Classic Drives

Fuse Audio Labs veröffentlicht mit dem neuen Dozer Drive gleich zwei legendäre Verzerrer-Pedale auf einen Streich. Henning Hellfeld hat das virtuelle Fuzz Face und Tube Screamer Pedal genauer unter die Lupe genommen.

Von Henning Hellfeld

Das Verzerren von Gitarrenklängen war musikalisch wohl eines der ersten rebellischen Signale, um sich eindeutig vom biederen Klangverhalten der 1960er Jahre abzusetzen. Doch die Verzerrung, wie wir sie kennen, entstand wohl eher durch Zufall. In den 1940er Jahren hatten Gitarrenverstärker in der Regel zwischen zehn und 20 Watt Leistung. Das ist nicht die Welt, wenn man bedenkt, dass PAs zu dieser Zeit noch nicht gängig waren. So war man damals gezwungen die Verstärker oftmals bis zum Anschlag aufzureißen und somit die verbauten Röhren und andere Bauteile maximal zu fordern. Resultat war ein Verzerren des Klangs. Anfangs ein Nebeneffekt, entwickelte sich die Verzerrung mehr und mehr zum Stilmittel und als die Verstärker von sich aus das Signal nicht mehr verzerrten, behalf man sich damit, zwischen Gitarre und Amp Vorverstärker zu schalten, um schon die Vorstufe zum Kochen zu bringen und somit eine sehr viel dichtere Verzerrung zu erhalten. Diese Vorstufen kennen wir heute als Overdrive-, Distortion- oder Fuzz-Pedale. Einige von ihnen sind zu wahren Ikonen aufgestiegen und so zahlt man heute für Exemplare aus den 1960ern und 1970ern teilweise vierstellige Beträge.

Zwei dieser Ikonischen Pedale sind das Arbiter Fuzz Face aus dem Jahre 1966 und der Ibanez Tube Screamer 808 von 1979. So ist es wohl kein Zufall, dass Fuse Audio Labs gerade diese beiden Pedale gewählt hat, um sie in einem Plug-In zu vereinen. Hierbei greift die Firma auf jahrelange Erfahrung zurück, Vintage Studio Outboard Gear, Pre-Amps oder Effekte zu simulieren.

What the Fuzz

Während die Fuzz-Pedale der 1960er Jahre konstruktionsbedingt eine sehr dichte und indifferente Verzerrung aufwiesen wurde der Tube Screamer quasi als Gegensatz hierzu entwickelt. Sein Klangspektrum ist sehr viel umfangreicher und reicht von einem leichten Boost bis hin zu einem ans Limit getriebenen 100 Watt Marshall-Topteil. Fuse Audio Labs verpackt die beiden Pedale in ein Kombipedal, welches sich von der Bedienbarkeit stark an den Originalen orientiert. So stehen uns für die Tonkontrolle an der Fuzz-Einheit wie beim analogen Vorbild jeweils ein Drive- und ein Level-Regler zur Verfügung. Beim Screamer kommt darüber hinaus noch ein Tone-Regler hinzu. Des Weiteren haben die Entwickler den beiden Modellen noch Schalter für jeweilige Mods spendiert. So kann der Fuzz sowohl mit NPN- als auch mit PNP-Transistoren betrieben werden. Somit hat man die Wahl, zwischen dem Klang der früh verbauten aber leider etwas spannungs- und feuchtigkeitsanfälligen Germanium-Transistoren sowie dem der später verbauten Silikon-Transistoren. Außerdem wurde noch ein „Doom“-Schalter hinzugefügt, welcher nach Herstellerangaben den ultimativen Grind herbeizaubert. Die „Fat-Mod“ des Tube Screamer dickt das untere Ende des Klangspektrums an. Um die beiden Pedale miteinander zu kombinieren, stehen diverse Möglichkeiten zur Verfügung. Zum einen kann per Mix-Regler der Anteil des jeweiligen Pedals bestimmt werden, andererseits kann die Anordnung komplett frei gewählt werden. Sowohl eine serielle Schaltung Fuzz / Screamer beziehungsweise Screamer / Fuzz oder ein paralleler Betrieb sind hier möglich.

Klang- und Praxistest

Fuzz

Nun wollen wir uns die beiden Pedale klanglich etwas näher anschauen und deren Möglichkeiten ausloten. Hierzu sollte gesagt werden, dass die Nutzung von Pedalen in der Gitarrenwelt nahezu einer Religion gleicht. Gerade bei Vintage-Pedalen scheiden sich die Geister bei Themen wie der Auflage des Pedals, verbaute Transistoren der verschiedenen Editionen, Stromversorgung via Netzteil oder mit Batterie. Somit wird man hier eine Menge subjektive Meinungen und Ansichten finden. Wir wollen hier die Grundcharakter des Fuzz und des Screamer unter die Lupe nehmen.

Für den Test der Fuzz-Einheit des Dozer Drives beginnen wir mit einem auf Null gedrehten Drive-Regler. Auch in dieser Einstellung wird das Signal schon deutlich angezerrt. Wer also nur etwas Kante oder Kontur in seinen Ton bringen möchte ist hier schon deutlich drüber. Die Verzerrung ist Fuzz-typisch sehr harsch und höhenlastig. Während ich am Level-Regler drehe bemerke ich, dass ab circa 75 Prozent Anteil der Klang etwas weicher und mittiger wird. Mit Aufdrehen des Drive-Reglers verdichtet sich die Verzerrung zunehmend und liefert den typisch sägenden Fuzz Tone. Hier ist der Effekt gegensätzlich zu dem des Level-Reglers, denn ab circa 70 Prozent wird der Klang deutlich in den Mitten gescoopt. Wenn man nun zwischen den eben erwähnten Transistorvarianten hin- und herschaltet merkt man, dass die PNP-Variante die moderatere der beiden ist. Sie wirkt weniger bissig und drängt sich in den Höhen nicht so auf. Wer jetzt noch den ultimativen Verzerrungskick will, der betätigt den Doom Mod. Dieser verdoppelt gefühlt den Verzerrungsanteil und liefert einen äußerst dichten Sound, der sehr brachial ist. Alles in allem liefert der Fuzz genau das, was man von einem Pedal dieser Art erwartet. Vor allem die verschiedenen Transistortypen und der Doom Mod liefern sehr viele Klangvariationen.

Screamer

Beim Screamer des Dozer Drives sind die Möglichkeiten, wie erwartet, wesentlich größer. Hier kann, wie beim Original, der Klang schon mit dem Level-Regler geformt werden. Verhält sich dieser anfänglich noch sehr neutral, versprüht er ab einem Anteil von circa 60 Prozent den typischen mittig-angezerrten Charakter des Tube Screamers. Im Mix fällt die Verzerrung noch gar nicht auf, vielmehr erhält das Signal deutlich mehr Durchsetzungsfähigkeit bei gleicher Lautstärke. Viele Gitarristen behaupten sogar, dass eigentlich der Level-Regler zur Formung des Klangs eingesetzt werden sollte und nicht der Drive-Regler. Betätigt man allerdings Letzteren, vernimmt man eine angenehme mittige Verzerrung, die klanglich eher in Richtung Classic Rock geht. Klar können bei voll aufgerissenem Regler auch Metal-ähnliche Klänge kreiert werden, dennoch merkt man, dass dies nicht die Paradedisziplin des Tube Screamers ist. Der Tone-Regler hat vor allem auf die hohen Mitten und die Höhen Einfluss und bietet eine weitere Möglichkeit der Klangformung. Mit der Fat-Mod lassen sich hingegen die Frequenzen unterhalb von 250 Hertz betonen. Diese Modifikation wurde ursprünglich auch installiert, um den typisch mittigen Klang des Tube Screamers etwas zu entschärfen.

Die Kombinationen der beiden Pedale klingen, je nach Anordnung, äußerst unterschiedlich. So habe ich das Gefühl, dass der Screamer den Fuzz etwas in seinen aggressiven Höhen bändigt, wenn er seriell hinter ihn geschaltet wird. Auch die ansteigende Verzerrung des Fuzz wirkt dann sehr viel homogener und bricht weniger aus. Wenn nun der Fuzz hinter den Screamer geschaltet wird, habe ich den Eindruck, als würde der Drive des Screamer geradezu entfesselt werden und eine deutlich aggressivere Note bekommen. Im parallelen Modus kann mit Hilfe des Mix-Regler der Anteil des jeweiligen Pedals geregelt werden. Dies funktioniert stufenlos und lässt feine Justierungsmöglichkeiten zu.

Einsatzgebiete

Natürlich sind Pedale dieser Art ursprünglich mal für E-Gitarren entwickelt worden, dennoch sind die Einsatzzwecke vielfältig. Gerade beim Einsatz mit Synthesizern kann man diesen, je nach Einstellung, etwas die digitale Kälte entziehen oder sie fürs Sounddesign mächtig aufblasen beziehungsweise verfremden. Auch Vocals kann mit einer Verzerrung dieser Art ein toller Charakter verliehen werden, gerade in einer parallelen Anwendung. Beim Schlagzeug können sowohl einzelne Trommeln klanglich verschärft werden als auch der komplette Bus mit einer Verzerrung aggressiver gestaltet werden. Letztendlich ist das, was wir als Röhrensättigung kennen gar nicht so weit von einer milden Verzerrung entfernt. Jeder, der schon einmal einen Röhren-Pre-Amp ans Limit gefahren hat, kennt diesen Effekt.