Das Beste aus zwei Welten
Mal ehrlich: Braucht die Audio-Welt noch weitere, neue Equalizer-Plugins? Die Entwickler der israelischen Software-Schmiede Waves meinen Ja und erweitern mit dem beeindruckenden HEQ die Produktpalette ihrer Hybrid-Linie.
Von Carina Schlage
Die Hybrid-Produkt-Linie wurde im Hause Waves erstmals mit den vor zwei Jahren erschienenen Plug-ins HComp und HDelay realisiert (siehe Test Ausgabe 05/2009), die mit analogem Charme und digitaler Steuerung aufwarten. Mit dem seit kurzem erhältlichen HEQ bekommt die Hybrid-Serie nun nicht minder mächtigen Zuwachs. Dabei ist die Hybridtechnologie nebenbei bemerkt keine Erfindung der Automobilindustrie, wie man angesichts der Werbemaßnahmen für diese Art Fahrzeuge meinen könnte, sondern beschreibt vielmehr ein sogar häufig eingesetztes Prinzip, nämlich die Kombination zweier unterschiedlicher Technologien. Bezogen auf motorisierte Vehikel sind es beispielsweise Benzin- und Elektromotor, die gemeinsam für Antrieb sorgen; in Bezug auf unseren Testkandidaten sind es analoges und digitales Klangverhalten sowie Features und Funktionen aus diesen beiden Welten, welche der HEQ im Software-Gewand vereint. Diese Art der Kombination ist dabei idealerweise eine symbiotische, sie nutzt also überwiegend die jeweils positiven Eigenschaften der beiden Technologien: Der Hybrid-PKW fährt sich so geschmeidig wie ein reiner Benziner, ist dabei jedoch umweltverträglicher.
Natürlich hat der R-26 auch noch einige hilfreiche Zusatzfeatures an Bord: Marker beispielsweise lassen sich manuell setzen, können aber auch per Auto-Funktion eingefügt werden. Dabei gibt es entweder die Möglichkeit ein bestimmtes Zeitintervall zu wählen (5, 10, 30 Minuten) oder aber einen Threshold (-60, -30, -20 Dezibel) zu definieren. Außerdem verfügt der Recorder über eine Loop-A/B-Funktion, die das zyklische Abspielen eines definierbaren Bereichs ermöglicht. Des Weiteren hat der Hersteller dem R-26 eine sogenannte Speed-Control implementiert, um die Geschwindigkeit beim Abspielen eines Tracks auf 50 Prozent abzubremsen oder auf 150 Prozent zu beschleunigen. Die Tonhöhe ändert sich dabei selbstverständlich nicht. In einem rudimentär ausgestatteten Editor lässt sich außerdem die Wellenform der aufgenommenen Tracks anzeigen, die überdies horizontal und vertikal per Zoom-Funktion in der Darstellung veränderbar ist, um für den Schnitt eine punktgenaue Position zu finden. Das ist zwar etwas fummelig, aber in manchen Situationen kann ein autarkes Mobilsystem sehr hilfreich sein, wenn nach einer Aufnahme etwa schnell ein präziser Schnitt vorgenommen werden soll. Bei Vier- und Sechs-Kanal-Aufnahmen hilft außerdem die Anordnung der zusammengehörenden Wellenformdarstellungen eines Takes in drei Ebenen (Kartenreiter), um rasch zwischen den aufgenommenen Varianten wechseln zu können. Damit nicht genug lässt sich der R-26 auch als reinrassiges Audio-Interface einsetzen. Der dazu notwendige USB-Treiber befindet sich auf der SD-Karte oder kann von der Homepage herunter geladen werden. Nachdem die Eingansquelle (Internal, Analog, Analog-Mono, Plug-in) am Recorder ausgewählt ist, steht das Gerät als Interfaceauswahl in der jeweiligen DAW zur Auswahl. Der R-26 verfügt hierfür über ein Direct-Monitoring, welches latenzfreies Abhören einer Aufnahme zulässt. Außerdem ist es möglich, gleichzeitig im R-26 und in die DAW aufzunehmen (Parallelaufnahme). Das hat den Vorteil, dass die Aufnahmen direkt am Computer weiter bearbeitet werden können, ein