RP-Verb 2 – Das Hall-Monster
Die niederländische Softwareschmiede Rob Papen hat einem ihrer beliebtesten Effekt-Plug-ins, dem RP-Verb, ein Update spendiert. Neben einigen GUI-Verbesserungen und neuen Funktionen hat es ein überaus spannendes neues Feature im Gepäck.
Von Freda Ressel
Reverb-Plug-ins gibt es wie Sand am Meer. Wenn aber ein Produkt noch acht Jahre nach Erscheinen einen so guten Ruf genießt wie der RP-Verb, spricht das definitiv für seine Qualität. Dennoch fand das Team um den niederländischen Sounddesigner und Produzenten Rob Papen ein paar Verbesserungen für das algorithmische Hall-Plug-in – und baute außerdem noch ein paar clevere, neue Features ein.
Für 149 Euro ist das Plug-in als Boxed Version oder Download erhältlich. Besitzer der Vorgängerversion bekommen das Update für 39 Euro, wer Rob Papens eXplorer 4 Bundle sein Eigen nennt, bekommt den Download der neuen RP-Verb-Version gratis. Eine Zweitlizenz für einen zusätzlichen Computer kann nach der Registrierung angefordert werden. Gratis mit im Gepäck hat der RP-Verb 2 das Delay-Plug-in RP-Delay.
Aufbau
Das GUI des RP-Verb 2 fällt erfreulich großzügig aus – bei den vielen möglichen Einstellungen eine echte Erleichterung. Trotz der umfangreichen Bedienelemente ist es leicht verständlich strukturiert – nach dem „What you see is what you get“-Prinzip liegt alles ohne versteckte Funktionen direkt vor den Augen des Nutzers. Für das tiefergehende Verständnis findet sich unter „Help“ ein englischsprachiges Manual in PDF-Form.
500 nach Instrumentengruppen sortierte Presets stehen zur Wahl, um die Klangmöglichkeiten des Plug-ins zu erforschen. Neue Presets sind hier ebenso speicherbar wie eine separate Favoriten-Liste. Die zuletzt genutzten Presets werden automatisch gespeichert, so dass die letzten Schritte bei der Suche nach dem optimalen Sound stets nachvollziehbar und reproduzierbar sind.
Die einzelnen Sektionen des GUI sind optisch gut voneinander getrennt. Am linken Rand der jeweiligen Sektion findet sich ein Icon, durch dessen Betätigung der jeweilige Effektteil eingeschaltet wird. Die Sektionen unterteilen sich wie folgt:
Reverb
Die Kernsektion des RP-Verb 2 ist der Reverb. Hier stehen zehn verschiedenen Hall-Typen in verschiedenen Intensitäten zur Wahl – von leichten Raum-Hall bis zu den beiden „Space Orbit 1+2“ genannten überaus weitreichenden Halltypen. Die einzelnen Typen sind jeweils noch modifizierbar. Raumgröße, Halllänge, das Maß an Tief-Pass-Filter, welches auf die Erstreflexionen des Reverb-Signales angewendet wird (Damping), sowie je ein Hoch- und Tiefpassfilter für das komplette Signal lassen sich individuell einstellen. Auch Pre-Delay-Zeiten sowie eine Funktion namens „Pre Delay Disorder“, die je nach Einstellung einen anderen Anklang der Erstreflektionen bietet, stehen zur Wahl.
Reverse
Die größte Neuerung des RP-Verb 2 stellt der Reverser dar. Dieser nimmt die aktuelle Hallfahne auf und spielt sie, synchronisiert mit dem in der DAW angegebenen Tempo, rückwärts ab. Zur Veranschaulichung gibt es ein graphisches Display, auf dem die Wellenform des Signals nachempfunden wird. Die Stelle, bis zu der das Signal aufgenommen wird (Reverse Time), lässt sich dabei ebenso einstellen wie eine Hold-Zeit, bis zu der kein neuer Durchlauf des Reverser-Kreislaufs startet. Dabei kann gewählt werden, welcher Lautstärkelevel erreicht werden muss, um den Reverser zu starten. Zudem kann man den Startzeitpunkt auch manuell via Offset-Funktion festlegen. Der Startpunkt rutscht so auch im Display nach rechts oder links. Auch das Attack des invertierten Signals lässt sich bearbeiten, um einen Fade-in-Effekt am Anfang der Wiedergabe zu erzeugen. Auf die gleiche Weise kann man das Ausklingen des Signals mit dem Decay-Regler steuern.
Early Reflections
Mit der Funktion Early Reflections sind die Erstreflexionen des RP-Verb separat steuerbar. Damit lässt sich der erzeugte Hallraum klanglich komplexer gestalten als bei den herkömmlichen Hallfahnen. Dank einer Damper-Funktion lassen sich die hohen Frequenzen ausblenden, was den Effekt einer weichen Aufstrahl-Oberfläche wie beispielsweise die eines Teppichs erzeugt. Auch die Menge an Wiederholungen dieser Early Reflections (Feedback) ist regelbar. Mit „Side“ und „Cross“ sind seitliche und kreuzende Reflexionen steuerbar, so dass der Klang noch räumlicher wird.
Late Reflections
Diese Sektion ergänzt Hallfahnen, die länger ausklingen als das herkömmliche Signal. Damit lässt sich beispielsweise auch bei großen Hallräumen ein Signal länger im Vordergrund halten. Hier steht ebenfalls ein Damping-Regler zur Verfügung.
EQ
Die Equalizer-Sektion erlaubt nicht nur die übliche Einstellung von Bässen, Mitten und Höhen, sondern lässt auch die Wahl, ob diese Einstellung vor oder nach dem Reverb einsetzen sollen. Das Mittenband ist parametrisch und lässt Einstellungen der Frequenz, Bandbreite und Pegel zu.
Distortion
Um etwas mehr „Dreck“ in die Spuren zu bekommen, wurde die Distortion-Sektion erweitert. Hier stehen vier Verzerrungs-Algorithmen zur Wahl: Fold-Over, Fuzz, Power und Saturation. Für diese lässt sich einerseits die Lautstärke, andererseits der Grad der Verzerrung steuern. Somit kann man selbst den eher aggressiven Fuzz-Effekt dezent einstellen, um beispielsweise eine Prise mehr Lebendigkeit in die Spur zu bekommen.
Ensemble
Der Ensemble-Effekt legt sechs Chorusstimmen mit minimal unterschiedlichen Einstellungen der Einsatzzeit über ein Signal. Dadurch wird die Illusion einiger Overdubs geschaffen. Die Verzögerungszeit wird mit LFO-Modulation gesteuert.
Envelope-Sektion
Der Envelope-Follower lässt die Bearbeitung von Attack, Hold und Release des Input-Signals zu. Somit sind etwa Gated Reverb Sounds wie die charakteristische Phil Collins-Snare kein Problem. Er lässt sich auf zwei beliebige Parameter des RP-Verb zugleich anwenden.
Mit Envelope lassen sich weitere Modulationen der Envelope-Kurve erstellen, die ebenfalls auf zwei beliebige Parameter anwendbar sind. Eine Loop-Funktion erlaubt die stetige Wiederholung des Envelope-Kreislaufs (Attack, Hold und Release).
Unter LFO/ MOD /Trigger findet sich einerseits ein modulierbarer LFO mit 17 verschiedenen Hüllkurven, andererseits die Aktivierung des MIDI-Triggers. Über einen externen MIDI-Controller lassen sich so die Effekt-Parameter des RP-Verb 2 dynamisch modifizieren. Für die Einstellung dieser Mods ist das External Controller Setup (ECS) zuständig.
Zudem liegen hier 3 Modulations-Slots, auf denen Modulationsoptionen für verschiedene Quellen (etwa MIDI-CCs) auf verschiedene Ziele (jeder beliebige Modulationsparameter des RP-Verb 2) eingestellt werden können. Den Möglichkeiten der Hallbearbeitung sind dadurch letztlich fast keine Grenzen mehr gesetzt.
Flexibler Signalfluss
Als wäre der RP-Verb 2 mit all diesen Einstellungsmöglichkeiten noch nicht flexibel genug, kann man unterschiedliche Reihenfolgen der Komponenten/Module im Signalfluss festlegen: Während die Default-Einstellung die Kette vom EQ in die Distortion und von dort einerseits über Ensemble und von da aus jeweils über Early- und Late Reflections und andererseits über Reverb und den Reverser geht, lassen sich die einzelnen Komponenten auch verschieben. So ist es auch möglich, den EQ direkt für das Outputsignal zu setzen, oder Ensemble, Late oder Early Reflections jeweils direkt in den Reverb zu leiten.
Praxiseinsatz und Klang
Um die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten des RP-Verb 2 zu erforschen, testeten wir das Plug-in mit einem Schlagzeugloop, einer weiblichen Gesangsstimme sowie einer E-Gitarrenspur. Die CPU-Last hielt sich dabei absolut im Rahmen, mehrere Instanzen des Plug-ins ließen sich problemlos parallel nutzen.
Der RP-Verb 2 entpuppt sich als überaus mächtiges Tool mit Klangveränderungsmöglichkeiten bis in die letzte Hallfahne hinein. Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig und komplex, hier handelt es sich um kein Einsteiger-Reverb, auch wenn dank des nahezu selbsterklärend aufgebautem GUI das Erlernen der unterschiedlichen Klangveränderungsparameter und deren Auswirkungen auf den Klang leicht fallen dürfte. Das ist Fluch und Segen zugleich, denn bei so vielen Bearbeitungsmöglichkeiten verliert man sich schon mal schnell für mehrere Stunden auf der Suche nach dem optimalen Sound. Die unzähligen Presets erleichtern dabei aber den Einstieg.
Für die Schlagzeugbearbeitung frischen wir zunächst unseren etwas schlaffen Loop mit dem Raumhall-Typ „Room Edged“ und einer guten Dosis Power-Verzerrung (beide Regler auf 50 %) auf. Mit der Zuschaltung der Late Reflections, synchronisiert mit der DAW auf ¼ -Taktlänge schaffen wir gar neue rhythmische Verschnörkelungen, die den straighten Beat gleich etwas verspielter klingen lassen.
Bei der weiblichen Gesangsstimme machen wir den Raum mit dem Hall-Typ „Hall Cave“ etwas größer. Für mehr Substanz schalten wir Ensemble dazu, wobei wir den Weg direkt in das Reverbsignal wählen, da der direkte Signalweg für unsere Zwecke einen zu aufdringlichen Choruseffekt liefert. Mit der Chorusgeschwindigkeit von 40 Prozent bei voller Lautstärke wirkt die Hallfahne etwas dichter und präsenter. Das Pre-Delay wirkt wiederum besonders gut für weitreichende Backingvocal-Spuren.
Nun kommt der Reverser zum Einsatz, den wir zunächst nur mit 30 Prozent in den Mix spielen. Mit geringen Attack- und Decaywerten ist An- und Ausklangphase nicht sehr dramatisch und die rückwärts abgespielte Hallfahne wirkt eher diffus-dezent. Mit dem Aufdrehen von Attack und Decay entsteht der typische Klang einer rückwärts gespielten Aufnahme, wie wir ihn etwa vom Solo des Beatles-Klassikers „I’m only Sleeping“ kennen. Der Reverser lässt auch bei der E-Gitarre kreative Sounds zu, für flächige Sounds in Richtung einer Spectorschen „Wall of Sound“ bietet sich hier viel Potential.
Schöne Chorus-Effekte lassen sich mit der Ensemble-Sektion erreichen. In Kombination mit einem leichten Raumhall entsteht hier ein schöner, präsenter Klang für jazzige Gitarrensoli. Völlig abgefahrene Klänge lassen sich wiederrum mit dem LFO in Kombination mit der Envelope-Sektion erreichen, hier ist dem spacigen Sounddesign wahrlich keine Grenze gesetzt.
Der Grund-Klang des RP-Verb ist eher modern-kühl und hochwertig. Einzig Liebhaber von analog klingender Wärme sollten sich vielleicht nach einem anderen Reverb-Plug-in umschauen.
Fazit
Die Neuauflage des RP-Verb bietet noch mehr Funktionen und kreative Hallbearbeitungsmöglichkeiten. Ein ansprechendes, gut sortiertes GUI, eine flexible Signalverarbeitungskette und unzählige Presets helfen dabei, den optimalen Sound zu finden.
Erschienen in Professional audio 10/2017