeindruckenden Klangergebnissen führende Traumkombination aus Schoeps-Mikrofon und Lake People kommt abgehört über die KRK Exposé-Monitore richtig gut, die von der Kugel-Kapsel eingefangenen Raumanteile stehen gerade filigran gespielten Akustikgitarren-Soli bestens zu Gesicht. Als sehr praxistauglich erweist sich hier die dynamische Automation der X-48: Mit ihrer Hilfe sind wir und damit gerade auch der Live-Profi vor unliebsamen Überraschungen, sprich Übersteuerungen gefeit. Zwar klingen die alternativen Takes unter Nuendo mit dem Lynx Aurora 8-Wandler als hochwertigem Interface schon ein Schippchen griffiger und detailreicher – auf hohem Niveau sind die Ergebnisse, die wir allein mit der X-48 erhalten zweifellos. Schließlich ist nicht zu vergessen, dass die X-48 satte 48 Spuren offeriert und allein sechs Lynx-Wandler kosten gut das Doppelte einer X-48-Workstation. Der aufmerksame Leser hat natürlich mitbekommen, dass wir streng genommen die IF-AN24X-Karte getestet haben. In der Ü-Wagen-Praxis oder bei professionellen Live-Mitschnitten spielen die eben beschriebenen Klangeigenschaften keine Rolle: In diesen Fällen ist die X-48 ohnehin über die Digitaleingänge mit einer Spitzenkonsole wie der LAWO mc²66 oder einem Pro-Tools-System verbunden: Der Tontechniker erledigt den Mix praktischerweise an seiner Konsole, deren Sound die X-48 verlässlicher aufzeichnet. Ob das aufgenommene Material in der Workstation selbst oder auf einem Profi-HD-System weiterbearbeitet wird, bleibt dem Anwender überlassen.

Die Spur-Equalizer sind gerade bei E-Gitarren-Aufnahmen über den Line-Out des Amps eine regelrechte Wunderwaffe, um kratzige Signale runder zu biegen. So können wir den nicht eben angenehm ins Ohr gehenden Sound des „Emulated Line Out“ des Marshall Mini-Stacks mit einer gezielten 2-dB-Absenkung des Präsenzbereichs bei zwei Kilohertz mittels Shelving-Filter zurechtbiegen. Besser klingt es zwar trotzdem via Mikrofon-Abnahme. Dennoch: Wenn ein Take mal schnell und vor allem leise eingespielt sein muss, bietet die X-48 schon in der Grundausstattung, also ohne optionale VST-Plug-ins, alles Wichtige für eine professionelle Vorproduktion. Womöglich vermisst der eine oder andere potentielle Anwender Surroundfähigkeit, was zumindest beim Einsatz der X-48 in Video-/Film-Postproduction wünschenswert wäre. Auf ein entsprechendes Update hoffen Interessierte jedoch vergeblich: Nach Aussage von Tascam ist Surround-Fähigkeit auch in Zukunft kein Thema.

Fazit

Insgesamt hat Tascam mit der X-48 das Konzept einer hybriden Stand-alone-Workstation für den professionellen Anwender überzeugend umgesetzt. So verbindet die X-48 janusköpfig die Betriebssicherheit und einfache Bedienung eines Harddisk-Rekorders mit dem erweiterten Bearbeitungskomfort einer rechnergestützten DAW. Obwohl die X-48 schon in der Grundausstattung mit gut 5.000 Euro zu Buche schlägt, ist das Preis-/Leistungs-Verhältnis angesichts der vorhandenen 48 Spuren, der Funktionsvielfalt, der mannigfaltigen professionellen Einsatzmöglichkeiten sogar als sehr günstig einzustufen.

Erschienen in Ausgabe 04/2008

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 5279 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut – überragend