Druckvoll und ehrlich

Es gibt kaum ein anderes Instrument, bei dem sich die Geschmäcker hinsichtlich der Soundästhetik stärker unterscheiden als bei der Kick Drum. Alles ist möglich, von warm über dumpf hin zu bassig oder brachial mit viel Attack und harten Transienten. Daher gibt es mittlerweile eine große Auswahl an Spezialmikros, die rein für die Abnahme einer Kick Drum konzipiert wurden. Aus Dänemark kommt jetzt eine neue Alternative, die mit glasklarem Sound überzeugen will.

Von Raphael Tschernuth

Über die vergangenen Jahrzehnte haben sich für die Abnahme der Kick Drum gewisse Standards etabliert. Auf Seiten der Kondensatormikrofone wäre das Neumann U 47 Fet zu nennen, bei dynamischen etwa das AKG D12 oder D112. Mutige Zeitgenossen stellen auch gerne mal ein RCA 44 BX vor die Bass Drum oder legen das Bändchenmikrofon gleich direkt hinein.

War das D112 eines der ersten Mikrofone, welches speziell für die Abnahme einer Kick Drum konzipiert wurde, so wimmelt es heute am Markt geradezu von Kick Drum Mikros. Einige basieren auf dem Konzept von Yamaha’s Subkick und verwenden einen Lautsprecher als Schallwandler, um das letzte Quäntchen Bass aus dem Instrument zu holen. Andere basieren auf einem Doppelkapselsystem, um die Vorteile von Kondensatormikros und dynamischen Mikrofonen zu vereinen.

Die überwältigende Mehrheit von Kick-Mikros liefert einen vorgefertigten Sound, mit Bass Boost, abgesengten Mitten und akzentuierten Höhen, damit sich die Kick ohne viel Zutun des Toningenieurs sofort in einen Mix integrieren lässt oder live schnell so klingt „wie eine Kick klingen soll“.

 

Kick it like who… Beckham?

Jetzt gibt es da draußen aber auch Musiker, für die eine Kick nicht einfach wie jede andere Kick klingen soll. Unser Studio-Drummer Achim Färber beispielsweise schwört für bestimmte Produktionen auf den Klang seiner Gretsch Bass Drum aus den 1930er Jahren. Würde man dafür ein Mikrofon mit ausgeprägtem Sound-Stempel verwenden, tut man ihm und seiner Gretsch keinen Gefallen. Der Charme des Instruments würde verschwinden, ebenso wie der Charme von Achim, wenn er den Klang seiner Kick Drum auf der Aufnahme nicht wiedererkennt.

Je höher der Anspruch, desto größer auch die Tendenz weg vom vorgefertigten Kick Drum Sound hin zu neutralen Mikrofonen, die mit dem hohen Pegel einer Kick zurechtkommen.

Der dänische Hersteller DPA bringt hierfür das Kick-Drum-Mikrofon 4055 auf den Markt, welches mit einem gewichtigen Argument überzeugen soll: einem neutralen Sound.

Geschichtlich ist die Firma DPA eng mit Brüel & Kjær verwoben, einem international angesehenen Hersteller von Messmikrofonen. DPA geht seit Mitte der 1990er eigene Wege und bietet neben sehr hochwertige Studio- und Live-Mikros auch Miniaturmikrofone an, die sich hervorragend für die Abnahme von Instrumenten eignen.

Dabei liegt dem Klang aller DPA Mikros eine sehr hohe Linearität und Neutralität zugrunde. Man hat den Anspruch, das Instrument bzw. die Stimme in höchster Qualität abzubilden und signalverändernde Faktoren zu minimieren. Das Färben und Modellieren des Klangs überlässt man dem Toningenieur. Und je besser das Originalsignal aufgezeichnet wurde, desto leichter tut man sich in der Postproduktion bei der Einbettung einer Spur in einen Mix.

