Taschen-Spieler
Viele Features, jede Menge Einstellmöglichkeiten, reichlich Anschlüsse, geringe Abmessungen, solider Klang: Der jüngste Spross aus dem Hause Mark of the Unicorn versucht das Unmögliche.
Von Hans-Günther Beer
Spätestens seit dem erfolgreiche Popsongs komplett auf einem Notebook im Hotelzimmer produziert worden sein sollen, sind mobile Recording-Studios salonfähig geworden. Meist bestehen sie aus einem mehr oder weniger leistungsfähigen Notebook und einem USB- oder Firewire Audio-Interface. Dass aktuelle mobile Interfaces beachtliche Qualitäten aufweisen können, haben einige Modelle in Tests in Professional audio Magazin schon bewiesen.
Jetzt ist Mark of the Unicorn mit seinem Beitrag zur aktuellen Mobil-Szene vorstellig geworden und präsentierte kürzlich den UltraLite, dessen unverbindlicher Richtpreis 675 Euro beträgt. Als kleiner Bruder des seit Jahresfrist erhältlichen, ebenfalls schon sehr mobilen Traveller gibt sich der mit 24 Bit Auflösung und maximal 96 kHz Samplingfrequenz arbeitende Ultralite nochmals kompakter. Mit den Ausmaßen einer kleinen Schachtel Pralinen passt er garantiert in jede Akten- oder Notebook-Tasche. Das gedrungen wirkende gegossene Aludruckgehäuse mit seiner leicht rauen und Handschmeichelnden Oberfläche ist ein optischer und haptischer Genuss. Das Gewicht ist mit etwas mehr als einem Kilogramm erstaunlich hoch und vermittelt zusätzlich Wertigkeit. Es entsteht sehr schnell das gewisse haben-will-Gefühl. Dieses setzt sich fort, wenn man sich intensiver mit den technischen Details des Ultralite beschäftigt. Zwar braucht man recht spitze Finger, um die vier winzigen Kippschalter für Phantomspeisung und Dämpfungschalter (-18 und -36 dB) und die sieben kleinen Endlos-Drehregler auf der Front zu bedienen, doch die Haptik überzeugt. Viel Platz ist auf der Front des neuen Motu nämlich nicht, musste doch noch ein hintergrund beleuchtetes LCD-Display, die Kommandozentrale darstellend, eine Kopfhörerbuchse und ein kombinierter Mikrofon- Instrumenten-Anschluss als kombinierte XLR-/TRS-Klinbkenbuchse Platz finden. Den zweiten Mikrofon-Instrumenten-Anschluss mussten die Entwickler auf die Rückseite verbannen. Dort sitzen auch dicht gedrängt alle anderen Anschlüsse des Ultralite – und davon gibt es eine Menge. Sechs analoge Hochpegeleingänge, acht analoge Ausgänge plus zwei Main-Ausgänge, alle in Klinke, symmetrisch ausgeführt, sowie je ein S/PDIF Digital- Ein- und Ausgang mit Cinch-Buchsen finden sich dort. Zwei Midi-Buchsen, je ein Ein- und Ausgang, und zwei Firewire-400-Anschlüsse machen neben einer Buchse für das mitgelieferte externe 9-Volt-Steckernetzteil die Rückseite voll. Der Gleichstrom-Eingangsbuchse ist es übrigens egal, ob der mittlere Stift plus oder minus gepolt ist. Das macht im Notfall die Ersatzbeschaffung eines Netzteils, falls das mitgelieferte abhanden gekommen ist, unproblematisch. Alternativ lässt sich der Ultralite auch via Firewirekabel vom Notebook aus mit Energie versorgen. Wir empfehlen aber ausdrücklich, die stabilere Stromversorgung durch das Netzteil vorzuziehen, das hat nicht unerhebliche Vorteile für die Klangqualität.
Zwar sitzen die insgesamt 20 Klinkenbuchsen auf der Rückseite etwas nahe beisammen, sonderlich dick dürfen die entsprechenden Stecker nicht ausfallen, doch die Qualität aller Anschlüsse ist hochwertig. Die Mikrofonanschlüsse besitzen beispielsweise professionelle Verriegelungstasten, das bieten viele Konkurrenten in dieser und höheren Preisklassen nicht.
Sehr clever, wenn auch ein wenig gewöhnungsbedürftig, geriet das Management für die vielfältigen Einstelloptionen mit Hilfe des sehr gut ablesbaren LCD-Displays und der vier, präzise laufenden Endlos-Drehregler rechts daneben. Alle Regler haben zusätzlich eine Drucktaster-Funktion, mit der sich entweder ein Wert anwählen oder bestätigen lässt. Mit Hilfe des Page-Reglers kommt man per Tastendruck von der Aussteuerungsanzeige in die Menüs Setup oder Mixer. Dort blättert man jeweils seitenweise bis zur gewünschten Funktion durch Die jeweils dort einstellbaren Parameter wählt man zuerst mit dem Curser-Regler an und verändert den Wert mit dem Value-Regler. Klingt kompliziert, ist aber einfach.
So lassen sich im Setup-Menü beispielsweise die Samplingfrequenz (44,1 kHz bis 96 kHz) auswählen und festlegen, oder ob etwa Buss 2 auf den S/PDIF oder den Main-Ausgang gelegt wird. Ja, Sie haben richtig gelesen, der Ultralite verfügt über interne Busse, insgesamt vier. Auf die lassen sich folglich vier unterschiedliche Abmischungen jeweils aller Eingänge legen. Diese Busse mit ihren zweikanaligen Stereo-Mischungen lassen sich dann jeweils beliebig auf sechs verschiedene Stereo-Ausgangspaare, verteilen. Beispielsweise kann man zwei individuelle Mixe für die Musiker – von Motu CueMix genannt – auf die Ausgänge 3-4 und 5-6 legen, die dann ihrerseits zwei Kopfhörerverstärker, etwa vom Schlage eines Lake People Phone Amp F399D (siehe Test Seite 74) versorgen. Einen weiteren CueMix kann man dann beispielsweise für Kontrollzwecke via S/PDIF auf einen mobilen CompactFlash-Recorder aufzeichnen. Der Phantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt.
Ein Druck auf die Page/Setup-Taste und man kann im Mixer-Menü für jeden der vier Mixer die Pegel (Gain) der zehn Eingänge (acht analog, zwei digital) und den Ausgangspegel des Mixers selbst sehr feinfühlig einstellen. Im Pegelbereich unterhalb von zirka -35 Dezibel sind die Pegelsprünge bei langsamem Drehen mit drei bis fünf Dezibel pro Drehklick des Valuereglers etwas gröber, oberhalb dieser Schwelle sinkt die Schrittgröße auf ein Dezibel. Dreht man den Regler schnell steigt auch dort die Schrittweite auf zirka fünf Dezibel – sehr praktisch ausgelegt.
Diese Cue-Mix Abhörmöglichkeit der im Ultralite angefertigten Rohmischungen soll das Latenzfreie Mithören der Musiker ermöglichen. Dies funktioniert in der Tat, da die Gesamtlatenzzeiten des Ultralite – gemessen analog rein, analog raus – lediglich bei 2,2 Millisekunden (48 kHz) beziehungsweise 1,36 ms (96 kHz) liegen. Diese Werte liegen unter der, gemeinhin als hörbar bewerteten, Schwelle für die meisten Musiker. Für sehr empfindliche Naturen könnten 2,2 ms aber schon zu viel sein, sie würden diese Zeitverzögerung schon als störend fürs eigene Taktempfinden ansehen. Aber das ist ein grundsätzliches Problem der Digitaltechnik und kann keinesfalls dem Ultralite angekreidet werden.
Alle weiteren Konfigurationsparameter, wie etwa Mute-Schaltung der Eingänge oder das Anheben der Mikrofon-Eingangs-Verstärkung – jeweils bis maximal 24 Dezibel – mithilfe der Trimmregler ganz links, lässt sich bequem auf der Gerätefront bewerkstelligen. Aber noch bequemer mit der beiliegenden Software CueMix Console auf dem Notebook (siehe Seite 89). CueMix Console ist in seiner Struktur wie ein Mischpult aufgebaut. Man hat alle Parameter im direkten Zugriff, alle Zuordnungen und Einstellungen, gleichgültig, ob am Ultralite selbst oder auf der Software-Oberfläche ausgeführt sind, sofort zu überblicken. Analog zu den vier Bussen im Ultralite lassen sich auch in der Console vier separate Mischoberflächen anwählen und jeweils individuelle konfigurieren. Selbstverständlich kann man alle Parameter abspeichern, mit Ausnahme der Samplingfrequenz, das geht nur in der Hardware selbst. Der Ausgangspegel des Main-Ausgangs, an den man üblicherweise die Abhörmonitore im Studio anschließt stellt man über den Regler Main Vol unabhängig von allen anderen Parametern ein – sehr praktisch, da für diese wichtige Primärfunktion nicht erst in den Submenüs herumgewühlt werden muss. Dieser Regler schaltet auf Druck den Motu ein, denn bootet er einige Sekunden wie ein Computer, oder aus. Dabei ist der Taster festzuhalten bis der Countdown auf null gezählt hat – ein netter Gag.
Messtechnisch zeigte der Ultralite ein für diese Gerätekategorie und Preisklasse erfreulich hohes Qualitätsniveau. Die Eingangsempfindlich keit geriet mit -55 Dezibel allerdings nicht sonderlich hoch, der Traveller bietet hier fünf Dezibel mehr. Leise dynamische Mikrofone könnten da schon Schwierigkeiten bekommen. Auch ist der maximale Eingangspegel des Mikrofoneingangs mit -17,5 Dezibel (Traveller -2,5 Dezibel) relativ gering, die praktische Dynamik des Ultralite-Mikrofonverstärkers ist also relativ gering. Sehr gut wiederum die Geräusch- und Fremdspannungsabstände und sehen lassen können sich auch die sehr niedrigen Klirrwerte. Die Eingangsempfindlichkeit der Line-Eingänge beträgt -12,9 Dezibel, lässt sich aber mittels Trimmreger im Menü Mixer um weitere 18 Dezibel anheben. Der Frequenzgang ist wie mit einem Lineal gezogen. Wer die minimale Absenkung von -0,5 Dezibel bei 20 Hertz überhaupt des kommentierens würdig erachtet, begibt sich ins Reich der theoretischen Pfennigfuchserei.
Die Messkurve für das Jitterspektrum des Ultralite, auf dieses Thema gehen wir in unserer nächsten Ausgabe en detail ein, gerät mit -65 Dezibel für ein Gerät dieser Preisklasse erstaunlich gut (siehe Kurve), auch wenn die großen Studio-Wandler wie der DAD AX24 (siehe Test Seite 82) hier in einer anderen Liga spielen. Grundsätzlich sei vermerkt: Je höher die Jitterdämpfung, also je geringer der Jitter, umso geringer fällt die Klangbeeinträchtigung durch die entsprechenden Verzerrungen aus. Der internen Referenzclock des Ultralite kann man also ein ordentliches Zeugnis ausstellen.
Im Hörtest muss sich der Ultralite unter anderem auch gegen den größeren Bruder behaupten und schlägt sich mehr als ordentlich. Von Rauschen uns sonstigen Störungen ist bei allen Aufnahme- und Wiedergabetest keine Spur festzustellen. Von einem Pärchen Rode NT5 (siehe Test in Ausgabe 5/2006) mit Signalen beliefert, zeigt der Ultralite ein sehr plastisches und transparentes Klangbild, dem es lediglich im Bassbereich ein wenig an Druck und Kontur und in den Höhen an feinster Auflösung zum Beispiel bei Anzupfen von Gitarrensaiten oder leisen Beckenschlägen fehlt. Das kann der Traveller etwas besser und eine SPL Gainstation1 (Test Ausgabe 6/2006) deutlich hörbar besser. Insgesamt jedoch spielt der Ultralite auf einem hohen Klangniveau und kann selbst für anspruchsvolle Recordingsessions einen guten Job machen. Es ist allerdings unsinnig, ihn mit teuren, externen Mikrofon-Vorverstärkern zu koppeln, die womöglich ein mehrfaches des Ultralite kosten – wer also höhere Ansprüche befriedigen will, muss andere Lösungen wählen – und die gibt es auch im Hause Motu.
Fazit
Der Motu Ultralite ist eine interessante Bereicherung des Angebots an Audio-Interfaces in der Preisklasse um 600 Euro. Mit seiner guten Klangqualität und vor allem mit seinen enorm vielfältigen Konfigurationsmöglichkeiten erfüllt er selbst gehobene Ansprüche, die über diese Preisklasse hinausragen, voll und ganz.
Erschienen in Ausgabe 07/2006
Preisklasse: Mittelklasse
Preis: 675 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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