Der blaue Riese

Gerade wenn die unvergessliche Live-Performance in höchster Digital-Qualität gesichert werden soll, schlägt die Stunde hochauflösender Stand-alone Recorder wie Tascams blauem Riesen, dem DV-RA1000HD, der hierfür bestens gerüstet ist und dank eines eingebauten Signal-Prozessors auch anspruchsvolles Mastering ermöglichen soll. 

Von Harald Wittig 

Tascam stellte die erste Version des DV-RA 1000 Anfang letzen Jahres vor. In dieser ersten Ausführung war der Recorder mit der eleganten, in dunklem Blaumetallic schimmernden Frontplatte gewissermaßen ein State-of-the-Art DVD/CD-Recorder, der sowohl die Aufzeichnung von digitalen PCM Stereo-Signalen von 16 Bit/44,1 kHz bis maximal 24Bit/192 kHz als auch Aufnahmen im DSD-Format gestattete. Während Audio-Material mit der Auflösung 16 Bit/44,1 kHz direkt auf CD-Rs und CD-RWs aufgenommen werden konnte, ist die Aufnahme von höher auflösende PCM- und DSD-Dateien nur auf einseitige DVD±RW- oder DVD±Rohlinge möglich. Daran hat sich auch beim modellgepflegten neuen Recorder nichts geändert: Dafür hat der DV-RA1000HD – die nüchterne Modellbezeichnung legt es nahe – eine eingebaute, immerhin 57 GB große Festplatte, auf die alternativ Projekte im Format der Wahl und der wunschgemäßen Auflösung aufgenommen werden können. Diese lassen sich danach editieren und mit dem eingebauten Effektprozessor kann der Aufnahme der letzte Feinschliff gegeben werden, um hernach eine CD oder in der Regel eine DVD zu brennen. Dank seiner eingebauten USB 2.0-Schnittstelle kann der Austausch von Audiodateien auch direkt mit einem PC oder MAC erfolgen, was die Anbindung des Recorders an eine rechner-gestützte Audio-Workstation erheblich erleich-tern soll.

Mit einem Listenpreis von gut 2.400 Euro bietet Tascam den Recorder kein gerade zum Schnäppchenpreis an, gleichwohl kann er eine preiswerte Anschaffung sein – beste Qualität in jeder Hinsicht vorausgesetzt.

Das sehr gut verarbeitete und edel wirkende Gerät in zwei Rack-Höheneinheiten ist recht schnell spiel- und aufnahmebereit. Um eine CD oder DVD mit Audiodaten abzuspielen, genügt es das Laufwerk ODD anzuwählen, Datenträger einlegen, einlesen lassen und auf „PLAY“ drücken. Die entsprechenden Funktionstasten erschließen sich jedem, der schon mal einen gewöhnlichen CD- oder DVD-Player bedient hat.

Grundsätzlich erlaubt der Recorder die direkte Aufnahme auf eine DVD. Empfehlenswert ist aber die Aufnahme auf die interne Festplatte, da die Bearbeitung in aller Ruhe nachträglich erfolgen kann. Für Aufnehmen einer analogen Signalquelle der Tascam-Recorder schnell aufnahmebereit: Zunächst gilt es über die Multifunktionstaste „Menu“ ein neues Projekt einzurichten, den Eingang, in diesem Fall ana-log, auswählen, die Auflösung – entweder PCM bis maximal 24 Bit/192 kHz oder DSD vorwählen – fertig. Wer möchte kann das Eingangssignal noch Einpegeln, die entsprechende Display-Seite wird über den Schalter „Input Level“ auf der linken Seite unter dem großen JOG-/DATA-Rad aufgerufen. Wer quasi Rohdaten in höchste Qualität aufzeichnen möchte Festplatte bringen möchte, sollte die Empfehlung der insgesamt erfreulich übersichtlichen Bedienungsanleitung beherzigen und „Bypass On“ wählen: In diesem Fall wird der Schaltkreis des Recorders komplett umgangen.
Wer digitale Signale aufzeichnen möchte, hat etwas mehr zu tun: Neben dem S/PDIF-Eingang hat der Tascam zwei XLR-Eingansbuchsen für AES-/EBU-Signale: Bis zu einer Abtastfrequenz von 96 Kilohertz können entweder eine oder zwei Buchsen verwendet werden: Hier hat der Anwender also die Wahl, ob er Anwender im [G] Double-Speed- oder im Double-Wire-Modus aufnehmen möchte. Ist 176, 4 oder 192 Kilohertz die Wunschsamplingrate bedarf es zwingend beider Buchsen, denn bei diesen Abtastfrequenzen erfolgt die Übertragung ausschließlich im Double-Wire-Modus. Mit Hilfe des Handbuchs hat sich der Anwender aber geschwind durch die verschiedenen Displayseiten geklickt und die entsprechenden Einstellungen vorgenommen. Für die Aufzeichnung von DSD-Signalen gibt es vier BNC-Anschlüsse (jeweils zwei für Ein- beziehungsweise Ausgang), denn der Recorder kann sowohl das (G) SDIFF 3- als auch das (G) DSD-RAW-Format lesen.