Neutraler Sound hört sich im ersten Moment so sexy an wie Joghurt ohne Früchte, Urlaub ohne Sonne oder Bier ohne Alkohol. Aber meiner Erfahrung nach sind die DPA Mikros beileibe keine Langweiler. Ich selbst habe zwei DPA Mikros am Klavier installiert und erfreue mich immer wieder daran, wie lebendig und real die Aufnahmen klingen. Auch wenn ich sonst gerne mit gewissen Färbungen arbeite, so verstehe ich den hohen Realismus der DPA Mikros als einen eigenen Teil meiner Farbpalette.

Zum Lieferumfang des DPA 4055 gehört eine erstklassige Mikrofonklemme und ein gut gepolstertes Etui.

Zum Lieferumfang des DPA 4055 gehört eine erstklassige Mikrofonklemme und ein gut gepolstertes Etui.

 

Das DPA 4055 ausgepackt

Geliefert wird das DPA 4055 Mikrofon in einem sehr gut gepolsterten Etui, in dem sich zusätzlich eine gepolsterte Stofftasche befindet. Neben dem Mikrofon selbst wird auch die sehr hochwertige Mikrofonklemme UA0961 mitgeliefert. Diese ist überwiegend aus Metall gefertigt und lässt sich mithilfe eines Drehrings fest mit dem Schaft des Mikrofons verschrauben. So hält es das DPA 4055 ultrastabil in Position, nichts wackelt oder kann sich bewegen. Man würde sich wünschen, dass alle Mikrofonklemmen derart stabil wären.

Das Mikrofon selbst ist ebenfalls sehr hochwertig verarbeitet. Sein schlichtes, schwarzes Design ist ansprechend unauffällig. Dänisches Understatement eben, so wie man es von DPA schon gewohnt ist.

Das Logo des Herstellers muss man schon fast suchen, so unscheinbar wurde es neben den vergoldeten XLR-Anschlüssen positioniert. Während andere Hersteller beim Äußeren gerne ein wenig protzen, reduziert DPA das Design auf das Wesentliche.

Mit nur 241 Gramm ist das 4055 überraschend leicht. Dem recht dicken Mikrofonkorb folgt ein 19 mm dünner Mikrofonschaft der asymmetrisch platziert wurde. Mit einer Länge von nur 132 mm ist das Mikrofon einfach zu positionieren und beansprucht kaum Platz für sich. Weder beim Transport noch auf der Bühne oder im Studio.

Die Lackierung und Oberflächenbearbeitung ist ebenfalls sehr gut gelungen. Ein dünner silberner Ring sorgt für etwas Kontur und zeigt an, wo sich der Mikrofonkorb abschrauben lässt. Die Kapsel im Inneren ist ebenfalls schwarz lackiert und intern elastisch gelagert, um Körperschallgeräuschen entgegenzuwirken. Schließlich sollen ja nur der Klang der Kick und nicht die Geräusche des Bodens übertragen werden.

 

Technische Daten

Beim DPA 4055 handelt es sich um ein Kondensatormikrofon mit vorpolarisierter Kapsel. Für den Betrieb wird 48 Volt Phantomspeisung benötigt, wobei das Mikrofon im Betrieb rund 2 mA Strom aufnimmt. Als Richtcharakteristik kommt eine offene Niere zum Einsatz. Ein Blick auf das Polardiagramm des 4055 Kick-Drum-Mikrofons zeigt, dass diese Niere zwischen 250 Hz und 8 kHz unglaublich konstant ist und sich erst darüber hinaus verjüngt.

Den Übertragungsbereich gibt DPA zwischen 20 Hz und 20 kHz an. Ab 2 kHz kommt es zu einem leichten Höhenanstieg, der bei rund 10 kHz mit +6 dB seinen Höhenpunkt findet. Auffallend ist hier, dass der Sound über weite Strecken sehr konstant bleibt, wenn der Schall Off-Axis auf die Kapsel trifft. Die Frequenzgänge bei 0°, 30°, 60° oder 90° Grad unterscheiden sich nur durch wenige dB im Bereich von 10 kHz.

Dass das Mikrofon für sehr laute Schallquellen konzipiert wurde, verraten die beiden folgenden Werte. So ist einerseits die Empfindlichkeit mit 2 mV/Pa auf dem Niveau eines dynamischen Mikrofons. Man läuft also nicht Gefahr, den Preamp zu übersteuern. Andererseits ist der Grenzschalldruckpegel mit 159 dB Peak bei 1% THD bzw. 164 dB bei 10 % THD sehr hoch und wird in der Praxis kaum erreicht werden. Auch wenn man noch so hart in die Pedale tritt.

Etwas hoch fällt das Eigenrauschen aus. Laut Datenblatt liegt es bei 27 dB/A. Das ist kein Problem bei lauten Quellen, will man flüsterleise Sounds aufnehmen, gibt es bestimmt geeignetere Mikros.

Die Ausgangsimpedanz ist mit 380 Ohm vergleichsweise hoch, daher empfiehlt DPA die Verwendung eines Preamps mit einer Eingangsimpedanz von mehr als 2 kOhm. Für die Extremsportler unter euch: Eingesetzt werden kann das Mikrofon übrigens bei Temperaturen zwischen -40 und +45 Grad. Solange euch also beim nächsten Antarktis-Gig nicht die Knie einfrieren und unkontrolliert vor sich hin zittern, ist das DPA 4055 bestimmt auch dafür eine gute Wahl.

Perfekte Verarbeitung innen wie außen. Die Kondensatorkapsel des DPA 4055 ist vorpolarisiert.

Perfekte Verarbeitung innen wie außen. Die Kondensatorkapsel des DPA 4055 ist vorpolarisiert.

Das DPA 4055 im Einsatz

Ab ins Studio und ran an die Bass Drum.

Für meinen ersten Test gesellen sich zum DPA 4055 noch ein sehr gut erhaltenes AKG D12 sowie ein modernes AKG D 12 VR. Das alte Original ist eine Kick-Drum-Ikone, dessen Sound auf unzähligen Hits zu finden ist.

Die moderne Variante besitzt drei verschiedene Presets und formt den Klang schon bei der Aufnahme.

Ich positioniere die drei Mikros in rund fünf Zentimetern Entfernung außen am Resonanzfell und bin nach den ersten Aufnahmen doch sehr überrascht, wie stark sich die Ergebnisse klanglich unterscheiden. Hier treffen drei konträre Klangphilosophien aufeinander:

Das alte D12 besitzt den wollig-warmen Vintage Punch, das D12 VR wirkt aufgrund der hinzugefügten Höhen und der Bassanhebung deutlich härter, aber produziert einen zeitgemäßen, auf Anhieb sehr gefälligen Kick-Drum Sound.

Meine Befürchtung, dass das DPA 4055 im direkten Vergleich zu einem getunten Mikro wie dem D12 VR etwas schwach klingen würde, erfüllt sich nicht.

Überraschenderweise ist das Signal des dänischen Konkurrenten überaus druckvoll. Der Bassbereich klingt straff, präzise und ist dabei sehr vollmundig.

Die Kick strotzt voller Kraft und man hört sehr schnell die Vorzüge des linearen Sounds.

Mit einem Grenzschalldruck von 159 dB ist das DPA 4055 für lauteste Signal geeignet.

Mit einem Grenzschalldruck von 159 dB ist das DPA 4055 für lauteste Signal geeignet.

DPA schreibt zwar, dass man auf klangliche Voreinstellungen verzichtet, um es dem Toningenieur zu überlassen, wie die Kick Drum getuned werden soll. Ich für meinen Teil bin aber schon völlig zufrieden mit dem puren Sound der Kick, den das DPA 4055 liefert. Und das ist sonst nur sehr selten der Fall.

Das 4055 klingt nicht nur tief, sondern gleichzeitig sehr plastisch und echt, eine Eigenschaft auf die man bei Kick Drum Mikros nicht häufig trifft.

Was mir besonders gut gefällt, ist der natürliche Klang des restlichen Kits. Durch die Höhenanhebung des AKG D12 VR beispielsweise, klingt die Snare Drum krächzend und die Becken brutzeln sich unangenehm ans Trommelfell. Das alte D12 wiederum überträgt die Höhen deutlich dumpfer, was die Snare farb- und klanglos werden lässt. Das DPA 4055 hingegen bildet das restliche Kit, welches Off-Axis auf die Kapsel trifft, sehr natürlich ab. Und das, obwohl das Mikrofon nur ein paar Zentimeter vor dem Resonanzfell steht.

Mixt man in der Postproduktion das Signal der Kick mit den Spuren der anderen Mikrofone, wie etwa dem Overhead, ist das DPA 4055 den anderen beiden Vergleichsmikrofonen deutlich überlegen. Während das D12 und das D12 VR den Klang derart verändern, dass ich zu einem Gate greifen würde, klingt das DPA 4055 im Verbund mit anderen Mikros homogen und trägt zu einem rund um natürlichen Schlagzeug-Sound bei.

Die charakterlichen Eigenheiten dieser drei Mikros bleiben auch erhalten, wenn man das Mikrofon direkt am Loch des Resonanzfells positioniert. Überaschenderweise trägt das DPA 4055 hier untenrum aber nochmal deutlich dicker auf als die AKG Konkurrenten. Auch die Transientenwiedergabe des 4055 ist hervorragend, die dynamischen Konkurrenten sind etwas träger und kommen hier nicht mit.

Mal sehen, wie sich andere Kondensatormikros im Vergleich schlagen. Ich entscheide mich für das Neumann U47 Fet sowie für das Austrian Audio OC818, mein aktuelles go-to-mic für die Kick Drum.

Hier sind die Unterschiede weniger eklatant als mit den beiden AKG-Mikros. Sowohl mit dem OC818 als auch mit dem U 47 Fet sind exzellente Kick Drum Sounds möglich, wobei sich auch hier bei Off-Axis Sounds wie Snare und Hi-Hat ein leicht nasaler Klang einschleicht.

Generell bemerkenswert ist die Tatsache, dass das DPA 4055 die Tiefen unterhalb von 50 Hz stärker abbildet als jedes andere Mikrofon im Test. Positioniert man die Mikros direkt vor dem Loch des Resonanzfells, liefert das DPA 4055 auch im Vergleich zu den teils deutlich teureren Kondensatormikros eine beeindruckende Performance ab. Wuchtig, wuchtiger, am wuchtigsten lautet die Devise, der Tiefbass und Druck des 4055 ist wirklich einzigartig.

Durch die vorteilhaften Gehäuseabmessungen und das geringe Gewicht lässt sich das DPA 4055 auch einfach in der Kick, direkt vor dem Schlagfell, positionieren. Mit größeren Mikros wie den AKG D12 VR ist das machbar, da Mikrofon und Halterung durch das Schallloch bewegt werden müssen.

Der Klang gefällt mir auch in dieser Position sehr gut, das Attack des Beaters wird akkurat und druckvoll abgebildet. Obwohl das Mikro in der Bass Drum ist, bleibt der Klang natürlich und lässt sich hervorragend im Mix einbetten. Ein zum Vergleich hinzugezogenes Audix D6 verändert den Klang der Bass Drum derart stark, dass von dem echten Instrument auf der Aufnahme nichts mehr übrig ist.

Egal wo man das DPA 4055 positioniert, ob vor dem Resonanzfell, vor dessen Loch oder am Schlagfell, es zaubert drei unterschiedliche, aber erstklassige Kick Drum Sounds aus dem Hut, die keinerlei Nachbearbeitung erfordern.

Auch an anderen lauten Instrumenten mit viel Bassanteil kann das DPA 4055 seine Trümpfe ausspielen. Am Kontrabass oder Bass-Amp beispielsweise erzielt man ebenfalls fantastische Ergebnisse. Vielen Dank an dieser Stelle an die Berliner Firma Echoschall, die uns für diesen Test die Vergleichsmikrofone zur Verfügung gestellt hat.

Die Rechnung geht auf. Das DPA 4055 besticht im Test durch einen druckvollen Sound, der keine Wünsche offen lässt.

Die Rechnung geht auf. Das DPA 4055 besticht im Test durch einen druckvollen Sound, der keine Wünsche offen lässt.