Wanderer zwischen den Welten
Native Instruments ist mutig. Denn mit dem jüngsten Wurf Maschine begibt sich das Berliner Unternehmen auf das Terrain der Groove-Boxen, was vom Vorreiter Akai mit seinen MPC-Modellen souverän beherrscht wird. Ob und wie sich der Neuling dieser Übermacht erwehren kann, klärt der Test.
Von Georg Berger
Als der Pro Audio Hersteller Akai vor über 20 Jahren sein erstes MPC-Modell präsentierte, war ihm damals selber wohl noch nicht klar, dass er gleichzeitig die neue Gerätegattung der Groove Boxen und einen Industriestandard ins Leben rief. Die Hardware-Rundum-Lösung zur Produktion von Musik, die bis heute in vielen Generationen weiter fortgeführt wird, feiert vor allem im Dancefloor-Bereich und im Live-Betrieb fröhliche Urständ. Kein Wunder, denn die platzsparende Kombination aus Pattern-Sequenzer, Sampler und Effektgerät, gepaart mit seinen charakteristischen Spielhilfen, bestehend aus 16 anschlagsdynamischen Pads, ist geradezu prädestiniert zur Entwicklung von Drum-Grooves, Dancefloor-Tracks und zum Abfeuern von Loops. Weitere Hersteller sind in der Folgezeit ebenfalls auf diesen Zug aufgesprungen und offerieren Hardware, die konzeptionell ähnliche Ziele verfolgt Etwas länger schon findet sich auch eine Reihe von reinen Software-Lösungen am Markt, die das Groove-Box-Konzept auf die virtuelle Ebene hieven. Auffällig dabei ist, dass der Groove Boxen-Sektor bislang strikt in Hard- und Software getrennt ist, wobei in beiden Lagern in Sachen Bedienung, Funktionsumfang und Ausstattung sowohl Vor- als auch Nachteile existieren. Mit seiner, „Maschine“ betitelten, eigenen Version einer Groove Box offeriert der Berliner Hersteller Native Instruments in diesem Marktsegment erstmals eine gezielt aufeinander abgestimmte Kombination aus Soft- und Hardware und will somit die Vorzüge beider Welten in das selbstbewusst untertitelte „Groove Production Studio“ vereinen. Das rund 600 Euro teure Bundle besteht aus einem Hardware-Controller zum Programmieren und Spielen von Pattern und Loops, dessen Ausstattung eine Hommage an den Urvater Akai MPC darstellt. Die mitgelieferte Software offeriert standesgemäß einen Pattern-Sequenzer, eine Effektsektion mit 20 wählbaren Algorithmen sowie eine Sampler-Engine. Der Clou: Die Engine erlaubt nicht nur das Abspielen von Samples, es finden sich sogar Dialoge, die das Erstellen und Bearbeiten eigener Samples bequem ermöglichen, was uns zuletzt beim Test des virtuellen Morgana-Samplers begeisterte (Test in Heft 7/2008). Im Vergleich zu den momentan im Markt erhältlichen, virtuellen Samplern wirkt dieses altgediente Hardware-Feature erfrischend innovativ. Mehr noch, Maschine lässt sich mit den verfügbaren Audio-Eingängen auch als waschechtes Multieffekt-Gerät zweckentfremden, was die Nutzungsmöglichkeiten des Gesamtpakets noch einmal erweitert. Selbstverständlich findet sich mit einer rund fünf Gigabyte großen Library, die sich auf über 15.000 Sounds verteilt, gehörig Sample-Futter im Lieferumfang. Einem sofortigen Produzieren eigener Tracks steht somit nichts im Weg. Native Instruments setzt damit seine Firmenphilosophie gekonnt weiter fort und legt wiederum eine gezielt entwickelte Lösung zur noch besseren Bedienung von Software vor, die den Anwender von der Knechtschaft der Maus befreit. Logischerweise ist zur Inbetriebnahme von Maschine neben einem Computer auch ein Audio-Interface erforderlich. Insgesamt acht Stereoausgänge lassen sich – sofern vorhanden – sowohl am Audio-Interface als auch virtuell im Sequenzer aus der Maschine-Software herausleiten. Zur Aufnahme eigener Samples stehen virtuell ein Stereo- respektive zwei Mono-Eingänge zur Verfügung, die sich frei auf die Eingänge des eingebundenen Wandlers routen lassen.
Der Vorteil an der Maschine-Lösung liegt dabei auf der Hand: Im Vergleich zu den reinen Hardware-Lösungen lassen sich Funktionserweiterungen mittels Software-Update deutlich einfacher und komfortabler durchführen. Hardware-Optimierungen geschehen quasi modular ganz einfach durch Kauf eines neuen Computers oder Wandlers. Der Clou: Die Maschine-Software arbeitet nicht nur Stand-alone was sich primär für den Laptop-Musiker mit Live-Ambitionen anbietet. Vielmehr lässt sie sich auch als Plug-in via VST-, AU- oder RTAS-Schnittstelle in Sequenzer einbinden, um sich dort als Produktionswerkzeug nahtlos in den Workflow einzufügen. Maschine reißt somit souverän die Barriere zwischen Soft- und Hardware ein und bietet für Live- und Studio-Anwender in gleichem Maße Vorteile. Doch genug der Vergleiche, schauen wir einmal näher ins Räderwerk der Maschine, wobei wir uns zuerst dem Maschine-Controller widmen. Auf der Oberseite des schwarz eloxierten Aluminium-Gehäuses stechen die 16 anschlagsdynamischen und Aftertouch-fähigen Drumpads ins Auge. Ansprache und Anschlagsdynamik der Pads lässt sich über das Preferences-Menü der Software flexibel den eigenen Spielbedürfnissen anpassen. Diese Einstellungen lassen sich selbstverständlich auch direkt am Controller vornehmen, was übrigens bis auf ein paar wenige Ausnahmen für alle Eingriffsmöglichkeiten in die Software gilt. Der stabil verarbeitete Controller nimmt dabei in etwa die Fläche eines Notebooks ein. Besonderheit: Sämtliche Tasten bestehen aus milchig-transparentem, griffigen Gummi und sind mit Ausnahme der fünf blau leuchtenden Group-Tasten orange hinterleuchtet. Besser noch: Unterschiedliche Helligkeitsintensitäten geben Auskunft über den Schaltzustand, was für Controller dieser Art nicht alltäglich ist. Witzig: Im Test führen die Drumpads beim Programmieren und Abspielen von Pattern ein hübsch anzuschauendes Lauflicht-Ballett aus, was nicht nur in schummerigen Arbeitssituationen schick aussieht. Nicht minder wichtig sind die beiden Displays oberhalb der Spielflächen, die übrigens auch in Helligkeit und Kontrast einstellbar sind. Mit den Pfeiltasten lassen sich darin verschiedene Menüseiten blitzschnell aufrufen, die anschließend neue Parametersätze zeigen. Über die acht geschmeidig laufenden Endlos-Drehregler unterhalb und die acht Taster oberhalb der Displays sind die dargestellten Parameter geschwind editierbar. Unterschiedliche Betriebs-Modi und Funktionen sind über die weiteren Taster ober- und unterhalb der Pfeil-Buttons aufrufbar. So ruft der Browser-Button den gleichnamigen Dialog zur Auswahl und zum Laden von Sounds auf, der Sampling-Taster versetzt das Gesamtsystem in Aufnahmebereitschaft zum Erstellen und Bearbeiten eigener Samples und der Step-Button erlaubt das Programmieren von Pattern-Spuren ganz im Stile alter Drumcomputer-Boliden à la TR 808/909. Eine vertikale Leiste an Funktions-Tastern neben den Drumpads gestattet den Aufruf unterschiedlicher Sequenzer-Betriebs-Modi und Aktionen, wie etwa das Duplizieren von Daten, das Aktivieren von Mutes oder das Schalten von Instrumenten auf Solo. Die Shift-Taste innerhalb der Transport-Tasten-Sektion ruft eine zweite Funktions-Ebene auf, die auch die Drumpads mit einschließt. So kann bei Druck auf bestimmte Pads mit gehaltener Shift-Taste unter anderem etwa die Oktavlage eines Sounds geändert oder Pattern kopiert und eingefügt werden.
Die drei Endlos-Drehregler der Master-Sektion nehmen im laufenden Betrieb Einfluss auf die Lautstärke, das Tempo und den rhythmischen Versatz der Pattern – Swing genannt. Wird die Note Repeat-Taste gehalten und anschließend ein Pad gedrückt, lassen sich Flams und Rolls ausführen, die ebenfalls mannigfach justier- und wählbar sind. Über die USB-2-Buchse auf der Stirnseite stellt der Maschine-Controller eine Verbindung zum Computer her, die gleichzeitig auch zur ausschließlichen Stromversorgung dient. Laptops sollten also im Verbund mit Maschine immer an einem Netzgerät hängen. Je eine Fünf-Pol-MIDI-Buchse für den Ein- und Ausgang zum Anschluss und Ansteuern eines Keyboards komplettieren die Verbindungsmöglichkeiten am Maschine-Controller. Klinkenbuchsen zum Anschluss eines Fußtasters sucht man vergeblich, haben wir aber auch nicht vermisst. Doch der Maschine-Controller ist nicht ausschließlich auf die Ansteuerung der hierfür eigens entwickelten Software beschränkt. Durch simultanen Druck auf den Shift- und Control-Button wandelt sich der Controller zu einem waschechten MIDI-/DAW-Hardware-Controller, der sogar in der Lage ist, das Mackie Protokoll zu senden. In diesem Fall gibt sich der Controller als herkömmliches MIDI-Eingabegerät zu erkennen. Sehr schön: Im Test schalten wir den Maschine-Controller bei laufendem Sequenzer immer wieder zwischen dem Maschine- und MIDI-Controller-Modus um und steuern nicht nur das Maschine-Plug-in, sondern auch noch alle übrigen integrierten virtuellen Instrumente. Die Anwahl mehrerer im Sequenzer eingefügter Maschine-Instanzen ist übrigens ebenfalls bequem über die Hardware realisierbar. Native Instruments hat also an alles gedacht und offeriert uns einen willkommenen Zusatznutzen, den wir schnell in unseren Workflow adaptieren und alsbald nicht mehr missen wollen. Eine automatisch mit installierte Controller-Editor-Software erlaubt zudem ein bequemes Routing und Handling von MIDI-CCs auf sämtliche Bedienelemente der Hardware inklusive opulenter Einstellmöglichkeiten für Schalt- und Regelverhalten der Bedienelemente. Ausnahmen: Die Pfeil-Tasten dienen zum Aufruf weiterer Display-/Menü-Seiten, Knob-Pages genannt. Die Group-Tasten rufen sogenannte Pad-Pages auf. Ihre Zahl ist analog zur Anzahl der Tasten auf acht Seiten begrenzt. Mit ihrer Hilfe rufen wir verschiedene Drumpad-Sets mit zuvor programmierten MIDI-Noten-Mappings auf. Routings sind als Templates speicher- und aufrufbar. Im Lieferumfang finden sich bereits Anpassungen für Entwicklungen aus eigenem Hause wie etwa Battery 3, Traktor, Reaktor und Massive. Templates zu Drittanbieter-Produkten wie Toontracks EZDrummer, Guru von Fxpansion, aber auch ein Mackie Control und GM-Drum Preset sind ebenfalls enthalten. Obwohl zu einem waschechten DAW-Controller die üblichen (Motor-)Fader fehlen, nutzt Native Instruments die Möglichkeiten des Maschine-Controllers weidlich aus, um dem Anwender ein mächtiges Frontend mit flexiblen Einsatzmöglichkeiten an die Hand zu geben. Es bleibt lediglich der Wunsch offen, dass alsbald weitere vorgefertigte Templates zu weiteren Drittanbieter-Produkten veröffentlicht werden, allen voran natürlich zu Propellerhead Reason.
Doch die Hardware macht ja nur die Hälfte von Maschine aus. Erst die mitgelieferte Software haucht dem Gesamtpaket Leben ein und lässt im Zusammenspiel mit dem Controller das Groove Production Studio in voller Blüte erstrahlen. Die Oberfläche der Software ist überschaubar und sinnvoll in drei horizontale Abschnitte unterteilt, die von oben nach unten den Scene-Editor zum Arrangieren von Pattern, die Effektsektion inklusive Mixer zum Abmischen und Veredeln der Sounds sowie den Pattern-Sequenzer zum Programmieren von Grooves zeigt. Der Sequenzer-Dialog teilt sich noch einmal in mehrere Unter-Fenster auf, die Möglichkeiten zum Editieren von Noten und zum Bearbeiten von Samples ermöglichen. Ein Browser-Dialog klappt bei Bedarf auf der linken Seite der GUI auf und bietet die üblichen Such- und Sortierfunktionen zur Auswahl von Sounds. Dabei lässt sich nicht nur der Werks-Content von Maschine durchsuchen, sondern natürlich auch die Festplatten des Computers, um Loops und Samples im Wav- oder Aiff-Format aus anderen Ordnern bequem von dort aus per Drag-and-drop oder per Doppelklick in Maschine einzubinden. Einziger Wermutstropfen: Maschine weigert sich hartnäckig, Dateien im REX-Format zu importieren, was die Nutzungsmöglichkeiten gerade für Drum-Loops erheblich einschränkt und hoffentlich in einem kommenden Update behoben wird. Über einen Tag-Editor lassen sich Eigenkreationen für den Maschine-Browser schließlich indizieren. Die Werks-Library wartet mit allem auf, was das Dancefloor-Musiker-Herz begehrt, also einer umfangreichen Sammlung an Schlagzeug-, Bass- und Lead-Sounds. Darüber hinaus enthält die Library eine Sammlung an Drum-, Percussion- und Gitarren-Loops sowie eine gut sortierte Auswahl an Effektsounds, die als one-Shot-Samples für gehörig Salz in der Suppe sorgen. Daneben finden sich auch eine Reihe eher Dancefloor-untypischer Sounds wie etwa Akkordeons, die das Repertoire über den Tellerrand hinaus erweitern. Die Klänge liegen sowohl als Einzelsounds vor, als auch in Form fertig gemappter Multisamples, die komplette Drumkits enthalten oder etwa Flächensounds mit programmierten Velocity-Layern. Im Test weiß die Library in allen Punkten zu überzeugen. Native Instruments beweist in dieser Disziplin ein hohes Know-how, eine profunde Kenntnis und hat zielsicher für so gut wie jede Spielart des Dancefloors die passenden Klänge zusammengestellt. Um Maschine zum Laufen zu bringen, gilt es, sich zunächst in die Terminologie und Organisation der Software einzufinden, was schon ein wenig Einarbeitungszeit erfordert. Die kleinste Einheit in Maschine bildet eine sogenannte Group. Sie kann bis zu 16 Sounds, ganz gleich ob nun ein Einzelsound oder ein Multisample, enthalten. Maximal acht Groups – wählbar über die blauen Taster am Controller – sind definierbar, was eine Gesamtzahl von 128 spielbaren (Multi-)Sounds ausmacht. Jeder eingefügte Sound besetzt im Pattern-Sequenzer eine eigene Spur beziehungsweise Slot. Pro Group und dort enthaltenen Sound können 64 verschiedene Patterns programmiert werden, die wiederum in vier Bänke unterteilt sind. Besonderheit: Taktlänge und -maß der Pattern können dabei unterschiedlich sein und sich bunt mischen. Das Arrangieren der Pattern zu einem ganzen kompletten Song erfolgt anschließend im Scene-Editor. Maximal 64 Scenes lassen sich innerhalb eines Projekts definieren und speichern. Jede Scene kann wiederum unterschiedliche Kombinationen aus den verschiedenen Patterns der einzelnen Groups enthalten.
Verglichen mit einem linear arbeitenden Sequenzer repräsentieren die Groups verschiedene Instrumentenspuren und die dort programmierten Pattern die jeweiligen Takes. Der Scene-Editor ist dabei mit dem Arrangier- oder Projekt-Fenster vergleichbar, der die einzelnen Takes auf sich vereinigt. Vorteil: Anders als bei „normalen“ Sequenzern besteht eine Spur/Group aus deutlich mehr Sounds und die verfügbare Anzahl an Takes sprengt ebenfalls den Rahmen dessen, was sonst üblich ist, etwa beim Loop-Recording und anschließendem Comping. Wem diese Art der Song-Erstellung neu ist, sollte sich zuerst die mitgelieferten Werks-Projekte anschauen. Dort lässt sich anschaulich nachvollziehen, wie einfach die Komposition von Songs in Maschine geschieht. Um den Grad an Komplexität niedrig zu halten, empfiehlt es sich, die Groups in verschiedene Instrumentengruppen wie Schlagzeug, Bass, Flächensounds und Effekte einzuteilen. In die Patterns sollten dann ebenfalls sinnvoll abgeschlossene Einheiten und Songteile wie Strophe, Bridge, Solo und Refrains programmiert sein. Hat man das verinnerlicht, geschieht der Rest wie von selbst. Allerdings ist es nicht möglich, den Pattern und Scenes frei wählbare Namen zu verpassen, was schade ist. So müssen wir uns mit den kühl-maschinell wirkenden Pattern- (A1 bis D16) und numerischen Scene-Bezeichnungen bescheiden, was in der Praxis ein gutes Gedächtnis oder einen Notizzettel erfordert, um die Übersicht beim Komponieren und Arrangieren zu bewahren. Dafür ist das Befüllen der Sound-Slots mit Samples innerhalb einer Group über den Browser-Button und den Display-Drehreglern und -Tastern im Handumdrehen erledigt. Als nächster Schritt nach dem Befüllen der Sound-Slots steht das Programmieren von Rhythmen und Melodien an. Der Pattern-Sequenzer ist dafür mit den üblichen Funktionen wie unter anderem (Input-)Quantisierung, Taktmaß und -längen-Einstellung ausgestattet und überzeugt durch unkomplizierte Bedienung. Die Patternlänge ist frei wählbar, das Pattern-Raster lässt sich über den Grid-Button bis zu einer Auflösung von 1/128tel-Noten einstellen und natürlich auch Tempo und Taktart. Besonderheit: Eine Automationsspur blendet sich per Tastendruck ein, die per Ausklappliste sämtliche verfügbaren Automations-Parameter eines Patterns und eines Sounds anzeigt, inklusive sämtlicher Parameter der eventuell insertierten Effekte. Automations-Aufnahmen sind dabei ein Klacks: Einfach den F2-Button im laufenden Betrieb halten und den gewünschten Drehregler bedienen. Die Automationsspur wechselt sofort auf den entsprechenden Parameter und zeigt in Echtzeit die Reglerbewegung an, die gleichzeitig gespeichert wird. Im Pattern-Modus ist jeder Spielfläche ein Sound mit fest definierter Tonhöhe zugeordnet, was sich primär für das Programmieren von Drum-Grooves empfiehlt. Das melodisch-harmonische Spielen etwa von Bass- oder Flächen-Sounds über die Drumpads ist ebenfalls möglich, dann aber nur für einen zuvor ausgewählten Sound, was durch Drücken des Keyboard-Buttons möglich ist. In diesem Modus ist der Sound über die Drumpads in der Tonhöhe von unten nach oben und von links nach rechts diatonisch aufwärts spielbar. Die Anwahl weiterer Oktavbereiche geschieht mit einer Tastenkombination aus Drumpad 15 oder 16 plus Shift-Taste. Einfacher geht’s nimmer. Wem das trotzdem zu umständlich ist, schließt einfach ein MIDI-Keyboard an den Maschine-Controller an und spielt seine Linien darüber ein. Gleichzeitig wird im Keyboard-Modus die Pattern-Sequenzer-Darstellung gegen einen Piano-Roll-Editor ausgetauscht, der das Editieren eingespielter Melodien und Akkorde erlaubt, was allerdings am bequemsten nach wie vor mit der Maus geschieht.
Das Aufnehmen von Patterns ist ebenfalls ein Klacks. Zwei Aufnahme-Modi stehen zur Auswahl: Live und Step-Eingabe. Das Live-Einspielen von Patterns geht Dank Input-Quantisierung und aktivierbarem Metronom flott von der Hand. Korrekturen sind selbstverständlich auch nachträglich möglich. Sehr schön: Um den sogenannten Human Factor zu erhalten, lässt sich die Quantisierung mit der Hälfte der Intensität durchführen, so dass Noten behutsam an die nächste Zählzeit gerückt werden. Im aktivierten Step-Modus – ein Druck auf den gleichnamigen Taster genügt – lösen die einzelnen Drumpads nicht mehr die verschiedenen Klänge in den Sound-Slots aus, sondern aktivieren die Noteneinsätze eines einzelnen Sounds. Ein Lauflicht signalisiert anschaulich das Tempo des Patterns und gleichzeitig die Aufnahmebereitschaft. Je nach gewähltem Patternraster und -länge reichen die 16 Pads zum Eintippen des Grooves natürlich nicht aus. Abhilfe schafft das Display und die darüber liegenden Buttons mit denen man zwecks weiterer Noteneingabe die nächsten 16 Takteinheiten des Patterns erreicht. Im Test erledigen wir alle diese Schritte mit ausschließlicher Unterstützung des Maschine-Controllers und lassen uns regelrecht von der mauslosen Bedienung verwöhnen. Die Kür erfolgt nach der Auswahl der Sounds und dem Erstellen der Patterns zum Schluss im Scene-Editor der Maschine-Software. Dort füllen wir die einzelnen Scenes mit unterschiedlichen Pattern-Kombinationen und basteln uns, wie beim Spielen mit Bauklötzen, unseren Song zusammen, wobei jede Scene einen eigenen Songteil repräsentiert, also Intro, Strophe, Bridge, Refrain und Outro. Wer die Übersicht behält und vor allem planvoll vorgeht, hat diesen Job entsprechend schnell erledigt. Betätigt man anschließend den Play-Taster, werden sämtliche Scenes hintereinander abgespielt. Wichtig: Die Spieldauer jeder Scene wird durch das längste dort eingefügte Pattern definiert. Genial: Tummeln sich innerhalb einer Scene verschieden lange Patterns, die überdies auch noch in unterschiedlichen Taktarten vorliegen, spielt Maschine die Scene – Nomen est Omen – schnurgerade wie ein Räderwerk durch, wobei die kürzeren Patterns automatisch solange wiederholt werden, bis das längste Pattern einmal durchlaufen wurde. Konsequenz: Je nach Kombination erklingen beim Loopen einer Scene mit jeder Wiederholung im Test höchst reizvolle rhythmisch-harmonische Verschiebungen, die an die hohen Weihen der modernen Klassik, Minimal Music genannt, erinnern. Wem das zunehmende Wirrwarr mit jeder Wiederholung zu chaotisch klingt, schafft Abhilfe durch simplen Druck auf den Loop-Button. Die Funktion führt dabei eine Art Reset aus und startet synchron sämtliche Pattern einer Scene von Neuem, was sich bei geschicktem Einsatz als dramaturgisches Mittel nicht nur Live einsetzen lässt. Maschine ist jedoch nicht auf ein stur-sukzessives Abspielen der Scenes festgelegt. Wer mag, kann auch nur einen Teil der programmierten Scenes durch Eingrenzen des Abspielbereichs erklingen lassen, was selbstverständlich auch dynamisch im laufenden Betrieb möglich ist. Maschine offeriert dafür verschiedene Trigger-Optionen, etwa ob die neue Scene nach erfolgter Neuwahl des Abspielbereichs direkt, zur nächsten Zählzeit oder nach Durchlaufen der momentan gespielten Scene gestartet werden soll. Im Scene-Modus zeigt das Display die Anzahl an programmierten Scenes, die sich auch gezielt durch Druck auf das dazu korrespondierende Drumpad unabhängig vom definierten Abspielbereich anwählen lassen.
Im Test gestalten wir auf diese Weise einen extended-Mix unserer Komposition, die durch zusätzliches Stumm oder Solo schalten von Groups für zusätzliche Farbenpracht sorgt. Wer mag, füllt lediglich eine Scene mit Pattern und tauscht die Patterns, wiederum mit Hilfe der Drumpads, im laufenden Betrieb gegen andere aus, schaltet sie stumm oder solo. Maschine bietet also vor allem im Live-Einsatz mannigfache Möglichkeiten zur Songgestaltung und lässt keine Wünsche offen. Anders verhält es sich übrigens, wenn Maschine als Plug-in im Sequenzer zum Einsatz kommen soll. Zwar synchronisiert sich das Maschine-Plug-in automatisch mit dem Tempo des Host-Sequenzers und spielt brav seine Patterns und Scenes im richtigen Tempo ab. Aber das war es auch schon an Verbindungspunkten zwischen Plug-in und Sequenzer. Zwar lassen sich sämtliche bisher beschriebenen Funktionen auch im Plug-in mit Hilfe des Controllers ausführen. Doch eine nahtlose Integration und Ansprache der Steuermöglichkeiten von Maschine über die Eingriffsmöglichkeiten des Host-Sequenzers sind nicht möglich. So hätten wir uns gewünscht, Pattern- und Scene-Wechsel über die MIDI-Spur des Hosts zu erledigen. Gleiches gilt auch für Automationen. Überdies weigert sich das Plug-in beharrlich, programmierte Patterns per Drag-and-drop bequem ins Projekt-Fenster des Hosts zu importieren. Gleiches gilt auch für die Ausgabe von Pattern-Daten über den MIDI-out, was weder virtuell im Sequenzer, noch physikalisch über die MIDI-out-Buchse möglich ist. Insgesamt zeigt sich die Kommunikation des Maschine-Plug-ins mit dem Host Sequenzer daher nur rudimentär ausgebildet, was dem Anwender zwar Appetit auf mehr macht, ihn aber momentan im Regen stehen lässt. Es dürfte, der Konzeption sei Dank, jedoch wohl ein Leichtes sein, diese Schwachstellen durch ein kommendes Update erfolgreich auszubügeln. Doch zurück zu den Vorzügen von Maschine. Eine weitere Möglichkeit zur Anreicherung unseres Arrangements finden wir in der Effektsektion, die sich aus einem gut sortierten Arsenal zusammensetzt, bestehend aus insgesamt 20 Dynamik-, Filter-, Verzerrer-, Modulations- und Raumsimulations-Effekten. Die Klangqualität ist durchweg sehr gut, wenngleich sie nicht dem Ideal von cleanen Studio-Effekten nacheifern wollen, sondern bewusst für nachhaltiges Sound-Design und zusätzliche Schärfe und Bissigkeit sorgen. Unter den Effekten entdecken wir überdies einige teils eigenwillige Exoten, die in der Art nur höchst selten als eigenständige Plug-ins anzutreffen sind, so etwa den FM-Effekt, der eine Frequenzmodulation aus dem anliegenden Sample und einem integrierten LFO erzeugt. Mit dem Resochord-Effekt steht eine harmonisch einstellbare Bank aus sechs Kammfiltern zur Verfügung, die den Klängen eine eigentümlich musikalisch-harmonische Resonanz hinzufügt, was besonders bei Schlaginstrumenten reizvoll klingt. Bemerkenswert ist auch der Metaverb-Hall, der absichtlich metallisch klingt und für Trash-Charakter sorgt sowie der Ice-Effekt, der mit Hilfe einer Bank von selbstoszillierenden Filtern zahme Sounds in brüllende Spektren verwandelt. Pro Sound und Group lassen sich zwei Effekte als Inserts einsetzen. Der Master-Summenausgang enthält ebenfalls zwei Inserts für den abschließenden Feinschliff des Arrangements. Darüber hinaus verfügt jede Group und jeder Sound-Slot über zwei einstellbare Aux-Sends, die ihr Signal postfader noch einmal abzweigen, etwa auf eine Group, den Master-Ausgang oder einen von acht wählbaren Stereo-Ausgängen. Zusammen mit den Einstellmöglichkeiten für Lautstärke und Panorama der acht Ausgänge offeriert Maschine somit eine zwar überschaubare aber dennoch mächtige Mixerausstattung.
Das gut geschriebene Referenz-Handbuch erläutert anschaulich, was sich damit alles anstellen lässt: Durch geschicktes Einsetzen von Effekten und Nutzen der Aux Sends sind opulente ineinander verschachtelte Effektketten realisierbar und verwandeln die Groove Box in ein mächtiges Multieffekt-Gerät, wovon der Anwender gerade im Plug-in-Betrieb profitiert. Denn wie erwähnt, ist Maschine auch in der Lage, Audio-Signale zu empfangen. Der primäre Zweck der Audio-Eingänge ist jedoch dem, wie wir finden, stillen Highlight in Maschine vorbehalten: Dem Aufnehmen eigener Samples. Um die Funktion zu aktivieren reicht ein Druck auf den Sampling-Button, woraufhin der Pattern-Sequenzer in der Software gegen einen neuen Dialog mit vier aufrufbaren Reitern ausgetauscht wird. Der Record-Reiter stellt alle Funktionen zur Aufnahme eines Samples bereit. Sehr schön: Ein definierbarer Threshold erlaubt das Ausblenden akustisch unrelevanter Bestandteile, so dass nur das eigentliche Nutzsignal beim Überschreiten des Schwellenwerts aufgenommen wird. Zwei Aufnahme-Modi, extern und intern, stehen zur Verfügung. Im Intern-Modus lässt sich hierbei ein zuvor programmiertes Pattern oder eine komplette Scene aus der Software heraus samplen und als Audio-Datei bei Bedarf wiederum in Maschine importieren. Genial: Maschine verfügt für diesen Fall über intelligente Modi, die den Start der Aufnahme wahlweise auf den Beginn des Patterns/Scene oder die nächste Zählzeit setzt. Wer sein komplettes Arrangement oder Teile daraus rendern möchte, braucht übrigens den Sampling-Dialog nicht zu bemühen. Maschine verfügt im Stand-alone- und im Plug-in-Modus über einen Export-Dialog, der das Gleiche für Scenes, Groups und Sounds anbietet. Doch zurück zum Sampling-Dialog. Mehrere Aufnahmen hintereinander werden in Form von Thumbnails unterhalb der Wellenformdarstellung als sogenannte Record-History dargestellt. Nach Abschluss der Aufnahme lässt sich das Sample im Edit-Reiter nach allen Regeln der Kunst beschneiden und Loopen. Eine Crossfade-Funktion steht ebenfalls zur Verfügung, ebenso wie eine einfache zweistufige Hüllkurve. Der Slice-Reiter bietet sich vornehmlich für Drum-Loops an. Er erlaubt das Zerteilen der Wellenform in taktgenaue Abschnitte, was wahlweise manuell oder in einem 16tel-Raster möglich ist. Die Bearbeitungsmöglichkeiten sind zwar überschaubar, aber dennoch ausreichend. Ein Druck auf den Apply-Button teilt die Audio-Datei und erstellt gleichzeitig eine MIDI-Sequenz, die sukzessiv die einzelnen Slices antriggert. Gleichzeitig wechselt der Dialog zur Piano-Roll-Ansicht, der den geteilten Sound automatisch in einen neuen Slot transferiert hat und zum Editieren der MIDI-Noten einlädt. Der Mapping-Reiter erlaubt schließlich ein horizontales und vertikales Verteilen mehrerer Samples auf acht Oktaven. Keyboard-Splits, Velocity- und Sound-Layer sind dort blitzschnell eingestellt. Pro Sample kann sogar die Lautstärke, das Panorama und die Tonhöhe eingestellt werden. Insgesamt bietet der Mapping-Dialog denselben Funktionsumfang wie auch die großen virtuellen Sampler-Boliden. Ein Wermutstropfen findet sich trotzdem: Es lässt sich lediglich ein Sample aus der Record-History des Recording-Reiters im Mapping-Editor einsetzen, was den Workflow beim Selbsterstellen von Multisamples deutlich einschränkt und den Anwender zu umständlichen Ausweich-Prozeduren zwingt, um ans Ziel zu kommen. Auch in diesem Bereich findet sich noch genug Potenzial für ein kommendes Update. Insgesamt bietet der Sampling-Dialog jedoch schon ausgereifte Möglichkeiten und Funktionen, die Maschine zwar noch nicht auf Augenhöhe mit den reinen virtuellen Sampler-Lösungen hebt, aber dennoch sehr mächtig sind. Denn über die Einstellmöglichkeiten der Reiter hinaus lässt sich jedes Sample über den Sampling-Reiter der Effekt-Sektion noch weiter bearbeiten. Außer zwei Hüllkurven, einem Filter, einem LFO und einer einfachen Modulations-Matrix stehen dort unter anderem zusätzlich ein jeweils einfach einstellbarer Kompressor, ein Noise Gate, Verzerrer und ein Bit-Reduktions-Algorithmus zum nachhaltigen Verbiegen zur Verfügung. Vor allem die letztgenannten Features sind dabei nicht alltäglich.
Fazit
Native Instruments liefert mit Maschine erstmals eine eigene Interpretation zum Thema Groove Box ab, die sich durch ihre Konzeption aus gezielt aufeinander abgestimmter Soft- und Hardware für viele Anwender äußerst attraktiv darstellen dürfte und über das Kern-Thema hinaus einigen Zusatz-Nutzen offeriert. Allen Kinderkrankheiten zum Trotz muss ab sofort mit einem ernst zu nehmenden Konkurrenten im Groove Boxen-Sektor gerechnet werden. Maschine vereint das Beste beider Welten auf sich und bietet durch einen modularen Ansatz eine zukunftsweisende Perspektive. Auf ein kommendes Update der Maschine-Software kann man in jedem Fall gespannt sein.
Erschienen in Ausgabe 05/2009
Preisklasse: Oberklasse
Preis: 599 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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