Feature-Offensive

Presonus hat sich viel Zeit gelassen, um seinem StudioLive 16-Kanal-Digitalpult die nächst höhere Ausbaustufe mit 24 Kanälen zur Seite zu stellen. Doch das hat seinen Grund, denn die Entwickler haben das Mischpult nicht nur bloß mit acht zusätzlichen Channelstrips, sondern auch mit einer Reihe neuer Features ausgestattet. Welche das sind und was sie taugen, erfahren Sie im Test.  

Von Georg Berger 

„Wer immer noch glaubt, dass Digital-Mischpulte aufgrund ihrer vielen Features kompliziert zu bedienen sind und klanglich unter Durchschnitt abschneiden, der hat noch nicht das StudioLive 16.4.2 Pult von Presonus ausprobiert (Test in Heft 8/2009).“ Mit dieser Laudatio kürten wir das StudioLive-Pult vergangenes Jahr zu Recht in unserem Editors Choice. Wenig später auf der Musikmesse 2010 präsentierte der amerikanische Pro-Audio-Hersteller das Modell StudioLive 24.4.2 und stellte seinem 16-Kanal-Pult eine in vielerlei Hinsicht erweiterte Modell-Variante mit 24 Channelstrips zur Seite, die dem Anwender viele neue Features offeriert, dabei aber das geniale Bedienkonzept mit seinem analogen Feeling konsequent beibehält. Das Pult bietet durch die Erweiterung um acht Kanalzüge mehr Platz auf der Oberfläche für Bedienelemente, die mit zusätzlichen Parametern und Funktionen belegt sind. Zusätzlich legt der Hersteller dem Pult eine Editor-/Librarian-Software bei, mit dem sich nicht nur die verschiedenen Mischpult-Presets bequem am Rechner verwalten lassen. Darüber hinaus lässt sich das Pult über die „Virtual Studio Live“-Anwendung (VSL) am Rechner editieren und sogar via iPhone, iPad und sonstigen Geräten mit installierter VNC-Software (Virtual Network Computing) fernsteuern. Die VSL-Software ist übrigens auch für das kleinere Pult kostenlos erhältlich. Last but not Least haben die Entwickler dem Pult dank der integrierten DSPs weitere digitale Studio-Effekte spendiert, die aus dem StudioLive 24.4.2 eine Turbo-Ausgabe der 16-Kanal-Variante machen. Das hat allerdings seinen Preis, der mit knapp 3.700 Euro schon üppig ausfällt. Digitalpulte anderer Hersteller mit gleicher oder größerer Anzahl an Channelstrips kosten hingegen deutlich mehr, weshalb die Preisgestaltung in Ordnung geht.

Anders als die Mitbewerber verfolgt Presonus mit seinem Mischpult-Konzept einen eigenen Weg, der bis auf ein paar Ausnahmen ohne Doppelbelegung von Tastern auskommt und sämtliche verfügbaren Parameter per einfachem Tastendruck im direkten Zugriff auf die Bedienoberfläche legt. Wie das geht ist kein Geheimnis: Dort wo sich bei analogen Pulten Regler für die Aux-Wege und den Equalizer finden, legt sich ein zentrales Bedienfeld quer über die gesamte Eingangs-Sektion. Über dieses „Fat Channel“ genannte Bedienfeld erhält der Anwender Zugriff auf Studio-Effekte und weitere relevante Channelstrip-Funktionen wie den Panpot, Phasenschalter und Routing-Möglichkeiten auf die Subgruppen und die Summe. Wie auch schon im 16-Kanal-Pult offeriert auch das StudioLive 24.4.2 dort jeweils ein Hochpassfilter, Noise Gate, Kompressor, Limiter und einen Vier-Band-Equalizer. Die Signalbearbeitung in den Channelstrips erfolgt blitzschnell durch simplen Druck auf den Select-Taster des zu bearbeitenden Kanalzugs. Der Clou: Überall dort, wo sich weitere Select-Tasten finden, in diesem Fall bei den Aux-Wegen, den beiden internen Effekt-Bussen, den Subgruppen, der Master-Summe sowie den beiden Stereo-Returns, steht ebenfalls ein Fat Channel zur Verfügung, was nicht alltäglich ist. Das Einstellen der nunmehr zehn Aux-Wege sowie der zwei Effekt-Busse geschieht ähnlich simpel. Oberhalb des Fat Channels steht pro Aux jeweils eine eigene Sektion zur Verfügung. Außer den Select, Solo- und Pre-/Postfader-Tastern lässt sich per Poti die Gesamtlautstärke des Aux-/Effektwegs einstellen. Das anteilige Zumischen der einzelnen Kanalzüge auf den Aux-Weg geschieht ebenfalls denkbar einfach durch Druck auf den Mix-Taster. Anschließend gestatten die Regler des Fat Channel das Aufmischen der Kanalzüge in den zuvor aktivierten Aux-Send. Einfacher geht’s nimmer. Die Mastersektion bietet außer einem Talkback-Kanal einen regelbaren Kopfhörer- und Control-Room-Ausgang sowie Einstellmöglichkeiten für die beiden Stereo-Returns, den 2-Track-Cinch-Eingang und einen regulierbaren Solo-Bus inklusive Solo-in-Place-Funktion. Über das integrierte LC-Display führen wir zumeist Verwaltungs-Funktionen und globale Einstellungen aus. Während der Arbeit können wir das Display daher völlig außer Acht lassen. Lediglich beim Wechsel der Delay- und Reverb-Presets für die internen Effekt-Busse wird es benötigt.   Außer diesen klassischen Mischpult-Funktionen offeriert auch das große 24-er Pult ein integriertes Audio-Interface, das per Firewire-Anschluss mit dem Rechner verbunden wird. Außer den 24 Channelstrips, die ihre Signale beständig – bei Bedarf mit oder ohne Fat Channel Effekte – per Firewire senden, lassen sich weitere acht Kanäle in Stereopaaren zusätzlich an die DAW schicken. Per VSL-Software wählbar sind die Mastersumme, Subgruppen, Aux- und Effekt-Sends/Returns und sogar der 2-Track-Eingang, der Talkback- sowie der Solo-Kanal. Umgekehrt empfängt das Pult per Firewire 24 Mono-Kanäle, die nacheinander auf die Channelstrips verteilt werden und die Sequenzer-Mastersumme, die sich bei Bedarf auf den Control-Room oder den 2-Track-Kanal routen lässt. Damit das Pult diese Signale empfängt muss der jeweilige Firewire-Taster aktiv sein. Konsequenz: Bei Bedarf lässt sich ein im Sequenzer aufgenommenes Arrangement im StudioLive-Pult inklusive Fat Channel-Effekte abmischen und gleichzeitig aufnehmen, oder Playbacks können für einen Gig bequem eingeflogen werden. Weitere Möglichkeiten bestehen im Einfügen virtueller Effekte auf die Channelstrips durch Ausnutzen der Direct-Monitoring-Funktion des Sequenzers. Das StudioLive-Pult ist übrigens kompatibel zur Multi-Rack-Anwendung von Waves, die das Gleiche nur ohne Sequenzer-Funktionen bequem realisiert.  

Im Test macht das Bedienen des großen Pults einen Heidenspaß. Wir greifen wie auch schon beim 16-Kanal-Pult bereits nach kurzer Zeit souverän und zielgerichtet in die gewünschten Kanäle ein und haben stets alles blitzschnell im Griff. Mit den neu hinzugekommenen Features vergrößert sich der Spaß noch einmal. So hat das Noise Gate im Vergleich zum kleinen Pult drei zusätzliche Parameter erhalten. Außer Range und Attack steht als Highlight ein regelbares Key-Filter zur Auswahl, mit dem sich das Gate frequenzselektiv steuern lässt. Per Key-Listen-Taster hören wir nur das Key-Filter-Signal und können gezielt die gewünschte Frequenz einstellen, auf die das Noise Gate quasi achten soll. Der Limiter, der bislang nur per Taster im Kompressor aktivierbar war, hat einen Threshold-Parameter erhalten, mit dem sich zielgerichtet die Effekt-Stärke einstellen lässt. Auch im Equalizer hat sich einiges getan: Jedes Band ist jetzt dank Güte-Regler vollparametrisch regulierbar und sämtliche Bänder sind via globalem Bypass-Taster gemeinsam aktivierbar. Im Test erhalten wir dadurch flexiblere Möglichkeiten, um noch detaillierter Frequenzen auszufiltern oder zu betonen. Einstellungen gehen sehr feinfühlig und präzise über die Bühne, was übrigens für sämtliche Parameter des Fat Channels gilt. Die LED-Meter-Anzeigen geben hierbei eher grobe Angaben ab und korrespondieren nicht zur Ansprache der Regler. Wie bereits beim kleinen Bruder überzeugen die Effekte durch ihren transparenten Klang, die wirkungsvoll anliegenden Signalen zu Leibe rücken. Der Kompressor entpuppt sich hierbei wiederum als mächtiges Werkzeug, das sowohl subtile Dynamik-Eingriffe als auch kraftvolle Sounddesign-Aufgaben souverän erledigt. Der Equalizer verhält sich im Gegensatz dazu eher unauffällig. Entzerrungen geschehen mehr auf subtile als auf kraftvolle Weise. Das Noise Gate hat durch die neu hinzugefügten Parameter deutlich gewonnen und bietet nicht zuletzt durch das Key-Filter deutlich mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Im großen Pult spielt es mächtig auf und erhält die verdienten Weihen eines wichtigen Studio-Effekts.   Doch das ist noch längst nicht alles in Sachen Effekte. Per Firmware-Update verpassten die Entwickler bereits dem 16er-Pult einen 31-bandigen Graphik-Equalizer, der fest auf den Summenausgang geroutet ist. Das StudioLive 24.4.2 enthält jetzt nunmehr derer vier, die sich per LC-Display aufrufen und wahlweise auf die Summe, die Subgruppen oder die Aux-Wege routen lassen, bei Bedarf sogar in mono. Die Einstellung der Bänder erfolgt über die Endlos-Regler des Fat Channel, wobei die letzten sieben Bänder über das LC-Display auf die Fat Channel-Regler schaltbar sind. Völlig neu sind vier in die Subgruppen integrierte Delay-Lines, die sich ebenfalls im LC-Display von zwei bis 400 Millisekunden einstellen lassen. Zusammen mit den Terzband-Filtern offeriert das 24er-Pult damit ausgewiesene Profi-Features mit denen sich der PA-Sound nachhaltig korrigieren lässt. Gerade bei ungünstigen Aufstellorten der PA und oder bei simultaner Beschallung an mehreren Orten sorgt das sachgemäße Verzögern des einen oder anderen PA-Kanals im Auditorium für einen homogenen Gesamtklang. So etwas ist in dieser Mischpult-Klasse nicht alle Tage anzutreffen.

Eine weitere Neuheit findet sich auch in der Aux-Sektion: Durch zweimaliges Drücken des Mix-Tasters legt sich eine zweite Einstell-Ebene auf den Fat Channel mit der sich zusätzlich jetzt auch die Sequenzer-Summe, der 2-Track-Eingang sowie die beiden Effekt-Busse und Stereo-Returns hinzumischen lassen. Das Einfliegen von Playbacks ist damit auch in den Monitorwegen ein Klacks und Instrumentalisten können sich zudem mit Effekten verwöhnen lassen. Einen sehr prägnanten Eindruck hinterlässt im Test auch die mitgelieferte VSL-Software. Wie erwähnt, gestattet die Anwendung ein bequemes Verwalten von Effekt-Presets und Mischpult-Scenes. Rechts ist dafür ein Browser-Dialog integriert, der via Reiter die Presets in die Kategorien Scenes, Fat Channel, Effekt-Bus und Graphik-EQ sowie Backups unterteilt. Der Großteil des GUI reproduziert die Bedienoberfläche der Hardware. Über Menü-Buttons rufen wir unter anderem den Fat Channel und die Graphik-EQs auf, die sich über die Mischpult-Oberfläche legen und programmieren darüber die Effekte, ganz so als ob es Plug-ins wären. Die übrigen Kanalzug- und Aux-Parameter sind direkt auf der virtuellen Bedienoberfläche editierbar. Durch die bidirektionale Datenverbindung übernimmt die Hardware blitzschnell die gemachten Einstellungen in der Software und umgekehrt. Einziges Manko sind dabei die Einstellungen der Kanalfader. Zwar bildet die Software gemachte Einstellungen auf der Hardware akkurat und in Echtzeit nach. Umgekehrt müssen bei Fader-Einstellungen in der Software die Hardware-Pendants jedoch aufgrund fehlender Motorisierung manuell erst in die entsprechenden Positionen gebracht werden. Das geschieht im Test auch beim großen Pult zwar äußerst rasch. Dennoch hätten Motor-Fader als weiteres Verkaufsargument gerade im Zusammenspiel mit VSL durchaus für zusätzliche Attraktivität und mehr Bedienkomfort gesorgt.  Versöhnt werden wir durch das Handling beim Laden der verschiedenen Mischpult-Presets. Durch simples Drag-and-drop der gewünschten Datei sind die Presets blitzschnell geladen. Der Clou: Beim Laden von Fat Channel-Presets können wir selektiv durch entsprechendes Positionieren der Maus über die jeweiligen Mischpult-/Effekt-Sektionen nur den für uns relevanten Preset-/Effekt-Bestandteil, etwa eine Kompressor- oder EQ-Einstellung, auf den gewünschten Kanal laden. Ein separates Speichern einzelner Effekte entfällt dadurch und sorgt im Browser für Übersichtlichkeit. Dafür gibt’s ein Extra-Lob.   In Sachen Messwerte und Klang haben sich im Vergleich zum 16-Kanal-Pult erwartungsgemäß keinerlei nennenswerte Unterschiede gezeigt. Die Mess-Ergebnisse des StudioLive 24.4.2 sind ebenfalls hervorragend und weichen lediglich im Zehntel-Dezibel-Bereich vom 16er-Pult ab (siehe Tabelle). Gleichwohl zeigen sich einige Auffälligkeiten, die es trotzdem zu erwähnen gilt. Ebenso wie im kleinen Pult zeigen die Verlaufskurven nach Messung der Gleichtaktunterdrückung an sämtlichen Mikrofon-Eingängen eine breite Streuung in einem Bereich von etwa 20 Dezibel, wobei die Verlaufskurven von den Höhen hinab zum Bassbereich ansteigen. Die schlechtesten Ergebnisse liegen im Bass bei -45 Dezibel. Im relevanten Bereich bewegen sich die Kurven durchschnittlich bei sehr guten -65 Dezibel. Spitzenklasse-Ergebnisse liefert die 24-Kanal-Konsole nach Messung der Wandlerlinearität: Bis hinab -120 Dezibel zeigt sich nicht der Hauch einer Unlinearität. Der Klang zeichnet sich wie gehabt durch Vordergründigkeit, Volumen und Transparenz aus, wenngleich sich eine leichte Dominanz im Höhenbereich bemerkbar macht, die den Signalen einen luftigen Schimmer verleihen, der aber durchaus zu gefallen weiß.

Fazit 

Presonus hat das Künststück geschafft und mit dem Modell StudioLive 24.4.2 eine deutlich ausgereifte Version seines eigenständigen Bedienkonzepts vorgelegt. Durch das Plus an Features und Bedienkomfort ist der Anwender selbst in kniffligen Situationen bestens gerüstet. Dabei will die 24-Kanal-Konsole im Verbund mit einem Rechner betrieben werden, um sein gesamtes Potenzial eindrucksvoll ausspielen zu können. Trotz einiger Kritikpunkte hinterlässt das Pult im Test einen dennoch glänzenden Eindruck. Wir sind schon gespannt auf die Features einer hoffentlich bald folgenden 32-Kanal-Version. 

Erschienen in Ausgabe 11/2010

Preisklasse: Oberklasse
Preis: 3695 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut