Sequentielles Spiel in edlem Gewand
Hardware-Sequencer stehen bei einer Vielzahl von Musikern nach wie vor hoch im Kurs. Vor allen Dingen was das Timing angeht, sind sie vielen Software-Lösungen überlegen. Neben dem großen Platzhirsch Akai bringen auch kleinere Hersteller wie Twisted Electrons (siehe Heft 10/2017) und Polyend neue Geräte heraus.
Von Christian Stede
Der Polyend SEQ kommt als achtspuriger Sequencer in einem hochwertigen Gehäuse aus Echtholz und gebürstetem Aluminium daher. Der Aufbau des Bedienfeldes in acht Spuren à 32 Steps mit hintergrundbeleuchteten Silikontastern wirkt sehr aufgeräumt und macht den SEQ bei Betrieb sofort zum absoluten Blickfang in jedem Studio. Diese Merkmale haben ihren Preis: die UVP liegt bei etwas über 1300 Euro.
Zum Anschluss an das Midi-Equipment ist der SEQ mit zwei separaten Midi-Ausgängen, einem Eingang und einer Thru-Buchse ausgestattet. Auch per USB ist der Datentransfer möglich. Ein Fußtaster-Anschluss bietet zusätzliche Möglichkeiten, den Sequencer zu starten.
Programmieren leicht gemacht
Der SEQ besitzt genauso viele Pattern-Speicherplätze wie er Step-Taster für die Spuren hat, also 256. Jedes Pattern hat seine globalen Parameter, zu denen Tempo, Swing-Rate und Synchronisations-Modus zählen. Für jede der acht Spuren eines Patterns lassen sich der Midikanal und der zugehörige Port festlegen. Auch über USB können Befehle gesendet werden, für den Fall, dass man einen Softwaresynth oder dergleichen nutzen möchte. Die Länge einer Spur kann zudem von 1 bis 32 Steps variieren.
Da Seqencer dieser Art gemeinhin Drumcomputer und Synthesizer, also Rhythmus- und Melodieinstrumente gleichzeitig ansteuern, haben die Entwickler von Polyend mitgedacht und dem SEQ eine nützliche Funktion spendiert: Jede Spur eines Patterns kann man sozusagen per default auf einen bestimmten Notenwert, also beispielsweise den für die Bassdrum oder die Snare setzen. Der Rhythmus entsteht dann durch Übereinanderschichten dieser Spuren auf demselben Midikanal. Der SEQ zeigt den Aktivitätszustand eines Steps durch Leuchten an, nochmaliges Drücken deaktiviert ihn wieder.
Bei den Melodietönen kommt die gewünschte Note durch anhaltendes Drücken der gewünschten Step-Taste und Drehen mit dem „Note“-Regler zustande, wobei dieser Notenwert dann auch über Midi ausgegeben wird. Alternativ ist es auch möglich, die Zielnote auf dem am Midi-Eingang anliegenden Keyboard anzuspielen, während man die Step-Taste drückt. Die „Rec“-Funktion erlaubt es sogar, das Notenmaterial komplett live über den Midi-Eingang einzuspielen. Akkorde kommen allerdings nur dann zum Klingen, wenn man, wie oben bei den Drums ausgeführt, mehreren Spuren denselben Midikanal zuweist, eine Chord-Funktion der Steps kennt der SEQ nämlich leider nicht.
Dieses Manko wird aber durch ein anderes Feature wieder wettgemacht. Denn zu den Spur-Parametern gehört auch die Midi-Controllernummer, auf der der Modulations-Parameter der einzelnen Steps sendet. Ist hier zum Beispiel CC auf 74 für den Filter Cutoff gesetzt, kann dieser Schritt für Schritt gesteuert werden. Möchte man nur auf diesen Parameter Einfluss nehmen ohne eine Note neu anzuspielen, genügt es, den Velocity-Wert des entsprechenden Steps auf „0“ zu setzen.

Optisch ein absoluter Blickfang ist das umlaufende Echtholz. Auf der rechten Seite liegt das Midi-Anschlussfeld mit 2xIn, 1xOut, 1xThru
Das Spiel mit den Sequenzen
Ist das Programmieren eines Patterns auf allen acht Spuren abgeschlossen, kann es an der Zeit sein, die einzelnen Steps mit bestimmten Variationen zu versehen, um der Sequenz mehr Lebendigkeit und Dynamik zu geben.
An dieser Stelle kommen die sechs mit „Tempo“, „Note“, „Velocity“, „Move“, „Length“ und „Roll“ beschrifteten Drehregler ins Spiel.
Polyrhythmische Strukturen entstehen im Handumdrehen, indem man die Step-Anzahl der Spuren mittels „Length“ variiert, was natürlich auch bei laufendem Sequencer funktioniert. Angewendet auf die Steps ändert „Length“ den Notenwert, was man leicht durch gedimmtes Licht bei den folgenden Tastern erkennt. Die Änderung des „Length“-Wertes führt insbesondere dann zu guten Ergebnissen, wenn ein Synthesizer in den Mono- oder Legato-Modus geschaltet ist und von zwei SEQ-Spuren getriggert wird.
„Move“ verschiebt einen Step oder alle Steps einer Spur in Sechzehntel-Schritte, der Regler kennt mit „Nudge“ jedoch noch einen zweiten Parameter, der diese Verschiebung in Prozent-Schritte aufteilt. Dies kann insbesondere bei Schlagzeug-Sounds sehr sinnvoll sein, da hier eine subtile rhythmische Verschiebung einzelner Schläge das Pattern sofort lebendiger und weniger maschinell klingen lässt.
Auch der „Roll“-Parameter kann in diesem Zusammenhang Wunder wirken: Auf komplette Spuren angewendet, sorgt er für eine gleichmäßige Wiederholung derselben Note (also beispielsweise eine Bassdrum auf jeder Viertel, Achtel und so weiter). Eine Anwendung auf einzelne Steps sorgt jedoch für mehrere Schläge auf diesem einen Taktteil. Die Auswahl geht von 1 bis 16 und kann sogar ein Crescendo oder Decrescendo beinhalten. Diese Funktion ist aber nicht nur für Snare-Rolls geeignet. Hat man ein Cembalo-Preset in seinen Klangerzeuger geladen, sind damit auch richtiggehend barock klingende Verzierungen und Triller möglich.
Bei laufendem Sequencer kann man dann spontan bei jedem Durchlauf entscheiden, ob die mit dem Roll belegte Note erklingt oder nicht.
Für noch mehr Abwechslung innerhalb eines Patterns ist gesorgt, wenn man die Laufrichtung der Spuren ändert. Zwar ist es nicht möglich, die Geschwindigkeit eines Tracks im Vergleich zu den anderen zu ändern, in der Step-Reihenfolge ist man aber sehr wohl flexibel. Neben den Modi vorwärts und rückwärts kennt der SEQ nämlich auch einen Ping-Pong- und einen Random-Modus, der die Noten zufällig innerhalb der Sequenz platziert.
Kombination aus Patterns
Die „Link“-Funktion des SEQ erlaubt es, mehrere Patterns in Reihe zu schalten. Auf jedem Step kann man den Befehl programmieren, zu einem anderen Pattern zu springen. Der Wechsel erfolgt immer nach diesem Step, ansonsten wäre ein reibungsloser Übergang auch kaum möglich. Ein vorhandener Link ist durch auf- und abschwellende Beleuchtung des Steps zu erkennen. Das gelinkte Pattern ist in allen Parametern völlig frei von dem vorhergehenden. Es kann also sowohl ein Tempo- als auch ein Soundwechsel stattfinden. Für die Live-Performance ist das natürlich besonders interessant, wenn man den Wechselbefehl bei laufendem Sequencer aktiviert. Überhaupt kann man ja unterschiedliche Pattern für den Link auf ein und denselben Taktteil (nur natürlich auf unterschiedliche Spuren) legen, um dann spontan mal zum einen, mal zum anderen Pattern zu springen. So können im Nu phantasievolle Breaks entstehen. Möchte man aber im gelinkten Pattern nur wenig Veränderungen an dem vorgehergehenden vornehmen, macht sich der „Duplicate“-Button bezahlt. Hiermit werden alle Daten eines Patterns auf ein anderes kopiert.
Wie bei anderen Geräten dieser Kategorie üblich, speichert der SEQ alle zuletzt eingegebenen Daten von selbst. Während unseres mehrwöchigen Tests lief das Gerät sehr stabil, produzierte keine Midi-Hänger und stürzte auch bei Dauerbetrieb nicht ab, was die Live-Tauglichkeit eindeutig unter Beweis stellt. Die aufwändige Hintergrundbeleuchtung und das Display sorgen zudem für gutes Handling auch bei schwierigen Lichtverhältnissen.
Fazit
Der SEQ von Polyend ist ein hochwertiger Sequenzer mit einem großen Funktionsumfang. Das Bedienfeld mit einem gleichzeitigen Zugriff auf alle Steps aller Spuren ist wirklich etwas Besonderes, sowohl was die Funktion, als auch die Optik betrifft. Das Timing ist äußerst akkurat und der „Link“-Modus erlaubt das Erstellen kompletter Arrangements.
Erschienen in Professional audio 11/2017