Klangoffensive
Was darf‘s sein: Lieber ein Röhren- oder ein Transistormikrofon? Hersteller Miktek hat in beiden Kategorien neue Schallwandler im Gepäck, die auch anspruchsvollste Ohren überzeugen sollen.
Von Sylvie Frei
Gute Mikrofone sind wie Instrumente, jedes hat eine individuelle Klangfarbe und kann der Aufnahme eine spezielle Anmutung verleihen. Grund genug, immer mal wieder neue Modelle akustisch zu sichten. Der US-amerikanische Hersteller Miktek ist gleich mit zwei neuen Studio-Großmembran-Mikrofonen am Start – dem C1, einem Transistormikrofon, und dem Röhrenmikrofon CV3. Beide versprechen beste Qualität und Klangeigenschaften und sollen sich als echte Allround-Mikrofone im Studio einsetzen lassen, sprich für Sprach- und Vocal-Aufnahmen gleichermaßen wie für akustische Instrumente aller Art sowie als Mikrofone zur Amp-Abnahme. Die in Nashville, Tennessee gefertigten Mics richten sich mit unverbindlichen Richtpreisen von 713 (C1) beziehungsweise 1.189 Euro (CV3) an ambitionierte Musiker und professionelle Recordisten.
Das Miktek C1 ist ein Mikrofon mit fester Nierencharakteristik. Spannende Besonderheit: Es besitzt im Inneren einen Schalter, der die Kapsel mit einer höheren (60 Volt) oder einer niedrigeren (48 Volt) Kapselvorspannung betreiben lässt, was dem C1 zu zwei unterschiedlichen Klangbildern verhelfen soll – einem modernen und einem klassischen. Sprich: Der Nutzer bekommt quasi zwei Mikrofone in einem. Desweiteren ist das C1 – genau wie das CV3 – mit einer 10 dB-Vordämpfung für besonders laute Signale und einem Hochpassfilter (100 Hz/ Flankensteilheit 12 dB/Oktave) zum Ausblenden tiefer Störsignale wie Trittschall ausgestattet.
Das Miktek CV3 ist ein Röhrenmikrofon, das mit einer winzigen Subminiatur-Pentode betrieben wird. Es besitzt dank seiner Doppelmembran-Kapsel eine nach Wunsch anpassbare Richtcharakteristik, die sich über seine externe Stromversorgung/Fernsteuerung anwählen lässt. Zur Auswahl stehen neun verschiedene Richtcharakteristiken (Niere, Kugel, Acht und sechs Zwischenstufen). So lässt sich das CV3 an so ziemlich jede Recording-Situation anpassen.
Das Äußere des C1 und des CV3 ist verhältnismäßig schlicht, aber macht einen soliden und sehr gut verarbeiteten Eindruck. Beide verbergen sich in langgestreckten röhrenförmigen Aluminium-Gehäusen, die mit einem Korb aus Drahtgeflecht bekrönt sind. Die Mikrofone sehen fast identisch aus, wobei das C1 ein matt-silberfarbenes und das CV3 ein schwarzes Gehäuse besitzt. Die einzigen Bedienelemente an den Gehäusen sind die Schalter für die Vordämpfung und das Hochpassfilter. Beide Mikrofone bieten eine 10 dB-Vordämpfung und ein Hochpassfilter auf einer Höhe von 100 Hertz mit einer Flankensteilheit von 12 Dezibel pro Oktave, sind also auf sehr laute Signale oder tieffrequente Störgeräusche vorbereitet. Die Einsprechrichtung des C1 sowie die Haupteinsprechrichtung des CV3 wird durch die Miktek-Logos auf den Gehäusen gekennzeichnet.
Während das Transistormikrofon C1 über Phantomspannung versorgt wird, ist das Röhrenmikrofon CV3 mit einem externen Netzteil zur Spannungsversorgung ausgestattet. Dieses lässt sich mit dem im Lieferumfang enthaltenen 7-poligen XLR-Kabel mit dem Mikrofon verbinden. Das Netzteil ist wiederum mit einem gewöhnlichen dreipoligen XLR-Anschluss ausgestattet, über den es sich mit dem Preamp verkabel lässt. Außerdem findet sich am Netzteil der Drehschalter für die Anwahl der Richtcharaktertistik. Außer den drei Hauptcharakteristiken Kugel, Niere und Acht, bietet das CV3 auch ganze sechs Zwischenstufen von unterschiedlich breiten Nieren und Supernieren. Es lässt sich also sehr präzise auf die jeweiligen Aufnahmesituationen anpassen.
Das C1 hat hingegen eine feste Nierencharakteristik, ist also, was die Anpassbarkeit an unterschiedliche Aufnahmesituationen angeht, nicht ganz so flexibel. Stattdessen bietet es jedoch eine ungewöhnliche Klang-Anpassungsmöglichkeit, die sich im Inneren des Gehäuses verbirgt – dazu gleich mehr.
C1:
Im C1 werkelt die neue, von Miktek entwickelte MK7-Kapsel. Sie besitzt eine aufrecht stehende, fünf Mikrometer dünne 1-Zoll-Membran aus goldbeschichtetem Mylar-Polyesterfilm und lässt sich mit zwei unterschiedlich hohen Kapselvorspannungen betreiben. Dies soll zu zwei unterschiedlichen Klangbildern, einem warmen klassischen (bei 48 Volt) und einem impulsschnellen, cleaneren und moderneren (bei 60 Volt), führen. Der Schalter dafür findet sich im Inneren des Mikrofons direkt auf der Platine. Um umzuschalten, ist es also vorher nötig, das Gehäuse vom Mikrofon zu lösen, was schnell und unkompliziert gelingt. Ein Schalter an der Gehäuse-Außenseite wäre zwar komfortabler, aber auf diese Weise ist auch ein versehentliches Umschalten ausgeschlossen.
Miktek legt auch bei den übrigen Bauteilen großen Wert auf Qualität. So werkelt im C1 unter anderen wertigen Bauteilen ein AMI T7-Übertrager von Tab Funkenwerk.
CV3
Das CV3 ist mit der ebenfalls von Mikek selbst entwickelten MK9-Doppelmembran-Kapsel ausgestattet. Sie besitzt zwei aufrecht stehende 1-Zoll-Membranen aus 5 Mikrometer dünnem goldbeschichtetem Mylar-Polyesterfilm.
Die Membranen – jede für sich besitzt eine Nierencharakteristik – stehen wie üblich bei Mikrofonen mit anpassbarer Richtcharakteristik Rücken an Rücken. Die unterschiedlichen Charakteristiken ergeben sich durch Spannungs- und/oder Polaritäts-Unterschiede auf den beiden Membranen (siehe auch Test des Sennheiser MK 8 in Professional audio 11/2014).
Im Inneren werkelt ein speziell auf das CV3 zugeschnittener in Kooperation zwischen Tab Funkenwerk und Miktek entwickelter AMI-Übertrager. Die winzige Röhre, die im CV3 werkelt, ist eine Subminiatur-Pentode, auch Bleistiftröhre genannt. Sie zählt zu den kleinsten Röhren überhaupt und wurde in den 50er-Jahren außer für militärische Zwecke auch in Audiogeräten sowie in einer Low-Noise-Ausführung in hochwertigen Studio-Mikrofonen verbaut.
C1 und CV3 sind mit 772 und 740 Gramm recht schwere Mikrofone, die nach einer stabilen Halterung verlangen. Das C1 kommt gleich mit zwei Stativadaptern daher: Einer Spinne und einer unelastische Halterung. Letztere findet Platz in der Holzschatulle, die dem Mikrofon selbst als Aufbewahrungsort dient – ist also auch unterwegs immer mit dabei. Die Spinne liegt separat bei. Beide Halterungen leisten im Test sehr gute Dienste und halten das C1 zuverlässig und fest.
Gleiches gilt für die Spinne des CV3, die gemeinsam mit dem Netzgerät und der Holzschatulle für das Mikrofon gemeinsam mit Netz- und 7-Pol-XLR-Kabel in den robusten Transportkoffer passt – praktisch für unterwegs.
C1:
Mit einer Empfindlichkeit von 22,8 mV/Pa ist das C1 ein eher lautes Mikrofon, das nicht übermäßig viel Verstärkung benötigt und so mehr oder weniger im Idealbereich des Preamps betrieben werden kann. Vorverstärkerrauschen sollte also in den allermeisten Fällen kein Thema sein – es sei denn der Preamp rauscht wirklich laut. Mit einem Geräuschpegelabstand von hervorragenden 80,2 Dezibel steht rauscharmen Aufnahmen von Seiten des Mikrofons jedenfalls rein gar nichts im Wege.
Der Frequenzgang des C1 verläuft zwischen 30 Hertz und sechs Kilohertz vergleichsweise unspektakulär. Es finden sich keine größeren Abweichungen als um plus/minus zwei Dezibel, wobei die Kurve im untersten Bassbereich um 30 Hertz und auf einer Höhe von fünf Kilohertz ihre höchsten und um 500 Hertz ihre tiefsten Werte erreicht. Die größte Abweichung findet sich um 19 Kilohertz mit etwa minus sieben Dezibel.
CV3:
Die Empfindlichkeitswerte des CV3 bewegen sich zwischen 11,3 (Kugel), 15,4 (Niere) und 17,0 mV/Pa (Acht). Es ist also deutlich leiser als das C1. Mit einem potenten und rauschfreien Preamp ist aber auch das kein Problem. Die Geräuschpegelabstände sind mit 73,3 (Kugel), 76,0 (Niere), 77,5 Dezibel (Acht) für ein Röhrenmikrofon sehr gut, sodass Eigenrauschen kein Problem sein sollte.
Die Frequenzgänge des CV3 unterscheiden sich je nach Richtcharakteristik deutlich voneinander. Gemeinsam haben sie einen relativ ebenen Verlauf, bis es zu einem mehr oder weniger großen Anstieg und anschließenden Abfall in den Höhen kommt. Bei der Nierencharakteristik befindet sich die größte Anhebung um plus sechs Dezibel auf einer Höhe von sieben Kilohertz, bei der Kugelcharakteristik gibt es zwei höchste Punkte von plus acht Dezibel um sieben und um elf Kilohertz und bei der Achtercharakteristik wird auf einer Höhe von sechs Kilohertz ein Maximalwert von neun Dezibel erreicht.
Um den beiden Mikrofonen klanglich auf den Zahn zu fühlen, haben wir unterschiedliche Gesangs-, Sprach- und Akustikgitarrenaufnahmen angefertigt. Als Preamp diente einmal mehr unsere Mikrofonvorverstärker-Referenz, der Lakepeople 355 (Test in Ausgabe 8/2006).
C1 (48 V):
Das C1 besitzt mit 48 Volt-Kapselvorspannung ein sehr warmes, kräftiges und seidiges Klangbild. Die Höhen, die Obertöne und das sanfte Vibrato der Gesangsstimme kommen schön und farbig zur Geltung. Die Tiefen und Mitten klingen ausgewogen und tragen.
Der Nahbesprechungseffekt ist deutlich ausgeprägt und lässt sich gestalterisch gut einsetzen. Die Sprecheraufnahmen werden tragend und gut verständlich abgebildet, die Konsonanten klingen aber eher sanft. Das Impulsverhalten ist gut, aber nicht übermäßig präzise oder schnell.
Besonders der klassische Gesang gefällt uns in der 48 Volt-Einstellung sehr gut. Die Stimme klingt sehr konsistent, farbig, das Vibrato wird sehr ansprechend abgebildet und das ganze Stimmspektrum kommt gut zur Geltung.
Der Gitarre kommen bei langsamen Stücke die gut tragenden Bässe und Mitten entgegen, während sich für schnelle Läufe und Finger-Picking eher die 60 Volt-Einstellung eignet.
C1 (60 V):
Denn stellen wir die Kapselvorspannung auf 60 Volt um, verändert sich zwar nicht der gesamte Klangcharakter, aber doch Entscheidendes. Die Membran scheint unter größerer Spannung deutlich schneller nach einem Impuls wieder zur Ruhe zu kommen. Der Klang erscheint etwas klarer, schnell, präziser, moderner, und cleaner, aber vom Grundcharakter – farbige Höhen, warme Mitten und Bässe – noch immer ähnlich. Die Aufnahmen klingen etwas weniger tragend, die Konsonanten und kurze perkussive Signale kommen präziser und deutlich schneller.
Am Ende kommt es darauf an, welchen Charakter die Aufnahme haben soll. Für Vocals und getragene Signale empfehlen wir die 48 V-Kapselvorspannung, für Sprache, schnelle und akzentuierte Signale setzen wir auf die 60 V.
CV3
Das CV3 ist dem C1 in 48 V-Stellung nicht unähnlich. Wie dieses wird es von einem warmen, tragenden Grundklang bestimmt. Die schönen, farbig schimmernden Höhen, sind nicht ganz so klar und offen wie beim C1, dafür angenehm und weich. Das Stimmvibrato kommt auch mit dem CV3 sehr gut und stimmig zur Geltung. Die vollen und tragende Bässe und Mitten geben der Akustikgitarre das nötige Volumen. Die Stimme setzt sich auf natürliche und organische Weise von der Gitarrenbegleitung ab. Auch das CV3 besitzt einen deutlich ausgeprägten Nahbesprechungseffekt, der dem Sänger einen guten Gestaltungsspielraum gewährt. Auch die Sprachaufnahmen klingen angenehm und tragend, die Konsonanten werden konturiert, aber nicht überbetont abgebildet.
Je nach Richtcharakteristik ändert sich der Klang in seiner Räumlichkeit. Während die unterschiedlichen Nierencharakteristiken einen intimen und nahen Klang mit wenig Raum produzieren, liefern Kugel- und Achtercharakteristik einen Anteil von wahrnehmbarer Räumlichkeit, der das Hauptsignal etwas weiter in die Ferne rückt. Je nach Klangvorstellung lässt sich die Richtcharakteristik also auch zum Formen des Klangbilds nutzen.
Fazit
Das Miktek C1 und das CV3 sind zwei Großmembran-Mikrofone mit gänzlich unterschiedlichem Konzept, die im Test voll überzeugen. Beide sind dank ihrer konsistenten und ansprechenden Klangbilder sowie durch ihre individuellen Anpassungsmöglichkeiten als professionelle Allround-Mikrofone im Studio wärmstens zu empfehlen.
Erschienen in Ausgabe 12/2014
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis:
Bewertung: sehr gut – überragend
Preis/Leistung: sehr gut – überragend
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