Aufgewertet

Mit ihrem Modell DM 3200 setzte Tascam vor Jahresfrist neue Maßstäbe für preiswerte Digitalmischer. Nun übertrumpfen sie sich mit dem brandneuen DM 4800 selbst.

Von Hans-Günther Beer 

„Im Konkurrenzumfeld hat das Tascam DM 3200 keinen direkten Gegner. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist auf jeden Fall überragend.“ So lautete das Fazit des in Ausgabe 5/2006 getesteten Tausendsassas des japanischen Studioausrüsters. Inzwischen steht der mit 48 Channelstrips verteilt auf drei Layer und mit 16 Mikrofon-/Line-Eingängen ausgestatte Mischer in vielen Projektstudios und versieht dort zuverlässig seinen Dienst. Doch für so manchen Recording- oder Mix-Job bleiben Wünsche nach noch mehr Eingängen und Kanälen und insbesondere für noch effektivere Bedienung offen. Die Tascam-Mannen haben schon seit den Gründertagen ihre Ohren nahe am Markt und reagierten sofort. Außerdem visierten sie den Live-Einsatz als zusätzliche Option an. Das Ergebnis ist der DM 4800, schon auf den ersten Blick als der große Bruder identifizierbar. Auf der eindrucksvollen, fast einen Quadratmeter großen Mischpult-Oberfläche, in augenfreundlichen Silber- und Grau-Tönen gehalten, bietet der Neuling einen auf den ersten Blick kaum überschaubare Vielfalt an Bedienelementen. Doch schon auf den zweiten Blick wird offensichtlich:  Die Oberfläche ist logisch strukturiert und wohl proportioniert. Alle Regler und Taster sind sinnvoll in Bediengruppen zusammengefasst, außerdem gut lesbar beschriftet und vor allem bestens erreichbar. Das liegt vor allem daran, dass die Entwickler nicht der Versuchung erlagen, auf möglichst engem Raum möglichst viele Bedienelemente unter zu bringen. Entsprechend raumgreifend geriet deshalb das Digitalpult und benötigt entsprechend viel Platz im Studio. Dafür wird aber auch eine Menge geboten. Zwar sitzt die optionale aber dringend zu empfehlende Meterbridge, etwas verloren auf dem hinteren Ende des Pultes und will von den Dimensionen her nicht so richtig dazu passen. Grund: Da sie auf die Breite des kleineren Bruder DM 3200 abgestimmt ist, baut sie schmäler als der DM 4800. Dennoch erfüllt sie ihren Zweck und korrespondiert mit ihren 24  gut ablesbaren LED-Aussteuerungs-Ketten (plus zwei für die beiden Masterkanäle) bestens mit den 24 Channelstrips und deren 100-Millimeter-Motorfadern. Diese laufen recht sauber und hakeln auch nicht, können aber nicht im Entferntesten mit den sahnig und geschmeidig laufenden Exemplaren eines Sonosax SX-ST8D (Test in Ausgabe 9/2006) konkurrieren. Allerdings liegen konzeptionell und preislich auch Welten zwischen beiden Pulten.

Insgesamt 64 Kanäle besitzt das neue Tascam, je zweimal 24 und einmal 16 sind auf insgesamt drei Bedienebenen (Layer) verteilt. Drei weitere Layer sind übrigens für die Busse, für die Aux-Kanäle und für die Remote-Steuerung eines Sequenzers vorgesehen. Um nun beispielsweise von Kanal 17  auf Kanal 37 zu wechseln, muss zuerst die entsprechende, gut erreichbare und hinterleuchtete Layer-Taste CH 25-46 betätigt werden und das Pult schaltet komplett auf die zweite Ebene. Das geht blitzschnell und problemlos.

24 XLR-Mikrofon-Eingänge stellt der DM 4800 zur Verfügung. Wahlweise lassen sich die entsprechenden Verstärker auch auf Klinke-Line-Eingänge umschalten. Alle Mikrofone und Line-Quellen können somit gleichzeitig angeschlossen bleiben. Jeder dieser Verstärkerzüge besitzt einen individuellen Direct-Out und Insert-/Return-Anschluss (symmetrische Klinke). Damit gibt sich der große Mischer schon einmal sehr universell.

Darüber hinaus stehen 24 Busse und 12 Aux-Kanäle zur Verfügung, eine komplexe digitale Matrix bietet nahezu uneingeschränkte Routing-Möglichkeiten Alle  Verknüpfungen sowie ausnahmslos alle anderen Einstellungen lassen sich über das vergleichsweise kleine aber gut ablesbare Display vornehmen. Dabei helfen je vier so genannte Display-Tasten und Display-Endlosregler sowie das mit Screen-Mode bezeichnete Tastenfeld rechts neben dem Display. Dort sind fast alle Tasten doppelt belegt und erlauben den Zugriff auf umfangreichen Programmierungen und Einstellungen aller Parameter.

Doch zurück zu den Anschlüssen. Je acht zusätzliche analoge Send- und Returns stehen zur Verfügung, außerdem je zwei digitale AES/EBU Ein- und Ausgänge. Ferner verfügt der DM 4800 über drei TDIF-Anschlüsse mit insgesamt 24 Ein- und Ausgängen. Ein optischer achtkanaliger  ADAT-Ein- und Ausgang ist ebenfalls serienmäßig an Bord. Dessen Kanalzahl halbiert sich wie üblich, wenn das Pult intern im 96-kHz-Modus betrieben wird (S-MUX). Dies ist aber auch die einzige Einschränkung beim Wechsel auf  die hohe Samplingfrequenz. Der Urahne des DM 4800 der DM 24 verlor dabei noch die Hälfte seiner Performance und Kanäle. Im Gegensatz zum kleineren Bruder bietet der DM 4800 insgesamt vier Erweiterungsslots statt zwei. Dort lassen sich aus dem reichhaltigen Angebot an Erweiterungskarten die passenden einwechseln. Zur Auswahl stehen neben achtkanaligen Analog-, ADAT- oder AES/EBU-Karten eine spezielle Surround-Option und eine brandneue schnelle Firewirekarte. Diese heißt IF-FW/DM MKII und ist der Nachfolger der IF-FW/DM und kostet pro Stück zirka 470 Euro. Als Besonderheit arbeitet diese Karte mit dem Firewire-800-Protokoll und bietet 32 Ein- und Ausgänge im 96-kHz-Betrieb. Zwei solcher Karten lassen sich im DM 4800 in den Steckplätzen eins und drei verbauen. Alleine damit verfügt der Mischer folglich über 64 zusätzliche Ein- und Ausgänge – Tonmeister-Hertz, was willst Du mehr? Lässt man die analogen Send- und Returns sowie die Direct-Outs außen vor lassen sich unter Ausnutzen aller Optionen sage und schreibe 130 unabhängige Eingänge und über 100 Ausgänge realisieren.

Alle Eingänge lassen sich nun intern auf jeden der 64 Kanäle schalten, wer will auch mehrfach und alle Kanäle wiederum auf alle Ausgänge in beliebiger Kombination. Hierbei bedarf es schon einer äußerst konsequenten und akribischen Planung, um den Überblick zu behalten. 48 der 64 Kanäle sind voll ausgestattet, verfügen also über Kompressor/Expander-Funktionen, 4-Band-Equalizer, Gate und Kanaldelay. Außerdem lassen sich diesen Kanälen alle acht analogen und die digitalen Inserts zuweisen. Die Kanäle 49 bis 64 verzichten auf diese Funktionen lassen sich aber ebenfalls auf die Busse und Aux-Sends schalten und verfügen über Panorama- und digitale Pegelregler sowie über Stumm- und Phasenumkehr-Schalter. Um bei dieser Vielzahl von Routing-Möglichkeiten nicht nur auf das kleine Displaysangewiesen zu sein, spendierten die Entwickler dem DM 4800 eine ganze Batterie von Tasten für den direkten Zugriff. Beispielsweise stehen 24 hinterleuchtete Drucktaster für das Zuweisen der Kanäle auf die 24 Busse zur Verfügung, das entsprechende Tastenfeld heißt sinnigerweise Output Assign und ist in kleinerem Format auch beim DM 3200 zu finden. Neu ist allerdings das Bedienfeld namens Module. Dort hat man sobald der entsprechende Channel angewählt ist direkten Zugriff auf alle einstellbaren Parameter seiner EQs, Dynamics und der 12 Aux-Sends. Mit den jeweiligen Screen-Buttons lässt sich der jeweils entsprechende Bildschirm aufrufen, so geht das Einstellen flink von der Hand. Dieses Feature werden insbesondere die Tontechniker zu schätzen wissen, die den DM 4800 auch im Live-Betrieb einsetzen. Aber auch im Recording-Studio macht dieser Digitalmischer so manchem großen Analogpult in Sachen Bedienbarkeit etwas vor. Unverständlich bleibt aber, warum die Tascam-Entwickler längst die mitgelieferte Software Tascam Mixer Companion nicht weiterentwickelt haben. Außer rudimentären Funktionen, wie das Sichern der Projekte auf einem Apple- oder Windows-PC wird hier nicht weltbewegendes geboten. Gerade angesichts der nahezu unüberschaubar vielfältigen Einstell- und Routingmöglichkeiten würde eine komplette Steuerung über einen PC den Bedienungskomfort enorm verbessern. Andere Hersteller von hochwertigen Digitalpulten machen vor, wie es geht.

Direkt vom kleineren Bruder übernommen wurde das Konzept der Endlos-Drehgeber, die jedem der 24 Kanalzüge zugeordnet sind. Im Tastenfeld Encoder Mode lassen neben dem in dieser Klasse obligatorischen Flip-Mode [G] acht vorkonfigurierte Einsatzmodi und vier vom User selbst zu definierende Einsatzmöglichkeiten für die Drehgeber anwählen. Die Palette reicht dabei vom Einsatz als Panoramaregler, über das Regeln der Pegel für die Kanalzüge die gerade per Layer-Taster nicht angewählt wurden, bis hin zur Feinjustage der Dynamics oder EQs. Diese lassen sich aber noch komfortabler über die oben erwähnten Module-Tasten bedienen.

Die Einsatz- und Bedienmöglichkeiten des DM 4800 sind so vielfältig, dass es eines Sonderheftes von Professional audio Magazins bedürfe, um auch nur annähernd auf jedes Feature eingehen zu können. Dem geneigten Interessenten sei deshalb die Download-Seite von www.tascam.de empfohlen. Dort findet er neben einem deutschsprachigen Manual auch die Programmieranweisungen für die Remote-Steuerung der wichtigsten Sequenzer (Cubase, Nuendo, Sonar, Logic, Pro Tools und Digital Performer) sowie wichtige Infoirmationen über die Automations-Funktionen und die weit über 200 integrierten Effekte des DM 4800. Doch einige wichtigen Features seien hier noch erwähnt. Erwähnenswert sind die umfangreiche Laufwerksteuerung und großen Datenbänke für die TC Reverb und Tascam-Effekte. Klanglich können insbesondere die TC Reverb-Effekte  auch höhere Ansprüche durchaus befriedigen, erreichen aber nicht das Niveau  von speziellen Hard- oder Software-Effekten, wie sie Professional audio Magazin ausgiebig getestet hat. Außerdem verfügt der neue große Tascam-Mischer nun über zwei unabhängig regelbare Ausgänge für Regieraum-Monitore und offeriert eine Vielzahl programmierbarer Usertasten für die unterschiedlichsten Funktionen. Damit lässt sich der DM 4800 sehr einfach auf die individuellen Ansprüche und Arbeitsweisen anpassen.

Während des ausführlichen Praxistests im Testlabor von Professional audio Magazin hat sich dies bestens bewährt. Doch zuerst muss sich der Mischer den kritischen Mess-Routinen des Audio Precision 2722 stellen. Wie schon sein kleiner Bruder gibt sich auch der DM 4800 hierbei keine Blöße. Auf die Veröffentlichung der Frequenzgänge haben wir hier  verzichtet, sie verlaufen schnurgerade ohne Auffälligkeiten. Erwähnenswert sind die exzellenten Ergebnisse bei der Übersprechdämpfung von einem Kanal auf einen anderen. Die entsprechende Kurve zeigt Werte um die 90 Dezibel. Ebenfalls gut sind die Werte für die Gleichtaktunterdrückung. Sie liegen im entscheidenden Frequenzbereich (bis sieben Kilohertz) bei hervorragenden 85 Dezibel. Solche Werte erreichten bislang im Testlabor von Professional audio Magazin nur ganz wenige Testkandidaten und zeigen, dass selbst lange Mikrofonkabel kaum die Gefahr von Störeinstrahlung zu befürchten lässt. Bei der Untersuchung der Qualität der eingebauten Analog-Digital-Wandler zeigt sich ein zwiespältiges Bild. Die Jitterwerte sind nur als exzellent zu bezeichnen (siehe Kurve Seite 32). Bei der Wandlerlinearität lieferten einige Testkandidaten aber schon bessere Ergebnisse. Unterhalb von -100 Dezibel treten beim DM 4800 erste, wenn auch geringe  Unlinearitäten auf. Kontrollmessungen an unterschiedlichen Eingängen bestätigen die Resultate, die allerdings immer noch als gut zu bezeichnen sind. Doch grau ist alle Theorie, was unter dem Strich zählt sind die klanglichen Meriten. Um das Verhalten der Wandler bei sehr niedrigen Eingangsignalen während des  Hörtests beurteilen zu können, wählen die Tester einen speziellen Testaufbau. Auf einen Line-Eingang wird hierbei ein sehr leises Musiksignal eingespeist – Pegel kleiner als -60 Dezibel – und an einen der AES/EBU-Digital-Ausgänge wird der D-A-Wandler Benchmark DAC1 (Test Ausgabe 8/2006) angeschlossen. Dessen Ausgangsignal verstärkt nun der Mikrofon-Vorverstärker Lake People Mic-Amp F335 auf normalen Studiopegel von +4 dBu abgehört wird über diverse Monitore sowie über den Stax-Kopfhörer 4040. Als Vergleich wird dasselbe Procedere mit einem als Referenz dienenden A-D-Wandler, hier dem Benchmark ADC1,  durchgeführt.  Ergebnis: die Wandler des DM 4800 klingen selbst bei sehr leisen Signalen vergleichsweise sauber. Störende digitale Artefakte treten nur sehr vereinzelt auf. Das Klangbild bleibt insgesamt recht souverän und klar. Allerdings zeigt sich hier auch die besondere Klasse eines Benchmark-Wandlers, dem sich die im DM 4800 eingebauten Exemplare klanglich geschlagen geben müssen. Doch, wen wundert das? Hier ein komplettes Mischpult mit allein 24 A-D-Wandlern für zirka 5600 Euro, dort ein Stereo-A-D-Wandler für knapp 1800 Euro.

uch die eingebauten Mikrofon-Vorverstärker des DM 4800 müssen sich im direkten Vergleich mit externen Referenz-Produkten beweisen. Zu diesem Zweck fertigen die Tester diverse Vergleichsaufnahmen mit unterschiedlichen Mikrofonen und Instrumenten an. Dank seiner absoluten Neutralität empfiehlt sich hier wieder einmal das Kleinmembran-Kondensator-Mikrofon Schoeps Mk2H/CMC 6Ug (siehe Test Ausgabe 12/2006). Außerdem wählen die Tester das insbesondere durch seine gutes Auflösungsvermögen in den Bässen glänzende Sennheiser MKH 40 (Test Ausgabe 5/2006)  Als Vergleich dient der bewährte Vorverstärker F335 von Lake People, der dank seiner Neutralität dem Draht mit Verstärkung sehr nahe kommt. Ergebnis der Vergleiche: Die Mikrofon-Vorverstärker des DM 4800 klingen ausgesprochen gut und gehören ebenfalls zur Gattung der neutralen Vorverstärker. Sie lösen auch komplexe Signale insbesondere in den Mitten fein und differenziert auf. Die Höhen klingen zwar nicht ganz so luftig und offen wie die des Lake People, der auch in der Räumlichkeit der Wiedergabe hörbar die Nase vorne hat, doch Bassfundament und Impulsverhalten der Tascam-Pre-Amps können überzeugen. Bei den ausgiebigen Aufnahme-Sessions begeisterte der DM 4800 immer wieder durch seine letztendlich einfache und intuitive Bedienbarkeit – ein Intensivstudium der gut gemachten, wenn auch etwas knappen Bedienungsanleitung voraus gesetzt. Bei dieser Gelegenheit untersuchen die Tester ausgiebig die diverse Effekte und die Klangqualität der EQs. Wie schon beim DM 3200 festgestellt, gehören die EQs eher zur Gattung Klangmanipulator weniger zur Gattung Klangformer. Sie sollten mit Bedacht eingesetzt werden. Die TC Reverb Effekte können sich ohne weiteres mit vielen guten Soft- oder Hardware-Effekten messen und machen, entsprechend sorgfältig eingestellt,  klanglich eine gute Figur.

Fazit

Mit dem DM 4800 haben die Entwickler im Tascam wieder neue Maßstäbe in der Preisklasse zwischen 5000 und 6000 Euro gesetzt. Mehr Mischpult fürs Geld gibt es im Augenblick nirgendwo. Auffallend ist neben den guten Klangeigenschaften vor allem die enorme Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an die unterschiedlichsten Anforderungen. Dazu tragen die optionalen Erweiterungskarten maßgeblich bei. Die Bedienung des Pultes ist trotz aller Möglichkeiten sehr intuitiv und leicht beherrschbar, allerdings erst nach intensivem Studium der Anleitung. Wünschenswert ist ein schnelles Update für den Tascam Mixer Companion zu einem vernünftigen Softwaretool für die Konfiguration des Mischers.

 

Erschienen in Ausgabe 01/2007

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 5559 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: überragend