Auf Hochglanz poliert

Focusrite präsentiert mit der neuen Midnight Plug-in Suite die Emulationen von zwei firmenhistorisch sehr bedeutsamen Hardware Modulen. Dabei setzen die mitternachtsblauen Klangriesen kompromisslos auf Klasse statt Masse.    

Von Tom O’Connel

Der Hersteller Focusrite dürfte für viele Tonschaffende seit langem als Synonym für Klangbearbeitung allerhöchster Güte gelten. Zahlreiche Geräte des britischen Unternehmens wie zum Beispiel die Preamps ISA 220 und ISA 340 sind in vielen Studios nicht mehr wegzudenken. Gegründet von Rupert Neve im Jahr 1985, zeichnete die Klangschmiede anfangs für die Entwicklung des mittlerweile legendären Forté-Mischpults verantwortlich. Diese Konsole gilt nach wie vor als Meisterstück und Inbegriff für analoge Audio-Bearbeitung, die seitdem in zahlreichen Hits eine entscheidende, klangliche Rolle gespielt hat. Wichtige Bestandteile innerhalb der modular aufgebauten Forté-Konsole sind unter anderem das ISA 110 Equalizer- und das ISA 130 Kompressor-Modul. Virtuelle Reproduktionen dieser zu Recht als Klassiker geltenden Module offerierte der Hersteller bislang in der Forté-Suite, die jedoch ausschließlich auf Pro Tools Systemen lauffähig ist. Doch mit der seit kurzem erhältlichen Midnight Plug-in Suite beschert Focusrite den beiden Klang-Modulen einen zweiten Frühling und bringt sie erstmals als native Plug-ins für sämtliche populären Schnittstellen heraus. Der Hersteller wirbt dabei mit einer funktionalen und eleganten Benutzeroberfläche sowie einer detailgetreuen Klangreproduktion der Hardware-Originale. Grund genug also, um sich eingehend mit beiden Plug-ins zu beschäftigen und nachzuprüfen, ob sich nicht doch noch ein Staubkörnchen auf der auf Hochglanz polierten Oberfläche verirrt hat. Völlig makellos präsentiert sich die Midnight Plug-in Suite schon einmal hinsichtlich Preisgestaltung. Das Bundle ist für sehr günstige 110 Euro erhältlich, was, sofern der Hersteller in Sachen Klangqualität Wort hält, mit Fug und Recht als Schnäppchen bezeichnet werden kann.

Die Bedienoberfläche der beiden Plug-ins wirkt jedenfalls deutlich teurer und besticht durch edlen High-End-Glanz und plastischen Foto-Realismus. Das Layout der Bedienelemente ist dabei übersichtlich gestaltet und erklärt sich von selbst. Als erstes widmen wir uns der Emulation des ISA 110 Equalizers.  Der Midnight-EQ stellt sich als Vier-Band-Entzerrer mit je zwei Shelf- und vollparametrischen Peak-Bändern sowie zusätzlich einstellbaren Hoch- und Tiefpassfiltern vor. Erwartungsgemäß ist das Bearbeiten der Tief- und Hochmitten den Peak-Filtern vorbehalten, während die Shelf-Filter das Entzerren von Bässen und Höhen übernehmen. Sehr schön: Das Bedienen und Ablesen der Drehregler geschieht im Test nicht zuletzt aufgrund ihrer Größe sehr komfortabel. Allerdings gibt es kein graphisches Display, an dem der Nutzer die eingestellte EQ Kurve ablesen oder editieren kann. Beim Einstellen der Parameter ist der Anwender also nach alter Väter Sitte ausschließlich auf seine Ohren angewiesen. Schade, denn das würde die ansonsten tadellose Bedienfreundlichkeit deutlich aufwerten, zumal solch ein Feature mittlerweile zum Standard gehört.  Die beiden Passfilter bestechen durch einen jeweils sehr weiten Regelbereich. Die Shelf-Bänder decken in etwa die gleichen Frequenzbereiche ab. Ein Güte-Regler zum Beeinflussen der Flankensteilheit ist, ebenso wie im Original, übrigens nicht vorhanden. Der vollparametrische Tief- und Hochmittenbereich lässt sich ebenfalls in einem sehr weiten Bereich bearbeiten, was dazu führt, das sich benachbarte Bänder überlappen, was dem Anwender die Möglichkeit gibt, drastische Frequenzänderungen vorzunehmen. Sehr schön: Im Test warnt uns die Meter-Anzeige präzise und zuverlässig vor Übersteuerungen am Ausgang. Um die klanglichen Qualitäten des Midnight-EQ gehörig auf die Probe zu stellen, bearbeiten wir mit seiner Hilfe eine trockene Gesangsspur, die mit einem Røde K2 Classic Röhrenmikrofon über eine SPL Gain-Station mit neutraler Einstellung aufgenommen wurde. Als erstes eliminieren wir per Passfilter wirkungsvoll extrem tieffrequente Störgeräusche wie Trittschall oder Netzbrummen. Als nächstes rücken wir der markanten Basswiedergabe der Gesangsspur durch eine sanfte Dämpfung im Tiefen-Band erfolgreich zu Leibe. Eine leichte Anhebung bei 160 Hertz mit schmal eingestellter Filtergüte sorgt für den Druck der aufgenommenen männlichen Stimme, während das Anheben im Bereich von fünf Kilohertz um drei Dezibel bei mittlerer Filtergüte für die Klarheit und Durchsetzungsfähigkeit der Stimme sorgt. Als i-Tüpfelchen geben wir auf die jetzt schon äußerst wohlklingende Stimme noch ein wenig Glanz mit Hilfe des High-Shelf-Filters, das bei etwa zwölf Kilohertz eingestellt ist. Das Ergebnis klingt beeindruckend. Die Stimme wirkt präsent-vordergründig und fein aufgelöst aber niemals aufdringlich und schrill. Der Midnight-EQ geht bei der Klangbearbeitung definitiv keine transparenten Wege, sondern färbt das Signal auf ganz eigene Art und Weise. Focusrite hat auf der Internet-Produktseite zur Midnight-Suite bei der Klang-Beschreibung des Midnight-EQ beileibe nicht übertrieben. Ausweislich unserer eigenen Testerfahrungen besticht der Equalizer tatsächlich durch warme, angenehm hörbare Bässe, luftige Höhen und vor allem durch einen transparenten Mittenbereich. Dadurch empfiehlt sich dieser Equalizer weniger für ein klanglich unauffälliges Entzerren sowie mikroskopisch feine Eingriffe ins Programmmaterial. So etwas überlässt der Midnight-EQ lieber ausgewiesenen Experten wie etwa dem Vier-Band-Equalizer der Lawo-Collection (Test in Heft 12/2009). Bei dem blauen Schöngeist geht es vielmehr darum, eingespeisten Signalen ein wenig Glanz und Wärme sowie einen edlen Anstrich zu verleihen. Mit diesen Eigenschaften rückt der Midnight-EQ durchaus in die Nähe der Tube-Tech PE 1 C Emulation von Softube, wenngleich der Grundsound logischerweise differiert. Qualitativ spielt der Focusrite Midnight EQ jedenfalls groß auf und kann locker mit den ganz Großen seiner Gattung mithalten. 

Der zweite Kandidat des Bundles ist der Midnight-Compressor, der anliegende Signale in gleicher Weise wie der Equalizer auf markante Art bearbeiten will. Unumstrittene Hingucker im GUI sind die beiden VU-Meter. Das Gain Reduction-Meter zeigt wie gewohnt den Grad der Pegelreduktion an. Das zweite VU-Meter offeriert eine kombinierte Anzeige, die uns durch ihre mit „Threshold In/Out“ versehene Beschriftung zunächst in die Irre führt. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass das Meter außer der Anzeige-Nadel auch eine LED-Meter-Kette besitzt. Eine Linie von der Threshold-Beschriftung führt zur LED-Kette. Gleiches zeigt sich auch beim In/Out-Eintrag, dessen Linie auf die VU-Meter-Skala zeigt. Steht der Kippschalter neben der Anzeige auf Input, zeigt die Nadel den Pegel hinter dem Input-Gain-Regler an. Gleichzeitig gibt die LED-Kette Auskunft über den eingestellten Threshold-Wert. Sinn und Zweck: Der Anwender erhält auf diese Weise Auskunft darüber, ob das anliegende Signal genügend Pegel für die Kompression besitzt. Liegt die VU-Anzeige unterhalb des eingestellten Threshold-Werts, sollte also wahlweise mit dem Input-Gain- oder Threshold-Parameter nachgeregelt werden. Diese Lösung ist nicht alltäglich und bietet dem Anwender einen zusätzlichen Komfort bei der Arbeit. In Stellung Output des Kippschalters zeigt die VU-Nadel schließlich den Ausgangspegel direkt hinter dem Blend-Regler zum Einstellen der Parallelkompression an. Allerdings hätten beide VU-Meter durchaus größer ausfallen können. Im Test fällt ein präzises Ablesen der Werte recht schwer. Zusätzlich zu den bereits erwähnten Parametern wartet der Midnight-Compressor mit dem üblichen Arsenal an Einstellmöglichkeiten auf. Gleichwohl zeigen sich einige bemerkenswerte Auffälligkeiten: Dazu zählt, dass sich das Plug-in im Betrieb nicht auf neutral stellen lässt. Grund: Der Threshold-Parameter setzt bereits bei -10 Dezibel an und das Ratio offeriert als niedrigste Einstellmöglichkeit ein Verhältnis von 1,5:1. Unabhängig von der Signalstärke arbeitet der Kompressor also ohne weiteres Zutun des Anwenders bereits. Nächste Auffälligkeit: Das Attack ist zwar stufenlos einstellbar, besitzt jedoch anstelle einer Skala in Millisekunden lediglich die Bezeichnungen Fast, Moderate und Slow. Beim Einstellen muss sich der Anwender also auf sein Gehör und die groben Richtwerte verlassen, was Anfängern vielleicht Probleme bereiten könnte. Nächste Besonderheit: Der Release-Parameter verfügt über eine schaltbare Automatik-Funktion, bei der das Nachregeln des Release-Werts anhand der Dynamik des eingespeisten Signals erfolgt. Mit dem Repertoire an Einstellmöglichkeiten ist der Midnight-Compressor für den Großteil möglicher Anwendungen somit bestens gerüstet. Was wir allerdings vermissen, ist eine Sidechain-Option. Diese ist mittlerweile auch in günstigen Plug-ins Standard und würde den Midnight-Compressor unabhängig von den Vorgaben des Originals in puncto Flexibilität noch einmal deutlich aufwerten.  Im Hör- und Praxistest macht auch der Midnight-Compressor seinem Familiennamen Focusrite alle Ehre. Dabei wartet das Plug-in mit zwei klanglichen Haupt-Charakteristika auf, die in erster Linie dem Input-Gain-Parameter zu verdanken sind. Wenn wir Signale durch gezielte Verstärkung mit dem Input-Gain-Regler sozusagen „heiß“ einspeisen – die Nadel des VU-Meters sollte deutlich über -10 Dezibel liegen –  fügt die anschließende Kompression dem Signal ein wenig Wärme hinzu und dickt es an. Dieses Verhalten erinnert uns an ein soft-clipping und das Regelverhalten eines VCA-Kompressors. Bei moderaten Einstellungen des Input-Reglers verhält sich der Midnight-Compressor jedoch äußerst zurückhaltend. Erst beim Drehen des Blend-Reglers bemerken wir, dass dem anliegenden Signal ohne Einfluss des Focusrite Kompressors deutlich Biss und Durchsetzungskraft fehlt. Der Klang und das Regelverhalten selbst geht währenddessen weniger in Richtung vintage. Vielmehr überzeugt der Dynamik-Prozessor durch eine schnelle Ansprache und einen luftig-transparenten Klang. Bei beherzteren Dynamikeingriffen verwandelt sich der Midnight-Compressor alsbald in einen Klangfärber, nicht zuletzt auch durch den Input-Regler. Dabei treten vor allem die unteren Mitten und Bässe dezent in den Vordergrund und verleihen beispielsweise einer etwas dünn klingenden Vokalspur eine angenehme Wärme und Volumen. Gleichzeitig legt sich eine sehr feine Höhenzeichnung auf das Signal und lässt es sehr fein aufgelöst und „teuer“ klingen. Auch eine Bassgitarrenspur profitiert von der Dynamikbearbeitung mit dem Midnight-Compressor.  Der Bass klingt deutlich plastischer und dreidimensionaler. Dabei wirkt das Regelverhalten niemals vordergründig, sondern stets musikalisch und unaufdringlich. Klanglich kann der mitternachtsblaue Dynamikmeister durchaus mit den ganz großen seiner Zunft, wie zum Beispiel dem Sony Oxford Kompressor mithalten. Dieser verhält sich zwar ein wenig transparenter und flexibler, kann aber dafür nicht mit einer Parallelkompression punkten. Auch gegenüber dem FET Kompressor von Softube macht der Midnight-Kompressor gar keine schlechte Figur. Alles in allem überzeugt die Midnight Plug-in Suite durch Leistung, Flexibilität sowie durch einen großartigen Klang und das zu einem wahrhaftigen Schnäppchen-Preis.  

Fazit

Mit der Midnight Plug-in Suite gibt Focusrite dem Käufer zwei großartige und flexible Klangwerkzeuge an die Hand. Das Bundle präsentiert sich nicht als Spezialist für gewisse Momente, sondern als vielseitig einsetzbares Arbeitsgerät mit exzellenten angenehmen Klangeigenschaften. Unabhängig vom Einsatzbereich schaffen es die Midnight-Plug-ins erfolgreich, Mixen zu einem Top 10 Sound zu verhelfen.

Erschienen in Ausgabe 01/2011

Preisklasse: Oberklasse
Preis: 109 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: überragend