Crazy8 – Der Schritt-Macher
Nachdem Hardware-Sequencer eine ganze Weile lang nahezu völlig von der Bildfläche verschwunden waren, gibt es jetzt ein kleines Revival dieser Geräte. Wozu braucht man heutzutage überhaupt noch ein Hardware-Gerät, wenn man seine MIDI-Daten auch aus der DAW heraus abspielen kann? Diese Frage beantwortet der Crazy8 auf seine Weise. Von Christian Stede
Die Franzosen von Twisted Electrons haben mittlerweile ein kleines, aber feines Produktportfolio kreiert, dass sich gänzlich auf Synthesizer und Sequencer im Pocket-Format dreht, und das zu Preisen, dass der Geldbeutel lacht. Das Testmodell kostet etwas über 300 Euro, die meisten anderen Modelle von Twisted Electrons liegen etwa in der gleichen Preisklasse.
Die „8“ im Modellnamen steht für 8 Spuren, von denen alle 8 als MIDI und 4 als CV/Gate genutzt werden können. Diese spannungsbasierte Steuerung stammt eigentlich noch aus der Prä-MIDI-Ära, hat ihre Daseinsberechtigung aber gleichwohl nie so ganz verloren. Schließlich werden auch topaktuelle Modelle wie der Novation Peak wieder mit einem CV-Modulationseingang ausgerüstet.
Mit dieser Doppellösung ist zudem sichergestellt, dass der Crazy 8 sowohl an Instrumente angeschlossen werden kann, die nur über einen MIDI-Eingang verfügen, als auch an ältere Geräte.
Eine aufgeräumte Erscheinung
Die äußere Erscheinung des „Crazy 8“ mutet zunächst minimalistisch an. Das Gehäuse besteht aus Metall. Auf der oberen Hälfte der Front sind vier Reihen à 16 Leuchtdioden angebracht. Jede fünfte davon, also immer die auf der vollen Zählzeit liegende, ist eingekreist. Darunter liegen die Drucktasten zur Steuerung und Dateneingabe, bei denen ebenfalls eine kleine Diode über den Status informiert. Rechter Hand findet man einen Drehregler.
Die Gehäuserückseite wartet mit vier Gate- und CV-Ausgängen auf, ausgeführt als 3,5 mm-Miniklinke. Auch die beiden MIDI-Ausgänge sind in diesem Format, ein entsprechender Adapter auf die handelsüblichen 5-poligen MIDI-Stecker wird mitgeliefert. Möchte man den Crazy8 mit anderen Geräten synchronisieren, ist dies mit dem Sync-Ein-/Ausgang ebenfalls kein Problem.
Schritt für Schritt
Wer schon einmal mit einem Stepsequencer gearbeitet hat, dem kommt das Konzept des Crazy 8 sicherlich bekannt vor. Wie die Vorsilbe „Step“ bereits vermuten lässt, werden die Noten bei dieser Gerätegattung nicht eingespielt, sondern Schritt für Schritt für jeden einzelnen Taktteil einzeln eingegeben.
Grundsätzlich muss man beim Crazy8 zwischen dem Pattern- und dem Step-Modus unterscheiden. In welchem von beiden Modi man sich gerade befindet, zeigt eine Diode über oder unter dem Drehregler an.
Den Pattern-Mode kann man sich als eine Übersicht über alle 8 Spuren vorstellen. Diese Spuren werden hier aktiviert, stumm geschaltet oder für eine Bearbeitung im Step-Modus ausgewählt. Für jede der 8 Spuren kann man 16 unterschiedliche Patterns eingeben. Die Auswahl für diese Bearbeitung wird mit gehaltenem Shift-Taster getroffen, die Diode über der ausgewählten Spur blinkt anschließend. Wechselt man nun durch einen Druck auf den Drehregler in den Step-Modus, können die gewünschten Noten über die kleine Tastatur eingetippt werden. Mit dem Drehrad bewegt man sich dann jeweils einen Schritt weiter, wobei man selbstverständlich auch Pausen einprogrammieren kann. Durch Betätigen der „Run“-Taste kann man die Wiedergabe des Sequencers jederzeit starten, um die Spur vorzuhören.
Die Patterns müssen nicht unbedingt alle 16 Steps lang sein. Mittels Skip-Taster können einzelne Schritte auch einfach übersprungen werden. Dies kann ein probates Mittel sein, um rhythmisch interessante Texturen zu erstellen, etwa wenn man einen 5/8- gegen einen 4/4-Takt laufen lässt. Eine Extra-Taste zum Speichern sucht man vergebens, der Crazy8 speichert praktischerweise immer von selbst die zuletzt eingegebenen Werte.
Die Spuren 1 bis 4 haben zusätzlich noch eine Chord-Funktion, können also auch Akkorde abspielen, deren Lage man ebenfalls vorher frei festlegen kann, dabei ist man keinesfalls nur auf einfache Dur- oder Molldreiklänge beschränkt. Diese Spuren 1-4 liegen am MIDI-Output 1 an, die Spuren 5-8 am zweiten MIDI-Ausgang und zusätzlich an den vier CV-/Gate-Ausgängen. Auf welchem MIDI-Kanal die 8 Spuren jeweils senden, lässt sich frei festlegen.
Ein Perpetuum Mobile
Ist die Eingabe aller Spuren abgeschlossen und ist man in den Pattern-Modus zurückgekehrt, genügt ein Druck auf den „Run“-Taster, um den Sequencer zu starten, alle Spuren werden nun gleichzeitig abgespielt, was man anhand der Leuchtdioden prima verfolgen kann.
Nun erlaubt es der Crazy8, der ständigen Repetition zu entfliehen und spielerisch mit der Wiedergabe der Sequenzen auf den acht Spuren umzugehen. Diese können per einfachem Tastendruck sofort stummgeschaltet werden. Auch die Abspielgeschwindigkeit der einzelnen Spuren ist variabel, und zwar von viermal so langsam bis achtmal so schnell. Und das Beste ist, dass diese Manipulationen „on the fly“ funktionieren, man den Sequenzer dazu also nicht erst stoppen muss.
Auf diese Art ist auch das Rückwärts-Spielen eines Patterns möglich oder der Vorwärts-/Rückwärts-Wechsel, „Pendulum“ genannt. Beim „Crazy“-Modus, der dem Gerät seinen Namen gibt, wird mit dem eingegebenen Notenmaterial rhythmisch frei umgegangen, den Grad dieser „Crazyness“ kann man vorher einstellen. Eine Funktion, an der avantgardistische Komponisten wie John Cage sicher auch ihre wahre Freude gefunden hätten.
Der „Offset“-Parameter sorgt für einen zeitlichen Versatz der Sequenz, mit „Duty“ wird der jeweilige Notenwert abgekürzt und ein abgehackter Staccato-Klang entsteht. Mit der Chain-Funktion kann man noch mehr Abwechslung ins Spiel bringen, denn sie erlaubt es, bis zu acht Patterns einer Spur nacheinander abzuspielen. So ist mit dem Crazy8 also durchaus das Erstellen eines kompletten Songs möglich.
Diese Variationen, die das Spielen mit den unterschiedlichen Wiedergabemodi ermöglichen, sind das, was den „Crazy8“ auszeichnet und wodurch er sich positiv von den MIDI-Funktionen einer DAW abhebt. Zudem wird man das Gefühl nicht los, dass das Timing bei Hardware-Sequencern eine Spur knackiger ist, als wenn die Befehle aus dem Rechner kommen.
Fazit
Der Crazy8 ist ein kleines Studiotool mit einem immens hohen Fun-Faktor. Für Synthie-Freaks und Freunde repetitiver Musikstile wird sich die Anschaffung garantiert bezahlt machen.
Erschienen in Professional audio 10/2017