Symphonie-Orchester auf sechs Saiten

Seit es die unendlichen Weiten des MIDI-Universums gibt, träumen Gitarristen davon, komplette Symphonie-Orchester vom Griffbrett aus zu dirigieren. Inzwischen bieten einige Hersteller sehr gute MIDI-Converter für die Zupfer an, zu den leistungsfähigsten gehört seit über zehn Jahren das Axon-System und auch die neueste Ausgabe, das Axon AX 100 MK II hat das Zeug zum General-Musikdirektor.  

Von Harald Wittig 

Schon vor einem Vierteljahrhundert versuchten Hersteller die MIDI-Welt auch Gitarristen zugänglich zu machen. Warum nicht einfach eine eigene Schnittstelle für die Gitarre und andere Saiteninstrumente entwickeln? Neben speziellen MIDI-Gitarren wie der sündhaft teueren SynthAxe, die als eigenständiges Instrument eigentlich nur noch entfernt mit einer Gitarre verwandt ist, waren es vor allem die Entwickler von Roland, die mit der GK-Reihe eine gitarristen-freundliche Lösung erdachten: Das Roland-System bestand aus einem Guitar-To-MIDI-Converter und einer herkömmlichen E-Gitarre mit integriertem hexaphonischen Tonabnehmer, der die Saitenschwingung abnahm, um daraus die MIDI-Informationen zu errechnen. Der große Vorteil: Gitarristen konnten nach kurzer Eingewöhnungsphase ihre gewohnte Spielweise beibehalten und gleichzeitig über eine große Klangfarben-Palette gebieten. Außerdem konnten Rolands Austausch-Tonabnehmer der GK-Reihe auf alle gängigen E-Gitarren montiert werden. Die 13-polige Schnittstelle der GK-Pickups stellt inzwischen den Quasi-Standard bei den Gitarren-MIDI-Interfaces dar, so dass es nicht überrascht, dass auch der Axon AX 100 MK II GK-kompatibel ist.
Leider hatten die ersten Guitar-To-MIDI-Converter, die als Schnittstelle einen hexaphonischen Tonabnehmer verwenden, ein schweres Manko: Langsames Tracking. Gerade beim Spiel auf den tiefen Saiten der Gitarre entstanden zwischen dem Moment des Anschlags und dem Erklingen des Synthesizer-Tons Verzögerungen, die schnelles Spiel unmöglich machten. Der Grund hierfür: All diese Systeme verwendeten einen Algorithmus, der die Grundfrequenz anhand von Nulldurchgängen – das ist der Moment, in dem die Saite nach dem Anschlag ihre Ruhelage beim Schwingen wieder erreicht hat – analysiert. Da die tiefen Saiten wegen der größeren Masse aber wesentlich träger ein-und ausschwingen, benötigt der Analysevorgang zwangsläufig eine gewisse Zeit.
Hier setzte das deutsche Unternehmen Blue Chip Technologies, die Erfinder des Axon-Systems an. Bereits im Axon NGC 66 von 1996 arbeitete neben dem Nulldurchgang–Analysator parallel ein zweiter Algorithmus, der nicht mehr die regelmäßige Wellenform des Klanges auswertet, sondern das Anschlagsgeräusch beziehungsweise die Transienten, die beim Anzupfen entstehen, als Impulsmuster erfasst. Dieses Impulsmuster wird an ein so genanntes neuronales Netz weitergeleitet. Dabei handelt es sich, vereinfacht ausgedrückt, um einen lernfähigen Algorithmus, der sich an zuvor antrainierte Muster gewissermaßen erinnert und bei der eigentlichen Analyse das empfangene Impulsmuster mit bereits Erlernten vergleicht. Dadurch hat das Axon-System bereits vor dem eigentlichen Klang eine Information über Tonhöhe und Anschlagsintensität, die gleichzeitig vom ersten Algorithmus lediglich verifiziert werden müssen. Der hörbare Erfolg dieses Systems: Tracking-Probleme konnten bereits mit dem Axon NCG 66 praktisch eliminiert werden, so dass sich das Axon-System den Ruf erwarb, der schnellste Guitar-To-MIDI-Converter überhaupt zu sein. Dass zu den ersten Anwendern des NCG 66 unter anderem Überschall-Picker John McLaughlin gehörte, spricht insoweit Ton-Kaskaden. Außerdem war das neuronale Netz des Axon bereits 1996 in der Lage, gleichzeitig die Zupfpositionen zu erkennen und die daraus gewonnen Werte zur Kontrolle unterschiedlicher Funktionen zu nutzen. Soweit so genial, soweit aber auch teuer: Das erste Axon-System, der Axon NGC 66 kostete beinahe 1.500 D-Mark, hinzu kam die Anschaffung eines Roland GK-Tonabnehmers und schließlich auch eines Sound-Moduls, denn das Axon-System war ein reiner Guitar-To-MIDI-Converter ohne eigene Klangerzeugung.
2004 kaufte Terratec die Axon-Technik und vertreibt das Axon-System seitdem über den Pro-Audio-Geschäftsbereich Terratec Producer. Schon das erste Update, der Axon AX 100, setzte auf die bewährte Axon-Technik und überzeugte neben Detailverbesserungen, die vor allem den Bedienkomfort erhöhten, mit einem günstigen Preis von knapp 500 Euro. Die neueste Auflage nennt sich Axon AX 100 MK II, kostet weiterhin rund 500 Euro und kann erstmals dank einer internen Terratec Producer WaveXtable-Soundkarte auch autark benutzt werden. Mit den 128 ROM-Presets und den über 500 GM-kompatiblen Sounds des Soundboards kann der Gitarrist live und im Studio sofort in beinahe jedes erdenkliche Soundgewand schlüpfen.

Um das AX 100 MK II nutzen zu können, ist eine Gitarre mit eingebautem hexaphonischem Tonabnehmer, der die 13-polige GK-Schnittstelle von Roland nutzt, vonnöten. Wer seine Instrumenten-Sammlung erweitern kann und will, kann Gitarren, in die ein Roland-GK-kompatibler MIDI-Tonabnehmer bereits integriert ist, zum Beispiel von Yamaha, Ibanez, Fender und Roland selbst erwerben. Bei diesen Gitarren handelt es sich um Varianten des Stratocaster-Typs, der MIDI-Pickup als solcher ist ein magnetischer Tonabnehmer. Vom kanadischen Hersteller Godin gibt es spezielle MIDI-Gitarren, die im Unterschied zu den erstgenannten einen hexaphonischen Piezo-Tonabnehmer eingebaut haben, der nicht nur für einen akustischeren Gitarrenklang sorgt, sondern im Unterschied zu den Magnet-Tonabnehmern auch mit Nylon-Saiten funktioniert. Die Übertragung der Signale erfolgt auch bei Godin im Roland-Format. Allerdings sind vor allem die Godin-Gitarren mit einem Einstiegspreis von über 1000 Euro nicht eben kostengünstig. Gerade für arme Gitarristen gibt es zum Glück kostengünstigere Lösungen.
Die erste geht ebenfalls von einer Neuanschaffung aus. Allerdings soll die neue Gitarre ausschließlich mit dem Axon eingesetzt werden. Daher kommt hier auch eine schlichte E-Gitarre in Betracht, bei der lediglich die üblichen Einstellarbeiten wie Halskrümmung, Saitenlage und Intonation vorgenommen werden können, auf die Holz- und Tonabnehmer-Qualität kommt es nicht an. Das gewährleisten schon sehr kostengünstige E-Gitarren im Preis-Bereich von etwa 150 bis 200 Euro. Diese Gitarre wird dann mit einem MIDI-Tonabnehmer ausgestattet: Hier bietet sich der aktuelle GK-3 von Roland an, der sich an die Griffbrettwölbung des Instruments anpassen lässt und dank der guten mitgelieferten Werkzeuge und Bedienungsanleitung auch von handwerklich eher mäßig Begabten installiert werden kann. Der Roland GK-3 kostet derzeit knapp 120 Euro zuzüglich dem unverzichtbaren GK-Verbindungskabel, das seinerseits noch einmal mit 35 Euro zu Buche schlägt. Alternativ kann auch der Yamaha G 1D verwendet werden, der mit Anschlusskabel etwa 200 Euro kostet.
Natürlich kann der GK-3 auch auf die persönliche Lieblingsgitarre montiert werden. Der Tonabnehmer sollte idealerweise bei einem Abstand von ein bis zwei Zentimetern zur Brücke ungefähr einen Millimeter von den Saiten entfernt sein. Die Nase vorn haben hier Strat-Typen, mit dem GK-3 klappt die Montage inzwischen auch bei Gitarren des Les Paul-Typs. Bis vor kurzem gab es auch noch einen Tonabnehmer/Interface von Terratec, den AIX-101. Dieser, übrigens von Yamaha hergestellte magnetische Tonabnehmer ist derzeit nicht lieferbar. Wir entschieden daher kurzerhand daher für einen GK-3 Pickup und klebten diesen auf eine Fender Standard Strat. Die Kombination Roland GK-3 und Axon AX 100 MK II – soviel vorweg – funktioniert einwandfrei.

Konzertgitarristen bleibt die MIDI-Welt auch nicht unerreichbar fern: Die Hersteller RMC und Graph Tech haben MIDI-fähige Piezo-Tonabnehmer im Angebot, allerdings sind diese Systeme bereits recht teuer: Der RMC Ploy Drive II beispielsweise kostet etwa 400 US-Dollar und ist zudem in Deutschland schwer erhältlich.

Wer es gar nicht erwarten kann, benötigt fürs erste Kennen lernen nichts weiter als seine MIDI-fähige Gitarre, einen Kopfhörer und eine freie Steckdose. Die Gitarre über das 13-polige Kabel mit dem AX 100 verbinden, den Converter hochfahren und spielen. Zumindest beim Test konnten wir mit der Werkseinstellung des AX 100 sofort loslegen und mit der Strat neue Klang-Welten erkunden. Allerdings ist das nicht in jedem Fall möglich, einige grundlegende Einstellungen müssen je nach Gitarren-Typ und Spielweise vom Gitarristen über die Taste „Global Mode“ auf der Frontseite des AX 100 vorgenommen werden. Neben den Einstellungen für die MIDI-Kanäle, die so genannte Pitch-Bend-Range, die Gitarristen, unterstützt von der Axon-exlusiven Auto-Quantisierung die Verwendung typischer Spieltechniken wie Saiten-Ziehen und Slides/Glissandi erlaubt, muss der AX 100 gegebenenfalls an den Instrumenten-Typ (Gitarre, Bass, Violine und Cello) und vor allem an das Tonabnehmer-System angepasst werden. Hierfür stehen „Magnetic“ und „Piezo“ zur Auswahl. „Magnetic“ ist die Standard-Einstellung und wird in den meisten Fällen passen, denn hier ist eine Gitarre mit einem magnetischen Tonabnehmer angeschlossen. Wer eine Gitarre mit Nylonsaiten verwendet, sollte „Piezo“ wählen, da der AX 100 in diesem Fall mit einem polyphonen Piezo-Tonabnehmer betrieben wird. Sollte ein solcher Tonabnehmer keine Kontroll-Einheit mit Drehregler („Wheel“) haben, muss am AX 100 „Wheel Control“ auf „ON“ stehen, anderenfalls erhält der Converter falsche Werte. Wichtig sind auch die Einstellungen „Input Note Off Limit“ – hiermit lässt sich ein Grenzwert festlegen, der die maximale Ausklingzeit der Töne bestimmt. Je höher der Wert, desto schneller klingt die Note aus, da hier ein MIDI-Note-Off-Befehl an das interne Soundboard oder ein externes MIDI Instrument gesendet wird. Umgekehrt lassen kleinere Werte den Ton länger stehen. Mit ein wenig Geduld kann der AX 100 so an das gewohnte Ausklingverhalten (Sustain) der Gitarre angepasst werden, was das Spielgefühl beträchtlich verbessern kann. Noch wichtiger sind die Parameter „Input Trigger Level“ und „Input Sense“: Gerade Gitarristen, die zum ersten Mal einen Guitar-To-MIDI-Converter benutzen, machen gerade mit perkussiven Klängen wie Klavier-Sounds eher ernüchternde Erfahrungen, da diese Geräte unsauberes Spiel mit einem Schwall von ungewollten Noten beantworten. So kann sich ein sehr kleiner Trigger-Schwellwert zwar positiv auf Legato-Techniken auswirken, allerdings ertönen bei Lagenwechseln mitunter ungewollte Töne, die allein durch das Abheben der Finger vom Griffbrett entstehen und normalerweise beim Gitarren-Spiel gar nicht oder kaum hörbar sind. Mit Input Sense kann die Empfindlichkeit der einzelnen Saiten verändert werden, so dass der Spieler seine Anschlags-Technik nicht komplett umstellen muss.

Unverzichtbar beim Umgang mit solchen Systemen ist eine möglichst exakte Gitarren-Stimmung. Das integrierte autochromatische Stimmgerät des AX 100 arbeitet präzise und die Anzeige auf dem LCD-Dispaly ist ebenso gut wie die anderer Tuner. AX 100 ist ab Werk auf 440 Hertz kalibriert, kann aber mühelos auch auf einen anderen Kammerton, beispielsweise 443 Hertz kalibriert werden.

Diese Grundeinstellungen können am Gerät selbst vorgenommen werden und Gitarristen, die beispielsweise Erfahrung mit Multi-Effekt-Geräten haben, werden keine Mühe haben. Noch bequemer gehen sämtliche Einstellungen mit der mitgelieferten Editierungs-Software von der Hand: Dafür benötigen Sie lediglich einen Mac oder einen PC und ein einfaches MIDI-Interface. Der AX 100 MK II wird über MIDI-Out/MIDI-In mit dem Rechner verbunden und vollständig über die Software gesteuert. Da der AX 100 MK II noch einige Besonderheiten zu bieten hat, die jedoch am Gerät selbst nicht einfach einzustellen sind, sollte auf die Software nicht verzichtet werden, zumal diese im Test problemlos mit der Recording-Software Sonar 6 lief.

Zu den bemerkenswertesten Spezialitäten des Axon-Systems gehören zunächst die umfangreichen Split-Möglichkeiten: Mit „String-Split“ können die Saiten in zwei Gruppen unterteilt werden, um ohne umzuschalten verschiedene Klänge beim Spielen zu nutzen. Wer beispielsweise beim Combing gerne Akkorde mit Walking-Bass-Lines kombiniert, wird erhöhten Spiel-Spaß haben, wenn auf der A- und E-Saite ein Kontrabass erklingt und die übrigen Saiten mit einem E-Piano-Sound belegt sind. Nicht weniger clever ist die „Fret-Split“-Option. Damit lässt sich das Griffbrett in zwei Zonen einteilen, um beispielsweise bis zum fünften Bund Synthie-Flächen und ab dem sechsten Bund einen Solo-Sound zu spielen. Schließlich verbirgt sich hinter „Pick Split“ eines der eindrucksvollsten Features des Axon-Systems: Da das neuronale Netz des AX 100 die Zupfposition erkennt, kann der Anschlags-Bereich zwischen Steg und Hals-Ansatz in drei frei bestimmbare Abschnitte eingeteilt werden, um allein über die Anschlagsposition unterschiedliche Klänge zu benutzen. Eng verbunden mit „Pick Split“ ist die Funktion „Pick Controll“: Jede Pick-Split-Zone kann einen beliebigen MIDI-Controller steuern, um beispielsweise Lautstärke, Panorama oder Filter zu kontrollieren. Gitarristen verfügen damit nicht nur über vergleichbare Steuerungs-Möglichkeiten wie Keyboarder: Mit „Pick Controll“ könnten für jeden Splitbereich verschiedene Filter kontrolliert werden, die bewirken, dass der Klang um so höhenreicher wird, je näher am Steg angeschlagen wird. Damit wird das Spielgefühl mit dem Axon noch gitarristischer – ein nicht zu unterschätzendes Kriterium.

Alle Splitmöglichkeiten lassen sich beliebig kombinieren, so dass dem Spieler maximal zwölf verschiedene Kombinationen zur Verfügung stehen – wohl dem, der hier noch den Überblick behält.
Terratec liefert den AX 100 mit einem Hold-Pedal aus, mit dem sich die Hold-Funktionen „Common“, „Seperate“, „Layer“, „Stack“ und „Arpeg“ per Fuß fernsteuern lassen. Raffiniert sind hier vor allem die Modi „Seperate“ und „Arpeg“: Im „Seperate“-Modus kann dem Pedal ein eigener Klang zugewiesen werden, der unabhängig vom gerade verwendeten Hauptklang ist. Tritt der Spieler das Pedal, kann er so einen Akkord mit einem ausgewählten Flächensound spielen, lässt er das Pedal los, klingt der Akkord weiter. Der Gitarrist kann jetzt über den Akkord solieren. Noch beeindruckender gelingt das im „Arpeg“-Modus. Der AX 100 MK II bekam einen leistungsstarken Arpeggiator spendiert, womit sich komplexe Begleitfiguren erstellen lassen, die der Axon in einer jederzeit veränderbaren Endlos-Schleife abspielt. Die Abspiel-Schleife lässt sich an ein frei programmierbares Rhythmusmuster anpassen, da der Arpeggiator die rhythmische Quantisierung gestattet.
Brandneu ist der integrierte Drum-Sequenzer, der den Gitarristen erst recht die Verwandlung in eine Ein-Mann-Band gestattet: Erstellte Drum-Sequenzen können nämlich parallel zu einem Hold-Preset ausgegeben werden – die komplette Band aus der Kiste sozusagen.

Schon bei den ersten Versuchen verblüfft der AX 100 MK II mit Tracking-Werten, die nahezu gegen Null gehen. Lediglich bei Tremoli kommt auch der Axon an seine Leistungsgrenzen, ansonsten erlaubt der Converter auch auf den tiefen Saiten sehr schnelle Läufe und auch komplexe mit dem Plektrum gespielte Akkorde, werden praktisch verzögerungsfrei wiedergegeben. Das sollte eigentlich jeden verblüffen, denn es handelt sich hierbei streng genommen nicht um einen echten Zusammenklang, sondern um eine blitzschnelle Abfolge von Einzeltönen. Die Presets des internen Soundboards sind insgesamt von guter Qualität: Vor allem Solostreicher klingen zumindest in den tiefen Lagen durchaus annehmbar, während Bläser-Sounds wie Trumpete und Flöte sicherlich nicht zu den Stärken der Karte gehören.
Gerade beim Spielen im Streicher oder Bläser-Klang ist es große Klasse, dass mit dem AX 100 Spieltechniken wie Legatos, Vibrato und Glissandi wie gewohnt möglich sind. Damit hängen Gitarristen locker die Keyboarder ab, die auch mittels Pitch-Bender den Ton bei weitem nicht so vielfältig modulieren können. Da der AX 100 im standardmäßigen „String Mode Separate“ für jede Saite auf sechs separaten MIDI-Kanälen sendet, wirken sich Vibrato und Bendings auch nur auf den der gespielten Saite zugeordneten Kanal aus. Natürlich verlangt der AX 100 Disziplin vom Gitarristen, was in der Praxis bedeutet: Bei Klavier-Sounds sollte ein gleichmäßiger und klar definierter Wechselschlag verwendet werden, verwaschene Sweeps oder schlampige Lagenwechsel quittiert der AX 100 mit einer allenfalls interessant klingenden Kakophonie. Übrigens funktionieren der AX 100 und seine Splitting-Optionen nicht nur beim Plektrum-Spiel: Wer über einen präzisen Nagelanschlag verfügt, kann auch Fingerstyle spielen, um bestimmte Voicings oder auch Doppel-Griffe zu spielen. Beides geht dermaßen mühelos von der Hand, dass – unter Anspielung auf ein Brahms-Zitat – sich der Gitarrist fast schon wie ein Pianist oder Geiger fühlt.
Als nächstes spielen wir mit dem Axon ein kurzes Stück unter Sonar 6 in der (klingenden) Besetzung Klavier, Kontrabass, Synthesizer und Klarinette ein. Dabei verwenden wir zunächst nur die Preset-Sounds und gehen analog aus dem AX 100 in das T.C. Electronic Konnekt 24 D Audio-Interface. Da beim Einspielen der Klang über den Kopfhörer-Ausgang des Converters direkt mitgehört werden kann, spielen Latenzen überhaupt keine Rolle. Das Einspielen mit dem AX 100 macht richtig Spaß und ist sehr inspirierend, zumal es sehr viel leichter fällt, auf der Gitarre wie ein Bläser zu phrasieren, wenn es auch nach Klarinette klingt. Insoweit bereichert der Axon auch die spielerischen Fähigkeiten und Ausdrucksmöglichkeiten, die neuen Klänge kommen Komposition und Arrangement hörbar zugute. Leider sind die Ausgänge des Soundboards nicht ganz rauscharm, weswegen es für anspruchsvolle Aufnahme-Sessions letztlich nicht empfehlenswert ist, für den Live-Einsatz ist es aber allemal gut genug.
Im Studio sollte daher entweder ein externes und beim Rauschen zurückhaltenderes Sound-Modul verwendet werden oder der MIDI-fähige Gitarrist spielt gleich MIDI-Spuren ein, die er dann über ein virtuelles Instrument oder eine Software-Sound-Modul hörbar macht. Auch beim Einspielen von MIDI-Spuren kann über den Kopfhörer-Ausgang des AX 100 mitgehört werden. Das Verfahren ähnlich insoweit der analogen Aufnahme, dafür können falsche Noten im Noteneditor schnell entfernt werden – was mitunter schneller geht, als auf den perfekten Klavier-Take zu warten. Wenn der AX 100 ein externes Soundmodul ansteuert, müssen die Einstellungen beider Geräte übereinstimmen, ansonsten werden Legatos oder Bendings nicht funktionieren. Wichtig auch: Sendet der AX 100 im Preset-Modus muss „Quantize“ entweder auf „Auto“ oder „Off“ eingestellt sein. Das ist mit der Editor-Software in Sekundenschnelle erledigt und der Gitarrist kann sein MIDI-Symphonie-Orchester dirigieren.

Fazit

Nach kurzer Eingewöhnungszeit kann die Neuauflage des Axon voll überzeugen: Mit diesem Guitar-To-MIDI-Converter eröffnen sich dem Gitarristen neue Klangwelten, die dank des extrem schnellen Trackings – sauberes Spiel vorausgesetzt – der eigenen Kreativität einen kräftigen Schub geben. Ob als autarker Gitarren-Synthesizer im Live-Einsatz oder im Studio zum Ansteuern externer MIDI-Geräte: Der Axon AX 100 MK II hat ´s drauf und steht jedenfalls auf dem persönlichen Wunschzettel des Autors ganz oben.

Erschienen in Ausgabe 01/2007

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 499 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut