FETt

Was aus Las Vegas kommt, so glaubt man, muss einfach heiß sein. Ob allerdings der neue zweikanalige Kompressor FET III von Daking Audio die Pro Audio-Gemüter erhitzt oder ob man den grünen Edelmann als hochstapelnden Illusionisten lieber gleich wieder in die Wüste schickt, klärt der Test.  

Von Michael Nötges 

Geoff Daking, Gründer des amerikanischen Outboard-Spezialisten Daking Audio, macht keinen Hehl aus seinen Vorbildern. Keine geringeren als die Entwickler von Trident Audio, Urei/UA, API oder AMS Neve sind die Ikonen des leidenschaftlichen Musikers und Audioengineers, wenn es um bestmögliches analoges Equipment geht. Kein Wunder also, dass Daking in den späten 1980er Jahren für den Startschuss seiner eigenen Firma Daking Audio einen Channelstrip der legendären Trident A Range Konsole  als Vorlage nahm. Das Ergebnis intensiver Studien der Schaltpläne und eines Original-Moduls war der Mic Pre EQ, der bis heute bei Insidern als erstklassiger Geheimtipp gilt.

Vom klanglichen Ultimum fasziniert, entwickelte Daking mit dem FET II auch einen FET-Kompressor. Dabei folgt er der eigenen Maßgabe, dass Audioverdichter vor allem flexibel und einfach zu handhaben sein sollen. Überflüssigen Schnickschnack werde man nach eigenen Aussagen nicht finden, dafür aber alle Funktionen, die in der Praxis entscheidend seien. Brad Lunde, Gründer der TransAudio Group, die unter anderem auch Daking im Vertriebs-Portfolio haben, erklärt zur Entstehung des neuen FET III: „Ich bat Geoff mir einen Stereo-Kompressor zu bauen, der günstiger ist, als zwei FET II. Das Ergebnis war der FET III.“ 

Allerdings hat der Nachfolger des FET II ein paar Federn lassen müssen: Die Ein- und Ausgangsübertrager des amerikanischen Trafo-Spezialisten Jensen (FET II) wurden gegen Differentialverstärker von THAT getauscht, so dass Daking Audio beim FET III jetzt auf elektronische Symmetrierung setzt. Laut Lunde mache das aber eigentlich keinen Unterschied, da die Transformatoren im FET II klanglich neutral sind. Außerdem mussten die verwendeten Dreh-Schalter, kontinuierlich verstellbaren Potentiometern weichen. Dadurch sinkt der Anschaffungspreis, hundertprozentig reproduzierbare Einstellungen sind aber kaum noch möglich. Spendabel waren die Entwickler dafür bei den üppigen und gut lesbaren VU-Metern. Außerdem besitzt der FET III zur Verbesserung der Usability einen Hochpassfilter im Sidechain-Weg, um Bassfrequenzen beim Kompressionsvorgang ignorieren zu können. 

Daking hat beim Entwickeln seiner Kompressorschaltungen Legenden wie den Urei/UA 1176, Fairchild 670, F760 X Compex  von Audio & Design oder Kompressormodule von AMS Neve oder API im Hinterkopf gehabt und versucht, das Beste für die eigenen Entwicklungen aus dieser Expertise herauszuquetschen. Die Kompressions-Essenz kostet im Falle des FET III 2.200 Euro, ist also eher als langfristige Wertanlage zu verstehen. Um dem Anschaffungspreis gerecht zu werden, legen sich die Entwickler aber auch mächtig ins Zeug: Sie verwenden ausschließlich ausgewählte Polypropylen- oder Elektrolytkondensatoren und spendieren ein bombensicheres Edelstahlgehäuse sowie proprietäre Aluminium-Drehregler mit eloxierter Oberfläche und gravierten Einstellmarkierungen. Eine Materialschlacht, die – wenn außerdem Konzept und Schaltungsdesign stimmen – am Ende zu ausgezeichneten Bewertungen, weil hoher Praxistauglichkeit, exzellenten Messwerten und bestechenden klanglichen Eigenschaften führt.

Tatsächlich ist die Verarbeitung insgesamt sehr gut und lässt keine Zweifel aufkommen, dass der FET III auch wilde Aufnahmesessions unversehrt übersteht. Die drei Millimeter starke Frontplatte reicht zum Schutz des hochwertigen Innenlebens allemal aus. Sehr überzeugend sind die bereits erwähnten Drehregler, die fest an den sauber laufenden Potiwellen verschraubt sind und wegen ihrer rauen Griffigkeit ein sicheres und angenehmes Bediengefühl vermitteln. Der Begriff „Old-School“ trifft die Art des Designs ins Herz, wofür das zeitlose Dunkelgrün der Frontplatte mit den etwas kontrastlosen hellgrünen Beschriftungen sowie die beiden üppigen VU-Meter verantwortlich zeichnen. Letztere sind aber auch in dunklen Umgebungen und aus einiger Entfernung sehr gut lesbar, da neben der sanften Beleuchtung die Skalierungsbeschriftung auch noch recht groß ausfällt. Mit Hilfe eines freundlich klackenden Dreiwege-Kippschalters (Input, Output, Gain Reduktion) ist die Kontrolle der Ein- und Ausgangspegel sowie des Regelverhaltens des Kompressors gewährleistet. Der Bezugspegel für Ein- und Ausgänge entspricht dem internationalen Studiostandard, weswegen die Anzeigen auf +4dBu (Nullposition) geeicht sind.

Beide Kanäle – die XLR-Anschlüsse finden sich auf der Rückseite (siehe Foto, Seite XX) –  verfügen über einen rot hinterleuchteten Bypass-Button, um A/B-Vergleiche vorzunehmen. Mit sicherem Druckpunkt erfüllen die milchigen Plexiglas-Taster leise klickend und vor allem zuverlässig ihren Job. Aufgrund der angenehmen Haptik greift man gerne zu, auch wenn die aufgesetzten VU-Meter und der naheliegende Link-Regler je nach Zugriffswinkel mit flinken Fingern umschifft werden müssen. Einen Power-Schalter sucht man auch am externen Netzteil vergebens, über dessen Sinn oder Unsinn in Bezug auf strom- und geldsparende Funktion trefflich gestritten werden kann. Die Ökobilanz des Studios verbessert der FET III mit diskreter Class-A-Schaltung aber mit Sicherheit nicht.

Anyway, der Link/Blend-Regler ist eine Besonderheit des FET III. Da der Kompressor als Stereo- oder Dual-Mono-Gerät Einsatz findet, bietet dieses Spezialfeature die Möglichkeit, die Sidechain-Signale von Kanal 1 und 2 entweder getrennt voneinander zu behandeln (Dual Mono/Linksanschlag) oder beide Sidechain-Signale durch eine sogenannte Stereo-Pan-Matrix zu einem Stereo-Signal zu vereinen (Stereo/Rechtsanschlag). Das stufenlose Überblenden ermöglicht eine sehr flexible Steuerung des Kompressionsvorgangs. Die Stereostellung bringt den Regelvorgang beider Kanäle auf gleichen Kurs, da der Kompressor auf ein homogenes Stereosignal (Kanal 1 und Kanal 2) reagiert. Spannend können aber auch die fließend einstellbaren Zwischenpositionen sein. Ein Beispiel: An Kanal 1 liegt das Bassdrum-Signal, auf Kanal 2 der Bass an. Jetzt lassen sich beide Instrumente unabhängig voneinander bearbeiten. Soweit so gut, dreht man jetzt aber den Blend-Regler in Richtung Rechtsanschlag (Stereo), beeinflusst das Kick-Signal auch den Bassgroove, da beide Signale in den Sidechain-Weg einfließen. Folgt man seinen Ohren und experimentiert ein wenig, ist das Ergebnis am Ende ein kompaktes knackiges Fundament. 

Die beiden Kompressor-Sektionen sind identisch konzipiert. Auch wenn sich über die Notwendigkeit streiten lässt, vermissen wir die Möglichkeit, den Eingangspegel anzuheben oder abzusenken, um eine optimale Arbeitslautstärke zu bekommen. Will heißen, die Signale müssen vorher schon genügend Dampf haben. Schwache Signale segeln ansonsten unter dem Threshold (-10 bis +10dB) durch und entziehen sich somit der Bearbeitung. Zur besseren Orientierung hat der Schwellenwertregler erfreulicherweise eine Null-Rasterung auf 12 Uhr. Der Ratio-Switch bietet insgesamt sechs Positionen zwischen 1,5:1 und 20:1 (siehe Tabelle) an. Die Fixpunkte helfen, reproduzierbare Einstellungen zu erzeugen und erleichtern die Synchronarbeit für Kanal 1 und Kanal 2 bei Stereo-Kompressionen. Die Attack-Zeit ist fließend von ultraschnellen 250 Mikrosekunden bis 64 Millisekunden einstellbar. Bei der Release-Zeit reicht die Range von 500 Millisekunden bis hinauf zu einer Länge von sieben bis acht Sekunden im sogenannten Dual Time Constant Auto Modus (Rechtsanschlag). Diese Spezialgangart ist dem bereits erwähnten F760X Compex Limiter entlehnt. Dabei startet die Abfallzeit anfangs sehr schnell, wird dann aber stark ausgebremst (siehe Kompressordurchlauf, Seite XX). Das führt zu einem natürlichen Sound, selbst wenn die Rückstellphase insgesamt an die acht Sekunden dauert. Desweiteren gibt es einen fließend verstellbaren Hochpassfilter, der bis zu einer Eckfrequenz von 140 Hertz bei 12 Dezibel/Oktave reicht. Dieser wirkt aber nur auf das Sidechain-Signal, damit der Kompressionsvorgang bei Bedarf weniger auf tiefe Frequenzen (beispielsweise eine heftige Bass-Drum) reagiert. Dance-Produzenten oder Mastering-Ingenieure, die in basslastigen Genres unterwegs sind, werden diesen praktischen Pump-Liquidator sehr zu schätzen wissen. Am Ende der Bearbeitungskette hilft die Aufholverstärkung den Pegelverlust mit maximal +11dB aufzupeppen. 

Der FET III ist bewusst auf Eigenklang nach dem Vorbild der genannten Vintage-Geräte entwickelt worden, was sich in den Messwerten, die das Professional audio-Messlabor ermittelt widerspiegelt: Mit 75,1 beziehungsweise 72,7 Dezibel für den Geräusch- und Fremdspannungsabstand kann der FET III  – absolut betrachtet – nicht mit Zeitgenossen wie einem Vertigo Sound VSC-2 (Test in Ausgabe 2/2009) konkurrieren. Aber: Es geht im Falle des Daking-Kompressors um höchstmögliche messtechnische Reinheit, denn unsere Messergenisse entsprechen exakt dem beiliegenden Messprotokoll des Testgeräts. Hinzu kommt, um insoweit dem finalen Praxistest vorzugreifen, dass störendes, soll heißen tonal unausgewogenes Rauschen auch bei intensivem Hineinhören in die Aufnahmen nicht feststellbar ist. Auch die auf Seite 76 abgedruckten FFT-Spektren illustrieren mit den ausgeprägten harmonischen Oberwellen, dass der Kompressor klingen soll und darf. Somit ist es höchste Zeit, dass wir uns eingehend mit den Klangeigenschaften des FET III und seinem Nutzwert in der Praxis befassen.            

Im Hör- und Praxistest von Professional audio traktieren wir den FET III mit unterschiedlichen Signalen (Gesang, Akustikgitarre, Bass, Kick-Drum, Snare, Schlagzeug-Submix und unterschiedliche Mischungen). Um es auf den Punkt zu bringen: Die Reaktionszeit des FET III ist extrem kurz und der Sound durch die Bank sehr gut. Wobei sich der Klang im Wesentlichen auf das Nichtvorhandensein von Färbung, hohe Transparenz und absolute Rauscharmut auch bei aufgedrehter Aufholverstärkung beschränkt. Ansonsten ist der Grundsound sehr zurückhaltend und das Regelverhalten sehr elegant. An mancher Stelle der Test-Session drängte sich der Verdacht auf, der Kompressor sei gar nicht am Werk. Jedoch war spätestens beim Aktivieren des Bypass klar, dass sich der FET III auf leisen Pfoten angeschlichen hatte, um sich dann sanft und erbarmungslos auf das Signal zu stürzen. Das klingt im ersten Moment paradox, entspricht aber dem Charakter des FET III. Er pirscht sich auf sehr musikalische Art und Weise an das jeweilige Signal heran und bringt es blitzschnell unter Kontrolle, um es am Ende charmant zu profilieren. 

Bei Vocal-Tracks sind starke Kompressionen 5:1 oder sogar 10:1 möglich, ohne dass der Kompressor die Fassung verliert und das Signal unnatürlich oder plattgebügelt klingt. Natürlich muss ein wenig mit dem Threshold und der Attack- und Release-Zeit experimentiert werden, aber am Ende klingen auch stark komprimierte Stimmen immer noch authentisch. Sehr geschmackvoll gelingt auch die Kompression einer Konzertgitarren-Aufnahme. So eingestellt, dass wirklich nur die obersten Pegelspitzen abgefangen werden, bekommt das Signal eine frische, kaum merklich Dichte, die das Instrument und den Raumklang hervortreten lassen, ohne dass es sich aufdrängen würde. Aber auch mit heftigen Impulsen kann der FET III umgehen und nicht zuletzt durch die schnelle Attack-Zeit packt er bei Snare- oder Bass-Drum-Schlägen, schonungslos zu. Dabei bleibt er aber souverän und gerät auch bei einem heftigen und sehr dynamischen Schlagzeugsolo nicht aus der Fassung. Als sehr praxisgerecht entpuppt sich die Auto-Release-Funktion, da sie extrem lange Rückstellzeiten zulässt, ohne dabei künstlich zu wirken. Eine Snaredrum behält beispielsweise ihren Biss, verschmiert nicht und bekommt trotzdem eine gehörige Portion Sustain. Der Attack-Regler entpuppt sich als Seziermesser, mit dessen Hilfe sich der genau richtige Einstieg in die Kompression finden lässt. Sweept man mit dem Regler beispielsweise durch ein E-Bass-Signal, ist schnell die richtige Attack-Zeit gefunden, um den Sound geschmackvoll zu profilieren, mehr Bauch herauszuarbeiten oder den Anschlag zu pushen.

Zum Schluss verwenden wir den FET III in seiner Paradesisziplin, dem Mastering fertiger Mixe. Sound macht der Kompressor immer noch nicht, aber sowohl als Limiter, als auch zur Verleihung des letzten Dynamik-Schliffs eignet er sich ganz hervorragend. Nicht nur, dass sich das HPF im Sidechain-Weg als wahre Wunderwaffe entpuppt, um auch bassstarke Mixe pumplos und elegant unter Kontrolle zu bekommen. Mit Hilfe des Link-/Blend-Reglers ist außerdem eine vielseitige und filigrane Kompression möglich. Je nach Material (Jazz, Rock/Pop, Elektronik) sind unterschiedliche Einstellungen vonnöten. Der Aha-Effekt ist aber unterm Strich immer der gleiche, führt das Experimentieren mit dem Link-/Blend-Regler zu einem aufgeräumten offenen Klangbild – so als hätte jetzt erst alles seinen richtigen Platz gefunden.

Fazit

Der FET III ist ein wahrer Gentleman der alten Schule. In bester FET-Manier ist er blitzschnell zur Stelle, wenn man ihn braucht. Er färbt nicht, verleiht Transparenz und Eleganz und bietet mit Auto-Release-Modus, Sidechain-HPF und Link-/Blend-Regler das nötige Rüstzeug, um sich charmant in die Spitzenklasse einzuschleichen. 

Erschienen in Ausgabe 11/2010

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 2200 €
Bewertung: gut – sehr gut
Preis/Leistung: gut