Originalgetreu

Fender-Amps gehören seit sechs Dekaden zur Klang-Referenz in der Geschichte der Gitarren-Verstärkung. Wenigstens ein Fender-Verstärker findet sich in jeder Amp-Simulation. IK Multimedias geht gleich mehrere Schritte weiter und präsentiert die bislang umfassendste Sammlung virtueller Fender-Amps, die verblüffend nah an den Vorbildern ist.

Von Harald Wittig 

IK Multimedia, die umtriebige Software-Schmiede aus Bella Italia, gehört unzweifelhaft zu den renommiertesten Herstellern von Gitarren-Verstärker-Emulationen auf Software-Basis. Moderne Klassiker wie das ungebrochen populäre Amplitube 2 haben begeisterte Anhänger unter den verstromten Gitarreros – ganz gleich, ob es sich bei den Zupfern um engagierte Amateure oder gestandene Profis handelt. Inzwischen fahren Musiker ganze Produktionen allein mit Amplitube. In diesem Zusammenhang sei an die Reportage über die Entstehung des Jazz-Albums „My Mixture“ des Salzburger Jazz-Gitarristen Wolfgang Pointner in Heft 12/2008 erinnert. Dass die Italiener immer wieder für eine fette Überraschung gut sind, haben sie auch mit der vorzüglichen Software Amplitube Hendrix bewiesen (Test in Ausgabe 8/2007): Dieser nach wie vor konkurrenzlose virtuelle Verstärker- und Effekte-Fuhrpark stellt eine liebevolle und detailgenaue Nachbildung des originalen Jimi-Hendrix-Equipments dar und gehört noch immer zu den herausragenden Amp- und Effekt-Emulationen auf dem Markt. IK Multimedias neuester Streich nennt sich vielversprechend Amplitube Fender. Wie der Name schon sagt, handelt es sich hierbei um eine Amplitube-Ausführung, die sich ausschließlich auf die herausragenden Produkte des berühmten amerikanischen Herstellers Fender konzentriert. Das hat es bislang noch nicht gegeben, obwohl Fender-Klassiker wie die längst Legendenstaus erreichenden Verstärker Twin Reverb und Bassman in praktisch allen ernstzunehmenden Amp-Simulationen zu finden sind. Amplitube Fender ist eine Gemeinschaftsarbeit von IK Multimedia und der Fender Musical Instruments Corporation und als solches das Ergebnis einer mehrjährigen Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Da überrascht es nicht, dass Fender diese Software-Kollektion ganz offiziell autorisiert hat und auch selbst als die ultimative virtuelle Reinkarnation der eigenen Meilensteine bewirbt. Wer jetzt annimmt, dass Amplitube Fender nicht nur eine spezielle Gitarristen-Software ist, sondern auch ihren ganz speziellen, sprich hohen Preis hat, darf sich einmal mehr überraschen lassen: Die Vollversion, welche auch Gegenstand dieses Tests ist, ist mit rund 170 Euro sicherlich für viele bezahlbar. Zumal die Klangqualität – das sei schon verraten – durch die Bank überzeugen kann. Vor dem Vergnügen haben die Götter bekanntlich den Schweiß gestellt und daher zunächst einige kurze Hinweise zur Installation und Freischaltung von Amplitube Fender.

Die Software läuft sowohl stand-alone als auch als Plug-in in allen gängigen Host-Sequenzern – unterstützt werden die Schnittstellen VST, AU und RTAS – und benötigt gerade mal rund 70 Megabyte Speicherplatz. Vor der Autorisierung durch IK Multimedia, die am Besten online zu erledigen ist, kann der Anwender Amplitube Fender zehn Tage lang mit vollem Funktionsumfang testen. Die eigentliche Autorisierung ist – sofern der Host-Rechner mit dem Internet verbunden ist – dank der Schritt-für-Schritt-Anleitung kinderleicht und zügig erledigt. Der Anwender erhält insgesamt vier Lizenzen zur Installation auf eine entsprechende Zahl an Rechnern. Sobald das langweilige Prozedere erledigt ist, kann der Fender-Fan oder E-Gitarren-Junkie loslegen und darf sich zunächst an der fotorealistischen grafischen Benutzeroberfläche freuen, denn IK Multimedia darf die nachgebauten Verstärker und Effekte wirklichkeitsgetreu darstellen. Es ist vielleicht doch so, dass auch das Auge ein wenig mitspielt. Es macht gleich noch mehr Spaß, wenn auf dem Rechner-Monitor ein wunderschön gerenderter Twin-Reverb auftaucht. Womit wir beim Thema wären. Denn jetzt geht es in medias res, soll heißen die Einzelvorstellung der Hauptdarsteller im virtuellen Fender-Fuhrpark. Beginnen wir mit den Verstärkern.