Sind alle Einstellungen vorgenommen, ist das neue Projekt schnell um Audio-Daten bereichert. Hierfür benötigt niemand ein vertieftes Studium der Bedienungsanleitung. Sehr hilfreich beim Aufnehmen ist übrigens die kabelgebundene Fernbedienung: Gerade Alleintäter werden sich freuen, denn dank des langen Kabels findet die Fernbedienung bequem neben dem Musiker Platz, der die Aufnahme blitzschnell per Tas-tendruck startet.

Auch wenn die Frontplatte des Tascam angenehm übersichtlich und aufgeräumt ist und sich die Belegung der Funktionstasten über das LCD-Display in vielen Fällen von selbst erschließt, besitzt das Gerät einige weniger offensichtliche bedienungstechnische Feinheiten deren Kenntnis für einen erfolgreichen Umgang mit dem Recorder unerlässlich sind. An dieser Stelle ist es unmöglich, in die Tiefen der Bedie-nungsanleitung einzusteigen, daher sei Jedem das Lesen des Handbuchs hierfür ganz besonders ans Herz gelegt. Wenn die Staus-seite auf dem Display zu sehen ist – das aktuelle Projekt wird angezeigt – ruft der Benutzer über die Enter-Taste das so genannte Virtuelle Bedienfeld (VFP) auf. Hier finden sich eine Menge Funktionstasten hinter LCD-Icons, deren Funktion teilweise essentiell notwendig ist: Wer beispielsweise eine Audio-CD erstellen möchte, muss das Projekt über den virtuellen Schalter „Finalize“ abschließen, anderenfalls wird über einen Standard-Player nur musikalisch Zweifelhaftes hörbar, ein Testton nämlich. Es ist wäre schon wünschenswert, wenn gerade der „Finalize“-Schalter als Hardware-Bedienelement ausgelegt wäre. Einmal mehr empfiehlt sich in diesem Fall die Fernbedienung, die dankbarerweise einige passend beschriftete Tasten aufweist, die wichtige Funktionen des VFP wie eben „Finalize“ ohne Umwege mit einem Fingerdruck aktivieren. Sehr praktisch beim Erstellen einer Audio-CD, ist die Möglichkeit, eine gewöhnliche P2-Rechner-Tastatur an den Tascam anschließen zu können. CD-Rs werden vom Recorder als Orange Book Audio CDs gebrannt, enthalten also nicht nur die Audio-Daten, sondern auch Zusatzinformationen wie den Titelnamen. Diese Informationen sind mit der Tastatur deutlich komfortabler eingegeben.

Als professioneller Master-Recorder bietet der Tascam nicht nur einiges an Schnitt- und Editierungsmöglichkeiten, sondern ist zusätz-lich noch mit einem digitalen Signalprozessor ausgestattet, der einen Equalizer und eine Sektion zur Dynamikbearbeitung umfasst. Die Bedienung erfolgt über eine eigene Display-Seite mit mehreren Untermenüs, insgesamt stehen ein Dreiband-Equalizer und eine Kompressor/Expander-Einheit zur Verfügung, letztere gibt es jeweils in Dreiband- oder Einband-Ausführung. Aufgerufen wird der Signalprozessor, der mit einer Auflösung von 40 Bit (Equalizer) beziehungsweise 32 Bit (Kompressor und Expander) arbeitet, über die Effect-Taste. Allerdings steht er nur zur Klangbearbeitung von PCM-Dateien zur Verfügung, DSD-Projekte können nicht bearbeitet werden. Die Verstellung der ein-zelnen Parameter erfolgt über die Funktionstasten unterhalb des LCD-Monitors der die von Plug-ins vertraute Graphik-Symbole gut ablesbar darstellt. Die Bedienung ist jedenfalls nicht umständlicher und zeitaufwändiger als beispielsweise die Plug-in-Steuerung im Host-Sequenzer-Programm via Maus. Ebenfalls vergleichbar mit Plug-ins bietet die Effekt-Sektion Werksvoreinstellungen und die Möglichkeit, eigene Einstellungen für den späteren Gebrauch mit neuen Projekten abzuspeichern. Da es sich um ein Stand-alone-Gerät handelt, ist das Abspeichern eigener Einstellungen geringfügig umständlicher und zeitintensiver als am Rechner, wird aber denen, die mit ähnlichen Geräten wie zum Beispiels Harddisk-Recordern grundsätzlich vertraut sind, leicht fallen. Klanglich, dies sei bereits hier dem Hör-test vorweggenommen, zeichnet sich die Effektsektion durch unauffällige Neutralität aus, wenngleich dem Klang der Kompressoren eine gewisse Sterilität und digitale Künstlichkeit anhaftet – manche Anwender werden nichts zu meckern haben, andere werden auf ihre ge-wohnten Hard- oder Software-Kompressoren vertrauen, was dank der Kommunikationsfähigkeit des Tascam keine großen Probleme bereitet. Mehr hierzu im Pra-xis-Abschnitt.

Der Tascam beweist mit durchweg guten bis sehr guten Messwerten belegte, dass er ein Gerät der Profiklasse ist. Mit 93, 3 und 90 De-zibel für den Geräusch- beziehungsweise Fremdspannungsabstand, jeweils bezogen auf +4 dBu, erweist sich der Tascam als Vertreter der ganz leisen, rauscharmen Art und übertrifft nicht nur den konzeptionell vergleichbaren, aber auch erheblichen kostengünstigeren Fostex C500R, sondern auch den exzellenten mobilen Festplattenrecorder Sound Devices 722 (Test Ausgabe 10/2006). Auch mit seinem Klirrfaktor, der mit einem Durchschnittswert beharrlich unter 0, 004 Prozent bleibt, beweist der Recorder seine hohe Fertigungsqualität. Das gilt ebenfalls für die Wandlerlinearität: Bis hinunter zu -130 dB verläuft die Messkurve äußerst gleichmäßig, die nachfolgende Abweichung kann getrost vernachlässigt werden, denn besser können es auch Spitzenwandler wie der Lynx Aurora 8 (Test Ausgabe 11/2006) nicht. Lediglich die Gleichtaktunterdrückung des Tascam ist nicht ganz auf diesem hohem Niveau: Zum einen beträgt der Wert nur 55 dB, zum anderen weichen beide Kanäle um etwa 15 dB vonein-ander ab. Das muss sich in der Praxis nicht notwendig nachteilig auswirken: Sofern Kabellängen über etwa 30 Meter vermieden werden, was weder im Studio noch beim Live-Einsatz, wo der Tascam nahe bei der Live-Konsole sein Plätzchen hat und mit dieser direkt verbunden ist, in der Regel vorkommt.

Die Bedienung des Recorders geht, soweit es das Generieren von Projekten und das Aufnehmen einzelner Tracks betrifft, anwenderfreundlich vonstatten. Wir machen mehrere Gitarren-, Flöten- und Sprachaufnahmen in insgesamt drei verschiedenen Projekten: Bei Projekt 1 neh-men wir analog mit einer Auflösung von 24 Bit/176, 4 kHz mit dem Lake People Mic-Amp F355 auf, bei Projekt 2 geht es digital, mit derselben Auflösung in den Tascam, hier wandelt der Lynx Aurora 8 die analogen Signale, bei Projekt 3 schließlich empfängt der Recorder wieder analoge Signale, diesmal wählen wir aber das DSD Format.

Die Aufnahmen können wir in zweifacher Hinsicht direkt vergleichen: Zum einen können wir Projekt 1 und 2 über den Kopfhörer-Ausgang des Tascam miteinander vergleichen, zum anderen hören wir uns abwechselnd die D/A-Wandlung durch den Recorder und durch den Aurora 8 über die ADAM S3A Monitore an. Die Qualität des im Tascam integrierten Wandlers kann sich hören lassen: Der Recorder-Wandler ist ein vornehmer Vertreter seiner Gattung, der sich weitgehend der Schönfärberei enthält. Soll heißen: Starke Unterschiede zum Klang des Aurora 8 – immerhin ausweislich unserer Tests und Erfahrungen ein weitgehend klangneutraler Übersetzer vom Audio-Signalen – können wir objektiv kaum ausmachen. Bei der Auflösung geben sich beide nichts, der Aurora erscheint uns eine feine Schattierung dunkler, während der Wandler des Recorders ein wenig heller wirkt. Aber die Unterschiede sind wirklich so minimal, dass jeder ganz tief in die Klänge eintauchen muss, um das wahrzunehmen. Dieses Ergebnis bleibt auch bestehen bei vergleichendem Gegenhören über den Stax SR 4004: Der Tascam ist, wie es der Hersteller verspricht, ein hochauflösender Recorder, der im wesentlichen das aufzeichnet und ausgibt, was auf seine Festplatte aufgenommen wird. Das heißt gleichzeitg, dass hier nichts beschönigt oder verschluckt wird: Leise Atemgeräusche, Kratzen auf Bass-Saiten oder die mit winterlicher Erkältung belegte Stimme unseres Testsprechers bleiben gnadenlos erhalten. Gerade bei der Stimme bleibt der Tascam der Bronchitis auf der Spur und erhält die sandpapierne Rauheit des Baritons gegen die auch minutenlanges Abhusten und Räus-pern ankommt.

Die Preisfrage schlechthin: Klingt das DSD-Projekt wesentlich anders, im Ergebnis gar besser? Nun, es gibt Unterschiede, allerdings bewegen wir uns hier in einem Bereich, der leicht esoterisch wird. In Punkto Detailauflösung stellen wir, nachdem jeder im Team sich einem Blindtest gestellt hat, keine Unterschiede fest: Weder PCM noch DSD haben hier die Nase vorn, alles klingt beides Mal fein, detailgenau und präzise aufgelöst. Lediglich bei der Räumlichkeit scheint das DSD-Projekt eine Winzigkeit plastischer zu wirken. Allerdings kann dieser Höreindruck trügen: Zumindest bei den Instrumentalaufnahmen ist nicht hundertprozentig gewährleistet, dass der Interpret den Abstand zu den Mikrofonen exakt beibehält. Beim Sprecher ist dies wegen einer vorher angebrachten Markierung eher gewährleistet und tatsächlich: Die Stimme erscheint zwei Hörern im direkten Vergleich ausgeformter, dreidimensionaler. Allerdings muss sich diese Fraktion der dreiköpfigen Mehrheit geschlagen geben, die am Ende des vierstündigen Tests das lapidare Urteil fällt: Unterschied? Null.

Natürlich wäre es schön – immerhin sind DSD-Daten die Basis für das SACD-Format, wenn der Tascam SACDs brennen könnte. Leider, leider: Das geht nicht. Der Recorder speichert nämlich die Einzeltracks der Projekte im Stan-dard (G) Universal Disk Format (UDF) als Broadcastwave (BWF)- oder DSDIFF-Dateien. Diese Dateien können jederzeit auf eine DVD±-RW gebrannt werden und zur weiteren Verarbeitung in entsprechend ausgestattete Workstations weiterverarbeitet werden. Während BWF-Dateien einem modernen Sequenzerprogramm keine Schwierigkeiten bereiten und direkt in die Anwendung importiert werden können, um sie dort weiterzubearbeiten und zu finalisieren, sind DSD-Dateien immer noch exklusiv sehr teuren Audio-Workstations wie DSD Sonoma und Genex 8500 vorbehalten. Einige professionelle Studios wie das O´Henry Sound Studio in Los Angeles sind dementsprechend ausgerüstet, kleine Projektstudios, vom gewöhnlichen Homerecordler ganz zu schweigen, werden sich kaum ein solches Equipment anschaffen. Für diese Anwender ist der Tascam-Recorder auch nur bedingt zu empfehlen, da er von den gespeicherten Projekten, liegen sie in einer höheren Auflösung als 24 Bit/44, 1 kHz vor, keine Audio-CDs erstellt. Es ist also nicht möglich, ein in höchster PCM-Auflösung er-stelltes Projekt vom Recorder wieder auf das CD-Format runterzurechnen. Das erledigen Oberklasse-Sequenzerprogramme einfacher und schneller, teilweise auch mit qualitativ sehr guten Dithering-Optionen. Dank der USB-Schnittstelle ist es zum Glück kinderleicht, Tascam-Projekte im PCM-Format in den Host-sequenzer zu importieren: Der Recorder wird, ohne das eine Treiber-Installation erforderlich wäre, unter Windows XP als externes Laufwerk erkannt und behandelt.

Fazit

Klanglich ist der elegante Blaue von Tascam ein Master-Recorder der Profiklasse, die analogen Ein- und Ausgänge und der recordereigene Wandler sind von hoher Qualität und befriedigen auch Anspruchsvolle. Für den Homerecordler ist er nicht unbedingt zu empfehlen, da er zwar die Formate SDIF-3/DSD-Raw beherrscht, aber keine Möglichkeit bietet, SACDs zu brennen. Er erlaubt nur die Aufzeichnung des Basismaterials für diese Tonträgergattung auf Daten-DVDs, die Weiterverarbeitung zum Endprodukt bleibt High-End-Workstations vorbehalten. Freilich sind die mit dem Tascam erstellten Audio-CDs von hoher Qualität nur: Allein damit wäre die-ser Recorder unterfordert und unter dem Strich weniger zu empfehlen. Für topausgestattete Produzenten oder einen klanglich vorzüglichen Live-Mitschnitt ist er hingegen eine Überlegung wert, wenngleich sein zwar angemessener, aber doch hoher Preis eine gut gefüllte Briefta-sche verlangt.

Erschienen in Ausgabe 04/2007

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 2358 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: gut