Vierfaches Trommelfeuer

Steinberg hat seinen virtuellen Klopfgeist Groove Agent aus dem Dornröschen-Schlaf geholt und präsentiert mit der vierten Version ein komplett neu erfundenes Instrument, das sowohl Rock-Traditionalisten, als auch Dancefloor-Jüngern künftig amtliche Beats und groovige Styles liefern will. Zusätzlich trumpft der Neuling mit einem besonderen Konzept auf und hält Bewährtes bei.

Von Georg Berger

Wir hatten wirklich nicht mehr damit gerechnet, dass Steinberg seinen Groove Agenten noch einmal aufleben lässt. Die letzte Version Groove Agent 3 wurde vor geschlagenen sieben Jahren veröffentlicht und setzte als intuitiv bedienbarer Begleitautomat zum Erzeugen von Drum-Grooves, bestehend aus einer kombinierten Sample und Pattern Library, das Konzept seiner Vorgänger weiter fort und legte mit dem gleichzeitig einsetzbaren Percussion Agent noch ein weiteres Leckerli obendrauf. Mit Drumsamplern à la Fxpansion BFD oder Toontrack Superior Drummer hatte das nur wenig zu tun und nicht wenige Musikschaffende mit professionellen Ambitionen dürften die Nase über Groove Agent gerümpft haben. Dennoch hat er Vielen und auch uns in der ganzen Zeit immer sehr gute Dienste geliefert, wenn es rasch um eine lebendige Ausgestaltung von Stücken gegangen ist, sei es beim Improvisieren oder beim Produzieren.
Doch die Tage des Groove Agenten als vermeintlich niedliches Rhythmus-Spielzeug sind ab sofort vorbei. In seiner vierten Version ist das Instrument von Grund auf neu konzipiert worden und präsentiert sich nunmehr als voll ausgestatteter Drumsampler mit allen Schikanen und völlig neuem Sample- und Pattern-Content, der für rund 180 Euro – Besitzer der Vorversionen können für knapp 100 Euro upgraden – den oben erwähnten Platzhirschen nicht nur den Kampf ansagt, sondern auch noch mit besonderen Features aufwartet, die es unseres Wissens nach so noch nicht am Markt gibt.

Dort wo die Mitbewerber mit lediglich einem Klangerzeuger aufwarten, beherbergt Groove Agent 4 gleich drei Teil-Instrumente/-Module mit unterschiedlicher Ausstattung und Funktionalität, wobei bis zu vier dieser Module simultan erklingen, selbstverständlich via eigenem MIDI-Kanal ansteuerbar sind und per Mixer anteilig abgemischt werden können. Der Acoustic Agent ist dabei primär zum Produzieren sozusagen handgemachter Grooves für diverse Rock und Pop Stilistiken gedacht. Liebhaber von Jazz, Blues, Latin und Country gehen allerdings soweit leer aus. Doch Steinberg will nachliefern in Form aufpreispflichtiger Expansion-Kits, ähnlich wie für Groove Agent One. Drei akustische Drumkits, je ein Set von Pearl, Yamaha und Ludwig, inklusiver reichhaltiger Pattern-Library stehen zur Auswahl, die mit einem ähnlichen Funktionsumfang wie etwa die Abbey Road Drummer-Serie von Native Instruments zum Produzieren von Grooves einlädt. Parameter wie die Tonhöhe, die Lautstärke-Anteile des Overhead- und eines Raumkanals, das Mikrofon-Übersprechen sowie eine rudimentäre Lautstärke-Hüllkurve erlauben übersichtliche, aber ausreichende Eingriffe in den Klang der Einzelinstrumente. Anders als etwa in BFD3 ist der Austausch und das Kombinieren von Trommeln aus allen drei Drumsets allerdings nicht möglich, wohl aber die Option, die Sets wahlweise in 16 oder 24 Bit Wortbreite einzusetzen und zumindest pro Set zwischen je zwei Snares und Bassdrums umzuschalten.

