Saitenspezialist

Ganz neu bei Audio-Technica ist das Modell AT2031 hat, das der japanische Hersteller völlig zu Recht als Saitenspezialisten anpreist. 

Von Harald Wittig 

Auf der diesjährigen Musikmesse stellte der japanische Mikrofon-Spezialist zwei neue Mikrofone vor: Das Stereo-Mikrofon AT2022 mit zwei Nierenkapseln in XY-Anordnung und das AT2031, das speziell für die Abnahme beziehungsweise Mikrofonierung von Saiteninstrumente entwickelt wurde. Beide Mikrofone, vor allem das AT2031, das sich laut Hersteller sowohl für Live- und Studio-Einsatz eigenen soll, stehen schon länger auf unserer Wunschliste. Jetzt sind die beiden Neuzugänge im umfangreichen Audio-Technica-Programm erst seit kurzer Zeit lieferbar.

Deswegen mussten wir den bereits in Ausgabe 5/2011 angekündigten Test der Mikrofone zu unserem eigenen Bedauern und dem der Professional audio-Leser verschieben. Jetzt hat das Warten ein Ende, denn die deutsche Audio-Technica-Niederlassung konnte uns ein Testmuster des AT2031, das bereits sehr gefragt ist zur Verfügung stellen.  Das AT2022 werden wir dann in einer der nächsten Ausgaben würdigen, jetzt soll erst mal die neue Kleinmembran zeigen, was messtechnisch und klanglich in ihm steckt. Vor allem wollen wir herausfinden, ob das AT2031 sich tatsächlich, wie vom Hersteller ausdrücklich angepriesen, als wahrer Saitenspezialist behaupten kann.

Das AT2031 ist ein Druckgradientenempfänger mit Nierencharakteristik und gehört zu den besonders kostengünstigen Audio-Technica-Schallwandlern. Es wird zu einem empfohlenen Verkaufspreis von rund 180 Euro angeboten. Im Gegensatz zur Topreihe, den bewährten 40er-Modellen wird das neue Mikrofon nicht in Japan, sondern im eigenen Werk in Taiwan gefertigt. Nach unseren bisherigen Erfahrungen mit Audio-Technica-Mikrofonen sind damit qualitativ keine Abstiche verbunden – das sei nur rein vorsorglich bemerkt. Immerhin ist auch Japan – trotz der in der Regel vergleichsweise sehr günstigen Preise – für die Mikrofone dieses Herstellers, kein Billiglohnland mehr und hochwertige elektronischen Produkte kommen bekanntlich schon seit Jahrzehnten aus Taiwan oder Korea. 

Befassen wir uns doch direkt mit den technischen Details und beginnen mit dem Wandlerprinzip des  AT2031. Es handelt sich bei diesem Mikrofon um ein sogenanntes dauerpolarisiertes Kondensatormikrofon, gemeinhin auch als Elektret-Mikrofon bezeichnet. Bei diesen Mikrofonen enthält die Mikrofon-Kapsel eine spezielle Kunststoff-Folie. Dieses Material hat die besondere Eigenschaft, eine elektrische Ladung dauerhaft zu speichern. Die Elektroden sind also permanent polarisiert – daher auch die englische Beschreibung „permanently polarized“ –, eine externe Polarisation kann also entfallen. Bei modernen Elektret-Mikrofonen, wozu auch das AT2031 gehört, ist die Gegenelektrode mit dem Elektretmaterial beschichtet, weswegen diese auch präziser als Back-Elektret-Mikrofon bezeichnet werden. Diese Bezeichnung leitet sich wiederum vom englischen Begriff für Gegenelektrode, nämlich „back plate“, ab. Der Vorteil dieser Konstruktion: Da nicht mehr die Membran selbst aus dem Elektretmaterial gefertigt ist, kann diese wesentlich leichter und dünner gehalten werden. Das ergibt ein sehr gutes Impulsverhalten auf dem Niveau der extern polarisierten Kondensatormikrofone. 

Dennoch halten sich nach wie vor hartnäckig Gerüchte, dass auch moderne Elektretmikrofone qualitativ den  – meisten teureren – „echten Kondensatormikrofonen“ nachstehen. Dieses Vorurteil ist schon lange nicht mehr haltbar, was nicht zuletzt auch unsere Tests in der Vergangenheit (siehe beispielsweise den großen Vergleichstest mit kostengünstigen Mikrofonen in Ausgabe 9/2009) widerlegt haben. Audio-Technica gehört übrigens, neben AKG oder Brüel & Kjaer zu den Vorreitern bei der Herstellung von hochwertigen Studio-Kondensatormikrofonen in Elektret-Technik: So haben die Klassiker AT4033A(SM) und AT4041  mit dem Negativ-Image der Elektret-Mikrofone gründlich aufgeräumt und zählen weltweit zur Grundausstattung vieler Profi-Studios.
Nicht zu gering zu schätzen, ist ein weiterer Vorteil der Elektret-Bauweise: Ihre vergleichsweise hohe Langzeitstabilität. Diese Mikrofone sind in der Regel weniger empfindlich bei hoher Luftfeuchtigkeit als die extern polarisierten Verwandten, was zum Beispiel große Vorteile bei Live-Einsätzen mit sich bringt. Somit hat das AT2031 schon rein konstruktionsbedingt beste Voraussetzungen, für den Studio- und Live-Einsatz. Wie die meisten Kondensatormikrofone benötigt es zum Betrieb ebenfalls die gängige 48 Volt-Phantom-/Speisespannung, was vor allem Einsteiger beachten sollten.     

Oftmals sind Elektret-Typen recht leise, ihre Empfindlichkeit liegt mitunter kaum über dynamischen Mikrofonen liegt. Zusammen mit einem nur durchschnittlichen Geräuschspannungsabstand können sich somit Probleme, konkret störendes Rauschen bei der Aufnahme leiser Signalquellen ergeben. Im Falle des Audio-Technica ist diese Sorge jedoch unbegründet: Ausweislich unserer Messungen ist das Mikrofon mit 14,3 mv/Pa auf dem Niveau vieler teurer Studio-Kondensatormikrofone, was auch für den mit 74, 6 Dezibel sehr guten Geräuschspannungsabstand gilt. Der Hersteller hat wohl einige Gedanken bei der Entwicklung des AT2031 gemacht, denn ein auf die Mikrofonierung von Saiteninstrumenten hin optimiertes Mikrofon – wir denken dabei besonders an leise Zupfinstrumente – sollte selbstverständlich mit einem geringen Eigenrauschen glänzen können. Dieses Ziel hat Audio-Technica schon mal rein messtechnisch erreicht.

Verweilen wir doch noch bei den Messungen und betrachten den vom Professional audio-Messlabor ermittelten Frequenzgang. Das auf Seite 30 abgedruckte Diagramm zeigt einen bei vereinzelten Welligkeiten insgesamt sehr gleichmäßigen Kurvenverlauf vom Bassbereich bis etwa fünf Kilohertz. Ab fünf Kilohertz kommt es zu einem Höhenanstieg, der im Gipfel bei etwa sechs Kilohertz vier Dezibel beträgt, danach fällt  die Messkurve wieder ab. Es handelt sich hierbei um einen vergleichsweise dezenten Höhenanstieg, der – ausweislich der Herstellerangaben – ein bewusstes Klangdesign darstellt, um bei der Nahmikrofonierung von Zupf- und Streichinstrumenten eine farbigeren, etwas präsenteren Klang zu erzielen. Auf derselben Seite 30 sehen Sie noch ein zweiten Frequenzgangschrieb: Das AT2031 ist mit einem Hochpass-Filter zur Unterdrückung von Trittschall und Umgebungs-Störgeräuschen ausgestattet, der nach laut Hersteller bei  150 Hertz mit einer Steilheit von 6dB/Oktave ansetzt. Unsere Messung belegt, dass auch insoweit die Angeben von Audio-Technica der Wahrheit entsprechen – so muss das sein. 

Bekanntlich geben Messwerte nur ungefähre Hinweise auf den Klang eines Mikrofons, weswegen die eigentliche fachpraktische Überprüfung unerlässlich ist. Deswegen erstellen wir wie üblich bei unseren Mikrofontests einige Aufnahmen unter Logic Studio 9, wobei die bewährte Referenz-Kombination aus Lake People Mic-Amp F355 und Lynx Aurora 8-Wandler den Klang des AT2031 auf die Rechner-Festplatte bringt. Standesgemäß nehmen wir mit diesem Mikrofon ein kurzes Demostück mit einer Ricardo Sanchis Carpio 2AF Flamenco-Gitarre auf, deren schöner Kopf nebenbei erwähnt auch das Aufmacherbild verziert. Diese Gitarre klingt einerseits sehr ausgewogen, besitzt gleichzeitig aber auch diese gewisse Knackigkeit, die typisch für Flamenco-Gitarren ist. 
Wie macht sich das AT2031 vor der Gitarre? Um es kurz und bündig auf den Punkt zu bringen: Sehr gut. Zunächst erweist sich dieses kostengünstige Mikrofon als praktisch rauschfrei, unsere Erwartungen nach den sehr guten Messergebnissen enttäuscht der Schallwandler insoweit also nicht. Das Mikrofon überzeugt mit einem sehr guten Impulsverhalten, das ohne Weiteres auf dem Niveau guter Studio-Kleinmembranen der Oberklasse ist. Das Auflösungsvermögen der Kapsel ist sehr gut, erreicht allerdings nicht die Detailverliebtheit von Spitzenmikrofonen. Das ist nicht mal unbedingt ein Nachteil, denn speziell bei Gitarrenaufnahmen – das wissen sowohl Tonmeister als auch die Gitarristen selbst – ist der Nebengeräuschanteil, namentlich Greif- und Anschlagsgeräusche,  auch noch bei mittleren Mikrofonabständen zum Instrument recht hoch. So gesehen ist das Audio-Technica wird das Audio-Technica, weil es eben kein gandenloser Scharfzeichner ist, einigen Anwendern speziell für akustische Gitarrenaufnahmen besonders zusagen. 
Die klangliche Abstimmung mit der bewussten leichten Höhenanhebung sorgt für einen erfrischenden Schuss Präsenz, der dennoch vergleichsweise dezent ausfällt. Sogar die konstruktionsbedingt obertönigere Flamencogitarre tönt auf der Aufnahme nicht aufdringlich. Da klingt der direkte Mitbewerber, das grundsätzlich sehr gute Røde NT deutlich knackiger. Dieser gewisse Präsenzanteil des AT2031 macht es damit auch zu einem geeigneten Stützmikrofon, beispielsweise bei Ensembleaufnahmen, um im Gesamtklang etwas zurücktretende Zupfinstrumente wie eine Harfe präsenter zu machen. Bei Nahmikrofonierung sollte selbstverständlich der Nahbesprechungseffekt beachtet werden. Das AT2031 ist diesbezüglich ein gutmütiger Schallwandler, soll heißen, dass der Nahheitseffekt nur durchschnittlich ausgeprägt ist. Bei der ohnehin weniger bassstarken Flamenco-Gitarre sorgt er für eine angenehme Andickung, bei Konzertgitarren oder Steelstring-Akustikgitarren empfiehlt sich dagegen eine sorgfältige Ausrichtung des Mikrofons, um Dröhnbässe zu vermeiden. 
Unterm Strich kann das AT2031 in der Summe seiner Klangeigenschaften überzeugen. Wie gut sich das kostengünstige Mikrofon in der Aufnahme-Praxis behauptet, können Sie selbst nachhören: Unsere Gitarrenaufnahme gibt es zum kostenlosen Download in der Soundbank.                                                                                             

Fazit

Das neue AT2031 erweist sich als ein sehr gutes und kostengünstiges Kleinmembran-Mikrofon auf Mittelklasse-Niveau, das sich sowohl als auch arrivierten Tonschaffenden als Saitenspezialist empfiehlt. Es macht für Soloaufnahmen von sensiblen Zupfinstrumenten aber auch als Stützmikrofon bei Ensembleaufnahmen eine richtig gute Figur. 

Erschienen in Ausgabe 07/2011

Preisklasse: Oberklasse
Preis: 177 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut – überragend