Erfolgsmodell

Das Røde NT-1A gehört zu den erfolgreichsten Großmembranmikrofonen auf dem Markt, denn es bietet Profiqualität zum Einsteigerpreis. Jetzt gibt es das Erfolgsmodell anlässlich seines 15. Geburtstages als gematchtes Stereo-Set mit viel Extrazubehör zum Budgetpreis.  

Von Harald Wittig

Der australische Mikrofonhersteller Røde ist bekannt dafür, Schallwandler mit professionellen Anspruch zu sehr günstigen Preisen anzubieten. Zu den Bestsellern im Rode-Katalog gehören das Kleinmembran-Kondensatormikrofon NT-5, das zuletzt im Rahmen des großen Vergleichstests „Kostengünstige Kondensatormikrofone“ in Ausgabe 9/2009 einmal mehr überzeugte, sowie das Großmembranmikrofon NT1-A.

Vor allem das NT-1A, das mittlerweile seit 15 Jahren im Programm ist, ist das Erfolgsmodell schlechthin der Australier. Für einen konkurrenzlos günstigen Preis von rund 200 Euro ist es nicht nur bei Einsteigern beliebt, sondern erfreut sich auch höchster Wertschätzung von gestandenen Profis. So schwört beispielsweise Günter Pauler, Gründer des renommierten Akustik-Labels Stockfisch Records, der wegen seiner audiophilen Produktionen in der Szene höchstes Ansehen genießt, auf das NT-1A. Denn Pauler setzt das Mikrofon nach wie vor als Stützmikrofon für Streicher ein und schätzt an dem Australischen Schallwandler dessen hohe geringe Off-Axis-Verfärbungen und das extrem niedrige Eigenrauschen. Damit bestätigt der Klanggourmet Pauler die selbstsichere Aussage des Herstellers, der das NT-1A als das „leiseste Studio-Mikrofon der Welt“ bezeichnet.
Bei Professional audio steht das NT-1A, nicht zuletzt wegen solcher Topreferenzen, schon lange auf der Wunschliste für einen Test und war ursprünglich bereits für den Vergleichstest „Kostengünstige Großmembranmikrofone“ in Ausgabe 10/2009 vorgesehen. Seinerzeit hatten wir uns aber kurzfristig dazu entschlossen, das NT-1A in einem Einzeltest zu würdigen. Eine gute Entscheidung, denn seit kurzem bietet Røde sein Erfolgsmodell unter der Bezeichnung „The complete Vocal Recording Solution“ als üppig ausgestatteten Set an, das praktisch alles enthält, was der Recording-Einsteiger benötigt: Im Lieferumfang finden sich neben dem Mikrofon eine elastische Halterung mit Popschutz, ein XLR-Anschlusskabel und als Bonus eine Tutorial-DVD, worauf  Røde-Chef Peter Freedman wertvolle Tipps für die praktische Aufnahme-Arbeit gibt, die sicher auch Fortgeschrittene ansprechen. Hinzu kommt eine verlängerte Hersteller-Garantie von zehn Jahren, die belegt, dass Røde von seinem NT-1A absolut überzeugt ist. Dabei kostet dieses Gesamtpaket weiterhin nur 209 Euro und das Beste: Für 409 Euro gibt es das NT-1A Paket mit gleicher Ausstattung auch als gepaartes/gematchtes Stereo-Set. Dann nennt es sich Røde NT-1A/MP und ist als solches auch Gegenstand dieses Tests.

Das NT-1A, das übrigens nach wie vor in Australien gefertigt wird, ist ein Großmembran-Kondensatormikrofon mit fester Nierencharakteristik, umschaltbar ist erst das nächst teurere Modell NT-2A. Das Herzstück des NT-1A, seine Kapsel mit seiner goldbedampften Membran, ist rand- oder seitengeschraubt, wie es beispielsweise bei AKG üblich ist. Die Zuführung der Polarisationsspannung des Kapselkondensators – das ist die Kapselvorspannung – erfolgt also nicht wie bei den meisten Neumann-Mikrofonen, zum Beispiel dem berühmten U 87, durch eine Mittenschraubung. Daraus resultiert ein unterschiedliches Schwingen der Membran: Während die Membran einer randgeschraubten Kapsel frei schwingen kann, schwingt die Membran bei Mittenschraubung nur ringförmig, da bei dieser Konstruktion die Membran noch zusätzlich in der Mitte fixiert ist. Das wirkt sich einerseits auf das Impulsverhalten, andererseits durchaus auch klanglich aus, wobei es insoweit kein „besser“ oder „schlechter“ gibt. So wird den mittengeschraubten Kapseln zwar gerne ein besonders angenehmer Klang nachgesagt, was aber ebenso für randgeschraubte Kapseln gilt – als Paradebeispiel sei in diesem Zusammenhang die berühmte CK12-Kapsel von AKG genannt, die ganz entscheidend den samtig-weichen Klang des legendären Röhrenmikrofons C12 geprägt hat.Die Verstärkerelektronik des NT-1A ist in der sogenannten S(urface) M(ount) D(evice)-Technik ausgeführt, die Schaltung selbst ist nicht nur für ein Mikrofon dieser Preisklasse recht aufwändig. Das hat seinen guten Grund: Das NT-1A als der „Welt leisestes Mikrofon“ ist bekannt für sein geringes Eigenrauschen, was das Professional audio-Messlabor bei der routinemäßigen Messung beider Mikrofone des Stereo-Testpaares bestätigen kann: Für das Modell mit der Seriennummer 144708 ermittelt das Messlabor für den Geräuschpegelabstand sehr gute 83,0 Dezibel, während sein Geschwister, das Modell 144709, mit 82,7 Dezibel praktisch gleichauf ist. Damit bieten die beiden Mikrofone beste Voraussetzungen für störgeräuschfreie Aufnahmen, wozu auch die mit gemessenen 24,0 (Modell 144708) beziehungsweise 23,9 mV/Pa (Modell 144709) überdurchschnittlich hohe Empfindlichkeit der Testmikrofone beiträgt. Der Gain-Regler des Preamps muss daher für einen praxisgerechten Arbeitspegel nicht bis zum Anschlag aufgedreht sein, sondern kann im optimalen, also seinerseits rauschärmsten Bereich arbeiten. Sollten die Aufnahmen trotzdem störendes Rauschen aufweisen, kann dieses nur vom Vorverstärker oder auch vom Raum selbst ¬– Stichwort: Raumrauschen – kommen: Wer beispielsweise schon mal in eigentlich sehr gut klingenden Kirchen aufgenommen hat, weiß ob dieses Problems Bescheid.
Der XLR-Anschluss des NT-1A hat auch bei Fachleuten schon mal für Verwirrung gesorgt, denn einer der drei Kontaktstifte ragt deutlich weiter heraus als die beiden anderen. Dabei handelt es sich keineswegs um einen Defekt, sondern um ein vom Hersteller bewusst gewähltes Konstruktionsmerkmal. Auf diese Weise soll sichergestellt sein, dass die Masseverbindung grundsätzlich vor der Signalverbindung etabliert ist.
Die Verarbeitung ist auf erfreulich hohem Niveau, vor allem der sehr stabile Drahtschutzkorb, der die Kapsel behütet, steht dem von erheblich teureren Mikrofonen wenigstens kaum nach. Auch wenn das NT 1-A-Paar in separaten Kartons und nicht im Koffer geliefert wird, sind die Schallwandler selbst dank der beiliegende Stoffschutzbeutel und dem Innenleben aus Schaumstoff gut geschützt. Dass auch ein kostengünstiges Kondensator-Mikrofon pfleglich zu behandeln ist, versteht sich von selbst – auch wenn die Rødes sicher einiges wegstecken. Die mitgelieferte Spinne ist von passabler Qualität, wobei die Mikrofone keine allzu großen Ansprüche stellen: Sie sind vergleichsweise leicht und handlich und verlangen nicht wie das Røde-Röhrentrumm Classic II nach einer ultra-massiven Halterung. Der mitgelieferte Popschutz lässt sich direkt an die Halterung anschrauben, was grundsätzlich gut gedacht ist. Allerdings versagt das Gewinde an einer Spinne des Testsets schon nach kurzer Zeit und der Popschutz lässt sich nicht mehr fixieren. Da drücken wir angesichts des günstigen Preises des Sets großzügig ein Auge zu und vermerken nur einen kleinen Minuspunkt.

Røde-Mikrofone haben einen eigenen Klang, der ansatzweise aus den Frequenzgang-Messkurven (siehe Seite 66) herauslesbar ist: Eine laut Hersteller ganz bewusste Präsenzanhebung soll Aufnahmen mehr Direktheit und Frische verleihen, ohne dabei unangenehm zu klingen. Tatsächlich ist der Klang des NT1-A bei guter bis sehr guter Auflösung und ordentlichem Impulsverhalten dank des ausgewogenen Mittenbandes zwar durchaus präsent, aber keineswegs enervierend schrill und dünn wie der einiger Billig-Mikrofone. Gerade tiefe Stimmen profitieren sehr von diesem Timbre und bekommen mehr Kontur, aber auch hohe Stimmen passen zum NT1-A. Voraussetzung ist allerdings eine geschulte Stimme, die auf einem soliden Fundament steht. Die Bässe sind druckvoll und für einen Druckgradienten erstaunlich präzise, der nur durchschnittlich ausgeprägte Nahbesprechungseffekt lässt sich gezielt klanggestaltend einsetzen. Als Gesangsmikrofon sind folglich beide Mikrofone des Sets – die sich übrigens klanglich praktisch nicht unterscheiden – mithin eine gute Wahl, nachträgliche Korrekturen eingerechnet.
Auch mit der Aufnahme von Instrumenten dürfen die Rødes betraut werden, wobei speziell bei Akustikgitarren zu differenzieren ist: Im Rahmen von Ensembleaufnahmen setzen sich beispielsweise Stahlsaitengitarren gut durch, allerdings lohnt es sich bei bassstarken Instrumenten das Trittschaltfilter am Preamp zu aktivieren. Soweit es um Solo-Aufnahmen geht, ist es letztlich eine Frage der eigenen Vorlieben und Klangästhetik, ob die NT1A-eigene Präsenz gefällt. Zumindest beim Plektrum- oder Nagelanschlag klingen die Mikrofone zumindest bei Nahmikrofonierung für manche Ohren schon leicht aufdringlich, wohingegen bei weiterem Abstand zum Solisten in großen Räumen – beispielsweise in einer Kirche – der Røde-Eigenklang durchaus zurückholt, was auf dem Weg des Schalls zum Mikrofon verloren geht. Außerdem lohnt es sich nach unserer Erfahrung auch bei den typischen „Close-Miking“-Situationen im Studio mit der Positionierung zu experimentieren: So erzielen wir bei der Aufnahme einer Konzertgitarre bei nur geringfügigem Verschieben der Mikrofone einen deutlich runderen Klang und können gleichzeitig auch die Atemgeräusche des Solisten dezent unterdrücken. Schließlich nehmen es die NT1-As nicht krumm, wenn der Musiker zu den körperbetonten Spielern gehört und sein Instrument gerne aus der Hauptachse schwenkt: Die Off-Axis-Verfärbungen gehen fast gegen Null – klasse. Wer das Beschriebene nachhören will, findet im Downloadbereich wie üblich einige Soundfiles.     

Fazit

Das Røde NT1-A/MP Stereo-Set überzeugt: Die Mikrofone sind perfekt gematcht, rauschen nicht und spielen klanglich auf Oberklasse-Niveau. Hinzu kommt das gute Zubehör, so dass Ein- und Aufsteiger, aber auch Fortgeschrittene für so wenig Geld kaum etwas Besseres bekommen können.  

Erschienen in Ausgabe 10/2010

Preisklasse: Oberklasse
Preis: 409 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut – überragend