Perfektionist

Elegant gewandet und von schlankem Wuchs ist es, das neue Kleinmembranmikrofon von Microtech Gefell, das sich als Perfektionist in Sachen Schallwandlung erweist. 

Von Harald Wiitig 

Wir haben das M 221, wie sich die neuste Schöpfung der Mikrofonmanufaktur Microtech Gefell nennt, schon lange sehnsüchtig erwartet, jetzt konnten uns die thüringer Mikrofon-Spezialisten endlich ein Testexemplar zur Verfügung stellen. Bereits zur Jahresmitte offiziell vorgestellt, weckte das M 221 vor allem bei professionellen Anwendern sogleich Begehrlichkeiten, denn allein die technischen Daten versprechen Klangeigenschaften, die dieses Mikrofon zum idealen Schallwandler für anspruchsvolle Aufnahmen, bei denen es auf höchste Signaltreue ankommt, machen: Herzstück des M 221 ist nämlich die Druckempfänger-Kapsel MK 221, die eigentlich für akustische Messungen konzipiert ist, wegen ihrer herausragenden Linearität aber auch gerne für Aufnahmezwecke Verwendung findet. Die Stammleser von Professional audio wissen, dass es bereits ein hervorragendes Aufnahmemikrofon mit dieser Kapsel gibt: Das zu Recht – wie auch unser letzter Praxisvergleichstest in Ausgabe 9/2011 gezeigt hat – von Tonschaffenden mit höchsten bibliophilen Ansprüchen hochgeschätzte Josephson C617SET (siehe auch den Einzeltest in Ausgabe 3/2009). Mit dem M 221 gibt es jetzt ein Studio-/Aufnahmemikrofon vom Hersteller der MK 221-Kapsel selbst und wir geben ganz offen zu, dass unsere Erwartungen an dieses Mikrofon sowohl in puncto Messwerte als auch bei den Klangeigenschaften sehr hoch sind. Das liegt weniger an unseren Erfahrungen mit dem Josephson-Mikrofon, welches im Rahmen dieses Tests auch nur am Rande Erwähnung finden wird, sondern ist schlichtweg dem Umstand geschuldet, dass die Mikrofone aus Gefell uns immer wieder vollauf überzeugen konnten: Angefangen bei dem Großmembran-Kondensatormikrofon M 930 (siehe Test in Ausgabe 6/2007), nicht umsonst unsere Referenz und Messlatte für jeden großkopferten Mitbewerber, über das wunderbare Röhrenmikrofon M990 (Test in Ausgabe 2/2009) bis hin zum jüngsten Mitglied der Großmembran-Familie, dem M 1030 (Test in Ausgabe 2/2011). 

Wenn auch im Detail, namentlich klanglich jeweils unterschiedlich, so handelt es sich im Allgemeinen um Spitzenmikrofone, die jeden Cent ihres zugegeben vergleichsweise hohen Anschaffungspreises Wert sind. Auch das M 221 gibt es nicht zum Schnäppchenpreis, rund 2.000 Euro muss der Tonschaffende anlegen, möchte er das Mikrofon sein Eigen nennen. Dafür erhält er aber auch – soviel sei schon verraten – ein Spitzenmikrofon, das zudem in jedem Fall eine lohnende Investition für das Anfertigen hochwertiger Tonaufnahmen darstellt. Das M 221 ist ein Kondensatormikrofon, das nach dem Prinzip Druckempfänger arbeitet. Die Membran eines Druckempfängers reagiert auf Druckschwankungen der Atmosphäre, auch wenn diese Druckschwankungen eine Frequenz unterhalb des hörbaren Bereichs haben. Deshalb übertragen Druckempfänger problemlos Frequenzen im Tiefbassbereich, ohne dass es zu Verfärbungen bei der Wiedergabe dieser Frequenzen kommt. Aus diesem Grund kommen Druckempfänger in Verbindung mit einem Kondensatorwandler immer dann zum Einsatz, wenn es auf einen sehr ebenen, also linearen Übertragungsfrequenzgang ankommt. Insofern liegt es auf der Hand, dass es sich bei der Kapsel MK 221, die das Herzstück des M 221 ist, um eine Druckempfänger-Kapsel handelt. Alle wichtigen Teile, also auch die in einem speziellen galvanischen Verfahren hergestellte und befestigte Membran, bestehen aus Nickel. Die Gegenelektrode ist durch eine Quarzglasscheibe vom Kapselgehäuse isoliert. Die Schutzkappe (siehe Foto auf Seite 33) schützt die feine Membran vor Beschädigungen und ist abnehmbar, um – sollte dies notwendig sein – die Membran zu reinigen. Was aber bitte mit größter Sorgfalt und am besten mit einem Pinsel, wie er beispielsweise auch zur Reinigung von Fotoobjektiven Verwendung findet, geschehen sollte. Denn Fremdkörper auf der Membran können den Übertragungsfrequenzgang negativ beeinflussen, von Beschädigungen wollen wir erst gar nicht reden. Die MK 221 verfügt über ein standardisiertes Schraubgewinde für den Anschluss an Kalibrier- und Messgeräte oder den Messmikrofonverstärker MV 203. Im Falle des Testmikrofons ist die Kapsel übrigens auch abschraubbar, so dass die Kapsel theoretisch auch für akustische Messungen, wir denken zum Beispiel an das Einmessen der Abhöranlage und des Abhörraumes, nutzbar wäre. Wie zu erwarten, ist der Übertragungsfrequenzgang der M 221, beziehungsweise der Kapsel linear: Der auf Seite 34 abgedruckte Individualmessschrieb, den der Hersteller auf unseren Wunsch hin anfertigte, belegt dies. Dass damit noch nichts über das Auflösungsvermögen ausgesagt ist, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Deswegen müssen Mikrofone letztlich auch in der Aufnahmepraxis getestet werden, eine rein messtechnische Begutachtung gibt lediglich mehr oder weniger aussagekräftige Hinweise auf die Klangeigenschaften. Einen gewissen Anteil um Klang eines Mikrofons hat auch die Verstärkereinheit, weswegen sich Mikrofone mit der gleichen Kapsel sich durchaus klanglich hörbar unterscheiden können. Bei dem Verstärker/Impedanzwandler des M 221 handelt es sich um eine völlige Neukonstruktion. Das transformatorlose Schaltungsdesign des Impedanzwandlers mit seiner symmetrischen Ausgangsstufe soll nach Angabe des Herstellers einen beachtlich großen Aussteuerungsbereich von 15 bis 136 Dezibel bei einem sehr niedrigen Klirrfaktor von maximal 0,5 Prozent ermöglichen.   

Damit darf das M 221 auch vor der Lautsprecher-Membran eines Bassverstärkers oder dem Fell einer Bass-Drum aufgestellt sein, um die überlegene Tiefenwiedergabe des Druckempfängers zu nutzen. Die Formgebung des Verstärkergehäuses ist zeitgemäß modern und elegant – ein augenfälliger Beweis, dass auch ein Traditionshersteller wie Microtech Gefell nicht nur gut klingende, sondern auch schöne Mikrofone baut. Die Form ist auch nicht reiner Selbstzweck: Kapsel und Verstärker haben, um Beeinflussungen des Schallfelds durch Reflexionen um Gehäuse zu minimieren, zunächst den gleichen Außendurchmesser, der der Verstärkereinheit erweitert sich zur Anschlussseite, also zur dreipoligen XLR-Buchse hin. Die Form der Erweiterung ist bewusst so gestaltet, dass bis zum XLR-Anschluss nur geringe Schallbeugungen und Reflexionen auftreten. Ein solch präzise berechnetes Gehäuse kann nicht billig sein, was sich neben anderen Kostenfaktoren selbstverständlich im Endpreis niederschlagen muss. Dass das M 221 ein Edelmikrofon ist, ist allein schon beim Streichen über die samtige Oberfläche, die Farbe nennt sich Bronze, erfühlbar. Im Vergleich dazu wirken auch kaum günstigere Mikrofone fast schon grobgehauen. Die Bronze-Oberfläche harmoniert mit dem goldfarbenen Ring und der Schrift am Gehäuseende und findet seine Ergänzung mit der vergleichbar gestalteten, mitgelieferten Halterung MH 93.1. Die Mikrofone aus Gefell sind einfach Schmuckstücke – dies muss bei aller gebotenen objektiven Distanz doch mal gesagt sein. Da wir eben schon die Halterung angesprochen haben, kommen wir direkt zum weiteren Zubehör, den beiden Kugeln, die schon auf der Aufmacherseite mit dem M 221 posieren. Es handelt sich dabei um die Kugelaufsätze KA 3 und KA 4, die, wenn sie an das Mikrofon montiert und mit der Membran bündig abschließen (siehe Foto auf Seite 34), eine Hochtonanhebung bewirken. Auf diese Weise lässt sich das freifeldentzerrte Mikrofon bei Bedarf auf rein mechanischem Wege diffusfeldentzerren. Präziser ausgedrückt: Der zunehmende Höhenverlust bei Vergrößerung des Abstands zur Schallquelle ist mit den Kugelaufsätzen kompensierbar. Wie das Messdiagramm auf Seite 34 veranschaulicht, bewirkt der Kugelaufsatz KA 4 eine Höhenanhebung beginnend bei etwa einem Kilohertz, der zwischen drei und zwölf Kilohertz konstant bei drei Dezibel verläuft. Es bleibt dem Anwender selbstverständlich unbenommen, die Kugelaufsätze auch im Nahfeld zur bewussten Klanggestaltung für einen Schuss mehr Höhenpräsenz zu verwenden. Gerade für die Aufnahme leiser Instrumente wünschen wir uns möglichst rauscharme Mikrofone. Das M 221 ist insoweit bestens aufgestellt, denn mit dem sehr guten Geräuschpegelanstand von 78,2 Dezibel in Verbindung mit einer sehr hohen Empfindlichkeit von 40,7 mV/Pa verdient sich das Mikrofon das Prädikat „praktisch rauschfrei“.

Die Achillesferse kann jetzt nur noch der Preamp sein, der seinerseits zur extrem rauscharmen Sorte gehören sollte. Womit wir bei der Praxis angelangt wären und der Beantwortung der drängenden Frage: „Wie klingt es wohl, das M 221?“ Um das heraus zu finden, nehmen wir mit einer Ricardo Sanchis Carpio 1F Flamencogitarre, mit auf „D“ herunter gestimmter tiefster Saite, einige kurze Takes auf. Selbstredend, dass unser bewährter Referenz-Vorverstärker, der Lake People Mic-Amp F355 in Kombination mit dem Mytek 8×192 ADDA-Wandler die Mikrofonsignale auf der Rechner-Festplatte festhält. Das M 221 gehört zu den Mikrofonen, die schon spontan beim Einpegeln über Kopfhörer überzeugen können, denn es gehört zur verfärbungsfreien Schallwandlergattung. Was sich vor ihm abspielt fängt es ein. Ohne Wenn und Aber, dabei allerdings auch gnadenlos ehrlich. Schlampiges Spiel, schlecht platzierte Lagenwechsel, ein ungünstiger, Nebengeräusche hervorrufender Anschlagswinkel – das M 221 fordert einen Interpreten. Wenn alles passt, wird der Anwender mit Aufnahmen belohnt, die schlichtweg großartig sind und durch die Zugabe von Effekten, namentlich Hall eher verlieren. In richtig gut klingenden Räumen, wo die Instrumente mit dem Raum interagieren, ist das M 221 in seinem Element. Auch in eher trockenen, wenn Sie so wollen leblosen Räumen ist es eine sehr gute Wahl, da das Auflösungsvermögen vom Tiefbassbereich bis in die Höhen bei einem exzellenten Impulsverhalten zweifellos auf absolutem Spitzenniveau ist. Das Mikrofon klingt auch nicht etwa steril oder langweilig, was vielleicht der Eine oder Andere befürchtet haben mag. Der neue Mikrofonverstärker ist anscheinend bewusst auch auf die Aufnahmepraxis abgestimmt und sorgt bei aller Perfektion für einen musikalisch-audiophilen Klang. Der bleibt auch erhalten, bei unseren Aufnahmen mit dem Kugelaufsatz KA 4: Die Höhenanhebung sorgt für mehr Präsenz, ohne die Schärfe, die Billigmikrofonen gerne zueigen ist. Falls es Anwender geben sollte, denen das M 221 zu „langweilig“ klingt, empfehlen wir Testaufnahmen mit den beiden Kugelaufsätzen, die bei Nahmikrofonierung für einen frischeren, etwas knackigeren Klang bei unverändert höchster Auflösung und Präzision sorgen.

Fazit 

Das Microtech Gefell M 221 ist ein Perfektionist, geschaffen von Perfektionisten für Perfektionisten. Sein außergewöhnlich natürlicher feiner Klang macht es zum idealen Schallwandler für anspruchsvolle Aufnahmen. Angesichts der Klangqualität, der herausragenden Verarbeitung und den cleveren Kugelaufsätzen zur mechanischen Diffusfeldentzerrung ist sein Preis vollkommen angemessen.

Erschienen in Ausgabe 11/2011

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 1958 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut