Effekt-Quartett

Das deutsche Software-Unternehmen Virsyn präsentiert vier brandneue Effekt-Plug-ins, die mit ganz besonderen Eigenschaften aufwarten sollen. Ob das reicht, um auch im Produktionsalltag Furore machen zu können?

Von Georg Berger

Das im baden-württembergischen Pfinztal beheimatete Software-Unternehmen Virsyn Software Synthesizer ist am Markt vor allem für seine virtuellen Instrumente bekannt. Die Entwicklung von Effekt-Plug-ins stand, mit Ausnahme der bereits seit einem halben Jahr erhältlichen Hallsimulation Reflect, bis dato ganz unten auf der Prioritätenliste. Doch das hat sich jetzt mit Präsentation der Produkte Vtape und Matrix geändert. Zusammen mit Reflect, das jüngst in der Update-Version 1.2 präsentiert wurde, haben wir die Neuheiten einem ausführlichen Praxistest unterzogen. Vtape soll die Klang-Charakteristika analoger Bandaufnahmen reproduzieren und stellt sich als Bundle vor, bestehend aus zwei Plug-ins, Vtape Saturator und Vtape Delay, das für knapp 200 Euro über die Ladentheke geht. Vtape-Saturator konzentriert sich ausschließlich auf die Emulation eines analogen Tonbandklangs,  Vtape-Delay erzeugt auf Basis des Saturator-Plug-ins den Klang alter Band-Echo-Geräte. Die Nummer drei des Produkttrios, das Matrix-Plug-in, emuliert die Schaltung eines klassischen Vocoders mit dem sich allerdings nicht nur die charakteristisch klingenden Roboterstimmen erzeugen lassen. Kostenpunkt: Knapp 170 Euro. Beide Produktneuheiten schielen eindeutig in die Vintage-Ecke und wollen den nach wie vor beliebten analogen Sound in die DAW portieren. Das ebenfalls etwa 170 Euro kostende Hall-Plug-in Reflect fällt etwas aus dem Rahmen: Sein Fokus liegt auf der Erzeugung eines modernen und aktuellen Hallklangs.   Der Plug-in-Familie gemeinsam ist die schnell erfasste und leicht zu bedienende Ein-Fenster-Bedienoberfläche. Auch ohne das Durcharbeiten der knappen, aber ausreichend informativen Handbücher ist der Umgang im Wesentlichen schnell klar. Das Studium der Anleitungen ist dennoch zu empfehlen, liefern sie doch detaillierte Hintergrundinformationen über die emulierten Vorgänge. Ein weiteres gemeinsames Ausstattungsmerkmal aller Testkandidaten ist, neben den integrierten VST-, AU-  und RTAS-Schnittstellen, der Browser-Dialog, der zur Auswahl und zum Speichern von Presets dient. Last not least verfügen zwei der drei Produkte über eine MIDI-Lern-Funktion zur Fernsteuerung der Parameter über MIDI-Controller, alle Parameter sind außerdem über die Host Automation des Sequenzers ansprechbar. Allerdings vermissen wir die MIDI-Lern-Funktion im Reflect-Plug-in, was seine Einsatzmöglichkeiten gerade für kreative Sound-Design-Anwendungen doch erheblich einschränkt. Ferner zeigen sich im Test bei Fernsteuerung der Reflect-Parameter über die Host Automation keine animierten Reglerbewegungen auf der Plug-in-Oberfläche, obwohl Klangänderungen deutlich zu hören sind. Diese Nachlässigkeiten sollten im Rahmen eines künftigen Updates beseitigt werden. Ansonsten überrascht Reflect mit einem bemerkenswert eigenwilligen Konzept zur Raumsimulation.

Rein oberflächlich betrachtet erzeugt Reflect Hall auf Basis von Algorithmen und reiht sich somit in die Riege von Mitbewerbern wie dem Classik Studio Reverb von IK Multimedia (Test in 11/2006), dem VSS3 von TC Electronic oder dem Dreamverb von Universal Audio (Tests in  9/2006) ein. Doch das Pfiffige an Reflect ist: Die Algorithmen werden erst auf Basis von zuvor analysierten Impulsantworten errechnet. Die Impulsantworten zerlegt Reflect in eine Early Reflections- und Nachhallphase, die anschließend algorithmisch reproduziert werden und über eine Reihe von Parametern verändert werden können. Das Graphik-Display stellt die gerade eingesetzte Impulsantwort recht eigenwillig in Form eines Strichmusters dar. Das Plug-in ist komplett als Stereo-Effekt ausgelegt, will heißen, auch bei der Einspeisung von Mono-Signalen wird immer ein Stereo-Signal ausgegeben. Neu hinzugekommen in der Version 1.2 ist ein verbesserter Algorithmus zur Berechnung der Early Reflections, sowie eine Aufstockung der Werks-Impulsantworten, die in nunmehr 117 Presets zu finden sind. Reflect teilt dieses Repertoire in die Kategorien Ambience, Chambers, Hall, Post Production, Plates, Rooms und Spaces auf und bietet somit für fast jede Anwendung das Passende.   Mit diesem Konzept enthält Reflect sozusagen  das Beste beider Raumsimulationswelten. Es lässt sich flexibel erweitern und bietet weit reichende Eingriffsmöglichkeiten. Denn das Plug-in beschränkt sich nicht nur auf den Vorrat der Werks-Impulsantworten. Es gestattet auch den Import zusätzlicher neuer Impulsantworten im Wav-Format und zeigt sich damit genauso flexibel wie ein Faltungshall, obwohl es keiner ist. Aufgrund der algorithmischen Berechnung von Räumen tritt dafür die beim Faltungshall übliche Latenz nicht auf. Reflect arbeitet also blitzschnell und realisiert Parameteränderungen in Echtzeit und ohne Verzögerungen. Das Repertoire an Eingriffsmöglichkeiten ist übersichtlich in drei Sektionen unterteilt: Early Reflections, Nachhall und Equalizer. Die Early Reflections-Sektion gestattet Änderungen in der Raumgröße, in der Dämpfung des Raumsignals, was vergleichbar ist mit der Beschaffenheit des Materials der reflektierenden Wände, sowie in der Stereo-Breite. Das Predelay ist auffälligerweise in der Input-Sektion einstellbar. Die Parameter der Early Reflections-Sektion finden sich auch noch einmal in der Nachhall-Sektion – der Damping-Regler heißt dort Absorption –, die angereichert wird mit Reglern zum Eingriff in die Nachhallzeit, die Diffusion, also der Dichte der Reflektionen, sowie zur Modulation der Hallfahne, um der Simulation mehr Lebendigkeit und Authentizität zu verleihen. Den Modulation-Parameter sollte man allerdings mit Vorsicht einsetzen. Im Test erhält eine mit Reflect behandelte Gitarrenspur bei allzu großzügigem Einsatz der Hall-Modulation einen leichten Chorus-Effekt im Nachklang, was aber auch durchaus reizvolle musikalische Effekte bietet. Der schaltbare vierbandige Equalizer mit zwei Shelving- und semiparametrischen Bändern erlaubt schließlich die Klangbearbeitung des gesamten Raumsignals. Bemerkenswert: Der Pink-Button fügt dem Raumsignal unabhängig von der Stellung der Equalizer einen ordentlichen Schuss Bassanteil hinzu und färbt den Hallklang insgesamt etwas dunkler.   Im Hörtest weiß sich Reflect überaus gekonnt in Szene zu setzen und braucht sich vor deutlich teureren Mitbewerbern und sogar vor Vertretern der Faltungshall-Fraktion nicht zu verstecken. Schon ohne einen direkten Vergleich mit anderen Produkten überzeugt die Raumsimulation durch einen feinen und transparenten Klang. Sie weiß Signale ohne Verfärbungen souverän zu veredeln und macht auch als Haupthall einen guten Job. Im Vergleich mit dem im Lieferumfang von Cubase/Nuendo 4 enthaltenen Roomworks-Plug-in und mit dem D-Verb von Pro Tools geht Reflect eindeutig als Sieger hervor. Das Roomworks-Plug-in schlägt es in der klanglichen Disziplin. D-Verb kann klanglich zwar mithalten, bietet aber nicht die Flexibilität in Sachen Algorithmen. Im zugegeben unfairen Vergleich mit Faltungshall-Plug-ins zeigen sich dann letztlich doch noch Unterschiede. Zunächst lassen wir Reflect gegen den Freeware-Faltungshall SIR antreten. Hier wie dort laden wir die gleiche Impulsantwort – in diesem Fall die eines Lexicon 480 – und vergleichen das klangliche Resultat. Das Ergebnis: Reflect reproduziert die Impulsantwort nicht hundertprozentig genau, aber der Grundklang ist ähnlich. SIR klingt aber deutlich schärfer und bissiger. Ein nachträglicher Eingriff in den Equalizer von SIR vermag nicht wirklich Abhilfe zu leisten. Reflect hingegen überzeugt durch eine angenehm warme und subtile Raumsimulation. Insgesamt gefällt uns Reflect deutlich besser. Aufgrund des proprietären Datenformats können wir beim Vergleich mit Altiverb 6 nur eine Annäherung bei den Impulsantworten erreichen. Im Test wählen wir jeweils die Impulsantwort einer EMT 250 Hallplatte. Erst jetzt wird Reflect eindeutig geschlagen und kann in Sachen Räumlichkeit und Plastizität nicht ganz mithalten. Der Grundklang wirkt jetzt im direkten Vergleich dünner. Auffällig ist auch, dass in Abhängigkeit zum Programm-Material bei Reflect ein Flattern der Hallfahne hörbar ist, was Altiverb aufgrund des anderen Simulations-Prinzips nicht besitzt. Doch alles in allem schlägt sich Reflect gut. In Sachen Preis-Leistungsverhältnis ist ein sehr gut bis überragend zu attestieren. 

Fazit

Reflect 1.2 besitzt bemerkenswerte klangliche Qualitäten und kann als Haupthall in vielen Produktionen bestehen. Aufgrund des überragenden Preis-Leistungsverhältnisses dürfte Reflect alsbald schon von einem Geheimtipp zu einem allseits geschätzten Wegbegleiter im Studio avancieren. Die Demo-Version sollte unbedingt einmal ausprobiert werden.

Das Plug-in Saturator im Vtape-Bundle tritt an, um die typischen Klangeigenschaften von Tonband- und Cassettenaufnahmen zu simulieren. Es enthält einen Algorithmus, der den komprimierten Klang der Bandsättigung produzieren soll. Drei Regler bieten sich an, um den Grundklang anzureichern. Der Hiss-Regler fügt dem Gesamtsignal das typische Band-Rauschen hinzu, das bei zu geringer Aussteuerung einer Aufnahme hörbar wird. Der Bias-Regler simuliert eine Änderung der Vormagnetisierung und ändert das Spektrum des Musiksignals sowie des Rauschens und sorgt für einen Schuss an Bissigkeit. Der Flutter-Regler schließlich erzeugt eine Modulation, wie sie durch starke Gleichlaufschwankungen entsteht: Ein Zittern bei lang andauernden Tönen, oder anders ausgedrückt, ein leichtes unmerkliches Leiern, wie es oftmals bei abgespielten Cassetten auftritt, die bei sommerlichen Temperaturen im Auto gelitten haben. Ein schaltbarer dreibandiger Equalizer sorgt schließlich am Ende des Signalwegs für einen Feinschliff. Wichtig zu wissen: Um die klanglichen Eigenheiten von Saturator überhaupt hören zu können, ist ein entsprechend hoher Eingangspegel erforderlich. Im Test fühlen wir uns alsbald an die „gute alte Zeit“ erinnert, in der es noch keine CDs gab und man sich mit den Nachteilen der mechanischen Probleme von Kompakt-Cassetten abgeben musste. Diese damals unerwünschten Begleiterscheinungen treten allerdings erst bei extremen Stellungen der drei oben beschriebenen Regler deutlich hervor. Wer indes darauf spekuliert, dass der Vtape Saturator Aufnahmen einen analogen Anstrich verpasst, ähnlich wie beim Portico 5042 (Test in 9/2007), der muss enttäuscht werden. Bei moderaten Einstellungen ist, im Vergleich zwischen trockenem und Effekt-Signal, kein wirklich merkbarer Unterschied zu hören. Zwar klingen die Aufnahmen mit Saturator komprimierter und bisweilen auch leicht angezerrt. Doch von Vintage-Sound ist nichts zu hören.

Fazit

Der Vtape Saturator vermag die schlimmsten klanglichen Begleiterscheinungen analoger Bandaufnahmen authentisch zu reproduzieren. Es bietet sich für Post-Production-Zwecke an, um Aufnahmen absichtlich einen entsprechenden Trash-Charakter zu verleihen. Dieser Effekt nutzt sich allerdings sehr schnell ab und wirkt dann langweilig und unnötig. Als Klangveredler ist der Vtape Saturator nicht geeignet.  

Das zweite Plug-in im Vtape-Bundle ist eine Band-Echo-Simulation, die als erste Besonderheit die komplette Funktionalität des Saturator-Plug-ins enthält, inklusive des dreibandigen Equalizers, der hier allerdings ausschließlich auf die Signalwiederholungen, also die Echo-Effekte, einwirkt. Wer also aus ästhetischen Gründen dem Echo-Anteil im Klang bewusst Schmutz hinzufügen will, kann dort nach Herzenslust zugreifen. Doch damit war der Job der Virsyn-Entwickler noch längst nicht getan. Außer der Reproduktion des typischen, im Frequenzgang natürlich beschnittenen, Band-Echo-Klangs, haben sie dem Plug-in noch eine Reihe weiterer Funktionen und Eingriffsmöglichkeiten mitgegeben, die weit über die Möglichkeiten eines Hardware-Band-Echos hinaus gehen. Das augenfällige Display mit seinen gelben und roten Quadraten ist eines dieser Features. Darüber kann man durch simples Klicken auf die Quadrate ein Taktmuster, ähnlich wie bei einem Step-Sequenzer, programmieren und zwar bei Bedarf unabhängig für jeden Stereokanal. Das Vtape Delay wandelt sich dadurch zu einem klassischen Tapping-Delay. Die beiden Reihen spannen dabei einen ganzen Takt auf, bei denen jedes Quadrat eine Sechzehntelnote repräsentiert. Eingespeiste Signale werden nun durch das im Display eingegebene Taktmuster rhythmisch vervielfältigt und in den eigentlichen Echo-Schaltkreis geleitet. Bezogen auf das Band-Echo muss man sich vorstellen, dass die Bandschleife an mehreren Wiedergabe-Tonköpfen vorbeiläuft und dort abgegriffen wird. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Interessant wird das Ganze durch Einsatz der weiteren Delay-Parameter. Das Plug-in verfügt dazu über zwei Drehregler zur Feineinstellung des Echos. Der Tempo-Regler – über einen Schalter mit dem Host Programm auch synchronisierbar – erlaubt die herkömmliche Einstellung der Verzögerungszeit – das Analogon zur Bandgeschwindigkeit. Steht er beispielsweise auf 500 Millisekunden, ist der erste Abgriffpunkt des Tapping-Rasters erst nach dieser Zeit zu hören. Der Feedback-Regler steuert dabei in herkömmlicher Weise die Wiederholung. Der Delay-Regler – einstellbar in Sechzehnteln – hingegen nimmt noch einmal Einfluss auf die Wiederholungsrate der aktivierten Taps. Je höher der dort eingestellte Delay-Wert ist, desto mehr ist von der dort abgegriffenen Information zu hören und desto länger dauert es bis das Tap-Signal wiederholt wird. Das Vtape Delay enthält somit zwei ineinander verschachtelte Delay-Schaltkreise.   Damit ist der Reigen an interessanten Features jedoch noch nicht zu Ende: Der Rotation-Regler sorgt für ein Panning der Echo-Signale im Stereofeld, ähnlich wie bei einem Ping-Pong-Delay, aber nicht so kräftig und vordergründig. Mit dem Tempo-Delay-Regler in der Eingangs-Sektion haben die Virsyn-Entwickler dem Plug-in noch ein weiteres Schmankerl mitgegeben: Er ist verantwortlich für, um im Bild  zu bleiben, das Entstehen des akustischen Effekts, der sich bei Änderung der Laufgeschwindigkeit der Bandschleife einstellt. Wird im laufenden Betrieb die Verzögerungszeit dynamisch geändert, geht dies mit einer Tonhöhen-Transponierung – ähnlich wie bei Betätigung am Pitchbend-Rad eines Synthesizers – einher. Eine echte Bandmaschine bietet diese Manipulations-Möglichkeit nicht: Die Dauer der Transponierung ist nämlich über den Tempo-Delay-Regler in einem Bereich zwischen 0,2 und 20 Sekunden einstellbar. Dieser Effekt betrifft logischerweise nur die Echo-Signale und erinnert da an ein Modulation-Delay, bei dem ein LFO dynamisch die Verzögerungszeit steuert und entsprechend drastische Ergebnisse zwischen Micky Maus und Darth Vader erzeugt. In Gesamtheit besitzt das Vtape Delay opulente Eingriffsmöglichkeiten, mit denen mannigfache Ausprägungen unterschiedlicher Delay-Arten reproduzierbar sind. Im Test weiß sich das Vtape Delay bei Einsatz des Chaos Delight Presets gehörig in Szene zu setzen. Wir hören, wie ein kleiner eingegebener Impuls mit einem Mal ein dichtes Klanggewebe aus unzähligen, sich permanent wiederholenden, Teil-Echos erzeugt. Der Grundklang sorgt zusätzlich dafür, dass sich in diesem Klanggemisch die Bassanteile stetig erhöhen und so zu einem äußerst fetten Sound führen. So könnte die akustische Umsetzung der – Nomen est Omen – Chaos-Theorie klingen. In der Praxis wird das Preset wohl eher selten zum Einsatz kommen. Aber es zeigt auf beeindruckende Weise, was mit dem Plug-in möglich ist. Klangschrauber werden es in jedem Falle lieben. Die gebotenen Möglichkeiten erfordern allerdings eine gewisse Einarbeitungszeit, um sicher das gewünschte Ergebnis zu erreichen. Um das Vtape Delay als klassisches Band-Echo einsetzen zu können, reicht dabei schon das Aktivieren von einem oder zwei Tap-Punkten auf beiden Kanälen im Display. Im Test ist der Band-Echo-Klang durchaus als authentisch und gelungen zu bezeichnen. Wem der Grundsound der Simulation immer noch nicht Vintage genug klingt, erhält mit dem Equalizer eine effektiv arbeitende Möglichkeit, um Abhilfe zu schaffen. Es gesellt sich damit zu Vertretern wie etwa dem Timeless-Plug-in von Fabfilter (Test in Heft 6/2007), das demselben Klang-Ideal frönt. Beide Delays klingen im Vergleich jedoch unterschiedlich.  Beim Experimentieren mit komplexen Tapping-Mustern ist jedoch Vorsicht geboten. Nur allzu leicht passiert es im Test, dass sich die Echo-Signale bis ins Unendliche – trotz moderatem Feedbackwert – aufschaukeln und gleichzeitig immer mehr an Lautstärke gewinnen. Der Kill-Taster, der für ein temporäres stumm schalten der Echo-Signale sorgt, ist da keine Lösung. Um musikalisch verwertbare Ergebnisse zu erhalten sollte beim Erstellen von Tapping-Mustern also Maß gehalten werden. Weniger ist oft mehr.

Fazit

Virsyn präsentiert mit dem Vtape Delay ein authentisch klingendes und sehr kreativ einsetzbares Werkzeug, das alleine schon den Gesamt-Preis des Vtape-Bundles rechtfertigt. Die ausschließliche Nutzung des Plug-ins zur Simulation eines klassischen Band-Echos, würde es dabei schlichtweg unterfordern.  

Die vierte Effekt-Plug-in Neuheit von Virsyn ist das Matrix-Plug-in, was einen weiteren Klassiker der Tontechnik emuliert: Den Vocoder. Das ursprünglich Mitte der 1930er-Jahre entwickelte Gerät sollte zunächst im militärischen Bereich zur Verschlüsselung von Sprache dienen, fand sich aber bald in der Telekommunikations-Technik wieder, wo es mit Hilfe ihrer Synthese-Möglichkeiten die Übertragung mehrerer Telefonate bei schmalen Bandbreiten garantieren sollte. Das Prinzip des Vocoders basiert, banal ausgedrückt, auf der Zerlegung von Sprache in Tonhöhe und Modulation. Nach erfolgter Zerlegung nutzt der Vocoder nun lediglich das Modulationssignal, um quasi am anderen Ende ein fremdes Trägersignal, beispielsweise eine Gitarre oder einen Synthesizer damit zu modulieren. Durch das Aufprägen dieser Modulation auf einen Klangerzeuger entsteht der Eindruck, als ob das Instrument spricht. Für musikalische Zwecke wurde der Vocoder erst in den 1960er-Jahren entdeckt. Berühmt wurde der Vocoder-Klang hierzulande durch das Stück „Wir sind die Roboter“ von Kraftwerk oder durch den Countdown vor dem Start des Raumschiffs Orion in der Fernsehserie „Raumpatrouille“, wo in beiden Fällen fremdartige Roboterstimmen zu hören sind, die übrigens mit Matrix problemlos realisierbar sind. Hier wie dort ist dazu eine Kombination aus Filterbänken mit äußerst schmalbandigen Bandpässen nötig, sowie ein Tongenerator. Die Matrix-Filterbank besteht dabei aus einer Analyse- und Synthese-Einheit und enthält 32 Kanäle beziehungsweise Filter. Um diese Roboterstimmen erzeugen zu können, wird die Sprachinformation, die in den Eingang geleitet wird, mit der Analyse-Filterbank in einzelne spektrale Anteile zerlegt. Ein eigens entwickelter Algorithmus sorgt im Plug-in zusätzlich für das Erkennen stimmhafter und stimmloser Sprachanteile. Das analysierte Ergebnis wird anschließend an die Synthese-Filterbank geschickt, die ihrerseits Steuersignale aus den spektralen Teilergebnissen generiert. Bei stimmhaften Sprachanteilen wird in Matrix ein Oszillator und bei stimmlosen ein Rauschgenerator darüber angesteuert, die in Matrix fest integriert sind. Und voilà: Die Roboterstimme ist erzeugt. Die Werks-Presets geben dabei einen ausreichenden ersten Einblick in das klangliche Potenzial des Plug-ins ab. Über eine Reihe von Drehreglern kann die Ausgabe des resynthetisierten Gesamtsignals feinjustiert werden. So ist es möglich, eine Lautstärkebalance zwischen stimmhaften und stimmlosen Sprachanteilen einzustellen. Eine zweistufige Hüllkurve erlaubt ein quasi weiches Überblenden zwischen aufeinander folgenden Vokalen und Konsonanten und der Formant-Regler sorgt für eine Transponierung des zerlegten Signals, so dass ein Effekt ähnlich wie bei einem Pitch-Shifter eintritt. Die Generator-Sektion des Plug-ins erlaubt Eingriffe in den integrierten Klangerzeuger. Die Grundtonhöhe ist über zwei Regler einstellbar, die Anzahl der maximal 16 einsetzbaren Oszillatoren, sowie die gegenseitige Verstimmung ist dort ebenfalls möglich. Der Follow-Button sorgt für eine Angleichung der Tonhöhe zwischen Oszillator und Eingangs-/Modulatorsignal. Alleine mit diesem Vorrat an Parametern erlaubt Matrix die Erzeugung unterschiedlichster Klangspektren. Matrix hat aber noch viel mehr zu bieten: Über das interaktive graphische Display lassen sich drei verschiedene Anzeigen aufrufen, um weitere Einstellungen vorzunehmen und den Klang noch präziser zu gestalten. Das Matrix-Display zeigt dabei das Routing der 32 Filterbänder. Die diagonale Linie von oben links nach unten rechts routet jedes Band der Analyseeinheit auf das entsprechend gegenüberliegende Band der Synthese-Filtereinheit. Im Test ist mit diesem Routing die Sprachverständlichkeit am Besten, da die einzelnen Steuersignale auf diese Weise an den richtigen Stellen ins Frequenzspektrum des Generators eingreifen. Doch mit Hilfe der Maus lässt sich dieses Routing komplett neu vornehmen. Konsequenz: Ein spektraler Anteil im Bassbereich, der nun etwa zwei Oktaven höher zur Ansteuerung des Trägersignals eingesetzt wird, liefert ein noch fremdartigeres Ergebnis. Im Test ist bei Einsatz völlig freier Routings die Sprachverständlichkeit hinfällig. Aber wir erhalten teils sehr überraschende Klangspektren, die zu gefallen wissen. Alleine dieses Feature dürfte Sound-Designer zu wahren Editier-Orgien animieren. Für ein kommendes Update würden wir uns allerdings eine Zoom-Funktion zum präziseren Editieren der Routings wünschen. In der momentanen Version gerät das Versetzen der winzigen Verknüpfungspunkte zu einer fummeligen Arbeit. Über die beiden anderen Displays lassen sich die einzelnen Filterbänder schließlich auch noch in der Lautstärke und im Stereopanorama verteilen. Konsequenz: Bei Bedarf können gezielt einzelne Bänder stumm geschaltet oder verstärkt werden. Der Gesamtklang ist somit ähnlich wie bei einer Zugriegel-Orgel präzise einstellbar. Mit Hilfe des Panorama-Displays kann der Klang schließlich entsprechend plastisch gestaltet werden.   Die ausschließliche Nutzung des integrierten Tonerzeugers in Kombination mit den bisher erläuterten Funktionen lässt Matrix schon sehr mächtig erscheinen. Ein Vocoder ist aber nur ein halber Vocoder, wenn nicht die Möglichkeit besteht, auch Fremdsignale anstelle der eingebauten Klangerzeugung als Trägersignal einzusetzen, was natürlich auch mit Matrix möglich ist. Die klanglichen Möglichkeiten potenzieren sich dadurch. Im Test modulieren wir eine Gitarrenlinie durch eine Drum-Spur, was eine Art Noise Gate-Effekt mit dynamischer Lautstärkesteuerung zur Folge hat. Die Möglichkeiten sind schier unendlich. Um jedoch externe Trägersignale in Matrix einspeisen zu können ist je nach verwendetem Sequenzer einiges an Aufwand zu treiben. Wer Produkte wie Pro Tools oder Logic einsetzt, die es möglich machen, Sidechains in die Inserts einzuspeisen, ist im Vorteil. Das Trägersignal braucht nur über diesen Weg ins Plug-in geführt zu werden. Alle anderen müssen einen Trick anwenden: In Nuendo 4 erstellen wir dazu einen Gruppen-Track mit einer Quadro-Belegung, bestehend aus dem Haupt-Stereokanal und dem Surround-Stereokanal. Das Matrix-Plug-in fügen wir dort als Insert ein und routen auf die Ausgänge der gewünschten Spuren, die miteinander im Vocoder vereint werden sollen, auf die jeweiligen Gruppen-Quadro-Kanäle. Das dauert zwar etwas, ist aber dennoch schnell verstanden. Virsyn sollte sich überlegen, Matrix zumindest für die Steinberg-Produkte auf den neuen VST3-Standard anzupassen. Denn in den jüngst vorgestellten Versionen 4.1 können Plug-ins in diesem Standard auch über Sidechains verfügen, die über den internen Mixer leicht mit Signalen versorgt werden können. Der Klang von Matrix bei Nutzung der eingebauten Tonerzeugung ist nicht so kräftig wie bei den Hardware-Vorbildern. Dafür ist die Sprachverständlichkeit aufgrund des eher bassschwachen Klangs sehr gut und weiß sich auch in dichten Arrangements zu behaupten.

Fazit

Das Matrix-Plug-in verfügt über enormes kreatives Potenzial und portiert eine Technik aus dem vorigen Jahrhundert erfolgreich in moderne DAWs, frischt sie auf und reichert sie mit genialen Zusatz-Features an, die so in den Originalen nur schwer zu realisieren sind. Es dürfte für künftige Mitbewerber schwer werden, die Möglichkeiten und Ausstattung von Matrix übertreffen zu können.

 

Erschienen in Ausgabe 02/2008

Preisklasse: Oberklasse
Preis: 169 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut – überragend