Tschingderassa-Bumm
Mit Unmix::Drums, dem neuen Streich der Innovationsschmiede Zynaptiq, sollen sich wie von Zauberhand Drums in Mixen anheben oder dämpfen lassen. Das hört sich nach Raketen-Wissenschaft und somit unglaublich an. Wir haben die Probe aufs Exempel gemacht.
Von Stefan Feuerhake
Wünscht sich das nicht jeder Produzent schon seit vielen Jahren? Ein Plug-in mit dem sich die Drums aus der Stereosumme von Songs herausfiltern oder stärker betonen lassen. Dazu dann aber bitte auch gleich noch die Software, die das Gleiche mit den Vocals anstellt. Und am besten auch für Gitarre, Streicher und Synthesizer. Aber mal im Ernst, obwohl die technischen Voraussetzungen von Jahr zu Jahr besser werden, sind solche Wunderwaffen immer noch nicht ganz Realität geworden. Oder vielleicht doch? Unmix::Drums von Zynaptiq will dies zumindest mit Schlagzeug-Signalen realisieren. Die Software wurde bereits vor sieben Monaten auf der Musikmesse vorgestellt und ist nun seit Anfang November endlich im Handel erhältlich. Wie wir es schon in der Vergangenheit von Zynaptiq gewohnt sind, präsentiert uns der Hersteller ein weiteres Kreativ-Tool, das abseits des Mainstreams mit neuer, eigens entwickelter Technik an Bord daherkommt. Näheres dazu erfahren Sie im Kurz-Interview mit Denis Goekdag.
GUI
Das GUI von Unmix::Drums ist sehr übersichtlich und vom Design eher schlicht gehalten. Hervorstechend sind die drei Trackball Slider, die uns schon im Test von Morph 2 (Heft 6/2015) positiv aufgefallen sind. Sie steuern die drei Hauptparameter Drumlevel, Threshold und Release. Schön anzusehen ist auch der Hintergrund des Plug-ins. Hier gibt es eine fast schon 3D-mäßige Optik, in der schemenhaft die Frequenzkurve des Signal zu sehen ist, das durch Unmix::Drums läuft. Aber keine Sorge, per Menü-Buttons ist auch für eine „richtige“, hochauflösende Frequenzanalyse gesorgt. Im Display sind dafür gleich drei unterschiedliche Ansichten aufrufbar. Main mit den drei vorhin erwähnten Parametern ist die Standartansicht. Unter Fine-Tune gesellen sich zu den drei Hauptparametern noch fünf weitere hinzu, um den Prozess des Boostens/Cuttens fein einzustellen. Später dazu mehr. Schließlich findet sich unter Curves die vorhin versprochene Frequenzanalyse, die neben einer Kurve für Drums, Non-Drums und Output auch noch die Kurven für die drei Hauptparameter anzeigt. Das ist wirklich schön gelöst und hilft beim Einstellen sehr. Neben den drei Ansichten findet sich am Kopf des Plug-Ins noch der Preset-Browser, der mit über 70 Presets sehr üppig ausgestattet ist. Darin tummeln sich Settings für eine breite Auswahl an Anwendungen, allerdings sollten diese eher als Startpunkt für eigene Einstellungen gesehen werden und schon gar nicht als Allheilmittel.
Oberhalb des Displays finden sich unter Algorithm noch die zwei Betriebsmodi Punchy und Soft sowie ein aktivierbarer M/S Modus und die Level Compensation. Zu guter Letzt findet sich oben rechts eine Output-Pegelanzeige, ein schaltbarer Limiter und ein Bypass-Schalter. Zusätzlich lässt sich vom Hauptfenster aus ein MIDI-Learn aktivieren, das ausführlich geschriebene Handbuch aufrufen und die dynamische Hilfe aktivieren, die beim Überfahren mit dem Mauszeiger über einem Parameter eine kurze Erklärung in Englisch liefert. Kurz und gut: Man findet sich schnell im Plug-in zurecht. Wollen wir doch gleich mal sehen, wie sich Unmix::Drums in der Praxis schlägt.
Main Parameter
In der Main Ansicht sorgen die drei Trackball-Slider für den Sound, angeführt vom Drumlevel-Slider in der Mitte, der mit +/- 18dB anheben oder absenken kann. Wird er nach unten bewegt, werden die Drums abgesenkt. Schiebt man ihn nach oben, sorgt er für einen Boost des Schlagwerks. Links daneben befindet sich der Threshold-Parameter, der wohlgemerkt nicht RMS-Level basiert ist, sondern den Drumschwellenwert einstellt. Soll heißen, je niedriger der Schwellenwert ist, desto mehr Nicht- Drum-Sounds werden mitbearbeitet wie beispielsweise die Attackphasen/Transienten von Gitarren oder Bässen. Hier gilt beim Einstellen das Motto: So hoch wie möglich, aber so niedrig wie nötig. Auf der rechten Seite komplettiert der Release-Parameter das Slider-Trio. Er fungiert ähnlich wie bei einem Kompressor und sorgt dafür wie lange ein Drumsound nach Erkennung bearbeitet bleibt. Auch hier ist Vorsicht geboten, führen doch zu niedrige Werte dazu, dass auch andere Signale als Schlagzeug in dem Fall in Mitleidenschaft gezogen werden.
Fine Tune
Mit einem Klick auf den Fine-Tune Schalter blenden sich fünf weitere Parameter ein, wobei Detection Density und Max Cut Einfluss auf das Verhalten des Threshold nehmen. Erstgenannter Parameter bestimmt die Erfassungsdichte, also wie viele Sounds erfasst werden sollen. Max Cut kümmert sich um die maximale Menge der Absenkung. Zum Feineinstellen des Release gesellen sich ein Attack- und der Unmix Feather Parameter, der einigen vielleicht bekannt vorkommt. Mit „Feathering“ ist bei Bildbearbeitungs-Software das Glätten der „Ränder“ gemeint. Und ähnliches passiert hier eben nur mit Audio. Zuletzt gibt es noch den Bassynth-Parameter, der tiefe Frequenzen unterhalb 200 Hz addiert, wenn geboostet wird. Dafür wird eine Sample genaue Synthese-Engine verwendet, die sehr tight klingt und untenrum für mehr Punch sorgen kann. Eine echte Bereicherung. Aber wie klingt Unmix::Drums denn nun genau?
Testing
Für einen ausgiebigen Test haben wir uns eine große Auswahl an Songs aus den letzten 40 Jahren Musikgeschichte in unsere DAW geladen. Angefangen von 70er-Jahre Funk über 80er-Discosound und 90er-Hip Hop bis zu aktuellen Rock, Pop- und Elektronikproduktionen, haben wir nichts ausgelassen. Die Handhabung ist spielend einfach. Unmix in die Spur insertieren und los geht‘s. Allerdings sei gleich am Anfang erwähnt, dass es sich bei diesem Plug-in nicht um „DIE“ Wunderwaffe handelt. Kurz mal den Drumlevel-Slider drehen und schon verschwinden alle Drums funktioniert nicht. Das schreibt sich Zynaptiq allerdings auch nicht auf die Fahne. Dazu ist Musik dann am Ende doch zu vielschichtig und unterschiedlich und die Rechenleistung unserer Computer wohl doch noch nicht groß genug. Die Ergebnisse beim Absenken der Drums fallen im Test sehr unterschiedlich aus und sind sehr materialabhängig. Oft werden zwar die tieffrequenten Signale der Drums bestens eliminiert, aber die hohen Anteile bleiben stehen. Dreht man dann noch radikaler an den Parametern, sind schnell Artefakte hörbar und das komplette Material hört sich am Ende wie mit einem Side Chain komprimiert an. In anderen Fällen rückt das Signal in einen künstlichen Raum und es werden zu viele Nicht-Drum-Anteile mit abgesenkt. Bei der Arbeit sollte man daher grundsätzlich immer gleich in den Fine Tune Modus wechseln und ein bisschen intensiver schrauben. Ebenso empfiehlt sich ein stetiger Blick auf die Frequenzanzeige. Doch das heißt jetzt nicht, dass Unmix::Drums durchgefallen ist. Ganz im Gegenteil, denn gerade für Mash-Ups und Remixing sowie für samplebasierte Musik wie Hip Hop ist Unmix::Drums eine Bereicherung, einmal davon abgesehen, dass es zurzeit kein Plug-in gibt, das ähnliches leistet. Soweit zum Herausfiltern der Drums.
Wenden wir uns nun einmal dem Boosten, Anheben oder Betonen der Drums zu. Hier glänzt Unmix::Drums deutlich strahlender und erzielt sehr gute Ergebnisse. Das gilt insbesondere bei Produktionen aus den 70er, 80er und 90er Jahren, denen es oft an einem modernen Druck fehlt. Hier erzielen wir im Test durchweg gute Resultate, die sich im Vergleich mit einem Kompressor und/oder Transient-Shaper so nicht reproduzieren lassen. Das gleiche Resultat erzielen wir auch bei einer Produktion, bei der wir das Unmix-Plug-in auf dem Drum-Bus eingesetzt haben. Die Drums bekommen dadurch eine ungeheure Präsenz, eben anders als bei der Bearbeitung mit den üblichen Verdächtigen. Die Transienten werden angenehm verstärkt und mit dem Basssynth kann nach Belieben untenrum noch mal ordentlich Druck gemacht werden ohne das Signal zu verwaschen. Das macht richtig Spaß. Zu guter Letzt haben wir Unmix::Drums auch in unserer Masteringchain eingesetzt, denn gerade beim Mastering sind zu leise gemischten Drums ja nur sehr schwer beizukommen. Und so haben wir gleich mal ein paar Problemfälle bearbeitet. Auch hier sind die Ergebnisse sehr zufriedenstellend. Unmix::Drums konnte so einige „vermixte“ Songs retten, indem es zu leise gemixte Drums die fehlende Präsenz verpasst hat. Somit ist Unmix::Drums gerade für Mastering-Ingenieure, die oft mit Problemfällen zu tun haben, aber auch für das Restaurieren alter Aufnahmen ein echter Geheimtipp.
Fazit
Mit Unmix::Drums liefert Zynaptiq ein weiteres inspirierendes Tool, das seines Gleichen auf dem Markt sucht. Besonders gefällt das Plug-in beim Boosten von Drums, auf der Summe beim Mastering oder dem Drumbus und erzielt dabei Ergebnisse, die sich mit Kompressor, Transient-Designer oder einem EQ so nicht erzielen lassen. Überdies bietet sich das Plug-in als Kreativ-Tool speziell beim Remixing oder der Produktion samplebasierter Musik an, hier allerdings mit kleinen Einschränkungen.
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Fünf Fragen an Denis Goekdag (CEO Zynaptiq)
? Ihr habt Euch bei Zynaptiq ja eher unkonventionellen Plug-ins verschrieben. Gehört das zu Eurer Firmen-Philosophie?
! Wir verstehen es als unsere Aufgabe, Konventionen über den Haufen zu werfen. Etwas ernster formuliert, sind wir der Meinung, dass es höchste Zeit ist, umzudenken. Das Augenmerk gilt den Fragen welche Engineering-Probleme gelöst und vor allem wie sie gelöst werden können. Computer können ja viel mehr als nur die Hardware des letzten Jahrhunderts zu emulieren und Zynaptiq liefert die Software dazu.
? Wie einstand die Idee zu Unmix::Drums?
! Unmix::Drums entstand aus dem Real-World-Problem, dass es fürs Mastering keine befriedigende Methode gab, das Verhältnis Drums/Rest nachzuregeln; während man zu laute Drums noch einigermaßen in den Griff bekommt mit Hilfe von Kompressoren und Limitern, sind zu leise gemischte Drums ja traditionell eher das Metier von Transienten-Prozessoren, Expandern und dynamischen Equalizern. Sie alle stoßen aber sehr bald an ihre Grenzen, wenn man sie auf eine Summe anwendet. Ferner habe ich einen Background in der Produktion von HipHop und House, wo man sich schon immer gewünscht hat, bei einem Sample die Drums quasi „aus dem Weg räumen“ zu können beziehungsweise das Freistellen der Drums erheblich zu vereinfachen. Die Tatsache, dass man das Plug-in auch einfach auf einen Drum-Bus anwenden kann, um den Druck auf eine wirklich einzigartige Weise zu erhöhen, hat das Plug-in der Tatsache zu verdanken, dass ich in der Vergangenheit recht viele Drum-Librarys entwickelt habe (beispielsweise Pulswerk für NI Maschine).
? Mit welcher Technik arbeitet Unmix::Drums?
! Nun, der Oberbegriff ist „Source Signal Separation“ beziehungsweise „De-Mixing“. Wie wir das genau realisieren ist allerdings ein Betriebsgeheimnis. Ich kann nur soviel dazu sagen, dass man die von uns verwendeten Methoden sicher nicht in einer wissenschaftlichen Publikation oder einem Nachschlagewerk finden wird.
? An welche Zielgruppe richtet sich das Plug-in?
! Unmix::Drums richtet sich an eine recht breite Zielgruppe. Da wären in erster Linie Mastering-Ingenieure, Re-Mixer und DJs, Produzenten von samplebasierter Musik, Sound-Designer sowie wegen der Option, das Teil zur Punch-Optimierung auf den Drumbus zu klemmen, ehrlich gesagt jeder Artist oder Mix-Ingenieur, der mit Drums zu tun hat.
? Was können wir in Zukunft von Euch erwarten? Habt Ihr bereits neue Sachen in der Pipeline?
! Ihr könnt mehr Software der Sorte „Wie, das geht doch gar nicht…oder?“ von uns erwarten. Unsere Pipeline ist sehr voll, aber was da genau kommt, soll eine Überraschung bleiben.
Erschienen in Ausgabe 1/2016
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 199
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: gut – sehr gut
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