Das doppelte Lieschen
Vorhang auf: Der südkoreanische Hersteller Audioprobe stellt seine Mikrofon-Serie Lisa vor. Die günstigen Schallwandler könnten der neue Geheimtipp für Einsteiger und Budget-Bewusste sein.
Von Sylvie Frei
Pro Audio-Hersteller Audioprobe aus Süd-Korea legt nach: Nachdem in der Professional audio Ausgabe 9/2014 bereits das USB-Audio-Interface Spartan Cue 110 im Test überzeugen konnte, haben wir diesmal zwei neue Mikrofone der Asiaten zu Gast und sind entsprechend gespannt, ob der in Deutschland noch wenig bekannte Hersteller auch in dieser Produkt-Kategorie glänzen kann.
Die beiden Mikrofone hören auf die Namen Lisa 1 und Lisa 9 und gehören (zusammen mit dem hier nicht vorgestellten Lisa 3) zur bislang einzigen Mikrofon-Serie von Audioprobe. Die Serie besteht ausschließlich aus Großmembran-Mikrofone mit fester Nieren-Charakteristik, die mit einem transformatorlosen Transistor-Schaltungsdesign mit niederohmigem Ausgang ausgestattet sind. Der Hersteller hat die Lisa-Mikrofone nach eigenen Angaben genau auf seine Spartan-Interfaces abgestimmt, aber sie lassen sich natürlich auch mit anderen Vorverstärkern/Interfaces einsetzen.
Preislich ist die ganze Serie eher am unteren Ende der Skala angesiedelt. Das günstigere Lisa 1, das sich besonders für Sprach- und Podcast-Aufzeichnungen anbieten möchte, ist für einen unverbindlichen Richtpreis von 99 Euro zu haben. Das Serien-Flaggschiff Lisa 9, das zur Aufnahme von Sprache, Stimme und akustischen Instrumenten konzipiert wurde, ist mit 299 Euro merklich teurer, aber noch immer erschwinglich. Mit diesen niedrigen Preisen sagt Audioprobe etablierten Günstig-Herstellern wie etwa MXL, T.bone oder Studio Projects den Kampf an. Ob die in Süd-Korea entwickelten und in China gefertigten Mikrofone tatsächlich den Etablierten gefährlich werden können, zeigt dieser Test.
Optisch machen die beiden Lieschen einen sympathischen Eindruck. Beide sind mit rund zehn (Lisa 1) beziehungsweise knapp 15 Zentimeter Höhe (Lisa 9) vergleichsweise klein und fallen durch ihre gedrungene Form auf, die übrigens stark an das Neumann TLM 107 erinnert. Beide Mikrofone besitzen robuste Alumium-Gehäuse und einen stabilen Drahtgeflechtkorb. Das Lisa 1 fällt durch seinen leuchtend roten Anstrich auf – es ist allerdings auch mit einem weißen Finish zu haben; das Lisa 9 zeigt sich mit seiner anthrazitfarbenen Lackierung etwas dezenter. Die Ausstattung ist bei beiden Mikrofonen recht spartanisch. Beide besitzen eine feste Nierencharakteristik, weder Vordämpfung, noch Trittschallfilter.
Lisa 1
Das Lisa 1 kommt mit einem Stativ-Adapter und einem eigenen kleinen Ministativ daher, mit dem sich das Mikrofon direkt auf dem Desktop platzieren lässt – praktisch für Sprecher, die an ihrem Arbeitsplatz bequem im Sitzen aufnehmen wollen. Sänger und Instrumentalisten haben indes den Nachteil, dass sie im Sitzen singen oder spielen oder sich eine alternative Halterung anschaffen müssten. Da aber das Lisa 1 in erster Linie als Sprecher- und Broadcastmikrofon gedacht ist, halten wir das kleine Desktopstativ, gerade auch für den Einsatz unterwegs, per se für keine schlechte Lösung. Allerdings lassen sich die Stativbeine nicht allzu weit nach außen klappen, sodass der Stand des immerhin rund 300 Gramm schweren Mikrofons nicht ganz so sicher ist, wie er sein könnte. Problematisch wird es auch, wenn ein Popschutz vor dem Mikrofon angebracht werden soll. Dieses zusätzliche Gewicht kann das Ministativ aus dem Gleichgewicht bringen, weshalb wir uns im Test dafür entscheiden, ohne Poppschutz zu arbeiten. An dieser Stelle wäre eine Schaumstoff-Kappe hilfreich – diese hat allerdings nur das Lisa 9 mit im Gepäck.
Lisa 9
Das 550 Gramm schwere Lisa 9 kommt mit einer solide konstruierten Spinne aus Kunststoff daher, die sich auf einem gewöhnliche Mikrofonstativ befestigen lässt. Außerdem ist die bereits erwähnte dünne Windschutz-Kappe aus Schaumstoff mit im Lieferumfang enthalten, die zwar wenig vertrauenerweckend aussieht, aber im Test fast genau so gute Poppschutz-Eigenschaften zeigen kann wie unser professioneller Studio-Poppschutz.
Im Inneren der beiden Lisa-Mikrofone findet sich je eine wenige Mikrometer dünne, goldbedampfte Membran. Die des Lisa 1 hat einen Durchmesser von 34 Millimeter, die Lisa 9-Membran misst 35 Millimeter. Es handelt sich also bei beiden um Großmembran-Mikrofone. Die Impedanz-Wandler sind gewöhnliche Transistoren, die über Phantomspannung mit über die XLR-Verbindung zum Vorverstärker mit Strom versorgt werden. Alle Lisa-Mikrofone besitzen niederohmige Ausgänge und eine übertragerlose Ausgangsschaltung.
Lisa 1:
Messtechnisch ist das Lisa 1 einwandfrei aufgestellt. Sein Frequenzgang ist vergleichsweise eben und besitzt nur kleine Anhebungen von maximal drei Dezibel und noch kleinere Absenkungen von maximal einem Dezibel, wobei sich die größten Anhebungen zwischen 3,5 und 5,5 sowie zwischen 17 und 20 Kilohertz finden.
Mit einer Empfindlichkeit von 28,2 mV/Pa ist das Lisa 1 verhältnismäßig laut, sodass der Preamp nicht sehr weit aufgedreht werden muss und eventuell vorhandenes Preamp-Rauschen kein Problem darstellen sollte. Ebenfalls sehr gut ist der Geräuschpegelabstand des Lisa 1. Mit sehr guten 76,8 Dezibel ist auch das Eigenrauschen des Mikrofons kein Thema.
Lisa 9:
Der Frequenzgang des Lisa 9 unterscheidet sich zwischen 30 Hertz und vier Kilohertz fast überhaupt nicht von dem des Lisa 1. Die Unterschiede finden sich in den Höhen. Zwischen acht und 15 Kilohertz weißt der Frequenzgang eine deutliche Absenkung um bis zu minus sechs Dezibel auf; zwischen 17 und 20 Kilohertz eine Anhebung von maximal sieben Dezibel.
Mit einer Eingangsempfindlichkeit von nur 6,1 mV/Pa ist das Lisa 9 allerdings – nicht nur für ein Kondensator-Mikrofon – extrem leise. Es sollte also immer mit einem äußerst kräftigen und rauscharmen Vorverstärker betrieben werden, sonst könnten nicht ausreichende Verstärkungsreserven zu einem Problem werden. Im Test müssen wir den Lakepeople F 355 (Test in Ausgabe 8/2006) fast ganz aufdrehen, haben aber dank der guten Werte unserer Preamp-Referenz glücklicherweise keine Probleme mit Rauschen. Der Geräuschpegelabstand des Lisa 9 geht mit noch sehr guten 73,2 Dezibel hingegen vollkommen in Ordnung.
Für den Test haben wir mit beiden Lisa-Mikrofonen Stücke für Sprache, Gesang in unterschiedlichen Stilen, Akustik-Gitarre und Tinwhistle aufgenommen, um möglichst gut beurteilen zu können, wie umfassend sich die beiden Mikrofone einsetzen lassen.
Lisa 1:
Das Lisa 1 hat einen ausgewogen, detailliert abbildenden und stimmigen Grundklanr. Die Signale werden sanft konturiert, die Konsonanten angenehm und zurückhaltend abgebildet, was der Sprachverständlichkeit aber keinen Abbruch tut. Von den tiefsten Gitarrentönen bis hin zu den höchsten Tinwhistletönen werden alle Frequenzbereiche ohne merkliche Über- oder Unterbetonungen repräsentiert, was das Mikrofon tatsächlich sehr vielseitig einsetzbar macht. Unsere gemeinsamen Aufnahmen von Akustikgitarrenbegleitung und Gesang klingen genau so stimmig wie die Solo-Gesangsaufnahmen, die Sprecherstimme und die Tinwistle-Stücke.
Das Lisa 1 hat einen sehr stark ausgeprägten Nahbesprechungseffekt. Daher müssen wir bei sehr naher Mikrofonierung etwas vorsichtig sein – wer nur etwas zusätzlich die Bässe betonen möchte, sollte also nicht direkt am Mikrofon „kleben“ sondern noch einen Abstand von mindestens zehn Zentimetern einhalten.
Tatsächlich können wir das Lisa 1 nicht nur als reines Sprechermikrofon empfehlen. Die Sprech-Stimme klingt zwar tatsächlich besonders ausgewogen und stimmig, aber auch die anderen Signale – wie Gesang oder akustische Instrumente lassen sich mit Lisa 1 durchaus ebenfalls aufnehmen. Allerdings fehlt die typische deutliche Höhenanhebung, welche so typisch für die meisten Großmembran-Mikrofone ist. Stimme und Instrument klingen dadurch weniger durchsetzungsfähig. Bemerkenswert hingegen: Das Lisa 1 reagiert recht unempfindlich auf Popp- und Windgeräusche. Wir hatten – obwohl wir ohne Windschutz aufgenommen haben – keine Probleme mit derartigen Geräuschen.
Lisa 9
Beim Lisa 9 fällt zunächst die starke klangliche Ähnlichkeit zum Lisa 1 auf, die sich bereits beim Vergleich der Frequenzgänge angedeutet hat. Die Sprachaufnahmen klingen auf beiden Mikrofonen nahezu identisch, beim Lisa 9 erscheinen lediglich die Höhen etwas offener. Die Konsonanten sind auch hier angenehm zurückhaltend repräsentiert. Beim Gesang wirkt die Stimme hingegen etwas präsenter und klarer, was sich auf die deutlichere Höhenanhebung zurückführen lassen könnte. Allgemein klingt das Lisa 9 eher wie ein typisches Großmembran-Gesangsmikrofon für Gesangsaufnahmen. Die Stimme setzt sich außerdem deutlicher von der Gitarrenbegleitung ab. Besonders die Mezzo-Sopran-Stimme und die Tinwhistle gewinnen durch die offeneren Höhen an Glanz und Durchsetzungskraft, aber auch die Gitarren- und Sprachaufnahmen bekommen eine extra Portion Glanz. Einzig bei kräftig und rockig intonierten Gesangs-Stücken klingen die Höhen manchmal einen Hauch aggressiv. Der Nachbesprechungseffekt ist auch beim Lisa 9 deutlich ausgeprägt, aber nicht ganz so stark wie beim Lisa 1.
Fazit
Audioprobe zeigt mit dem Lisa 1 und Lisa 9, dass wir nun auch mit den Koreanern zu rechnen haben, wenn es ums Thema Mikrofone geht. Die beiden Großmembranen zeigen sich im Test als solide, wohlklingende Recording-Werkzeuge und das zu wirklich kleinen Preisen.
Erschienen in Ausgabe 12/2014
Preisklasse: Mittelklasse
Preis:
Bewertung: sehr gut – überragend
Preis/Leistung: sehr gut – überragend
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