Insgesamt zwölf Modelle enthält die Vollversion – SE- und LE-Version beschränken sich auf vier beziehungsweise drei. Dabei umfasst diese Software tatsächlich rund sechzig Jahre Fender-Geschichte, denn die Palette reicht von erwürdigen Klassikern bis hin zu topaktuellen Amp-Boliden, die sonst in keiner Amp-Simulation zu finden sind. Gehen wir chronologisch vor: Der Deluxe war Leo Fenders erster Verstärker und nach dem zweiten Weltkrieg einer der Verkaufschlager in den USA. Die Version des tweed-bezogenen Einkanalers in Amplitube Fender stammt von 1957. Dabei handelt es sich um den Jahrgang, der gerade bei Blues- und Rockgitarristen um Beliebtesten ist. Das kleine Kistchen sorgt – sofern weit aufgedreht – für einen komprimierten, etwas rauen Zerrsound, der aber klassischen Blues- und Rock-Soli sehr gut steht. Übrigens sind dem kleinen auch Jazz-Klänge nicht fremd: So hat Wes Montgomery sein erstes Trio-Album nachweislich mit einer geliehenen Gibson L 7 und einem 57er Deluxe eingespielt. Über den nach wie vor von Fender als Replik erhältlichen Bassman von 1959 ist schon viel geschrieben worden. Vor allem haben unzählige Topmusiker mit diesem Amp grandiose Alben eingespielt. Blues-Ikone Buddy Guy schwört auf den ursprünglich als E-Bass-Verstärker konzipierten Amp und keinem geringeren als Jim Marshall diente dieser Meilenstein der Verstärker-Geschichte als Blaupause für die Entwicklung seiner nicht minder berühmten Verstärker. Der Bassman gehört zu den Tenören unter den früheren Fender-Amps, hat eine ausgesprochen kräftige Stimme mit breitem Fundament und eignet sich im Grunde für alle erdenklichen Stile. Übrigens passt er auch gut zu einem gestrichenen Kontrabass.

Machen wir einen Zeitsprung in die 1960er-Jahre, in Fenders sogenannte Back-Face-Ära. Der eigenwillige Name rührt von den schwarzen Front-Platten der Amps her, die namhaften Vertreter – und allesamt in Amplitube Fender vertreten – sind der Deluxe Reverb, der Vibroverb (beide von 1964) und der Star unter den Black-Face-Amps schlechthin, der Twin Reverb von 1965. Letzterer war und ist der weltweite Standard-Amp für klare, unverzerrte Klänge, an seinem eingebauten Federhall und dem Tremolo-Effekt müssen sich noch immer die Verstärker anderer Hersteller messen lassen. Interessanterweise ist bei jedem Neustart von Amplitube Fender immer der Twin Reverb geladen. Kein Wunder, denn diese Twin Reverb Emulation ist die bisher überzeugendste, die je in einer Amplitube Version zu hören war. So volltönend rund mit dem typischen Höhenschimmer klingt nicht mal der Hendrix Twin Der Deluxe Reverb hatte nur 22 Watt Leistung und war im Gegensatz zum Twin Reverb nicht konsequent auf cleane Wiedergabe getrimmt. Soll heißen: Der kleine Schwarze zerrt ein wenig früher, klingt dabei aber immer warm und rund und war nicht umsonst ein Favorit bei Bluesern, unter anderem Stevie Ray Vaughan. SRV – wie der viel zu früh ums Leben gekommene Texaner gerne genannt wird –, sorgt indirekt für einen exklusiven Verstärker im Amplitube Fender-Fuhrpark: Seit einigen Jahren bietet der Fender Custom Shop eine handverdrahtete Replik jenes Vibroverb an, den Cesar Diaz, SRVs Amp-Techniker, für den Meister modifizierte.

Der Vibroverb Custom ist das virtuelle Ebenbild in Amplitube Fender, ein Verstärker der in praktisch allen E-Gitarrenstilistiken von Country bis Jazz zu Hause ist – sofern der Schiebeschalter „Stock-Mod“ auf „Stock“ steht. Ist „Mod“ aktiviert, zerrt der Verstärker wesentlich früher und klingt insgesamt mittiger und durchsetzungsfähiger – das ist der Texas-Blues-Sound in Reinkultur. Langsam nähern wir uns der Gegenwart und machen zunächst Station in den frühen 1990er Jahren. Der Vibro-King war seinerzeit Fenders High-End-Röhren-Verstärker schlechthin. Für viele der König der damals aktuellen Fender-Verstärker, der auch eine königliche Stange Geld kostete. Den Vibro-King gibt es immer noch – als handverdrahteten Custom-Shop-Zögling – und als solcher gehört er auch zu Amplitube Fender. Neben seinem durchaus eigenen, sehr schönen Clean-Sound kann der Vibro-King auch ordentlich zerren und klingt dabei noch runder und mächtiger als der gute alte Bassman. Einen zusätzlichen Hauch von Nerz spendierten die Fender-Entwickler ihrem König, indem sie den legendären röhrengetriebenen Fender Federhall von 1963 nachbauten und fest im Vibro-King installierten. Im Vorgriff auf die Effekte-Sektion soll aber nicht verschwiegen sein, dass dieser Federhall als Effekt-Gerät ebenfalls emuliert ist und somit mit den anderen Verstärkern frei kombinierbar ist. Der Pro Junior ist im realen Leben der günstigste Weg, zu einem Fender Vollröhren-Verstärker Made in USA zu kommen. Der schlichte Einkanaler erinnert von den Bedienelementen her an den alterwürdigen Deluxe, klingt aber voll aufgedreht aggressiver und rockiger als der Uran. Solche Winz-Verstäker spielen im Studio groß auf, wenn für singende Lead-Sounds die Endstufenzerre bei ohrenschonender Lautstärke verlangt ist. Eben dies ist eine Spezialität des Jünglings.

Jetzt sind wir im 21. Jahrhundert angekommen und sehen uns eine gelungene Auswahl topaktueller Fender-Amps an: Den Anfang macht der Super-Sonic, den Fender 2007 auf die Gitarristen losließ. Denn dieser Röhren-Verstärker gehört zu den ganz wenigen Fender-Amps, die richtig heftig zerren können. Verantwortlich hier für sind die beiden kaskadierten Preamp-Stufen, deren Empfindlichkeit jeweils über separate Gainregler stufenlos einstellbar ist. Damit ist der Super-Sonic durchaus auch Hard- und Heavy-tauglich. Das virtuelle Ebenbild des klanggewaltigen Röhrenaggregats ist die einzige unvollständige Nachbildung in Amplitube Fender, denn die Entwickler haben sich auf den Zerr-Kanal, sinnigerweise „Burn“ genannt, beschränkt und auf die beiden Vintage-Optionen verzichtet. Der MH-500 Metalhead ist – nomen est omen – Fenders jüngste Entwicklung für den wahren Metaller, der tief gestimmte Gitarren und Riffs bevorzugt. Das Original liefert satte 500 Watt Leistung, was sich allerdings in puncto Schlagkraft relativiert, denn es handelt sich um eine reine Transistor-Schaltung. Somit benötigt der MH-500 dieses gewaltige Leitungspfund, um den Punch eines 100 oder 150 Watt-Vollröhrenamps zu erreichen. Klanglich ist der MH-500 ein eher ruppiger, recht schneidender Vertreter der Ultra-Gain-Fraktion und kommt damit eher Pantera-Fans oder Extreme-Black-/Death-Metallern entgegen. Weshalb anstelle des MH-500 nicht der Vollröhren-Amp EVH, der immerhin ebenfalls von Fender in Zusammenarbeit mit Eddie Van Halen entwickelt wurde und hergestellt wird, zu Amplitube Fender gehört, ist ein offenes Geheimnis: Herr Van Halen hat – obwohl IK Multimedia und Fender den EVH ursprünglich aufnehmen wollten – sein Veto eingelegt. Schade. Der Champion 600 ist ein weiterer Einkanaler. Der schlichte Röhren-Verstärker mit nur einem Lautstärke-Regler stammt im Original übrigens aus chinesischer Fertigung und hat sich dank seines unverschämt günstigen Verkaufspreises von knapp 200 Euro zu einem Bestseller im Schatten der erheblich teureren US-Amps entwickelt. Der Kleine orientiert sich an einem Fender-Übungsverstärker gleichen Namens, zerrt allerdings schon früher und ist äußerst beliebt bei Sofa-Rockern. Eigentlich ein eher ruppiger Geselle, keineswegs auf der Höhe des frisch-frechen Pro Junior. Die Emulation hat gegenüber dem Original die Nase in einem wichtigen Punkt vorne: Das oft bemängelte starke Netzbrummen des Champion 600 fehlt beim Software-Klon völlig.

IK Multimedia haben auch der Bassisten gedacht – immerhin stellt Fender seit rund 50 Jahren Bassverstärker her. Zwei Bass-Profis sind mit dem Bassman 300 und dem Rack-Preamp TBP-1 an Bord. Ersterer ist ein Röhren-Bolide, der für einen ungemein fetten Bass-Sound sorgt. Klanglich ist der Amp dank eingebautem Zehn-Band-Grafik-Equalizer und Zwei-Band-Kompressor recht flexibel und dürfte sowohl Rockern als auch Heavy-Funkern gefallen. Feiner klingt der TBP-1, der auf Ultra-Cleansounds der Marke Twin Reverb oder Showman getrimmt wurde und traditionellen Röhrensound mit Hifi-mäßiger Reinheit bietet. Für Studio-Bassisten, Fusionisten und vor allem für Kontrabassisten ist dieser Edel-Preamp ein heißer Tipp.

Anders als bei allen anderen Amplitube-Versionen – das gilt auch für Amplitube Hendrix – lassen sich Verstärker-Vor- und Endstufen nicht frei kombinieren. Auch wenn Amplitube Fender damit scheinbar weniger klangliche Flexibilität bietet, hat dies einen guten Grund: IK Multimedia strebten allerhöchste Akkuratesse bei den Amp-Emulationen an und haben daher größten Wert auf eine wirklichkeitsnahe Modellierung der Gesamtschaltung der einzelnen Amps gelegt. Dabei fanden die Italiener stets Unterstützung durch die geschulten Ohren der Fender-Ingenieure.

Betrachten wir als nächstes das Cabinet- beziehungsweise Boxen-Modul. Selbstverständlich gibt es für jeden der Verstärker die passende Lautsprecher- oder Boxenbestückung. Wer auf Nummer sicher gehen will, aktiviert den virtuellen „Match“-Schalter und der 57er Deluxe ist passend mit einer offenen Box, in der ein Jensen P12Q-Lautsprecher tönt, bestückt. Wer möchte, kann allerdings im Cabinet-Modul auch frei kombinieren: So ist es durchaus möglich und erlaubt, den Twin Reverb mit den drei Jensen P10R Zehn-Zöllern des Vibro-King zu kombinieren. Es liegt auf der Hand, dass sich auf diese Weise Klänge von eher interessant bis durchaus Custom-Shop-like kreieren lassen. Besonders hervorzuheben unter den Gitarren-Boxen ist das Modell Vibratone, Fenders Antwort auf die Nachfrage vieler Gitarristen nach einem Lautsprecher-System mit einem rotierenden Speaker. Im Original war ein echter Leslie Model 16 Zehn-Zoll-Lautsprecher verbaut, dessen Rotierungsgeschwindigkeit mittels eines Schalters von schnell („Fast“) auf langsam („Slow“) umschaltbar war. Damit konnten Gitarristen den typischen Hammond-Sound imitieren, ohne auf kompromissbehaftete Effektgeräte oder gar ein zentnerschweres Leslie-Cabinet zurückgreifen zu müssen. Da die Fender-Ingenieure sehr genau wussten, dass nicht alle ihrer Verstärker mit einem einzigen Zehn-Zoll-Lautsprecher ihr Klangpotential entfalten konnten, gab es zusätzlich noch einen Auxiliary-Ausgang am Vibratone. Auf diese Weise gaben die Gitarrenbox, beziehungsweise die Lautsprecher eines Combo-Verstärkers die Bässe und Höhen wieder, der Vibrotone war für die Mitten und den blubbernden Orgel-Klang zuständig. Alles das bietet auch die Software-Nachbildung und erweist sich im Verlauf dieses Testes als eines der absoluten Glanzlicher dieser Software: Eine bessere Rotary-Speaker-Emulation haben wir bislang noch nicht gehört.

Zu einer Gitarren-Box gehört auch ein passendes Abnahmemikrofon. Hier herrschte bei IK Multimedia bisher eher frugale Kost. Vor allem eingedenk der umfangreichen Sammlungen von Mikrofon-Klonen der Mitbewerber. Herausragend in dieser Disziplin sind die IK Multimedia-Landsleute von Overloud in ihrer prall ausgestatteten Gitarren-Software TH1 (Test in Ausgabe 3/2009). Amplitube Fender hat jetzt aber einige Leckerlis zur virtuellen Mikrofonierung der Amps zu bieten: Dabei sind die Neumann-Klassiker U 87 und KM 84, das AKG C-414 ULS darf vor keinem Amp fehlen, ebenso die Dynamiker Shure SM57, Sennheiser 421 und 441. Seit Amplitube Hendrix dabei ist das tolle Bändchen-Mikrofon M160 von Beyerdynamic, ergänzt durch das Doppel-Bändchen Velo-8 des amerikanischen Herstellers Groove Tubes. Dieses Unternehmen ist seit Jahren mit Fender verbandelt – unter anderem stellt Groove Tubes die Röhren der Fender Amps her –, so dass die Aufnahme des Velo-8 wenig verwunderlich ist. Ein weiteres Groove Tubes-Mikrofon, das FET-Großmembran-Kondensatormikrofon MD1-b erweitert den Mikrofonreigen auf insgesamt neun Modelle.

Wie von Amplitube gewohnt, lassen sich Mikrofonabstand und Positionierung zweifach variieren: Im ersten Fall steht die Option nah („close“) und fern(er) („far“) zur Auswahl, im zweiten Fall stehen die Positionen Membran-Zentrum („On Axis“) und Membran-Rand („Off Axis“) zur Auswahl. Mehr Möglichkeiten gibt es nicht, außerdem stellt Amplitube nur jeweils ein Mikrofon zur Mikrofonierung bereit. Insoweit erweisen sich einige Mitbewerber-Produkte wie Guitar Rig 3, von TH1 ganz zu schweigen, als klanglich sehr viel flexibler. Dafür ist Amplitube Fender sehr viel einfacher zu bedienen – gerade für Einsteiger –, denn auch die virtuelle Multimikrofonierung von Gitarren-Verstärkern will erst mal gelernt und beherrscht sein. Für einen guten und sogar stufenlos einstellbaren Schuss Raumanteil sorgt der Regler Ambience. Dahinter verbirgt sich ein Stereo-Faltungshall, der klanglich eine ausgezeichnete Visitenkarte hinterlässt. Allerdings empfiehlt es sich unbedingt, auch Monospuren im Host-Sequenzer auf Stereo zu stellen, um in den vollen Genuss dieses sehr gut gelungenen Faltungs-Raumhalls zu kommen. Im Stand-alone-Betrieb sollte der Anwender eine Mono-to-Stereo-Konfiguration im Rig-Modul von Amplitube Fender wählen. Apropos Faltungshall: Auch die eingebauten Federhall-Systeme der virtuellen Amps basieren auf Impulsantworten der realexistierenden Vorbilder und bieten damit zwar eine durch die Bank sehr hohe Klangqualität, fordern allerdings einiges an Rechnerleistung ein. So genügsam diese Software auch beim reinen Festplattenspeicherplatz ist: Ein Dual Core-Prozessor und ein Arbeitsspeicher von mindestens einem Gigabyte RAM sollte schon vorhanden sein. Anderenfalls ist Amplitube Fender praktisch nicht in Echtzeit zu gebrauchen. Am Besten orientieren Sie sich an den empfohlenen System-Anforderungen in der Tabelle auf Seite 58 orientieren.

Nach diesem kurzen, aber notwendigen Praxisexkurs widmen wir uns noch den insgesamt zwölf Effekten – allesamt aus dem Hause Fender –, die sich auf sechs virtuelle Bodeneffekte und die gleiche Zahl an Rack-Effekten verteilen. Der Star unter den Bodeneffekten ist unzweifelhaft der Röhren Federhall von 1963, der sich als Replik nach wie vor im Fender-Katalog findet und der nicht nur bei Surflegende Dick Dale zum Leib-und-Magen-Hall gehört. Dieser außergewöhnlich warm klingende Federhall, der den Ton auf einzigartige Weise moduliert, gilt zu Recht immer noch als der Entwicklungs-Gipfel eines röhrengetriebenen Federhalls. Vor allem mit den klassischen Amps à la Bassman geht der Federhall eine Traumverbindung ein. Der Fender Blender ist ein Verzerrer mit Germanium-Transistoren, der in erster Linie Vintage-Freaks gefallen dürfte. Mit seinem eher harschen Klang macht er sich auch gut für Metal und Punk/Wave, angesichts der wesentlich musikalischeren und weicheren Röhrenzerre, die alle Amps mehr oder weniger ausgeprägt offerieren, ist das Pedal aber sicher Geschmackssache. Der Fender Phaser liefert einen warmen 1970er-Jahre Phaser-Sound ohne Wenn und Aber, während das sogenannte Fuzz Wah eine interessante Mischung aus Verzerrer-Säge und Wah-Wah-Pedal darstellt. Tape Echo emuliert einen klassischen Band-Echo-Effekt, ist aber selbst von dem digitalen Verstärker Fender Cyper Twin in Amplitube Fender portiert worden. Klingt dennoch schön altertümlich und ausgesprochen lo-fi. Volume ist ein klassisches Volumenpedal, das sich sehr gut über MIDI steuern lässt und bietet damit stufenlose Kontrolle über die Spieldynamik und den Verzerrungsgrad des nachgeschalteten Verstärkers.

Die Rackeffekte stammen einmal mehr vom Cyber Twin und umfassen Pitch Shifter, Chorus, Wah Wah, Tape Echo und einen Kompressor. Das Wah Wah orientiert sich ausnahmsweise nicht an Fender Produkten, sondern klanglich am Dunlop Cry Baby und dem Morley Clyde. Eigentlich seltsam und bedauerlich, dass es dieses Modul nicht auch als Bodentreter gibt. Das fällt jedoch weniger ins Gewicht als das Fehlen eines studiotauglichen Halls. So wünschen wir uns den sehr guten Studio-Hall aus Amplitube Hendrix ins Rack, aber wahrscheinlich hat die Konzentration auf Fender-Produkte die Aufnahme eines Fremdeffekts verboten. So bleibt dem Anwender nichts anderes übrig, als auf seine gewohnten Hard – oder Software-Hall-Effekte zurückzugreifen. Sofern der Hostrechner heutigen Leistungsstandards entspricht, empfiehlt es sich in jedem Fall, Amplitube Fender mit der höchstmöglichen Auflösung und den diversen Oversampling-Optionen zu betreiben (siehe Screenshot auf Seite 58). Erst dann geht klanglich – nicht nur für eingeschworene Fenderianer – die Sonne auf, denn IK Multimedia haben bei der Emulation der Fender Amps und Effekten hervorragende Arbeit geleistet.

Damit Sie selbst einen Eindruck vom Sound und Lust auf eigene Experimente mit Amplitube Fender bekommen, haben wir 10 Soundfiles erstellt, die einen ersten Klangeindruck liefern. Wir haben bei allen Klangbeispielen auf Effekt-Einsatz, abgesehen vom Feder-Hall, konsequent verzichtet, damit die emulierten Verstärker möglichst unverfälscht zu hören sind.

Die Soundfiles 1 bis 4 sind jeweils Solo-Takes: Bei dem Chord-Melody-Stück in Soundfile 1 erklingt der 59er Bassman, angereichert mit dem 63er Tube-Reverb, bei der bluesigen Soundfile 2 hören Sie standesgemäß den Vibraverb Custom in der SRV-/Diaz-Einstellung, während die Heavy-Abteilung einmal vom Prosonic (Soundfile 3) einmal vom MH-500 (Soundfile 4) bedient wird.

Die übrigen sechs Soundfiles sind allesamt Duos, bei denen Sie die Stars von Amplitube Fender, also den wirklich toll klingenden Twin Reverb, den rundum überzeugenden Deluxe 57, den sehr nah am Original tönenden Deluxe Reverb und schließlich auch die beiden Winzverstärker Pro Junior und Champion 600 hören und genießen können. Vor allem der Champion 600 hat uns sehr positiv überrascht, denn er klingt verblüffend offen und wie bereits erwähnt, hat IK Multimedia die vereinzelt zu beobachtenden Schwächen des Originals wie das störende Netzteilbrummen dankbarerweise nicht mitemuliert. Authentizität ist zwar immer oberstes Gebot bei einer Emulation, aber Störgeräusche möchte niemand nachgebaut haben. Sie können alle zehn Soundfiles wie gewohnt auf unserer Website herunterladen. Mit dem Freischaltcode ikf5965le erhalten Sie Zugriff auf die Klangbeispiele.

Fazit

Amplitube Fender ist ein Meisterstück – ohne Zweifel. Die Klangqualität ist verblüffend gut, die Wirklichkeitsnähe der emulierten Verstärker und Effekte wird auch eingefleischte Fenderfans überzeugen, die jede Menge Fender-Sounds von Vintage bis Modern abdecken können.

Erschienen in Ausgabe 05/2009

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 170 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut