Virtueller Auftragskomponist
Intelligenz ist lernbar. Diese Erkenntnis bewahrheitet sich zumindest in der neuen Version von Band-in-a-Box, die jetzt noch mehr musikalische Authentizität an den Tag legt und neben der verbesserten KI zahlreiche praktische Neuerungen auf Lager hat.
Von Michael Nötges
Band-in-a-Box (Biab) gehört zu einer besonderen Gattung von Sequenzern, die sich auf den Bereich der Komposition und des Arrangements konzentriert und dabei den Aspekt, Instrumentalisten eine leistungsstarke Software zum Üben an die Hand zu geben, nicht außer Acht lässt. Diese so genannten Composer oder Arranger nutzen die MIDI-Funktionalität, um aus einer Abfolge von Harmonien, Musikstücke in verschiedenen Stilistiken automatisch zu generieren. Die Steuerdaten greifen dabei auf ein Arsenal an vorgefertigten Stilistiken zurück und verhelfen dem User im Handumdrehen zu komplexen Arrangements, die als Grundlage für Jam-, oder Übungs-Sessions und Improvisationen dienen. Die virtuelle Band, bestehend aus Schlagzeug, Bass, Klavier, Gitarre, Streicher, Solist, und Melodie-Instrument spielt in einem beliebigen Stil das erstellte oder geladene Arrangement ab. Die grafische Darstellung ist dabei nicht, wie bei den meisten Audio-/MIDI-Sequenzern untereinander in Spuren angeordnet, sondern als einfaches Blatt mit Akkordsymbolen konzipiert. Damit ist die Dar-stellung eine sehr musikalische und vor allem praxisnahe Lösung, die die Realität vieler Mu-siker auf d en Punkt trifft. Gerade im Jazz-, Rock- und Pop-Bereich liegen selten ausnotierte Stücke vor. Vielmehr sind es Song-Books oder Lead-Sheets [[g]], die die Praxis bestimmen und meist nur die Harmonien, Stil, Tempo und Text vorgeben. Der Musiker hangelt sich an diesem groben Gerüst entlang und interpretiert das Stück auf seine eigene Art oder hört sich bei Cover-Stücken die Originale an, um möglichst nahe an diesen zu bleiben.
Mit dem Band-in-a-Box 2007 MegaPAK hat die Firma PG Music ein besonderes Paket zusammengeschnürt, das über 3 GB eingespielte Schlagzeug-Samples, einen Audio-Akkord-, Reharmonisierungs- und Soundtrack-Assistenten, erweiterte automatische Solo-Generierung, sowie neue Aufnahme- und Übungs-Features verfügt. Außerdem ist die DXi-Funktionalität optimiert, Batch-Konvertierung möglich und die Darstellungsmöglichkeiten für den Notendruck inklusive Liedtext-Verabreitung verbessert. Das umfassende Paket kostet 269 Euro und wen-det sich an Musiklehrer und Schüler, Instrumentalisten, Komponisten, Songwriter und Bandmusiker, die ihre Kreativität beflügeln und schnell und unkompliziert gut klingende, druckfähige Arrangements und Entwürfe erstellen wollen.
Im Lieferumfang, der uns vorliegende PC-Version befinden sich acht CDs. Zwei sind dabei für die Installation der eigentlichen Soft-ware nötig, beinhalten aber zusätzlich die Soloist-Sets eins bis elf und 16 bis 18, sowie die Melodist-Sets eins bis acht. Jedes einzelne dieser Sets kostet 29 Euro, wenn es separat bestellt wird. Auf drei weiteren CDs befindet sich der Content der Real-Drums-Sets eins bis drei. Zwei weitere CDs halten praktische Tutorial-Videos bereit, und die letzte ist voll mit Demos von Zusatzprogrammen für Biab. Außerdem sind drei Handbücher vorhanden. Dabei beinhaltet die ausführliche Bedienungsanleitung mit Spiralbindung für die Software-Version von 2005 alle Informationen, die beiden zusätzlichen Manuals (2006 und 2007), die deutlich weniger liebevoll gestaltet sind, jeweils nur die aktuellen Neuerungen der Updates.
Die Installation ist denkbar unkompliziert und nach Eingabe der Seriennummer ist das Programm ohne lästige Online-Registrierung sofort einsetzbar. Da das Programm überwiegend MIDI-basiert arbeitet, sind die Mindestanforderungen verglichen mit anderen Sequenzern oder Audio-Software-Produkten sehr gering. Biab läuft laut Hersteller auf Betriebssystemen ab Windows 98 SE und ist für Vista gerüstet. Da die Audio-Funktionen weit mehr Ressourcen benötigen als die reine Verarbeitung von MIDI-Daten, sind zumindest ein Pentium-Prozessor und 128 Megabyte Arbeitsspeicher empfohlen. Für das Programm selbst sind 300 Megabyte Festplattenspeicher und insgesamt drei Gigabyte mit allen Real-Drums-Sets erforderlich. Um die Audio-Features im vollen Umfang nutzen zu können ist ein P4 mit einem Gigabyte Arbeitspeicher empfehlenswert, der in unserem Test bei speziellen Audio-Features durchaus ins Schwitzen geriet, grundsätzlich aber souverän funktionierte.
Vor der Installation sollte sichergestellt sein, dass auf dem System bereits ein Audio- sowie ein MIDI-Treiber installiert sind. Nach dem Start des Programms lassen sich dann die MIDI-Treiber-Einstellungen durch den Treiber-Assistenten (Optionen/MIDI Treibereinstellungen) problemlos aktivieren und auswählen. Bei neueren Soundkarten, die General MIDI Level 2 (GM2) [[g]] unterstützen – hier werden weitere 128 Patches zur Verfügung gestellt – empfiehlt es sich für eine größere klangliche Auswahl die GM2-Funktion zu aktivieren. Externe MIDI-Module oder Synthesizer erscheinen genauso in einer speziellen Liste, wie das verwendete Keyboard für die MIDI-Eingabe. Software-Synthesizer und Effekte lassen sich über die interne DirectX- (DXi) oder VSTi-Schnittstelle [[g]] in das Programm einbinden. Unter dem Menüpunkt Audio (Audio Treiber/Einstellungen) wird der passende MME- oder ASIO-Treiber für die verwendetet Soundkarte ausgewählt und die Basiseinstellungen sind abgeschlossen.
Die wichtigsten Funktionen sind direkt über das Hauptfenster erreichbar, dass zunächst etwas chaotisch und unaufgeräumt erscheint. Dieser Eindruck verstärkt sich in den Untermenüs die durch die umfangreichen Einstellungsmöglich-keiten oft überladen wirken. Im Synth-Bereich unterhalb der Statusleiste, in dem die einzelnen Spuren ausgewählt werden, lässt sich entweder die komplette Band oder jedes einzelne Instrument (Schlagzeug, Bass, Gitarre, Klavier, Streicher, Melodie, Solo, Thru) gezielt aktivieren. Mit der rechten Maustaste werden die einzelnen virtuellen Bandmitglieder stumm geschaltet, mit der linken das jeweilige Feld aktiviert und die Controller-Daten (Volumen, Panorama, Chorus, Hall, Bank und LSB) aufgerufen, um die Spuren klanglich einander anzupassen. Im Instrumenten-Fenster befindet sich eine Liste der zur Verfügung stehenden Sounds, mit denen die Spuren individuell belegbar sind. Damit ist es beispielsweise möglich, die Noten der Bass-Spur, sowohl mit unterschiedlichen Bass-Sounds zu testen, als auch mit einem Gitarren- oder Trompeten-Sound abzuspielen. Das klingt zunächst absurd, kann aber durchaus zu neuen klanglichen Ideen führen.
Die Melodie- und Thru-Spur verfügen über eine Harmonisierungs-Funktion, die den vorhandenen Einzelnoten automatisch in die Polyphonie verhilft. Der Stil ist dabei anhand zahlreicher Presets wählbar. Es lassen sich von einfachen Oktavierungen, über Terzen von verzerrten Gitarren gespielt, bis hin zu fünfstimmigen Bläsern in Quarten unterschiedliche Möglichkeiten durchspielen. Dabei wird die bestehende Melodie harmonisiert. Ohne gut klingendes Soundmodul und nur mit den standardisierten General-MIDI-Sounds ist dies allerdings eine eher überladen und anstrengend klingende Möglichkeit, die bestenfalls die Kreativität zu eigenen mehrstimmigen Arrangements oder Akkord-Soli fördert. Je besser der Klangerzeu-ger und die verwendete Soundkarte sind, umso reizvoller werden auch diese Zusatzfeatures für das Gehör.
Der einfachste Möglichkeit, die virtuelle Band spielen zu hören, ist das Laden eines bereits bestehenden Arrangements. Der Weg über den Song-Picker erweist sich dabei als der komfortabelste, wenn auch nicht der einzige, da die Import- und Öffnen-Funktion natürlich auch funktionieren. Ein Klick auf den Song-Button durchsucht allerdings das gesamte Biab-Verzeichnis auf der Festplatte nach den so genannten MGU-Files und erstellt eine übersichtliche Liste, in der mehrere Spalten Auskunft über die verschiedenen Parameter des Songs geben. Unter anderem sind die Tonart, das Metrum, der Style und der Name aufgeführt. Dadurch lassen sich schnell alle Stücke in C-Dur oder im 5/4-Takt suchen, indem auf die Überschrift der entsprechenden Spalte geklickt wird. Das Prinzip ist dasselbe wie in der Detail-Ansicht der Windows-Fenster: es wird immer nach der aktivierten Spalte sortiert. Schnell ist ein 12-taktiger Moll-Blues in C gefunden und ausgewählt. Die Akkordfolge erscheint in der Taktübersicht, wobei die Akkorde, wie auf einem Lead-Sheet vorliegen. Nach dem Starten des Arrangements (F4 oder Space-Taste) ist der gerade gespielte Takt schwarz unterlegt, damit dem Ablauf besser zu folgen ist. Das praktische ist, dass sowohl die Tonart, das Tempo, aber auch der Stil angepasst werden können. Der Klick auf den Style-Button öffnet alle integrierten Stilistiken, die zur Auswahl stehen. Da Biab 2007 MegaPAK über echte Schlagzeug-Samples verfügt, wählen wir unter dem Punkt ‚Stil mit RealDrums’ einen Blues-Groove aus. Das Ergebnis ist überzeugend. Die achttaktigen Phrasen mit Fills und Verzierungen klingen sehr authentisch und passen sich dem Arrangement perfekt an. Zusammen mit dem MIDI-Bass ergibt sich eine gut klingende Rhythmusgruppe, die eine deutliche Ver-besserung gegenüber den unnatürlichen MIDI-Drums darstellt. Zum Üben von Improvisationen, Soli oder Themen über Akkordfolgen ist dies perfekt geeignet. Eine gute Unterstützung ist der Soloist-Assistent. Er generiert automatisch Soli im Stile von Charlie Parker, George Benson, Pat Metheney, Joe Pass und zahlreichen anderen Musikern über die bestehende Akkordfolge. Dabei ist es möglich die Melodie als Grundlage für das Solo zu verwenden. Außerdem kann die Fill-Wahrscheinlichkeit prozentual eingestellt, so-wie der Zeitpunkt des Solos im Arrangement frei bestimmt werden. Auch wenn die künstlich erstellten Soli nicht immer ganz rund klingen, stellen sie doch eine gute Orientierung dar, um festzustellen, wie beispielsweise eine Improvisation im Stile von Django Reinhardt klingen könnte. Im Notationsfenster kann die virtuelle Improvisation dargestellt und nach bedarf auch ausgedruckt werden, um die Vorgaben später vom Blatt einzuüben.
Auch für Komponisten und Songwriter kann Biab sehr hilfreich sein. Spielen wir zwei typische Szenarien durch. Es gibt eine Melo-die, aber kein passendes Arrangement und keine Harmonien. Auf dem MIDI-Keyboard ist die Tonfolge schnell eingespielt. Außerdem gibt es die Möglichkeit die Noten im Notations- oder aber im Piano-Roll-Fenster – das wie der Matrix-Editor in vielen Sequenzern funktioniert – einzutragen. Die Entwickler haben damit sowohl an den notationsfesten Komponisten, den praktischen Musiker, als auch den pragmatischen Tüftler gedacht. Liegt die Melodie beispielsweise nur als eingesungene Audio-Datei vor, ist dies auch kein Problem und kann ebenfalls als Grundlage für die Reharmonisierungs-Funktion verwendet werden.
Biab erzeugt selbstständig passende Harmonien zu der bestehenden Melodie, egal ob es sich um ein Audio- oder MIDI-File handelt. Dies ist nicht immer der Weisheit letzter Schluss, aber in jedem Fall ein Anfang mit dem gearbeitet werden kann und vor allem kann die mögliche Hit-Melodie schnell in verschiedenen harmonischen und stilistischen Zusammenhängen ausprobiert werden. Ähnlich komfortabel zeigt sich die Software, wenn ein Instrumentalist lediglich das harmonische Grundgerüst liefert. Über den Audio-Akkord-Assistenten lässt sich das Stück analysieren und die Akkorde bestimmen, um sie dann als neues Arrangement umzusetzen. Um auf Ideen für mögliche Melodieführungen zu kommen, steht der nächste Assisent bereit. Der Melodist entwirft Melodievorschläge, die, wie sich im Test herausstellte, zum großen Teil gar nicht schlecht sind und dem Komponisten mitunter aus einer kreativen Talsohle retten können. Ist eine passenden Melodie entwickelt, der harmonische Unterbau wirkt allerdings noch etwas schwach, ist erneut die Reharmonisierungs-Funktion gefragt. Diese entwirft nämlich nicht nur gänzlich neue Harmoniefolgen, sondern liefert auch Alternativvorschläge, die bei kreativen Blocka-den ähnlich wie der Melodie-Assistent sehr hilfreich sein können.
Es kommt aber noch besser: auf Wunsch fertigt Biab beim gefürchteten Blackout vollautomatisch Auftragskompositionen an. Im Soundtrack-Fenster kann ein Arrangement beliebiger Länge in Auftrag gegeben werden. Genre, Stil und Tempo sind wählbar und mit einem einzigen Klick ist ein 45-sekündiger Trailer für die neue Telenovela fertig und zwar mit kurzem Intro, Strophen- und Chorus-Part, einem Ende und sogar generierten Titel. In diesem Fall: „Wir möchten dir in die Augen sehen“. Zunächst einmal sehr beeindruckend, auch wenn der etwas gewöhnungsbedürftige Titel nur für bestimmte TV-Formate geeignet wäre. Es sind aber gut gemeinte Vorschläge, die uns die Software liefert. „Er sollte dich nie vergessen“, ist der Titel der Variante eines langsamen Jazz-Walzers, den wir uns als Alternative erstellen lassen. Dabei haben wir das Tempo auf 70 eingestellt und Stilistik und Genre angepasst, die Längenvorgabe aber beibehalten.
Schön und gut, aber wer jetzt dem Irrglauben verfällt Biab zu kaufen und dann als Film- und Werbekomponist groß heraus zu kommen, der ist auf dem Holzweg. Band-in-a-Box 2007 MegaPAK ist zwar ein leistungsfähiger und durchaus intelligenter Assistent für Kompositionen und Arrangements, der durchaus inspirieren und auch helfen kann. Ohne einen musikalischen Kopf im Hintergrund bleiben die automatisch erstellten Ergebnisse aber nicht mehr als gute Zufallsprodukte. Trifft die intelligente Software auf ein adäquates menschliches Pendant, kann allerdings aus der Interaktion Besonderes und auch qualitativ Hochwertiges entstehen.
Fazit
Für 269 Euro ist Band-in-a-Box 2007 Mega-PAK ein üppig ausgestatteter Composer, der sich an alle Instrumentalisten, Schüler und Lehrer, sowie Komponisten und Arrangeure wendet, die einen virtuellen Kompositionsassistenten und eine universelle Begleitband zur Verfügung haben wollen. Arrangements können leicht erstellt oder bereits bestehende geladen werden, um Improvisationen, aber auch Akkordbegleitung oder Themen zu üben. Ferner bietet Biab mit den erweiterten Audio-Features für Komponisten und Songwriter neue Möglichkeiten, schnell zu komplexen Arrangements zu gelangen. Biab hilft dabei durch intelligente Assistenten bei der Harmonisierung, Melodiefindung oder beim Solieren und erstellt sogar komplette Soundtracks nach bestimmten Vorgaben. Etwas zu wünschen lässt manchmal die Übersichtlichkeit der Fenster übrig, aber nur das wahre Genie beherrscht das Chaos.
Erschienen in Ausgabe 04/2007
Preisklasse: Mittelklasse
Preis: 269 €
Bewertung: gut
Preis/Leistung: gut
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