Endliche Antworten für mehr Qualität
Faltungshall ist nicht gleich Faltungshall denn die dafür benötigten Impulsantworten können im Algorithmus endlich oder unendlich sein. Jede Variante birgt seine Vor- und Nachteile. Mit dem H-Reverb stellt die israelische Firma Waves einen Faltungshall mit endlichen Impulsantworten vor, welcher uns einen neuen Ansatz in Sachen künstlicher Raumgestaltung liefern soll.
Von Henning Hellfeld
Die Entwicklung des Faltungshalls geht bis in die frühen 90er Jahrer zurück. Die Technik sollte es ermöglichen, hochwertige Hallgeräte kostengünstiger zu gestalten. Das Prinzip dahinter ist wie so oft in mathematischen Formeln verschleiert, die für die meisten von uns jenseits dessen liegen, was man mal in der Schule gelernt, niemals eingesetzt und schon längst wieder vergessen hat. Lässt man dies beiseite ist die Grundidee relativ simpel. Ein Impuls wird in einen Raum abgegeben und aufgezeichnet. Eingangs- und Ausgangssignal werden nun mathematisch so in Beziehung gebracht, dass sich am Ende eine reine Impulsantwort des ursprünglichen Raumes ergibt.
Ob die Impulsantworten im Algorithmus nun unendlich oder endlich sind bringt gewisse Eigenschaften mit sich. Unendliche Impulsantworten benötigen bei kurzen oder langen Hallfahnen immer denselben Anteil an CPU-Ressourcen, bringen allerdings eine gewisse klangliche Eigenfärbung mit sich. Bei den endlichen Impulsantworten bleibt diese aus, allerdings wird die Rechenkraft mit steigender Nachhallzeit immer mehr belastet.
Der Software-Hersteller Waves hat zwar schon einige Falltungshall-Plug-ins im Programm, nun wird mit dem H-Reverb allerdings ein Hall vorgestellt, der sowohl bei den Early Reflections, als auch beim Nachhall mit endlichen Impulsantworten arbeitet. Dies klingt vielversprechend, denn natürlich wurden im H-Reverb neue Features verbaut und neben den eigenen Hall-, Plate-, Chamber- und Roomkreationen auch diverse Hall-Klassiker simuliert und Presets von renommierten Audioengineers integriert.
Schick mit neuen Features
Wer sich den H-Reverb zu Gemüte führen will sollte mindestens mit einen Core Duo 2,3 GHz Prozessor im Mac oder einen Intel Core 2 Duo Prozessor im Windows PC aufwarten. Jeweils 4 GB Arbeitsspeicher werden nahegelegt sowie Mac OS X 10.7 und Windows 7 mit SP1 vorausgesetzt. Die Installation läuft wie von Waves gewohnt für alle VST-, AU-, RTAS- und AAX-Schnittstellen sehr unkompliziert. Nach der Lizenzerstellung über das Waves License Center (WLS) kann diese entweder auf einem USB-Medium oder lokal gespeichert werden.
Der H-Reverb kommt in zwei Versionen daher. Einmal als Standardversion für Halllängen bis zu sechs Sekunden und als „Long“-Version, die es ermöglich bis zu zwölf Sekunden Nachhall zu kreieren. Das Ganze dann natürlich wahlweise in Mono, Stereo und in 5.0 und 5.1 Surround.
Das GUI besticht durch schlichten Schick, trotz einer Vielzahl an Einstellmöglichkeiten. Dies liegt größtenteils daran, dass man hauptsächlich auf Drehregler setzt, welche auch in großer Zahl eine gewisse Ruhe ausstrahlen. Die große Hauptanzeige stellt die kreierten frühen Reflexionen (ER), Input- und Output-Delays sowie die Nachhallzeit dar. Links und rechts davon befinden sich die Meter für den In- und Output. Unterhalb der Input-Anzeige findet sich schon das erste Schmankerl. Ein Test-Button schickt einen harten, kurzen Rauschimpuls in den H-Reverb und lässt so schon vorab erahnen, wie der gestaltete Hall klingt. Unterhalb des Output-Meters findet sich der Reverse-Button zum Umkehren der Nachhallzeit. Die Main Control-Sektion beinhaltet auf der linken Seite den Pre-Delay-Regler mit Tempo-Sync-Funktion, den Buildup-Regler, welcher das Einsetzen der Hallfahne zwischen 0,1 und 2 Sekunden variiert und der Size-Regler, der die Länge der frühen Reflexionen bestimmt. In der Mitte befindet sich die große Reverb-Time-Anzeige und darunter die ER-Select-Sektion, in der zwischen zehn verschiedenen Arten von Erstreflexionen ausgewählt werden kann. Auf der rechten Seite finden sich Mix-Regler für die Reflexionen und den Nachhall, sowie für Dry und Wet. Der Output-Regler darf an dieser Stelle natürlich auch nicht fehlen. Unterhalb dessen ist der Expand- beziehungsweise der Collapse-Knopf. Dieser ermöglicht es in der abgespeckten „Collapse“-Version die In- und Output Echoes sowie die Dynamics und Modulationen lediglich per Schaltfeld an- oder auszuschalten, während sich im Expand-Modus der H-Reverb aufklappt, die volle Reglervielfalt widerspiegelt und uns die Advance Controls offenbart. Links können wir den Verlauf und die Dichte des Nachhalls per X-Time-, X-Gain- und Density-Regler bestimmen. In der Input Echoes-Sektion wird zwischen sieben verschiedenen Delay-Taps ausgewählt, welche das Inputsignal bis zu sechsmal wiederholen. Die Wiederholungen lassen sich dann noch per Discret- und Diffused-Regler modulieren. Die Output-Echoes-Einheit fügt bei Bedarf vier Wiederholungen des gesamten Hall-Effekts hinzu, welche sich per Amount-, Size- und Tone-Regler noch anpassen lassen. Im Dynamics-Modul lässt sich das Wet-Signal im Zweiknopf-Verfahren komprimieren, ducken oder de-essen. Mittig finden wir die EQ-Einheit für die ERs und den Reverb. Während die ERs lediglich zwischen 1 und 14kHz via Hi-Shelf gezügelt werden, steht für den Reverb ein großer EQ mit Lo-Shelf, Lo-Bell, Hi-Bell und Hi-Shelf zur Verfügung. Eine weitere Besonderheit ist die Time-Filters-Sektion auf der rechten Seite. Diese ermöglicht uns neben der konventionellen Damping-Option, den Hall via Envelope oder LFO zu formen. Auf diese Option werden wir später noch genauer eingehen. Die Modulations-Einheit bringt nach Aussage von Waves „more fun to the game“ und moduliert per AM-Depth, AM-Rate und FM-Mix das Inputsignal. Abschließend kann in der Global-Sektion per Drive-Regler der Input angezerrt, analoges Modeling hinzugefügt oder per Digital-Schalter auf wahlweise 8 oder 12 Bit downgesampelt werden.
Wie klingts?
Üppige, räumliche und warme Klänge werden uns seitens des Herstellers vom H-Reverb versprochen. Und ja, schon die ersten Spielereien hören und fühlen sich sehr gut an. Es macht vor allem sehr viel Spaß mit dem Plug-in zu arbeiten. Dank des einladenden GUI bekommt man sofort Lust noch diesen und jenen Regler zu probieren. Aber nun mal von Anfang an. Der H-Reverb bietet in allen Disziplinen erstklassige Sounds. Der volle, warme Grundcharakter wird durch tolle Features umso interessanter. Einige von ihnen wollen wir nun mal etwas genauer unter die Lupe nehmen. Der Pre-Delay-Sync beispielsweise ist eine praktische Angelegenheit. Einmal aktiviert kann man zwischen 19 rhythmischen Unterscheidungen auswählen und so musikalisch damit arbeiten, ohne lästiges Umrechnen von BPM in Millisekunden. Die Steuerung und Gestaltung der frühen Reflexionen erfolgt in drei Schritten. Zuerst wird per Dropdown-Menü eine der zehn Charakteristika ausgewählt, anschließend per Size-Regler in der Länge variiert und am Ende noch im EQ klanglich angepasst. Es bietet sich hier dringend an, auch einmal nur die ERs auf Signale wie Drums oder akustische Gitarren zu geben. Sofort werden diese räumlicher ohne ihren Raum in der Staffelung einbüßen zu müssen. Auch die eigentliche Hallfahne lässt sich nach Gusto formen. Per Build Up-Regler kann man diese quasi bis zu zwei Sekunden einfaden und via X-Time- und X-Gain-Regler in zwei Stufen zeitlich und lautstärkemäßig kontrolliert abfallen lassen. Mit zunehmender Dreherei an diesen Knöpfchen fällt auf, welche Vielfalt in diesem Plug-in liegt. Konventionelle Nachklänge aber auch experimentelle und lärmige Kreationen sind ohne weiteres möglich. Und das noch ohne Zutun der erweiterten Optionen. Diese sollte man allerdings nicht außer Acht lassen. In der Input Echoes-Sektion lassen sich bis zu sechs Wiederholungen des Eingangssignals hinzufügen und so, je nach Einstellung, subtile oder extreme Delay-Effekte kreieren. Die Output-Echoes vervierfachen die Hallfahne und schaffen so einen noch volleren Klang der ebenfalls bis ins Extrem gefahren werden kann. Das Dynamics-Modul erweist sich als großer Helfer in Sachen „Platz schaffen“. Vor allem der Ducking-Modus bringt in stark verhallte Signale wieder eine gewisse Direktheit, indem er das Wet Signal abhängig vom Threshold-Wert entsprechend absenkt und so mehr Platz für das trockene Signal lässt.
Freunde der abgefahrenen Sounds sollten in der Time-Filter-Sektion voll auf ihre Kosten kommen. Hier kann der Hall mit einem Envelope-Filter, respektive einem LFO verfremdet werden. Der Envelope-Filter arbeitet innerhalb zweier einstellbarer Grenzfrequenzen mit einem Attack- und Release-Wert, während der LFO erwartungsgemäß mit einer Wellenform agiert. Beide liefern uns experimentelle Klänge, welche bisher weitere Plug-ins in der Kette erfordert hätten.
Abgerundet werden kann das Ganze nun in der Global-Sektion. Wer schon einmal einen echten Raum aufgenommen hat, dem ist sicherlich schon aufgefallen, dass diese oft nicht so „schön“ klingen wie künstliche Räume. Später im Mix sind es aber diese Hässlichkeiten, die das Ganze dann doch natürlich klingen lassen. Mit dem Drive-Regler können wir das Überfahren der Input-Sektion simulieren und somit den Hall anzerren. Mit steigendem Wert werden die tiefen und mittleren Frequenzen immer dichter und das Ganze wirkt „lärmiger“. Aber wie gesagt, eine Spur Dreck tut den meisten Signalen gut. Die dahinter werkelnde simulierte Analogschaltung lässt den Hall weniger aggressiv und weicher erscheinen, während ihn die Digital-Option etwas „grobkörniger“ und LoFi-mäßiger macht. Beides allerdings auf sehr subtile Weise.
Learn from the best….
Wie geht man denn nun mit so einem Tausendsassa in Sachen Hall um? Entweder man geht den harten steinigen Weg des Selbststudiums oder man profitiert von einem der 236 Presets, welche nicht nur von Waves geliefert werden, sondern auch von namhaften Größen der Branche wie Daniel Green oder Tony Maserati. Diese erweisen sich als sehr hilfreich um schneller ans Ziel zu kommen. Desweiteren stehen uns Simulationen legendärer Reverb-Hardware beispielsweise von TC Electronic, Yamaha, Lexicon oder AMT zur Verfügung, die im Test gleichsam zu gefallen wissen.
Aber wie steht es nun um die CPU-Belastung des H-Reverb? Zugegebenermaßen gehört er zu den Prozessoren der aufwendigeren Sorte, welcher bei großen Nachhall-Zeiten schon mal knappe 30 Prozent eines unserer 2.53 GHz Prozessorkerne in Beschlag nimmt. Es ist also kein Hall, den man inflationär einsetzen sollte, sondern mit einigen Instanzen über Busse routen sollte. So kommen die alten Zeiten dann doch wieder in die DAW zurück. Schließlich verfügt man auch in gut ausgestatteten Studios selten über massenweise hochwertige Hardware-Hallgeräte. Dies stellt allerdings kein echtes Problem dar, denn dank der Vielseitigkeit und klanglichen Qualität des H-Reverbs sollte man mit wenigen Instanzen innerhalb einer Produktion bestens klar kommen. Um einzelne Beispiele der Anwendung zu präsentieren genügen uns die Buchstaben diesmal nicht, doch innerhalb unseres Tests konfrontierten wir den Hall sowohl mit Vocal-, Drums-, Streicher-, Syntheziser- und Gitarrenspuren. Stets fanden wir dutzende Möglichkeiten den Hall für jede Situation anzupassen, egal ob über Eigenkreationen oder Presets, egal ob kurze Room- oder lange Church-Reverbs. An der Qualität des H-Reverb lässt sich nicht rütteln, denn er überzeugt auf ganzer Linie.
Fazit
Wieder einmal besticht ein Produkt von Waves mit einem durchdachten Konzept, exzellenter Ausführung und tadellosem Klang. Natürlich ist der Einsatz letzten Endes Geschmacksache, aber der H-Reverb bietet von klassischen bis hin zu Sounddesign-Anwendungen alles, was man von einem Hall-Plug-in erwarten kann. Wir könnten uns vorstellen, dass viele User in diesem Hall einen Schatz finden werden, den sie nach kurzer Zeit schon nicht mehr missen möchten.
Erschienen in Ausgabe 7/2015
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 349$
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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