Rappelkiste
Mit dem winzigen monotron präsentierte Korg im vergangenen Jahr den zurzeit wohl kleinsten Analog-Synthesizer am Markt. Die Groove Box monotribe führt das Konzept des monotron jetzt als sozusagen nächsten Evolutionsschritt weiter fort.
Von Georg Berger
Korg kann es einfach nicht lassen und hat mit der Groove Box monotribe wiederum seinem Faible nachgegeben für überaus kompakte Geräte, die den Anschein von Spielzeugen besitzen, jedoch mit beinharten Profi-Features aufwarten können. Der Hersteller setzt auch dieses Mal nicht zuletzt oder gerade wegen der äußeren Erscheinung auf pures Understatement, dem in Konsequenz ein gewisser Lifestyle-Touch innewohnt.
Das Kistchen nimmt die Dimension eines halben DIN-A-4-Blattes ein, wobei es mit einer Höhe von knapp fünf Zentimetern und einem Gewicht von knapp eineinhalb Pfund äußerst stämmig, aber auch sehr robust wirkt. Dennoch reiht es sich nahtlos in die Riege der bislang produzierten Kompakt-Geräte des Herstellers ein, wie etwa die Nano-Controller-Serie (Test in Heft 12/2008) oder der im letzten Jahr vorgestellte monotron (Test in Heft 8/2010). Das Konzept und die Ausstattung des monotribe wird bereits in der Namensgebung dokumentiert, die sich aus den Wörtern „monotron“ und „Electribe“ zusammensetzt. Tatsächlich hat das rund 240 Euro kostende Instrument eine Vielzahl von Genen des winzigen monotron-Synthesizers sowie der Electribe Groove-Boxen geerbt. Es verfügt über einen monophonen Synthesizer auf rein analoger Basis, das zusätzlich um separate Klangerzeugungen für Bass-, Snare-Drum- und Hihat-Sounds analoger Provenienz erweitert wird. Alle vier Klangerzeuger sind schließlich über einen Step-Sequenzer mit einer Schrittlänge von acht Steps ansteuerbar. Ganz dem Konzept einer klassischen Groove Box verpflichtet, erlaubt der monotribe also das Produzieren von Drum-Grooves und Bass-/Melodie-Linien für alle Spielarten elektronischer Musik, sei es etwa Hip Hop, Techno, House oder Minimal Electro.
Wie erwähnt weist der Synthesizer-Part des monotribe eine Reihe von Parallelen zum monotron auf. Hingucker ist der Ribbon-Controller mit aufgedruckter Klaviatur, der, ebenso wie im monotron, anstelle von Keyboardtasten zum Spielen von Melodien dient und eine entsprechende Zeit der Einarbeitung erfordert, um musikalisch verwertbare Ergebnisse zu erhalten. A pro pos Gemeinsamkeiten: Hier wie dort findet sich auch ein integrierter Lautsprecher sowie ein Batteriefach zur Aufnahme von, in diesem Falle, sechs AA-Batterien, so dass sich auch mit dem monotribe völlig autark musizieren lässt. Ein Netzgeräte-Anschluss ist übrigens zusätzlich integriert. Last but not Least ist es auch im monotribe möglich, externe Signale ins Gerät zu speisen, die sich anschließend über das Filter ordentlich verbiegen lassen. Zusammen mit einem separaten Audio- und Kopfhörer-Ausgang offeriert das Kistchen ausreichende Verbindungsmöglichkeiten. Buchsen zur Übertragung von MIDI-Signalen sind nicht an Bord, was aber hinsichtlich der Preisgestaltung verschmerzbar ist. Dafür offeriert der monotribe zwei Mini-Klinken-Buchsen zum Senden und Empfangen von Synchronisations-Signalen, die sich sogar in der Polarität umkehren lassen. Über diese Anschlüsse können mehrere monotribes miteinander verbunden und synchronisiert werden. Vor kurzem hat der Hersteller übrigens eine kostenlose App für Apples iPhone, iPod Touch und iPad veröffentlicht, die das Synchronisieren des monotribe mit der iElectribe-App ermöglicht.
Der Großteil der Drehregler und Kippschalter dient zum Editieren des Synthesizer-Sounds, wobei sich deutlich mehr Eingriffsmöglichkeiten als im monotron bieten. Drei Wellenformen stehen im Oszillator zur Auswahl – Dreieck, Sägezahn, Rechteck – auf die sich zusätzlich weißes Rauschen hinzu mischen lässt. Die Schaltung des Tiefpassfilters ist wiederum den Korg-Klassikern MS-10/-20 entlehnt. Der LFO wartet ebenfalls mit drei wählbaren Wellenformen auf, der schließlich in Geschwindigkeit und Modulationsintensität einstellbar ist. Besonderheit: Ein Kippschalter versetzt den LFO in die Betriebsmodi „Fast“, „Slow“ und „One Shot“. Die Fast- und Slow-Modi definieren verschiedene Geschwindigkeitsbereiche, wobei der LFO in Stellung Fast bis in den Audio-Bereich schwingt und somit eine einfache Frequenzmodulation erlaubt. Im One-Shot-Modus wird synchron zum Triggern von Noten lediglich die obere Halb-Amplitude der LFO-Wellenform einmal abgespielt, was sich hervorragend für akzentuierte Sweeps eignet. An Modulationszielen stehen der Oszillator, das Filter-Cutoff oder beide Ziele gemeinsam zur Auswahl. Die Eingriffsmöglichkeiten in die Lautstärke-Hüllkurve erstrecken sich hingegen auf drei per Kippschalter wählbare Presets mit verschiedener Ausgestaltung der einzelnen Hüllkurvenphasen. Bemerkenswert ist schließlich der Fußlagenwahlschalter, der in Verbindung mit dem Range-Schalter Einfluss auf den im Ribbon-Controller spielbaren Tonumfang nimmt. In Stellung „Wide“ ist der Fußlagenschalter außer Funktion, wobei sich der maximale Tonumfang – etwa sechs Oktaven – auf der „Tastatur“ spielen lässt. Dieser Modus ist primär zum Spielen von Effektsounds und eindrucksvollen Portamento-Effekten geeignet, wenn man mit dem Finger über die gesamte Breite des Ribbon-Controllers streicht. In Stellung „Narrow“ und „Key“ ist der Lagen-Schalter jedoch aktiv und analog zu den aufgedruckten Tasten im Ribbon-Controller ist ein Bereich von eineinhalb Oktaven chromatisch deutlich präziser spielbar. Unterschied: Der Narrow-Modus erlaubt im Rahmen des Tonumfangs das Spielen von Portamento-Effekten.
Die Eingriffsmöglichkeiten in die Schlagzeug-Sektion des monotribe beschränken sich hingegen auf das Spielen der Sounds mit Hilfe der Part-Tasten und auf einen Regler zum Einstellen der Gesamtlautstärke aller Schlagzeug-Sounds. Zusätzliche Parameter zum Ausformen dieser Sounds werden im Test aber auch nicht vermisst. Das zweite Haupt-Feature des monotribe, der Sequenzer, wartet hingegen mit einer Vielzahl an Features auf. Für jeden der vier Sounds lässt sich selbstverständlich ein eigenes Pattern programmieren. Das Tempo ist mit Hilfe des gleichnamigen Reglers einstellbar. Besonderheit: Über den Active-Step-Taster können gezielt bestimmte Steps global für alle Spuren aktiviert oder deaktiviert werden, was beim Abspielen von bereits einprogrammierten Pattern zu reizvollen rhythmisch-melodischen Variationen führt. So verkürzen wir im Test die Step-Länge von acht auf vier, wobei wir den zweiten, vierten, siebten und achten Step deaktivieren. Das Ergebnis: Der zuvor straighte Four-to-the-Floor-Groove ändert sich in eine synkopierte Variante, was gleichzeitig mit einer drastischen Änderung der zuvor eingespielten Melodie einhergeht. Mit dieser Art von Mute-Funktion eröffnen sich also zusätzliche Möglichkeiten zur lebendigen Gestaltung von Grooves. Der Programmiervorgang für die Drumsounds ist denkbar einfach gelöst: Zuerst den gewünschten Drumsound mit Hilfe der Parttasten auswählen und anschließend einfach die gewünschten Einsätze über die acht Schritt-Taster oberhalb des Ribbon-Controllers eintippen. Melodien und Bassläufe werden, wie sollte es anders sein, über den Ribbon-Controller eingespielt. Wie erwähnt, ist die monotribe-Box in der Lage ein Arrangement aufzunehmen und zu speichern, was mit Hilfe der Play- und Record-Taster wie gewohnt realisierbar ist. Um das Arrangement speichern zu können, reicht ein längerer Druck auf den Record-Taster. Erlischt die rote Diode, ist das zuvor Eingespielte gespeichert. Doch das ist noch nicht alles. Zwei weitere Funktionen – Gate Time und Flux – nehmen auf teils drastische Weise Einfluss auf die Synthesizer-Sequenzen. Über Gate Time bestimmen wir die Tondauer der Sequenz, was denkbar einfach geschieht. Wir halten den Gate Time-Taster gedrückt und streichen mit dem Finger über den Ribbon-Controller um die gewünschte Dauer einzustellen, was sich selbstverständlich auch aufnehmen lässt. Legato-Sequenzen verwandeln sich dadurch flugs in ein Staccato-Feuerwerk. Mit aktivierter Flux-Funktion spielt die einprogrammierte Sequenz unabhängig vom vorgegebenen Sequenzer-Raster. Anders ausgedrückt werden kontinuierliche Tonhöhenänderungen über diese Funktion hörbar. Ein Beispiel: Im Test nehmen wir mit aktiviertem Flux-Modus ein Portamento über die gesamte Breite des Ribbon-Controllers auf. Wir hören wie sich die Tonhöhe kontinuierlich ändert. Das Deaktivieren des Flux-Modus führt beim Abspielen anschließend zu deutlich hörbaren Tonsprüngen, die stufenartig nach oben transponiert werden. Somit bietet sich eine weitere pfiffige Option zur klanglichen Ausgestaltung von Arrangements.
Im Hör- und Praxistest kann der monotribe auf ganzer Linie überzeugen. Das Programmieren und Variieren von Pattern und Melodien über den Sequenzer sowie das Herumschrauben an den Synthesizer-Parametern macht ausnahmslos einen Heidenspaß. Nicht zuletzt oder gerade aufgrund der überschaubaren Ausstattung sind wir begeistert von den sich bietenden vielfarbigen Möglichkeiten zur Ausformung von Klängen und Sequenzen. Das macht nicht nur uns regelrecht süchtig, sondern übt auch auf völlig fachfremde Kollegen in unserem Verlagshaus einen unwiderstehlichen Reiz aus. Klanglich liefert der monotribe Analog-Sound at its best. Die Drum-Sounds erinnern ein wenig an den Korg KR-55 Drumcomputer von 1979, wenngleich die monotribe-Sounds ein wenig schlanker im Grundsound klingen, aber trotzdem immer noch wuchtig aus den Lautsprechern kommen. Deutlich voller und voluminöser klingts aus der Synthesizer-Sektion. Die Palette an realisierbaren Klangfarben ist trotz der Ausstattung immens. Der monotribe liefert kellertiefe, wuchtige Bässe, filigrane Klingelsounds, schrille, harsche und kreischende Effektsounds sowie hauchzarte Klangspektren. Die üblichen Zwitscher- und Blubbersounds sind ebenfalls in mannigfaltiger Art machbar. Das äußerst kraftvoll zupackende Filter kann im Zusammenspiel mit dem Sequenzer als Geheimwaffe stets überzeugen. Mit hoch eingestellter Resonanz und durch Ändern des Cutoffs setzt sich der monotribe bei Bassläufen eindrucksvoll in Szene und empfiehlt sich sogar als ernsthafte Alternative zum Roland-Klassiker TB-303.
Fazit
Mit der Groove Box monotribe ist Korg einmal mehr ein Meisterstück gelungen, das offenbar nach den Devisen „Größe ist nicht ausschlaggebend“ und „Weniger ist oft mehr“ den Spaß beim Musizieren deutlich in den Mittelpunkt stellt. Dabei punktet das Kistchen mit klanglicher Vielgestaltigkeit und flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten, die sofort süchtig machen. Live und im Studio wird monotribe künftig eine Menge Anhänger dies- und jenseits des Dancefloor-Sektors finden.
Erschienen in Ausgabe 07/2011
Preisklasse: Economyklasse
Preis: 237 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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