unbearbeitetes Backup aber immer noch auf dem Recorder zu finden ist. Last but not least bietet die sogenannte Loop-Back-Funktion eine weitere Besonderheit: Ist sie aktiviert (Audio I/F-Reiter im Hauptmenü), kann das Eingangssignal des R-26 mit dem Abspielsignal des Computers gemischt und beide zusammen zurück in die DAW zwecks Aufnahme geschickt werden. Auf diesem Weg lässt sich beispielsweise eine Gitarren-Begleitung einspielen, in einer zweiten Runde der Gesang nachträglich ergänzen und direkt in einem File ablegen. Im Messlabor von Professional audio schlägt sich der R-26 recht ordentlich und zeigt sich auf Augenhöhe mit anderen Mobilisten der Mittelklasse. Die Eingangsempfindlichkeit ist mit -45,9 Dezibel in Ordnung (Tascam DR-100: -45,2 Dezibel; Zoom H4n: -44,7 Dezibel), kann aber Vollprofis und Puristen nicht wirklich überzeugen. Bei leisen Schallquellen oder Aufnahmen aus größerer Entfernung bleiben relativ wenig Verstärkungsreserven übrig, um Aufnahmen mit optimalem Pegel anzufertigen. Zu empfehlen sind in jedem Fall Kondensatormikrofone und solche mit eigener Stromversorgung und hoher Ausgangsspannung. Geräusch- und Fremdspannungsabstand liegen bei 77,0 und 72,4 Dezibel. Auch das ist eine gute aber keine stolze Leistung, auch wenn die direkte Konkurrenz in dieser Disziplin auch nicht viel besser abschneidet. Zum Vergleich: Der DR-100 bietet 73,7 und 71,6 Dezibel der Zoom H4n 74,8 und 72,8 Dezibel. Ein Blick auf das FFT-Spektrum zeigt, dass der Noisefloor des R-26 im Durchschnitt weit unterhalb -100 Dezibel liegt. Lediglich einzelne Peaks (k2, k3) und ein Anstieg im Bassbereich (20 bis 30 Hertz) ragen über die -90-Dezibel-Marke hinaus. Dementsprechend gut für einen Handheldrecorder sind die THD+N-Werte, welche bei 0,06 Prozent liegen.
Der HEQ besitzt nicht nur alle Vorteile eines modernen Software-Plug-ins – Stichwort Bedienung und Ressourcenfreundlichkeit –, sondern verfügt auch über Features, die überhaupt nur mit modernen digitalen Effektgeräten möglich sind, wie beispielsweise einen eingebauten Echtzeit-Analyzer. Auf Wunsch klingt der HEQ jedoch wie ein analoger Equalizer und bietet darüber hinaus die Kontrolle über klangliche Artefakte analoger Signalverarbeitung, sprich: Rauschen, Brummen und Verzerrungen, die sich bei Bedarf hinzuschalten/mischen lassen. Der Hybrid-Equalizer vereint somit das Beste beider Welten auf sich. Schauen wir uns den Entzerrer einmal etwas näher an. Der Waves HEQ ist oberflächlich betrachtet zunächst ein quasi selbst erklärender Equalizer, der sich bereits auch ohne Studium des Handbuchs in weiten Teilen komfortabel bedienen lässt. Er verfügt über fünf parametrische Bänder sowie jeweils einen Low- und High-Cut-Filter. Vor allem in Bezug auf das angewandte Hybrid-Konzept weist er sozusagen unter der Oberfläche jedoch einige Besonderheiten auf, welche über die Möglichkeiten gewöhnlicher EQ-Plug-ins hinausgehen. Ähnlich wie bei den hybriden Geschwistern HComp und HDelay kann der Benutzer auch beim HEQ darüber entscheiden, welche Klangcharakteristik der Equalizer den ihn durchströmenden Signalen aufprägen soll. Hierfür hat Waves sieben verschiedene EQ-Typen implementiert, die für jedes Band sowie den High- und Low-Cut separat ausgewählt werden können. Dem Klang- und Filterverhalten der einzelnen Typen liegen dabei keine bestimmten, einzelnen Hardware-Modelle zu Grunde, wie seitens des Herstellers ausdrücklich betont wird. Vielmehr bilden die ersten fünf Typen sozusagen eine Klangessenz charakteristischer analoger Filter ab, was sich auch in den Bezeichnungen niederschlägt: Der Anwender kann zwischen US-amerikanischen oder britischen Typen wählen, die ihrerseits jeweils als moderne oder Vintage-Varianten zur Verfügung stehen. Da es sich um einen hybriden Equalizer handelt, stehen neben den gewissermaßen geschichtsträchtigen Analog-Klangcharakteristiken zusätzlich zwei digitale Filtertypen zur Auswahl, wobei es sich bei Digital 1 sogar um einen neu entwickelten und erstmals implementierten Typus handelt, auf den wir später noch zu sprechen kommen. Besonderheit: Die Unterschiede der verschiedenen EQ-Typen beschränken sich nicht nur auf den Sound. Vielmehr fällt im Test auf, dass sie auch in punkto Filterverhalten zum Teil deutlich voneinander abweichen, vor allem was die Filtergüte, den Q-Faktor, anbetrifft. Diese erlaubt mit dem UK Vintage 1-Typ beispielsweise das Einstellen beinahe doppelt so breiter oder schmaler Filterkurven als bei gleichen Q-Werten mit dem amerikanischen Vintage-Typ möglich sind. Zudem ist die Filtergüte bei einigen Charakteristiken, wie dem US-Modern, gar nicht einstellbar. Je nach gewähltem Filter-Typ sind mit dem HEQ also sowohl halb- als auch voll-parametrische Filterungen möglich.
Ein Novum stellt der bereits erwähnte Typ Digital 1 dar, der von den Waves-Entwicklern asymmetrischer Bell-Filter genannt wird. Charakteristisches Merkmal: Der Q-Regler bestimmt hier nicht die Breite der Glocke und damit den erfassten Frequenzbereich, sondern nimmt stattdessen Einfluss auf die Neigung, also die Flankensteilheit, des Filters. Das bedeutet, je niedriger der Q-Wert, desto sanfter ist der Kurvenverlauf links von der gewählten Mittenfrequenz und desto steiler der Anstieg rechts davon, was eine leicht asymmetrische Kurve ergibt. Ein hoher Q-Wert resultiert dagegen in einem gespiegelten Kurvenverhalten, also steiler Kurvenverlauf links von der Mittenfrequenz und sanfter Verlauf rechts der Center-Frequenz. Anders ausgedrückt: Der Digital 1-Typ wirkt somit auf der einen Seite der Mittenfrequenz wie ein Shelving und auf der anderen wie ein Hoch- oder Tiefpass, was laut Hersteller sehr musikalisch klingende Entzerrungen von hohen oder tiefen Frequenzen ermöglichen soll und was sich im Praxistest, soviel sei schon einmal verraten, eindrucksvoll bestätigt.
Die drei für den Mittenbereich vorgesehenen Bänder LMF, MF und HMF sind ausschließlich als Bell-(=Glocken-)Filter definiert, was für die Bearbeitung dieses sensiblen Frequenzbereichs auch sinnvoll ist und nicht als Flexibilitätsdefizit gewertet werden sollte. Die beiden äußeren Bänder, für den Tief- und Hochtonbereich vorgesehen, können dagegen zwischen Bell- und Shelving-Charakteristik umgeschaltet werden. Besonderheit hierbei: Auch wenn der Einsatzbereich der einzelnen Bänder durch eine entsprechende Benennung und Anordnung gewissermaßen prädestiniert ist, so stellt dies lediglich eine Empfehlung oder Hilfestellung seitens des Herstellers dar. Denn alle Bänder können praktischerweise trotzdem im gesamten Frequenzspektrum, sprich von 22 Hertz bis 21 Kilohertz eingesetzt werden – ganz im Gegensatz übrigens zu älteren Waves-Equalizern, wie beispielsweise dem Renaissance-EQ. Diese Umsetzung ermöglicht schon einmal eine hohe Flexibilität, welche sich wiederum zugunsten der Benutzerfreundlichkeit auswirkt, da der ambitionierte Klangschrauber nach eigenem Gusto an die Filterbänder greifen kann, ohne sich vorher überlegen zu müssen, welches Band für welchen Bereich definiert ist.
Echtes, hochpräzises Notchfiltern, wie es beispielsweise beim Entfernen spezifischer Störgeräusche oder Resonanzfrequenzen notwendig sein kann, ist im Übrigen nur bedingt Domäne des HEQ. Denn in Maximalstellung des Q-Reglers erreicht die Filtergüte nur mit dem Typ Digital 2 eine ausreichend hohe Flankensteilheit, um dies zufriedenstellend bewerkstelligen zu können.
Analog anmutender Sound lässt sich mit dem HEQ nicht nur über die entsprechenden EQ-Typen und Frequenzbearbeitungen erzeugen. Die analogen Klangcharakteristiken stehen auf spezielle Weise auch in einer Art Master-Sektion zur Verfügung. Dort ist es möglich, den Signalen klangliche Artefakte analoger Signalverarbeitung aufzuprägen, in diesem Fall Rauschen und Brummen, wobei das 50 oder 60 Hertz-Brummen realistischerweise nur in den Vintage-Typen enthalten ist. Diese gut gemeinten Nebengeräusche sind jedoch selbst bei vollständig aufgedrehtem Noise-Level-Regler allenfalls als homöopathisch wahrzunehmen – fast schon typisch für Waves. Alles andere als homöopathisch wirkt dagegen der zugehörige THD-Regler, der den Signalen harmonische Verzerrungen aufaddiert. Deren Intensität kann auf bis zu eintausend Prozent aufgedreht werden, was im Praxistest die herrlichsten Klangverbiegungen ermöglicht.
Selbstverständlich kann die analoge Master-Sektion auch vollständig deaktiviert werden und Rauschen oder Verzerrungen bleiben abwesend. Zu den digitalen Features des hybriden Equalizer-Konzepts gehören zwei weitere Besonderheiten des HEQs: Zum Einen findet sich im Graphik-Display ein integrierter Analyzer, der nach Bedarf sowohl das eingehende Frequenzspektrum als auch das resultierende Ausgangssignal als Echtzeit-Graphen visualisiert und der Equalizer-Kurve überlagert ist. Diese Visualisierung dient im Test als wertvolle Hilfestellung, beispielsweise lassen sich somit unangenehme Resonanzen oder störende Nebengeräusche frequenzseitig sehr leicht identifizieren. Das zweite besondere Feature aus dem Reich der digitalen Möglichkeiten findet sich in Form einer integrierten Klaviatur unterhalb des Graphik-Displays. Mit ihrer Hilfe lassen sich auf einfache wie geniale Weise Noten beziehungsweise Tonhöhen direkt mit den entsprechenden Frequenzen in Verbindung bringen oder umgekehrt die Frequenz eines Bandes über die Eingabe einer Note einstellen. Die Frequenzbänder korrespondieren dabei über entsprechend farbliche Markierungen mit den Tönen auf der Klaviatur. Dieses Feature verknüpft auf sehr sinnvolle Weise technische und musikalische Mix-Aspekte miteinander, wofür es ein Sonderlob gibt. Vor allem Anwender mit eher musikalischem als technisch-frequenzorientiertem Gehör dürfte dieses Feature sehr entgegen kommen. Dröhnende Basstöne müssen nicht mehr mühsam mit dem Frequenzband gesucht werden, sondern können einfach durch Klick auf die entsprechende Taste der Klaviatur lokalisiert werden, um die Störung schlussendlich auf der Frequenzebene identifizieren und herausfiltern zu können. Abseits dessen sind damit auch kreative Frequenz-Verbiegungen möglich, wie zum Beispiel Resonanz- oder Kammfilter-Effekte. Im Hör- und Praxistest entpuppt sich der HEQ rasch als eine echte Überraschung. Ganz gleich mit welchem Material wir ihn füttern – wild schrammelnde Akustikgitarren, zarte Klaviertöne, High-Speed-Drumgrooves oder vokale Darbietungen – er vermag jedem Signal diese zwar bekannte, aber schwer zu beschreibende Art von Vordergründigkeit aufzuprägen, die wir auch beim Softube Trident A-Range-EQ beobachten konnten (siehe Test Ausgabe 08/2010). Dessen Klangcharakteristik, von uns bisher eher als kräftig und zupackend eingeschätzt, erscheint angesichts des HEQs nun fast schon subtil. Kräftige Eingriffe ins Frequenzgeschehen sind also wahrlich die Domäne des HEQs. Vor allem bei Anhebungen im sensiblen Mittenbereich vermag er es, Signale extrem nach vorn zu schieben. Die verschiedenen EQ-Typen klingen dabei jeder für sich stets angenehm musikalisch. In Puncto Klangcharakteristik wird dabei jeder Typus seiner Bezeichnung gerecht: Die amerikanischen Varianten klingen stets etwas vordergründiger, kräftiger und frischer als die UK-Typen. Diese üben sich dagegen eher in typisch britischer Zurückhaltung, erzeugen subtilere Klang-Veränderungen und lassen das Signal dafür vor allem in den Mitten kompakter erscheinen. Auch fällt auf, dass die britischen Typen stets mit etwas höheren Filtergüten aufwarten als die US-Pendants. Die amerikanischen Varianten stehen im Umkehrschluss also eher für den breiteren Pinselstrich. Der neu entwickelte Digital1-Typ spielt seine Stärken tatsächlich im Hoch- und Tieffrequenzbereich aus und eignet sich beispielsweise hervorragend zum Entzerren des Hochtonbereichs von Schlagzeug-Overheads, die durch kräftige Anhebung sogleich angenehm glitzernd erklingen. Endgültig begeistert sind wir, als wir den THD-Regler der Analog-Sektion mit einem der Vintage-Typen aktivieren: Unsere schlappe und etwas muffige Tuba-Basslinie wird im dritten und vierten Obertonbereich mit harmonischen Verzerrungen kräftig aufgeputscht und setzt sich nun im Arrangement so stark durch, dass wir sie um mehrere Dezibel zurückfahren müssen – und dass ohne auch nur annähernd einen Kompressor bemüht oder die Aussteuerungsgrenze erreicht zu haben. Auch Stimmen oder Saiteninstrumenten stehen die sanften bis kräftigen Verzerrungen je nach Arrangement sehr gut zu Gesicht und klingen dabei selbst bei heftigen Verbiegungen stets auf ihre Art angenehm.
Im Hör- und Praxistest von Professional audio überzeugt sofort die Flexibilität des R-26, der in Kombination mit zwei externen Mikrofonen zur Höchstform aufläuft. Zunächst aber positioniere ich den Recorder vor eine Konzertgitarre und fertige eine Aufnahme im Vier-Kanal-Modus (X/Y und Omni) an. Als nächstes nehme ich Sprache und Gesang auf die gleiche Art und Weise auf, um die internen Kapseln auf Herz und Nieren zu prüfen. Im Nachhinein transferiere ich die Aufnahmen in die DAW, um sie durch Abhören per Kopfhörer und über Monitore zu beurteilen. Das X/Y-Paar kommt sehr direkt und in puncto Impulsverhalten und Auflösung macht es eine gute Figur. Bei der Gitarrenaufnahme zeigt sich zwar eine leichte Zurückhaltung im unteren Mittenbereich und ich vermisse das letzte Quäntchen Offenheit in den Höhen. Insgesamt aber überzeugt ein recht ausgewogener, transparenter Gesamtklang, der besonders durch seine Durchsetzungskraft – das zeigt sich besonders gut bei den Sprachaufnahmen – punktet. Das Kugel-Konglomerat zeigt sich insgesamt etwas zurückhaltender und fängt die Rauminformationen detailgetreu und präzise ein. Der Grundsound ist dem der X/Y-Kapseln recht ähnlich, erscheint aber unterm Strich etwas ausgewogener. Spannend wird es beim Kombinieren der beiden Stereo-Mikrofone. Nimmt man die X/Y-Aufnahme als Hauptsignal, kann die omnidirketionale Variante sehr geschmackvoll für die Rauminformationen hinzugemischt werden, wodurch die Gitarrenaufnahme mehr Plastizität und Griffigkeit bekommt. Für die folgende Sechs-Kanal-Aufnahme schließe ich zwei Kondensatormikrofone an und wähle den Modus X/Y+Omni+Analog. Dann positioniere ich den Recorder in rund 1,5 Meter Entfernung zur Gitarre, die ich zusätzlich mit den externen Mikrofonen nah mikrofoniert habe. Das Einpegeln ist nicht ganz einfach, weil der Recorder mehr als eine Armlänge entfernt steht. Nach ein paar Versuchen und mit Hilfe der Auto-Sens-Funktion, die mir wichtige Hinweise zum richtigen Eingangspegel liefert, gelingt schließlich eine übersteuerungsfreie Aufnahme. In der DAW höre ich mir das Ergebnis an: Durch den Einsatz der externen Mikrofone kommen mehr Detailinformationen zum Vorschein und die Anschlaggeräusche und das Rutschen der Finger auf den Saiten werden präzise und natürlich abgebildet. Im direkten Vergleich zu einer Aufnahme über ein Audio-Interface (M-Audio FW410) mit den gleichen Mikrofonen sind kaum Unterschiede auszumachen. Insgesamt klingt der Recorder zwar etwas dünner und minimal weniger aufgelöst aber grundsätzlich liegt er auf ähnlichem klanglichen Niveau. Das Schöne an der Aufnahme aber ist, dass ich den natürlichen Raum, den ich mit den internen Mikrofonen aufgenommen habe, nun in der DAW hinzumischen kann. Ich mische schlussendlich Kugel- und X/Y-Signal hinzu, so dass ein natürlicher Raumklang entsteht und verwandle die Close-Miking-Aufnahme in ein überzeugendes Endergebnis. Fazit: Der R-26 überzeugt durch seine Flexibilität in puncto Aufnahme-Modi und Eingangsquellen-Kombinationen, wodurch eine Vielzahl praxisnaher Aufnahme-Setups realisierbar ist. Der grafische Touchscreen und das durchdachte Bedienkonzept machen den, auf den ersten Blick zwar etwas kantigen, Mobilisten zu einem intuitiv und komfortabel bedienbaren Handheldrecorder, der in vielen Punkten auch professionellen Ansprüchen genügt.
Fazit
Die Symbiose ist geglückt. Mit seiner Mischung aus analogem Klangcharme, digitalen Filter-Neuentwicklungen und den kleinen, aber feinen Zusatzfunktionen aus beiden Welten wie Analyzer, Klaviatur und analogen Geräuschen und Verzerrungen macht das hybride Konzept des HEQ seinem Namen alle Ehre. Entzerrungen mit dem HEQ greifen kräftig ins Frequenzgeschehen ein, klingen dabei jedoch stets musikalisch. Mit den sieben EQ-Typen erhält der Anwender zudem eine beachtenswerte Auswahl verschiedener Filter-Charakteristiken aus beiden Welten, die jeweils mit ihrem eigenen Klangcharme aufwarten. Ob kräftig-frisch oder zurückhaltend-kompakt, hier dürfte für jeden Klanggeschmack etwas dabei sein. Analyzer und Klaviatur runden das Paket auf sinnvolle und innovative Weise ab und bieten selbst wenig technik-affinen Klangschraubern einfache Hilfestellungen und sogar kreatives Effektpotenzial. In Anbetracht des wirklichen günstigen Preises von gerade einmal rund 100 Euro ist der HEQ nicht nur ein Schnäppchen, sondern eine echte Empfehlung.
Erschienen in Ausgabe 12/2011
Preisklasse: Oberklasse
Preis: 70 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: überragend
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