Champagner-Trüffel
Mit dem PCM 96 schickt Digital-Hall-Gigant Lexicon ein neuen Hall- und Effektprozessor ins Rennen. Konzipiert als Profigerät bietet der PCM 96 jede Menge echter Lexicon-Sounds, garniert mit innovativen Ausstattungs-Spezialitäten.
Von Harald Wittig
Angesichts der inzwischen sehr guten Hall-Plug-ins wie beispielsweise dem Altiverb von Audioease (Test in den Ausgaben 9/2006 und 5/2007) oder dem Classik Studio Reverb von IK Multimedia (Test in Ausgabe 11/2006), bedarf es schon einigen Mutes, wenn ein Hardware-Hersteller ein völlig neuentwickeltes Hardware-Hallgerät auf den Markt bringt. Es sei denn der Hersteller heißt Lexicon, eine Name, der für viele Kenner ein Synonym für Digital-Hall in High-End-Qualität ist.
Mit den 19-Zoll-Geräten der PCM-Reihe blickt das amerikanische Unternehmen auf eine über zwanzig jährige Tradition zurück, denn Anfang der 1980er Jahre präsentierten die Digital-Hall-Spezialisten mit dem PCM 60 das erste Gerät dieser Baureihe. Seitdem ist viel Zeit vergangen und die Hallgeräte der PCM-Reihe sind auf etlichen Produktionen zu hören und werden von Kennern als erschwingliche Alternative zu den sündhaft teueren Flagschiffen 300, 480L und 960L geschätzt.
Mit dem PCM 91 hatte Professional audio Magazin in Ausgabe 9/2008 das bisherige und nach wie vor lieferbare Spitzenmodell der PCM-Reihe im Test. Beim heutigen Testkandidaten, dem PCM 96, für rund 3.350 Euro einen Tausender teurerer als der PCM 91, gingen die Entwickler in die Vollen: Das neue Topmodell bekam nicht nur eine feine Auswahl an klassischen und brandneuen Lexicon Hall-Algorithmen spendiert. Dank seiner – wie wir noch en detail sehen werden – äußerst raffinierten Konfigurationsmöglichkeiten, eröffnen sich dem Anwender ganz neue, schier unendliche Klangwelten. Damit nicht genug: Quasi als Dreingabe gibt es noch eine grundsätzlich komfortable Fernsteuerungsmöglichkeit über die eingebauten Firewire-Ports im Verbund mit einer neuentwickelten Steuersoftware. Mit einer speziellen Software lässt sich der PCM 96 sogar via Firewire in eine DAW einbinden und gewissermaßen wie ein DSP-Effekt-Plug-in einsetzen – wenn auch mit eingeschränktem Funktionsumfang. Derzeit kommen allerdings allein Mac-User in den Genuss des Komforts, den Firewire-Schnittstelle und Control-/Plug-in-Software bieten. PC-Anwender müssen sich noch gedulden. Lexicon versichert aber, dass die ungleich aufwändigere Einbindung des PCM 96 in die Windows-Architektur in absehbarer Zeit, voraussichtlich Anfang 2009, umgesetzt sein wird. Da der PCM 96 aber in erster Linie ein völlig autarkes Hardware-Effektgerät ist, lässt er sich selbstverständlich ohne weiteres in eine rechnergestützte Studioumgebung einbinden und die eigene Ausrüstung klangstark erweitern.
Lexicon vertraut beim PCM 96 auf neueste DSP-Technik und hat ein richtig fettes Hall- und Effektpaket geschnürt: Mit allein 1.200 Presets, 6 Lexicon-Hall-Algorithmen, den Modulationseffekten Chorus und Flanger, diversen Delays und einigen Zusatz-Schmankerln ist der PCM96 nicht einfach ein weiterer High-End-Hallprozessor, sondern eine richtige Effektmaschine, nach der sich Traditionalisten und Klangschrauber – soviel sei schon verraten – gleichermaßen die Finger lecken.
Sehen wir uns zunächst den Aufbau des PCM 96 näher an. Das Gerät ist zweikanalig ausgelegt und verfügt neben analogen auch über digitale Ein- und Ausgänge im AES3/EBU-Format. Im Digitalbetrieb akzeptiert der PCM 96 Signale bis maximal 24Bit/96 Kilohertz-Auflösung, ebenso die niedrigeren Samplingraten 44,1, 48 und 88,2 Kilohertz. Die interne Signalverarbeitung geschieht mit 32-Bit-Fließkomma, die vier-kanalige Firewire-Streaming-Schnittstelle dient, wie eingangs erwähnt, einerseits der Einbindung des Geräts als Plug-in in eine Mac-DAW, andererseits lassen sich alle Einstell-Parameter via Software vom Mac aus fernzusteuern und auf Wunsch automatisieren. Letzteres ist auch über Ethernet möglich – eine entsprechende Schnittstelle ist am Gerät vorhanden, ein Ethernet-Kabel gehört zum Lieferumfang. Die Einbindung in ein Local Area Network (LAN) ist allerdings eine vergleichsweise umständliche Angelegenheit. Dafür kann Lexicon gar nichts, vielmehr ist gerade zu diesem Thema das Handbuch lobend zu erwähnen: Die Bedienungsanleitung, unter www.lexiconpro.com auch deutsprachig zum kostenlosen Download erhältlich, behandelt die LAN-Anbindung des PCM96 erfreulich akribisch.
Die Bedienoberfläche des Gerätes ist Lexicon-typisch aufgeräumt. Die Grundfunktionen der wenigen Regler auf der massiven Alu-Frontplatte im edlen Champagner-Look sind, zumindest zusammen mit dem sehr gut ablesbaren LED-Display, auch ohne tage- und nächtelanges Studium des Handbuchs einleuchtend. Der große Dreh- und Druckregler, „Select“ genannt, ist das Haupteinstellwerkzeug, während die mit „A“, „B“ und „C“ beschrifteten Drehregler der Einstellung einzelner Parameter dienen: Angefangen bei der Einrichtung der Ein- und Ausgänge bis hin zur Feinjustierung der Einstell-Parameter der Effekte.
Natürlich bedingen die vergleichweise wenigen Bedienelemente eine nicht immer ganz übersichtliche Menü-Struktur. Beispielsweise findet sich die Factory-Reset- oder Paniktasten-Funktion erst ganz zum Schluss im „Tools“-Menü, das seinerseits erst einmal gefunden sein will. Eine gewisse Einarbeitungszeit erfordern digitale Hardware-Effekt-Geräte mit riesigem Funktionsumfang nun mal. Aber wir können bestätigen, dass die Bedienung des PCM 96 schon nach kurzer Zeit in Fleisch und Blut übergeht.
Im Menü „System View“, zu erreichen über die Taste „Machine“ neben dem Display, konfiguriert man das Gerät. Tatsächlich nimmt der Anwender hier alle wesentlichen Einstellungen vor. Neben den bereits Genannten gehören dazu die Einrichtung der MIDI-Steuerung, Netzwerk- und HiQ-Net-Konfiguration, das Fromatieren einer Flash-Karte – wie der PCM 91 verfügt auch der PCM 96 über ein Flash-Karten-Laufwerk –, sowie die Maschinen-Konfiguration.
Dahinter verbirgt sich eines der herausragenden Merkmale des Prozessors: Obwohl das Gerät „nur“ über zwei Hardware-Maschinen beziehungsweise Prozessor-Engines verfügt, lassen sich diese auf unterschiedlichste Weise verknüpfen. Dabei ist zu beachten, dass die Maschinen-Konfiguration stets vorab, also vor dem Laden eines Presets, vorzunehmen ist. Selbstverständlich lässt Lexicon den Einsteiger in die Effekt-Welten des PCM 96 nicht hilflos im Regen stehen. So gibt es viele vorgefertigte Presets mit grundlegenden Einstellungen. Dennoch ist es höchst lohnenswert, sich mit der Programmierung auseinanderzusetzen. Das Gerät verfügt nämlich über vier virtuelle Maschinen, mit denen vor allem ambitionierte Klangverbieger eine Menge anstellen können: Beispielsweise ist es möglich, das linke Eingangsignal durch einen Mono-Reverb zu schicken, das rechte wiederum durch ein Mono-Delay. Anschließend durchlaufen beide, bereits angereicherte Signale, eine dritte virtuelle Maschine, die dem Ganzen einen Stereo-Chorus hinzufügt. Eine solche Konfiguration lässt sich als „System Preset“ abspeichern, wobei hierunter eine Voreinstellung zu verstehen ist, die mehrere virtuelle Prozessoren und Effektblöcke in einer bestimmten Anordnung verschaltet. Es ist unmöglich, an dieser Stelle die überwältigende Vielfalt der Maschinen-Konfigurierung erschöpfend darzustellen. Eines ist aber sicher: Diese System Presets können eine äußerst komplexe Struktur haben und glücklicherweise serviert Lexicon schon einige Voreinstellungen, die teilweise drastische Klangwirkungen erzeugen. Unbedingt ausprobieren lautet die Devise. Diese vorgefertigten Presets lassen sich nach Herzenslust verstellen. Dabei dient das sogenannte Soft Row-Menü zusammen mit den A-B-C-Drehreglern der Feinabstimmung. Hierzu ist wissenswert, dass die Algorithmen des PCM 96 insgesamt über 60 Einstelloptionen beziehungsweise Parameter zu bieten haben. Ist ein Preset geladen, haben Sie immer Zugriff auf drei Parameter gleichzeitig, die nachfolgenden Dreiergruppen wählen Sie mit dem Drehregler A, der in diesem Fall als Druckgeber fungiert und eine Ebene weiterschaltet. Dabei lassen sich diese Soft Row-Sets auch individuell zusammenstellen. Wer möchte, kann seine Änderungen als User-Presets auf den Speicherplätzen 0 bis 256 dauerhaft ablegen. Sollte der interne Speicherplatz zu knapp sein – soll schon mal vorgekommen sein – lassen sich maximal 1536 User-Presets auch auf einer Flash-Karte speichern. Damit sollten auch Programmierwütige ihre persönlichen Lieblings-Einstellungen jederzeit abrufbar haben.
Jederzeit? Nicht ganz. Wer das Gerät in erster Linie via Firewire und mitgelieferter Software als DSP-Plug-in nutzen möchte, muss auf die System Presets verzichten. Hier führt nur der übliche Weg über mehrere Plug-in-Instanzen zu wenigstens ähnlichen Ergebnissen. Da der PCM 96 mit seiner bordeigenen DSP-Power die CPU des Hostrechners spürbar entlastet, gibt es zumindest bei einem Power PC ab G4, besser G5 keine Probleme: Tatsächlich verkraftet bei einem Testlauf ein nicht mehr ganz neuer G5 mit 1 GHz-Prozessor ohne weiteres drei PCM 96-Plug-in-Instanzen pro Spur.
Die Installation der Software selbst macht keinerlei Probleme, allerdings sollte wenigstens Mac OS 10.4.9 vorhanden sein. An DAW-Programmen arbeitet das PCM 96-Plug-in problemlos mit Pro Tools LE 7.3.1, Pro Tools 7.3, Nuendo 4 und Logic ab Version 8 zusammen. Die Arbeitsweise unterscheidet sich dann nicht von der mit reinen Software-Effekten. Die Bedienoberfläche des Plug-ins ist schlicht und vor allem auf effizientes Arbeiten eingerichtet (siehe Screenshot). Wie gesagt besteht die Kaskadierungs-Möglichkeit via System-Presets nicht, dafür hat Lexicon der Software einige leckere Presets beigepackt, die durchaus überzeugen können: So klingt der Halleffekt „Coffin“ (engl. Sarg) tatsächlich nach dichter Holzkiste und auch die konventionellen Presets, die den üblichen Raum-Nachhall simulieren, können sich hören lassen. Das liegt natürlich in erster Linie an den Algorithmen selbst, bei denen die Entwickler sowohl auf Altbewährtes zurückgegriffen, als auch auf Brandneues gesetzt haben.
Abgesehen von den Modulationseffekten Chorus und Flanger und dem Lexicon-Klassiker schlechthin, dem Concert Hall, sind die Algorithmen sowohl in Mono als auch in Stereo verfügbar. Das hat natürlich seine guten Gründe in der aufwändigen Maschinen-Struktur und der damit bedingten komplexen Einrichtungsmöglichkeiten. Sehen wir uns die Algorithmen, beginnend bei den Hall-Räumen einmal näher an:
Chamber gehört zu den neuen Algorithmen und simuliert zunächst eine klassische Echo-Kammer oder Hallraum mit kleinen Abmessungen. Es gibt aber auch größere „Chambers“ die dann eher die Dimension eines virtuellen Musik-Clubs annehmen. Alle Chambers zeichnen sich durch einen schnellen Aufbau der Reflexionsdichte und eine zufällige Hallfahne aus. Verfügbar sind sie sowohl in mono als auch in stereo.
Hall ist ein neuer Algorithmus, der auf den Lexicon-Klassikern Random Hall und Concert Hall aufbaut, allerdings insgesamt eleganter und gleichmäßiger abklingt. Im Gegensatz zu den Veteranen ist Hall unauffälliger und klingt damit – trotz einer gewissen, angenehmen Weichheit – auch naturnäher. Gerade für Aufnahmen von akustischen Instrumenten oder klassischen Instrumental oder Vokal-Ensembles ist Hall eine gute Wahl. Natürlich besteht auch hier die Wahl zwischen kleinen, mittleren und großen Räumen, jeweils als Mono- und Stereohall im Angebot.
Die Algorithmen Random- und Concert-Hall sind Lexicon-Klassiker: Tatsächlich verblüffte Concert Hall eingeschworene Analogiker bereits im ersten Lexicon-Prozessor überhaupt, dem 224 von 1978. Insofern bekommt der PCM 96-Käufer auch eine gutes Stück Digital-Hall-Geschichte, die maßgeblich von den Amerikanern mitgeschrieben wurde und wird, mitgeliefert. Das Besondere am Concert Hall ist seine Modulationsfähigkeit: Je nach Einstellung bewirkt dieser Hall Tonhöhenschwankungen, besitzt also in gewisser Weise den Charakter von ausgewiesenen Modulationseffekten. Wenig empfehlenswert für akustische oder gar klassische Musik, dafür klangstark und reizvoll für Pop- und Rockmusik, ist Concert Hall ein echter Charakterdarsteller mit klanglichem Eigenleben. Das gilt auch für Random Hall, den Profis vom 480L her kennen. Davon abgesehen, dass dieser Algorithmus wegen seiner weitreichenden Einflussmöglichkeiten auf die Erst-Reflexionen vor allem Experimentierfreudige mit Hall-Erfahrung erfreut, ist dieser Hall-Effekt vor allem von seinem eher unregelmäßigen Ausklingverhalten geprägt. Seine Domäne ist ebenfalls eher die experimentierfreudige Pop-Musik, denn gerade bei penibel gestimmten und intonierten Instrumenten und Stimmen kann seine Modulationsfähigkeit stören. Der Random Hall ist stereo und mono verfügbar, Concert Hall gibt es nur stereo.
Room simuliert natürlich die Reflexionseigenschaften von Räumen, die Instrumenten und Stimmen das nötige Schippchen Räumlichkeit verleihen sollen. Lexicon hat die jeweiligen Reflexionsmuster dieses Algorithmus von real existierenden Räumen, die aufwändig vermessen wurden, übernommen. Room darf für sich beanspruchen, am Natürlichsten zu klingen und ist nicht nur im Musikbereich, sondern auch für Hörspiel-Produktionen oder die Dialogregie im Filmbereich eine gute Wahl. Die Presets mit instruktiven Namen wie „Stairwell“ oder „Exterior Playground“ dürften entsprechende Produzenten aufhorchen lassen.
Plate (Stereo und Mono) simuliert die guten alten Hallplatten und umfasst die typische, sofort einsetzende Diffusion und den markanten, hellen Eigenklang. Neben dem unvermeidbaren Retro-Charakter dieser Halleffekte, kommen die verschiedenen Plates am Besten bei Pop- und Rockmusik zur Geltung. Übrigens nicht nur bei Stimmen oder Perkussions-Instrumenten, sondern auch mit dem trocken aufgenommenen Klang eines Marshall-Amps – und das nicht nur, wenn ein Sixties-Sound gefragt ist.
Neu sind auch die Verzögerungseffekte Dual Delay und Random Delay: Ersteres verfügt zwar nur über zwei unabhängige Delay-Zeiten bis maximal zwei Sekunden, dafür hat der Benutzer umfangreiche weitere Eingriffsmöglichkeiten wie Feedback-Regler, Filtering und Panning. Speziell die High- und Lowpass-Filter im Feedback Pfad können sogar den Effekt eines Bandechos erzeugen. Allerdings ohne den charakteristischen Schmutz alter Hardware-Geräte. Random Delay ermöglicht Verzögerungen bis neun Sekunden, hinzu kommt eine zufällige oder LFO-gesteuerte Verzögerung, die bis zu einer Sekunde von der Hauptzeit abweichen kann. Gemeinsam mit den übrigen Einstelloptionen lässt sich mit Random-Delay praktisch jeder Echo- oder Verzögerungseffekt einstellen. gerade für Soloeskapaden à la Brain May bis hin zu psychedelischem Wahnsinn im Stile Hendrix ist alles – eine gewisse Einstell-Langmut vorausgesetzt – möglich.
Der Resonant Chords-Algorithmus benutzt den Eingangsimpuls, um sechs resonante Stimmen beziehungsweise Obertöne zu erzeugen. Diese werden dem Originalsignal hinzugefügt, wobei sich Tonhöhe und Tondauer, sowie Lautstärke der künstlich erzeugten Obertöne einstellen lässt. Soll heißen: Resonant Chords kann auf die Tonart des Eingangssignals gestimmt werden. Durch die hinzugefügten Obertöne treten vor allem Instrumente im Mix hervor, bei Soloaufnahmen ergibt sich eine eigentümliche Räumlichkeit. Diese lässt sich gezielt verstärken, indem beispielsweise nur bestimmte Töne mit zusätzlichen Obertönen versehen werden. Wichtig: Der Klang dieses Algorithmus wird nicht unwesentlich dadurch beeinflusst, dass der Ausgang des Resonators in einen Stereo-Plate-Effekt gespeist wird.
Über die Modulationseffekte Chorus und Flanger gibt es nicht viel zu sagen: Beide sind mit dem Random Delay verwandt, lediglich die Modulation geschieht linear, mit den typischen Tonhöhenschwankungen. Beide Effekte klingen hochwertig und in gewisser Weise teuer, lassen aber auch den Trash-Faktor billiger Effekt-Geräte vermissen. Aber „billig“ und „Trash“ wird auch niemand mit einem Gerät wie dem PCM 96 in Verbindung bringen.
Bevor wir in die unendlichen Klangweiten des PCM 96 abtauchen, trumpft Lexicons neues PCM-Flaggschiff mit durchweg ausgezeichneten Messwerten auf. Dieser Effektprozessor ist ein Profigerät, folgerichtig sind alle vom Professional audio Magazin-Messlabor im Audio-Thru-Modus ermittelten Werte auf Spitzenniveau: Mit 91,8 und 94,7 Dezibeln für den Fremd- beziehungsweise den Geräuschspannungsabstand der Analog-Sektion zeigt sich der PCM 96 über jedwedes Eigenrauschen souverän erhaben. Auch die Übersprechdämpfung beider Kanäle ist vorzüglich und überschreitet oberhalb 20 Kilohertz gerade mal knapp die -105 dB-Marke – besser geht ´s kaum. Der Gesamtklirrfaktor überschreitet 0,002 Prozent nicht, was gleichfalls den professionellen Anspruch des Geräts unterstreicht. Das FFT-Spektrum belegt zusätzlich, dass der PCM 96 die Eingangssignale beim reinen Durchschleifen ohne effektvolle Bearbeitung praktisch unangetastet lässt. Die digitale Verarbeitung analoger Signale geschieht mit einer gemessenen Latenzzeit von 1, 487 Millisekunden blitzschnell und mit praktisch nicht wahrnehmbarer Verzögerung. Im digitalen Betrieb ermittelt das Labor zudem einen sehr geringen Jitterwert von 0,6 Nanosekunden.
Für den Praxistest schleifen wir den PCM 96 als Sendeffekt in ein Sonar 7-Projekt ein, was der Cakewalk-Sequenzer dank des neuen Plug-ins „Externer Effekt“ endlich anstandslos mitmacht. Bei der Aufnahme handelt es sich um ein kurzes Akustik-Gitarren-Stück, aufgenommen mit einem Royer 121-Bändchenmikrofon und einem Sennheiser MKH 40 Kondensatormikrofon. Der erläuternden Vorrede tieferer Sinn: Damit Sie mit eigenen Ohren nachvollziehen können, was klanglich im PCM 96 steckt, haben wir insgesamt sieben Soundfiles mit den Algorithmen Concert Hall, Hall, Chamber, Room, Plate, Chorus und Resonant Chord. Diese Klangbeispiele können Sie hier auf unserer Website herunterladen und in Ruhe anhören. Dafür müssen Sie lediglich diesen Zugangscode auf der Startseite eingeben: ryx8321f.
Der PCM 96 ist – soviel steht fest – eine echte Soundmaschine. Ihn einfach nur als einen weiteren hochwertigen Hallprozessor zu bezeichnen, wird diesem Gerät nicht vollständig gerecht. Allein das riesige Preset-Angebot – von den unermesslichen Konfigurationsmöglichkeiten der virtuellen Maschinen ganz zu schweigen – verführt dazu, Tage wenn nicht gar Wochen mit Einstellarbeit zu verbringen. Natürlich ist der Name Lexicon immer noch synonym für digitalen Profihall und es wird niemanden überraschen, dass auch der Neue in dieser Disziplin auftrumpft. Grundsätzlich besitzt der PCM 96 den Lexicon-typischen, angenehmen, eher warmen Grundklang. Auch die Plates (vergleiche Soundfile 5) klingen nie so hart und metallisch spitz wie bei einigen Soft- und Hardware-Mitbewerbern. Dabei legen die Lexicon-Entwickler, wie bereits weiter oben beschrieben, gar nicht unbedingt das Haupt-Augen- beziehungsweise Ohrenmerk auf Realismus. So sorgt beispielsweise bei Soundfile 1 der „Concert Hall“ gerade bei den ohnehin schon intonationsmäßig kritischen Bassnoten am Ende für eine eher grenzwertige Modulation, um nicht zu sagen Verstimmung. Andererseits ist dieser Hall-Effekt mit ausgeprägter Eigenpersönlichkeit auch eine Klasse für sich und gerade für Stimmen nach wie vor eine besondere Empfehlung wert.
Klasse sind in jedem Fall die neuen Algorithmen angefangen bei „Hall“ (Soundfile 2), der zwar beherzter als Concert Hall auf das trockene Signal zugreift, dieses aber insgesamt in eine wohlig-weiche Hall-Wolke einhüllt. Großes Lob verdient auch die Room-Sektion (Soundfile 4), die unterm Strich die naturnächsten Raumsimulationen bietet und sehr schön mit Sprechern, Sängern und – wie Sie selbst hören können – Instrumenten harmoniert.
Seine wahre Kompetenz als klangformendes Werkzeug spielt der PCM 96 spätestens mit dem schlichtweg genialen Resonant Chords-Algorithmus aus (Soundfile 7): Nicht nur, dass sich dieser ganz nach Klangvorstellung und Gehör perfekt auf die Musik abstimmen lässt und bestens – also wie gewünscht in Bezug auf die hinzugefügten Obertöne – arbeitet: Die Gesamtabstimmung, speziell mit dem simulierten Plattenhall ist perfekt und sorgt für Klangerlebnisse, die auch Akustik-Puristen, die sogar mit Hall eher sparsam umgehen, beeindrucken wird. Aber wie gesagt: Hören Sie sich unsere Klangbeispiele an und überzeugen Sie sich selbst vom Klangpotenzial des Lexicon PCM 96.
Fazit
Der Lexicon PCM 96 ist nicht einfach ein High-End-Hallgerät, sondern eine echte Sound-Maschine mit Charakter, die dem Benutzer unendliche Klangwelten eröffnet. Wegen der hohen Qualität seiner Algorithmen und der unendlichen Einstell- und Kaskadierungsmöglichkeiten empfiehlt sich das Gerät für anspruchsvolle Musik-, Hörspiel- und Filmproduktionen, bei denen es aufs kreative Sounddesign ankommt.
Erschienen in Ausgabe 11/2008
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 3351 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
Hinterlasse einen Kommentar