 

Der Percussion Agent folgt dem gleichen Konzept aus fest vorgegebenem und gemapptem Instrumentarium, nur jetzt ausschließlich mit Percussion-Instrumenten. Rund 20 Instrumente stehen zur Auswahl, die den Mainstream dieser Gattung abdeckt. So finden sich unter anderem Schellenkränze, Bongos, Timbales, Cowbells, Shaker und dergleichen mehr, wobei der Schwerpunkt in Richtung Südamerika tendiert.
Das dritte Teil-Instrument, der Beat Agent, hält zumeist elektronische Sounds, Kits und Loops diverser Dancefloor-Genres bereit. Außer Drums finden sich im Arsenal folglich auch diverse Bass-Sounds, Stabs, Effektklänge, Akkord-Hits und dergleichen mehr, die aus Groove Agent 4 im Handumdrehen zu einem Lieferant kompletter Basis-Tracks macht.

Der Clou: Anders als die beiden anderen Agenten, die sich eher als Sample Player mit fest vorgegebenem Klang-Repertoire und mit überschaubarem Parameter-Arsenal zum Einstellen der Sounds zu erkennen geben, entpuppt sich der Beat Agent als waschechter Drumsampler mit tief greifenden Eingriffsmöglichkeiten ins Sample-Material, Wellenform-Editing, Filter, Hüllkurven, Beat Slicing und Audio Warp inklusive. Mehrere Samples können auf eine MIDI-Note geroutet werden, um wahlweise alle simultan, sukzessive nacheinander, zufällig – Stichwort: Round Robin – oder in Abhängigkeit zur Anschlagsdynamik zu triggern. Samples lassen sich auch tonal spielen, indem sie binnen weniger Mausklicks in Halbton-Abständen auf die Pads verteilt werden, Akai MPC, respektive NI Maschine lässt grüßen. Der Import eigener Samples ist selbstverständlich ebenfalls möglich.

Um das maximal vierfache Trommelfeuer in den Griff zu bekommen, hat Steinberg seinem Groove-Instrument eine umfangreiche Mixer-Sektion inklusive reichhaltiger Effekt-Abteilung spendiert, um auf Plug-in-Ebene einen Gesamtmix fahren zu können. Über Reiter werden Direktsignale in Gruppen zusammengefasst, pro Kanal stehen vier Aux Sends zur Verfügung, deren Returns bis zu vier Effekte aufnehmen können. Weitere Reiter fassen die Summenausgänge der vier Modul-Slots zusammen und am Ende steht die Mastersumme, die wir allerdings durchaus zusammen mit den Slot-Gruppen in einem Dialog gesehen hätten. Platz genug ist dafür vorhanden und hätte zusätzliches Hin- und Herklicken erspart. Sehr schön: Ähnlich wie im Cubase-Mixer besitzt jeder Kanal des Acoustic- und Percussion-Agenten eine Channelstrip-Effekt-Suite, bestehend aus EQ, Kompressor, Bandsättigung und Hüllkurvenformer. Was fehlt, ist allerdings ein Noise Gate, das aber via Send einsetzbar ist. Bemerkenswert: Der Beat Agent führt die Direkt-Sounds über 16 Busse in die Slot-Gruppe, die ihrerseits mit vier Insert-Effekten belegt werden können. Wer mag, kann das Mixen auch in der DAW erledigen. Bis zu 16 Stereo-Ausgänge lassen sich aus Groove Agent 4 herausleiten und anschließend im DAW-Mixer weiter bearbeiten. Damit überholt Groove Agent 4 die Mix-Möglichkeiten in Toontracks EZdrummer 2 um Längen, erreicht aber (noch) nicht ganz die Funktionstiefe des Pendants in BFD 3. Einzigartig: Mit dieser Ausstattung lassen sich die zurzeit beliebten Hybrid-Drums, also ausbalancierte Mischungen von akustischen und elektronischen Sounds, mannigfaltig und haarfein realisieren. Groove Agent 4 ist damit am Puls der Zeit und außer der Drumlab Library von Native Instruments ist uns kein weiteres Produkt bekannt, das so etwas realisiert.

 

Die Haupt-Domäne der Vorversion, das dynamische Erzeugen einer kompletten Schlagzeuglinie mit dem bereitgestellten Pattern-Arsenal, ist selbstverständlich auch in Groove Agent 4 vorhanden und firmiert jetzt unter der Bezeichnung Style Player. Doch anders als zuvor spielt diese Sektion nicht mehr die uneingeschränkte Hauptrolle im Gesamt-Ensemble. Vielmehr halten sich die Bereiche virtuelles Instrument, Klangformung und Pattern-Player jetzt die Waage. Auch das Handling hat sich jetzt grundlegend geändert und erfordert etwas Zeit zur Einarbeitung. Insgesamt hat sich Groove Agent 4, verglichen mit seinem Vorgänger, zu einem mächtigen Parameter-Schlachtschiff mit komplexen Eingriffsmöglichkeiten gemausert, was nicht zuletzt auch im Umfang des Handbuchs – knapp 200 Seiten – nachdrücklich dokumentiert wird. Angesichts dieser Informationsfülle sind wir zu Anfang regelrecht erschlagen. Das liegt aber auch am Aufbau des Handbuchs, der in jedem Fall zu wünschen übrig lässt. Es geht direkt in die Vollen und wer sich noch nicht richtig auskennt, wird zu Anfang mehr Fragen als Antworten erhalten. Was fehlt ist ein Quickstart-Guide, respektive eine Reihe von Tutorien, um den Anwender behutsam in die Grundzüge des Instruments einzuführen. Das ist wirklich schade und eigentlich nicht typisch für Steinberg. In diesem Falle empfiehlt sich, stattdessen die informativen Tutorial-Videos auf der Hersteller-Seite anzuschauen, die eine profunden Einführung ins Instrument geben.

Satte zehn Gigabyte an Sample-Material gilt es zunächst auf die Festplatte zu transferieren. Nach dem Start zeigt sich eine zumeist in schwarz und grau gehaltene Bedienoberfläche, die dem Farbcode und dem Design der übrigen virtuellen Instrumente von Steinberg wie Halion, Padshop oder Retrologue konstant folgt. Hingucker ist der Pad-Bereich à la Akai MPC, bestehend aus 16 Spielflächen auf der linken Seite. Via Buttons sind dabei acht Gruppen zu je 16 Pads wechselseitig aufrufbar, macht also insgesamt 128 spielbare Pads. Wichtig: Je nachdem ob gerade der Instrument- oder Pattern-Button aktiv ist, triggern die Pads entweder Einzel-Sounds oder Pattern, die beim Aufruf von Presets/Kits automatisch mit geladen und farblich codiert auf die Pads nach Intro, Ending, Fills und Grooves verteilt werden. Sehr schön: Wer möchte, kann auch nur die Sounds laden und die Pattern beibehalten. So muss es sein.

 

Rechts von den Pads ist der Editor-Bereich integriert, der in jedem Agenten über Buttons die gleichen wechselseitig aufrufbaren Unter-Dialoge bereitstellt. Via Load wird der Preset-Browser aufgerufen, der auch als schwebendes Fenster vom GUI erscheinen kann. Den Mixer haben wir bereits oben kurz vorgestellt und der Optionen-Dialog erlaubt unter anderem Eingriffe ins Lade- und Speicherverhalten von Groove Agent 4 sowie in die Polyphonie. Das Hauptgeschehen findet in den Dialogen statt, die nach Klick auf den Edit-Button erscheinen. Im Acoustic- und Percussion-Agenten zeigen sich interaktive Graphiken der Instrumente/Drum-Sets. Durch Klick auf die Instrumente erklingen sie und eine halbtransparente Parameterleiste am Fuß erlaubt das Editieren der Klänge. Ein Druck auf den „MIDI FX“-Button gestattet überdies das Anwenden bestimmter Spieltechniken wie Flams, Drags und Ghost Notes auf das zuvor gewählte Instrument, was übrigens auch im Beat Agent möglich ist.

Der Beat Agent teilt seinen Edit-Bereich hingegen in mehrere Unter-Dialoge auf, die über Reiter aufrufbar sind, um Tonhöhen-, Filter- und Lautstärke-Hüllkurve einzustellen oder den Wellenform-Editor und den Slice-Dialog nach vorne zu holen. Interessantes Detail: Ähnlich wie in Kontakt 5 lässt sich im Main-Reiter mit einem Vintage- und Turntable-Modus der Grundklang des gerade aktiven Samples entsprechend auf alt trimmen, um den Sounds das Flair der Analog-Ära zu verpassen. Der Wellenform-Editor wartet mit so gut wie allen relevanten Möglichkeiten zum Editieren von Samples auf inklusive Audio-Warp-Funktion, um Loops via Time-Stretching ans Tempo anzupassen. Wir vermissen im Test jedenfalls nichts. Ein anderer Weg zum Einpassen von Loops in verschiedene Tempo-Raster finde sich im Slice-Reiter. Wie gehabt werkelt dort ein Algorithmus, der Loops analysiert und in musikalisch sinnvolle Abschnitte aufteilt. Soweit so gut. Durch Druck auf den Classify-Button identifiziert der Steinberg-Klopfgeist die zuvor erstellten Slices sogar und sortiert sie in die vier Kategorien Kick, Snare, Hihat und Percussion. Gleichzeitig werden die so erkannten Slices farbig codiert auf die einzelnen Pads verteilt. So können wir nach Gusto die gewünschten Slices zielgerichtet triggern. Im Test funktioniert dies im Großen und Ganzen recht gut, vorausgesetzt es findet nicht allzuviel polyrhythmisches Geklingel auf diversen Trommeln statt. Für diesen Kniff in Sachen Arbeitserleichterung gibt’s in jedem Fall schon einmal ein Sonderlob.

 

Doch das ist es noch nicht ganz in Sachen Edit-Unter-Dialog. Ist der Pad-Bereich im Pattern-Modus, erscheint anstelle der Sound-Einstellmöglichkeiten der eingangs erwähnte Style-Player-Dialog, der für jeden Agenten etwas anders ausgestattet ist. Außer Grundfunktionen wie unter anderem das taktgenaue Einstarten des nächsten Pattern, eine Quantisierungs- und Swing-Funktion oder das Abspielen in doppeltem oder halbem Tempo, wartet jeder Style Player mit einem aktivierbaren Jam-Modus auf, der Groove Agent 4 mit der nötigen Intelligenz versorgt zum Erzeugen abwechslungsreicher Drum-Linien. Ist er deaktiviert und klicken wir auf ein Pad, startet das darauf abgelegte Pattern und je nach Play Modus läuft der Groove wahlweise nur solange wir das Pad gedrückt halten oder unendlich. Durch die farbliche Codierung der Pads können wir schon einmal einen Ablauf durch gezieltes Triggern der gewünschten Pads erzeugen. Ist der Jam-Modus aktiv, können wir für jedes Pad/Pattern jetzt bestimmen, was nach seinem Durchlauf als nächstes passieren soll. Ist ein Pattern im Standard-Zustand, läuft es unendlich weiter bis das nächste Pattern angeklickt wird. Im Return-Modus wird das vorherige Pattern nach dem Durchlauf des so gekennzeichneten Pattern wieder gespielt, Next führt dazu, dass das nachfolgende Pattern gespielt wird und Stop heißt, dass nach dem Durchlauf des Pattern der Player stoppt. Im Test funktioniert das ganz hervorragend und wir können uns nach Sichten der Pattern auf diese Weise bestimmte Abläufe, etwa von einer Bridge zu einem zweiteiligen Refrain, soweit vordefinieren und brauchen lediglich ein Pattern anklicken und den Rest Groove Agent 4 überlassen. So etwas hat Groove Agent 3 in dieser Art nicht zu bieten. Doch es kommt noch besser und zwar im Acoustic- und Percussion-Agenten: Beide verfügen über eine Performance-Sektion über die sich dynamisch Variationen des gerade spielenden Pattern einfügen lassen. Im Acoustic-Agent findet sich dafür eine XY-Matrix in der sich die Parameter „Complexity“ und „Intensity“ bequem auf einen Schlag einstellen lassen. Je höher der Cursor dabei steht, desto lauter erklingt der Groove und je mehr er nach rechts geht, desto mehr Varianten und neue, virtuose Stückchen kommen hinzu. Das Ganze wirkt so, als ob wir die Velocity-Werte der Noteneinsätze beeinflussen und via Mute-Funktion einzelne Teilstücke des Grooves an- und abschalten. X- und Y-Parameter sind selbstverständlich in der DAW automatisierbar, so dass sich in Verbindung mit dem Jam-Modus die Lebendigkeit der Grooves noch einmal nachhaltig vergrößert. Sicherlich, in Groove Agent 3 wurde dies bereits ebenfalls mit Hilfe des Complexity-Sliders realisiert. Die vierte Version realisiert dies aber nach unserem Geschmack präziser. Der Percussion-Agent verfügt ebenfalls über die beiden oben erwähnten Parameter. Doch anstelle einer Matrix werden die Pattern jedes einzelnen Instruments aufgelistet und über einen fünfstufigen Slider können die Teil-Grooves separat in ihrer Komplexität und Intensität eingestellt werden. Zusätzlich lässt sich dort auch ein Versatz in Achtelwerten für Synkopen einstellen. Der Beat-Agent, der von seinem Naturell her eher der Ästhetik sklavisch arbeitender Drum-Computer verpflichtet ist, kommt hingegen ohne diese Features aus.

 

Ebenfalls bemerkenswert: Eine Overview-Ansicht zeigt in vier Spalten die geladenen Pads der einzelnen Modul-Slots. Wird nun ein Pattern-Pad aktiviert, laufen simultan auch die Pattern der anderen Agenten, die auf diesem Pad liegen. Wer mag kann dort beliebig Pattern austauschen und Pattern in einzelnen Modul-Slots stumm schalten, was die Gestaltungsmöglichkeiten noch einmal vergrößert und ein weiteres Sonderlob für Praxistauglichkeit einbringt.
Sehr zu begrüßen ist auch die Entscheidung, Groove Agent 4 mit einem Pattern-Editor auszustatten, der in seinem Funktions- und Ausstattungsumfang dem Äquivalent in Cubase in nichts nachsteht. Wer mag kann also wahlweise Werks-Pattern nach eigenem Gusto verändern oder eigene Grooves komplett selbst anfertigen. Damit vergrößern sich die Einsatzmöglichkeiten im Vergleich zu Groove Agent 3 nochmals erheblich.

Nachdem wir uns mit den Möglichkeiten von Groove Agent 4 vertraut gemacht haben, stellt sich nach einer gewissen Einarbeitungszeit schnell ein Riesenspaß ein und wir lassen uns im Test nur allzu leicht dazu verleiten, bombastisch polyrhythmische Arrangements zu erstellen, wobei gerade die Möglichkeiten des Beat Agent die Kreativität ordentlich befeuert. Der Style Player erfordert anfangs zwar ein wenig Zeit zur Eingewöhnung, doch im Vergleich zu Groove Agent 3, möchten wir die Möglichkeiten nicht mehr missen. Wir müssen zwar jetzt die gewünschten Pattern gezielt per Klick anwählen, profitieren aber von den Möglichkeiten des Jam-Modus. Einzelne Fills, die uns mit zuviel Crash-Einsatz daherkommen, können wir bequem per Knopfdruck nachhaltig ausdünnen und nicht zuletzt durch die Möglichkeiten des Pattern-Editor, erreichen wir noch während der Kompositionsphase unser gewünschtes Ergebnis. Das war in Groove Agent 3 noch ganz anders. Allerdings fällt uns im Test eine Ungereimtheit auf, die sich jedoch rasch aufklärt. Beim Spielen von Einzelsounds erklingen plötzlich und unverhofft auf einmal Pattern und das, obwohl wir im Instrumenten-Modus sind. Die Ursache: Wenn ein Pad sowohl einen Sound, als auch ein Pattern besitzt, wird dem Pattern stets der Vorzug gegeben. Das ist schon etwas verwirrend, zumal einige Werks-Presets mit solchen Doppelbelegungen daherkommen. Die Lösung findet sich in Form eines winzigen Buttons im Pad-Bereich. Ist er aktiviert, werden Pattern und Instrumenten-Sounds auf verschiedenen MIDI-Kanälen angesteuert und schon ist Ruhe. Auffällig: In Cubase finden sich im Routing-Dialog ebenfalls zwei separate Eingänge, einer für Sounds und einer für Pattern. Wer solche Konflikte erst gar nicht aufkommen lassen will, sollte die Pattern in eine weit entfernte Pad-Gruppe verschieben. Damit lässt sich aber noch leben. Viel schmerzhafter als das ist jedoch der Umstand, dass es kein MIDI-Out mehr gibt, wovon wir in der Dreier-Version ständig Gebrauch gemacht haben. Sicherlich, über die bequeme Möglichkeit, per Drag-and-drop die gewünschten Pattern aus Groove Agent 4 in die DAW zu ziehen, ist das zwar zu kompensieren. Doch wer schon direkt am Anfang einen anderen Klangerzeuger einsetzen möchte, der von den Groove Agent Pattern gesteuert werden soll, hat zunächst einiges an Arbeit zu erledigen. Das ist jedenfalls ein Rückschritt und steht in unserer Update-Wunschliste an oberster Stelle. Und wo wir gerade beim Wünschen sind: Schön wäre es auch, die Dialoge des Edit-Bereichs vom Plug-in abkoppeln und nach Möglichkeit auch in der Größe skalieren zu können. Gerade das Arbeiten mit dem Pattern-Editor und dem Wellenform-Editor würde dadurch deutlich komfortabler ausfallen. In Halion 4 hat Steinberg dies ja bereits erfolgreich realisiert und seinerzeit ein dickes Lob von uns dafür kassiert. Umso unverständlicher ist es daher, dass Steinberg in Groove Agent 4 mit diesem Pfund gegeizt hat.

Klanglich gibt’s hingegen nichts zu meckern. Die drei akustischen Drumkits gefallen durch einen jeweils eigenen Klangcharakter, der akkurat eingefangen ist. Das Yamaha-Kit fällt durch einen punchigen Grundsound auf, herrlich für Powerrock und Konsorten. Das Pearl nimmt sich im Vergleich dazu etwas zurück und bietet sich für alle anderen Musiken an, in denen es nicht permanent auf die Fresse geben soll. Das Ludwig-Kit frönt hingegen dem Klang-Ideal der 60er und 70er Jahre und gefällt durch einen angenehm warmen Klang. Sicherlich, in Sachen Detailreichtum können die Akustik-Drums nicht an die Qualität von BFD 3 reichen. Doch man sollte auch fair sein, denn BFD 3 nutzt für ein Drumset die gleiche Datenmenge wie die komplette Sample Library von Groove Agent 4. Dafür punktet der Steinberg-Drummer mit seinen unzähligen mitgelieferten Elektronik-Samples, die eine enorme Bandbreite von dünn und crisp bis hin zu bombastisch, fett und brachial abdecken. Außer sattsam bekannten Klassikern der Drumcomputer-Geschichte, finden sich viele weitere Sounds, mit denen nicht nur Dancefloor in allen Schattierungen, sondern auch Synthie-Pop, New Wave und sogar auch Industrial machbar ist. Schlussendlich rückt Groove Agent 4 in Sachen Soundpalette von einer universellen Ausrichtung weg, hin zu allen Ausprägungen von Rock, Pop und Electronica.

 

Fazit
Steinberg hat es mal wieder geschafft und legt mit Groove Agent 4 ein beeindruckendes Major-Update seines virtuellen Schlagzeugers vor. Die Zeiten als vermeintlich nettes Spielzeug und Begleitautomat sind ab sofort vorbei, wenngleich dieses Erbe der Vorgänger nach wie vor fröhliche Urständ feiert. Hinzu kommen jetzt gleichberechtigt vielfältige Möglichkeiten zur Klangformung und Groove-Gestaltung, gepaart mit einem markanten Instrumenten-Konzept, das aus Groove Agent 4 einen waschechten Drumsampler mit allen Schikanen macht, wenngleich es noch einige Stellen gibt, die sich durchaus noch verbessern lassen. Aber bitte nicht wieder sieben Jahre warten.

Erschienen in Ausgabe 11/2014

Preisklasse: Oberklasse
Preis: 179 €
Bewertung: überragend
Preis/Leistung: sehr gut