Gipfeltreffen der Klassiker

Kenner schnalzen genüsslich mit der Zunge, wenn es um Fairchild-Kompressoren und Pultec-Equalizer geht. Die für ihre besondere Musikalität gerühmten Vintage-Geräte hat Waves jetzt in akribischer Feinarbeit auf die virtuelle Ebene gehoben und präsentiert sie in Form der Jack Joseph Puig Collection. Ob damit tatsächlich der Geist der 60er Jahre Einzug ins virtuelle Studio hält, klärt der Test.     

Von Georg Berger

Irgendetwas muss ja schon dran sein, wenn bei der Diskussion über legendäre Studio-Peripherie immer wieder dieselben Hersteller und Geräte genannt werden. Mit an vorderster Front stehen dabei die Röhren-Kompressoren des Herstellers Fairchild sowie die passiven Equalizer von Pultec. So wundert es auch nicht, dass für die Hardware-Originale mittlerweile exorbitante Preise am Gebrauchtmarkt gezahlt werden. Doch es gibt ja noch die Alternative in Form virtueller Emulationen dieser Klassiker, die für einen Bruchteil des Gebrauchtpreises erhältlich sind. Der israelische Softwarehersteller Waves möchte in diesem Marktsegment ebenfalls mitmischen und präsentiert jetzt erstmals eigene Emulationen der beiden Fairchild-Modelle 660 und 670 sowie der Pultec-Equalizer EQP-1A und MEQ-5. Die vier Emulationen hat Waves mal wieder zu einem Bundle zusammengefasst und bietet sie als native Versionen für knapp 600 Euro unter der Bezeichnung Jack Joseph Puig Collection (JJP) an. Für die TDM-Versionen ist knapp das Doppelte zu zahlen. Die Produktbezeichnung hat dabei einen bestimmten Grund: Denn der international bekannte und mit Grammy-Trophäen überhäufte Produzent Jack Joseph Puig (unter anderem Rolling Stones, Eric Clapton, U2, Robbie Williams, The Pussycat Dolls) hat den Waves-Entwicklern Zugang zu seinen Fairchild- und Pultec-Geräten gewährt, mit denen er seine Produktionen veredelt und die als Vorlage für die Programmierarbeit dienten. In einem über dreijährigen Prozess haben die Waves-Entwickler peinlich genau den Sound und das klangliche Verhalten dieser Geräte analysiert und fußend auf diesen Ergebnissen die Plug-ins entwickelt. Sie repräsentieren also ein präzises virtuelles Abbild der Geräte von Jack Joseph Puig. Die Waves-Plug-ins besitzen somit deren ganz eigenen Charakter.

Grund: Vor allem die in die Jahre gekommenen Fairchild-Kompressoren besitzen, bedingt durch die lange Betriebsdauer und die altersbedingten Bauteiltoleranzen, eigenständige Grundsounds, so dass heute kein Fairchild-Kompressor wie der andere klingt. Die Waves-Entwickler genossen dabei den Luxus, aus drei Fairchild-Modellen das für ihre Ohren am besten klingende Modell auszusuchen, wie uns Produktmanager -Thomas Weber verrät.   Zwar leistet Waves mit der JJP-Collection keine Pionierarbeit. Universal Audio bietet schon länger die gleichen Emulationen für seine UAD-Plattform an, ebenso wie der Hersteller Bomb Factory, der mit dem Pultec- und Fairchild-Bundle vergleichbares für das Pro Tools System anbietet. Im Unterschied zur direkten Konkurrenz erreicht Waves jedoch mit seinen nativen Versionen für die VST-, AU- und RTAS-Schnittstelle eine breitere Käuferschicht. Wie üblich bei Waves-Produkten, liegen die Emulationen als separat aufrufbare Mono- und Stereo-Plug-ins vor. Witzig: Die Namensbezeichnungen der Plug-ins setzen sich aus dem Nachnahmen des Vorlagenstifters und der Firmenbezeichnung der Hardware-Originale zusammen. Aus Pultec wird also Puigtec und Fairchild wird zu Puigchild verbrämt. Wie im realen Leben zeigt sich beim Laden der Kompressor-Monoversion die originalgetreue Oberfläche des Fairchild 660 Mono-Kompressors und bei der Stereoversion analog dazu das 670er-Modell. Gleiches gilt auch für die Equalizer. Besonderheit: Waves hat sämtlichen Plug-ins einen dreistufigen Schalter spendiert, der dem eigentlichen Klang ein Grundrauschen und das Brummen des Netzteils wahlweise bei 50 oder 60 Hertz hinzufügt, oder es deaktiviert. Im Test drängen sich diese Vintage-Merkmale so gut wie überhaupt nicht auf, sind aber dennoch vorhanden. Alles Klar? Wir hören sie erst, wenn wir die Monitore sehr laut stellen und kein Signal anlegen. Auffällig: In 60-Hertz-Stellung besitzen die Puigchild-Plug-ins ein erhöhtes Rauschen neben dem dann vernehmbaren Brummen. In 50-Hertz-Stellung stellt sich nur ein Rauschen ein.  Die Puigtec-Plug-ins liefern hingegen in beiden Stellungen nur zusätzliche Rauschanteile. Aber unabhängig davon, welche Einstellung wir im Test wählen, die Ergebnisse klingen immer gleich gut, die Störgeräusche fallen nicht negativ auf.  Als sehr störend empfinden wir im Test allerdings bei jedem Neuladen einer Plug-in-Instanz das Erscheinen eines Info-Dialogs, was uns zu einem lästigen Wegklicken dieses Dialogs zwingt. Diese Schikane ist, gerade beim Aufruf mehrerer Plug-in-Instanzen direkt hintereinander, nicht nur nervig, es verhindert auch ein konzentriertes Arbeiten. Das ist bestimmt besser lösbar. Anlass zur Kritik gibt auch die Ansprache der Drehregler bei beiden Puigtec-Emulationen. Im Vergleich zu den Drehreglern der Kompressoren, die sich mit der Maus wunderbar weich und präzise bedienen lassen, gerät das Bedienen der Equalizer-Regler zu einer fummeligen Angelegenheit. Beim Klicken auf ein Bedienelement haut es quasi ab und verzieht sich blitzschnell wahlweise in eine der beiden Regler-Endpositionen. Ein präzises und gefühlvolles Einstellen ist fast unmöglich. In einem Update sollte das ebenfalls mit Leichtigkeit zu beheben sein. Im Test widmen wir uns zunächst den Puigchild-Plug-ins: Die bei modernen Kompressoren vorhandenen Einstellmöglichkeiten für Ratio, Attack und -Release sucht man vergeblich auf der originalgetreu reproduzierten Bedien-oberfläche. Die Einstellung der Kompressionsstärke und der Ratio wird über das geschickte Zusammenspiel von Input- und Thresholdregler realisiert. Hierbei gilt: In Abhängigkeit zur anliegenden -Signalstärke des eingespeisten Programmmaterials und des eingestellten Thresholds lassen sich unterschiedlich starke Eingriffe in die Lautstärke vornehmen. Die Kompressionskennlinie passt sich überdies dynamisch der Signalstärke an. Das erinnert an das Verhalten des Universal Audio LA-2A Kompressors (Test in Heft 4/2007). Anders als der LA-2A mit seinem optischen Regelglied, übernimmt im Fairchild-Kompressor eine sogenannte Vari-Mu-Röhre die Aufgabe der Dynamik-Reduktion.

Über den Time Constant Drehschalter lassen sich sozusagen sechs Presets aufrufen, die verschiedene Kombinationen aus fest eingestellten Attack- und Releasezeiten besitzen. Das Hardware-Original besaß dabei Attackzeiten von 0,2 und vier Millisekunden und Releasezeiten zwischen 0,3 bis hinauf auf 25 Sekunden. Waves vermerkt dazu, dass die Zeiten der Puigchild-Plug-ins deutlich davon abweichen. Genauere Angaben macht der Hersteller jedoch nicht. Zusammen mit dem Outputregler für die Aufholverstärkung und dem VU-Meter zur Anzeige des Kompressionsgrads besitzen die Mono- und Stereoversionen identische Eingriffsmöglichkeiten. Das zweikanalige Puigchild 670-Plug-in besitzt darüber hinaus einen dreistufigen Drehschalter, der verschiedene Signalroutings aufruft. In der Link-Stellung arbeitet das Plug-in im Stereo-Modus, bei der beide Kanäle simultan über die Bedienelemente der oberen Reihe eingestellt werden. Die Left/Right-Stellung erlaubt ein unabhängiges Einstellen der Kompression beider Kanäle.  Eine Besonderheit bietet der Lat(eral)/Ver(tical)-Modus: In dieser Stellung aktiviert sich eine Matrix, die das Stereosignal in einen Summen- und Differenzanteil aufsplittet, die anschließend separat in der Dynamik einstellbar sind. Das so aufgesplittete und bearbeitete Signal wird vor dem Ausgang anschließend wieder in stereo zurück konvertiert. Die In- und Outputregler arbeiten dabei innerhalb dieser Matrix, so dass ein detailliertes Justieren der Summen- und Differenzpegel möglich ist. Sinn und Zweck: Diese Funktion war zu Zeiten des Vinylschnitts von unschätzbarem Wert. Bei sachgemäßem Einsatz verhinderte sie das Auftreten allzu hoher Pegelspitzen, die später zu einem Herausspringen der Schallplattennadel geführt hätte. Im Test erhalten wir mit dieser Funktion bei -einer Stereo-Gitarrenaufnahme stellenweise reizvolle Ergebnisse, die an einen Phaser-Effekt erinnern. In einem Drum-Arrangement senken wir durch Kompression des Summenanteils die -Lautstärke einer etwas zu lauten Bass-Drum, was vom Prinzip her an ein M/S-Processing erinnert. Bei allzu unterschiedlichen Parametereinstellungen in beiden Signalwegen zeigen sich jedoch mitunter deutliche Pegelunterschiede in den Stereokanälen. Im Hör- und Praxistest demonstrieren die Puigchild-Plug-ins auf plastische Art und Weise, was am bis heute so hochgeschätzten Fairchild-Sound dran ist. Ganz gleich ob Mono- oder Stereoversion, die Puigchild-Plug-ins überzeugen durch ein phänomenales Regelverhalten, bei dem gleichzeitig die Gesamt-Dynamik anliegender Signale wunderbar weich eingegrenzt wird, gleichzeitig aber die Binnendynamik des Signalverlaufs so gut wie unangetastet bleibt. Sehr schön: Im Test zeigt uns das VU-Meter deutlich den Grad der Kompression an, den wir mit dem Output-Regler präzise ausgleichen. Ein Vergleich zwischen der tanzenden Nadel der Puigchild-Anzeige und dem Level-Meter am Sequenzer-Mixer zeigt, dass die Plug-ins einen durchweg konstanten Ausgangspegel liefern, selbst wenn die Releasephase schon einsetzt und das Signal anfängt, wieder auf den Ausgangspegel zurückzukehren. Beim Hören der zwar komprimierten aber immer noch dynamisch lebendigen Signale fürchten wir oftmals, das die vorgenommenen Einstellungen vielleicht doch eine Spur zu gering sind. Doch gerade bei den immer noch  expressiven Stellen einer Aufnahme, bewegt sich das Peakmeter im Sequenzer nur minimal nach oben. Dieses Verhalten demonstriert auf eindrucksvolle Art die Musikalität der Vari-Mu-Röhrentechnik, die auch auf der virtuellen Ebene rundherum begeistert. Obwohl es sich um die Emulation eines Röhren-Kompressors handelt, treten diese typischen Röhren-Sound-Effekte, wie sie oft hineininterpretiert und geradezu erwartet werden, nicht auf.

Doch ganz ohne klanglichen Eigencharakter sind auch die Puigchild-Plug-ins nicht. Sie schaffen es, Aufnahmen insgesamt vordergründiger, gefälliger und weicher klingen zu lassen, ganz so als ob Spachtelmasse auf einen verbeulten Kotflügel aufgetragen und glattgestrichen wird. Auffällig: Stehen die Parameter des Kompressors auf neutral, ist ein zwar leichter aber merkbarer Abfall im Bass- und Höhenbereich zu hören, aber Waves weist im knappen und informativen Handbuch darauf hin, dass dieses Verhalten durchaus beabsichtigt ist und ein authentisches Merkmal des Hardware-Originals darstellt. Ursache hierfür sollen, laut Hersteller, die im Original verbauten Übertrager sein.  Doch die Puigchild-Plug-ins sind nicht nur Klangschmeichler. Beim absichtlichen Ausreizen der Einstellmöglichkeiten in den Extrempositionen, zeigen die Fairchild-Emulationen auf einmal ihre Krallen und empfehlen sich als kreatives Sound-Design-Werkzeug mit teils brachialer Durchschlagskraft. Im Test ertappen wir uns immer wieder, wie wir absichtlich den Input- und Threshold-Regler ins letzte Drittel des Regelwegs bewegen. Im Zusammenspiel mit dem Time Constant Schalter ändern sich die Ergebnisse teils sehr drastisch. So verbiegen wir im Test eine Bassdrum nachhaltig, indem wir das Nachklingen des Fells, ähnlich wie bei einem Noise Gate, komplett ausblenden. Dazu stellen wir den Time Constant Schalter in Position drei. Gleichzeitig tritt die Attackphase des Instrumentenklangs noch deutlicher in den Vordergrund. Et Voilà: Wir haben einen mustergültigen Sound für Drum and Bass, der nur noch in Ansätzen ans Original erinnert. Bei minimal unterschiedlicher Einstellung von Input und Threshold ändert sich das Ergebnis schlagartig, indem wir wahlweise die erste oder sechste Position des Time Constant Parameters anwählen. Mit einem Mal sind die oben beschriebenen Klangänderungen auf den Kopf gestellt. Die Ausklingphase der Bassdrum tritt nun deutlicher in den Vordergrund und das Anschlagsattack tritt in den Hintergrund. Ähnliche Ergebnisse erzielen wir beim nachhaltigen Verbiegen der übrigen Schlaginstrumente. Selbst Stereo-Mixdowns von Drum-Arrangements, die bereits mit Rauminformationen versehen sind, rücken wir mit Hilfe der Fairchild-Emulationen nachhaltig zu Leibe. Dank der einfachen und intuitiven Bedienung sind wir in der Lage, den Hallanteil je nach Bedarf und Stellung des Time Constant-Schalters noch mehr in den Vordergrund zu bringen oder ihn auszublenden.  Bei einer cleanen E-Bass-Aufnahme, die jedoch bei den tiefen Saiten eine ganz leichte Verzerrung besitzt, schaffen wir es mit den Extremstellungen, diese Verzerrung äußerst deutlich in den Vordergrund zu modellieren, was gleichzeitig mit einem merkbar angenehm hörbaren Anstieg der Mitten einhergeht. Es entsteht der Eindruck, als sei die Aufnahme schon immer mit einem absichtlich übersteuerten Röhren-Verstärker angefertigt worden. Auch E-Gitarren lassen sich entsprechend neu modellieren, sei es, dass die Transienten beim Anschlagen noch mehr betont werden sollen – perfekt für Funk-Musik – oder, dass der Nachklang einer verzerrten Rhythmusgitarre, der nicht lang und laut genug nachklingt, drastisch angehoben werden soll. Das Beste daran: Ganz gleich, welche Einstellungen wir an den Plug-ins vornehmen, es kommt immer etwas Verwertbares und ästhetisch ansprechendes heraus. Die Puigchild-Kompressoren sind bedientechnisch narrensicher und nehmen selbst die extremsten Einstellungen klaglos hin.  Mit den Emulationen der beiden Pultec Equalizer-Klassiker EQP-1A und MEQ-5 stellt Waves in der JJP-Collection den Fairchild-Simulationen ein zweites Hauptwerkzeug des Tontechnikers zur Seite. Das Puigtec EQP-1A Plug-in besitzt, ebenso wie das Original, ein Tiefen- und Höhen-Band, die sich auf charakteristische Art manipulieren lassen. Der Clou an dieser passiven Equalizer-Legende ist die Möglichkeit, das Bass- und Höhenband gleichzeitig zu verstärken und zu dämpfen, was zu einer Filterverlaufskurve – Stichwort: Overshoot – mit resonierendem Peak führt. Grund: Für die Verstärkung und Dämpfung der Frequenzen kommen jeweils eigene Filter-Schaltkreise zum Einsatz, die überdies nicht ganz phasengenau sind. Eigentlich arbeiten also insgesamt vier separat einstellbare Filter im Gerät/Plug-in. Durch diese Ungenauigkeit kommt es zu Phasenverschiebungen, die sich klanglich deutlich bemerkbar machen. Später dazu mehr. Die zwei Bass-Filter besitzen eine Shelving-Charakteristik, die gemeinsam per Drehschalter mit vier wählbaren Center-Frequenzen einsetzbar sind. Die Ausstattung der beiden Höhenfilter ist jedoch verschieden. So besitzt das Höhen-Boost-Filter eine Bell-Charakteristik, die per Bandwith-Regler in der Bandbreite einstellbar ist und es enthält sieben wählbare Center-Frequenzen. Das Cut-Filter hingegen ist wieder ein Shelving-Vertreter mit lediglich drei aufrufbaren Frequenzen. Im Vergleich zum Tiefenband klingt die gleichzeitige Verstärkung und Dämpfung aufgrund der unterschiedlichen Filterarten deshalb anders. Überdies finden sich nur zwei deckungsgleiche Frequenzen bei fünf und zehn -Kilohertz.

Das Puigtec MEQ-5 Plug-in besitzt eine deutlich andere Ausstattung. Es wartet mit drei Filtern auf, die in Bell-Charakteristik arbeiten und mit jeweils eigens ausgelegten Centerfrequenzen den gesamten Mittenbereich abdecken. Besonderheit: Im Low-Mid- und High-Mid-Band ist ausschließlich eine Verstärkung möglich. Das dazwischen liegende Mid-Band-Filter lässt sich nur dämpfen. Durch die individuelle Auslegung der Centerfrequenzen in jedem Filter lässt sich auch im MEQ-5 eine gleichzeitige Verstärkung und Dämpfung derselben Frequenzen vornehmen, wobei das Mid-Band als Dreh- und Angelpunkt fungiert und mit seinen elf Centerfrequenzen sozusagen die Schnittmenge der beiden anderen Bänder bildet.   Durch ihre individuelle Ausstattung sind beide Plug-ins für unterschiedliche Aufgaben prädestiniert. Bei ausschließlichem Einsatz empfiehlt sich das Puigtec EQP-1A Modell, je nach Sehweise, eher fürs Grobe oder Feine. Klingt eine Aufnahme im Arrangement schon beinahe perfekt und benötigt nur minimale Korrekturen, ist das 1A-Modell die erste Wahl. Das MEQ-5-Plug-in ist hingegen die richtige Wahl für chirurgische Eingriffe im sensiblen Mittenbereich. Im Test entpuppt es sich als effiziente Geheimwaffe. Ein Beispiel: In einem Arrangement mit drei gleichzeitig erklingenden Gitarren nehmen wir eine geschickte Frequenzkorrektur für jede Spur vor und erreichen eine klangliche Separation der Instrumente und eine zuvor nicht hörbare Durchsichtigkeit und Ortbarkeit jedes Instruments. Dank der eher eingeschränkten Eingriffsmöglichkeiten erreichen wir die ersten verwertbaren Ergebnisse bereits nach wenigen Minuten, die wir anschließend nur noch feinjustieren. Der Studio-EQ von Steinberg Cubase 4/Nuendo 4 beispielsweise besitzt zwar deutlich mehr Regelmöglichkeiten. Doch um vergleichbar schnelle Resultate zu erzielen, kann man sich schon einmal in den Einstellmöglichkeiten verlieren. Weniger ist oft mehr. Im Test setzen wir allerdings auch sehr oft beide Plug-ins gemeinsam ein. Mit diesem dynamischen Duo erhalten wir eine weitreichende Kontrolle über den Klang, bei dem fast keine Wünsche offen bleiben. Mehr noch, offeriert die Reihenfolge der beiden Plug-ins im Insert-Weg der DAW-Kanäle mannigfaltige zusätzliche Klangvariationen, die je nach Einstellung unterschiedliche Ergebnisse liefern, sei es dass der MEQ-5 Einfluss auf die Einstellungen des EQP-1A nimmt oder umgekehrt. Experimentieren lautet hier die Devise.  Sicherlich: Das bisher Beschriebene ist auch mit anderen Equalizern auf die eine oder andere Art und Weise machbar. Etwas anderes ist jedoch der Sound, bei dem die beiden Puigtec-Modelle eindeutig punkten. Kein Wunder, bilden die Hardware-Originale so etwas wie die Blaupause und den Ursprung der Gattung der passiven Equalizer, die gerade wegen ihres musikalischen Klangs und ihrer behutsamen Wirkungsweise bis heute hochgeschätzt sind. Die von uns im Test durchgeführten Frequenzkorrekturen wissen immer wieder durch ein organisches und homogenes Klangbild zu überzeugen. Gleichzeitig schönen sie den Gesamtsound und verleihen Signalen einen eigentümlichen, schwer beschreibbaren Glanz. Bereits kurz nach dem Durchführen von Korrekturen haben wir die Frequenzänderungen bereits verinnerlicht, die jedes Mal den Signalen schmeicheln. Trotz Eingriff ins Material haben wir den Eindruck, dass die Aufnahme schon immer so geklungen hat.  Die Wirkungsweise und Musikalität beider Puigtec-Modelle zeigt sich besonders drastisch, wenn man die Plug-ins nach erfolgreichem Editieren auf Bypass stellt. Der unbearbeitete Originalklang klingt auf einmal nur noch hässlich, hohl und unangenehm mittig. Schalten wir die Emulationen wieder ein, klingt es auf einmal so, als ob sich ein hauchzarter Schleier über das Signal gelegt hat, der sämtliche hässlichen Ecken und Kanten verdeckt, dabei aber die Gesamtkontur unangetastet lässt. Eine vergleichbare Hörerfahrung haben wir ansonsten bislang nur mit dem Passeq (Test in Heft 8/2006) und den EQ Rangers-Plug-ins von SPL (Test im letzten Heft) gemacht, die ebenfalls der passiven Equalizer-Technik verpflichtet sind. Allerdings geht der -Grundsound der -Puigtec-Plug-ins im Vergleich zu den SPL-Plug-ins eindeutig mehr in die Vintage-Richtung. Die SPL Plug-ins klingen merkbar feiner, unauffälliger, besser aufgelöst und besitzen einen modernen Highend-Sound. Der Grundsound der -Puigtec Plug-ins ist etwas mittiger, er klingt bisweilen etwas hart und nicht ganz so fein nach oben hin aufgelöst, was aber durchaus beabsichtigt ist. Waves weist in den Handbüchern zu den Puigtec Plug-ins explizit daraufhin, dass die originale Hardware aufgrund der verbauten Übertrager einen Abfall im Höhenbereich besitzt, was bei der Emulation bewusst mit einbezogen wurde.

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Mit der Möglichkeit, die gleiche Centerfrequenz simultan verstärken und dämpfen zu können, besitzen die Puigtec-/Pultec-Modelle zusätzlich eine viel gerühmte und einzigartige Option zur Frequenzkorrektur, die zwar heutzutage in weiter entwickelter Form als sogenannter Overshoot auch bei den Shelving-Bändern moderner Equalizer realisiert ist. In Reinform findet sich dieses Feature jedoch nur in den Pultec-Geräten und seinen virtuellen Emulationen. Ausnahme: Die Produkte und Nachbauten des amerikanischen Pro-Audio-Herstellers Manley Labs. Als einziges Unternehmen ist es autorisiert, die originalen Pultec-Schaltungen verwenden zu dürfen. Doch zurück zu den Puigtec Plug-ins: Beim EQP-1A ist die Wirkungsweise bei gleichzeitiger Verstärkung und Dämpfung der Frequenz im Tiefenband besonders deutlich zu hören: Eine Bass-Drum verstärken wir zunächst bei 60 Hertz, was mit einer deutlich breitbandigen Anhebung der Bassfrequenzen einhergeht. Beim anschließenden Hochfahren des Dämpfungs-Parameters bis hinauf auf den gleichen Wert der Verstärkung hören wir, wie die breitbandige Frequenzanhebung weich zurückgenommen wird, bei gleichzeitig zusätzlicher Betonung der Centerfrequenz. Der Bassbereich klingt jetzt viel aufgeräumter aber insgesamt immer noch präsenter im Vergleich zum Originalklang. Natürlich dürfte sich bei Anwendern jetzt die legitime Frage aufdrängen, wie die JJP-Collection im Vergleich zu den Konkurrenz-Produkten von Universal Audio und Bomb Factory vom Sound her abschneidet. Doch das würde den Rahmen des Artikels bei weitem sprengen. Denn jedes der drei Produkte emuliert eine andere Original-Hardware, die mit jeweils individuellem Klangcharakter aufwartet. Überdies zeigen sich bei den Software-Produkten mitunter große Unterschiede bei der Ausstattung, etwa hinsichtlich zusätzlicher Features. Diesen Themenkomplex in ein paar Worten abzuhandeln, würde daher unfair sein. Professional audio Magazin wird sich in einem detaillierten Vergleichstest dieses Themas in einer der nächsten Ausgaben ausgiebig widmen.  ´

Fazit

Mit der Jack Joseph Puig Col-lection ist Waves wieder einmal ein ganz großer Wurf gelungen. Mit der akribischen Emulation von vier Studio-Peripherie-Klassikern betreibt der Hersteller nicht nur aktiv Geschichtspflege, sondern demonstriert klanglich anschaulich und authentisch, warum die Fairchild- und Pultec-Geräte bis heute ihren legendären Ruf besitzen. Damit katapultiert sich die JJP-Collection direkt in die Spitzenklasse. Für einen durchaus vertretbaren Preis von knapp 150 Euro pro Plug-in hält somit der legendäre Sound der 60er Jahre Einzug in jede DAW, was nicht zuletzt angesichts des Produktionsaufwands mehr als günstig ist. 

Erschienen in Ausgabe 12/2008

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 560 € (native) 1200 € (TDM)
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut