Hart, aber herzlich

Mit dem mpressor stellte Elysia 2007 einen Edelkompressor vor, der durch ausgeprägtes Kreativpotential von sich reden machte. Der mpressor 500 bringt die wesentlichen Features seines großen Bruders ins API-500-Format – zu einem deutlich günstigeren Kurs.

Von Igl Schönwitz

Unsere Jobs als Musiker und Tonschaffende heben sich von den meisten anderen Tätigkeiten dadurch ab, dass sie viel mit Leidenschaft zu tun haben. Umso schöner ist es für einen Tester, wenn er Produkte auf den Tisch bekommt, bei denen eine ähnliche Leidenschaft seitens der Entwickler erkennbar ist. Gerade aus deutschen Landen kommt eine ganze Reihe von edlen Manufakturen, für die das unbedingt zutrifft – erwähnt sei, neben dem rührigen Roger Schult, Andy Eschenweckers Vertigo Sound, Black Cat Audio aus Berlin und natürlich SPL. Auch Elysia darf bei dieser Aufzählung keinesfalls fehlen, zumal es dem Hersteller besonders erfolgreich gelungen ist, aus seinen hochpreisigen High-End-Geräten bezahlbarere Produkte abzuleiten, ohne qualitative Kompromisse einzugehen.

Alpha Compressor, mpressor und mpressor 500

Elysia wurde im Jahr 2005 von Dominik Klaßen und dem Elektroniker Ruben Tilgner, der zuvor für die Entwicklung des Transient Designers und der Gain Station von SPL verantwortlich war, gegründet. Das erste Elysia-Produkt war der Alpha Compressor, ein Mastering Bolide für fast 10.000 Euro, dem international höchste Anerkennung zuteil wurde. Bei ihrer Tour durch die Top-Studios der ganzen Welt mussten Tilgner und Klaßen feststellen, dass viele Engineers neben solch einem smooth und unauffällig arbeitenden Soft-Knee-Mastering-Tool auch Bedarf nach einem Dynamikzügler hatten, der etwas „härter“ zupackt.

Man machte sich also an die Entwicklung eines Gerätes, dass neben den klassischen Aufgaben eines Kompressors auch eine deutlich hör- und fühlbare Regelung bis hin zur mutwilligen „Zerstörung“ des Audiosignals zulassen sollte. Das Ergebnis war der mpressor (Test in Professional audio-Ausgabe 11/2007), der 2007 auf den Markt kam. Neben einem blitzsauberen, diskret aufgebauten Class-A-Signalpfad hat das Gerät einige Besonderheiten, die kein anderer Kompressor besitzt, und die ihn zu einem kreativ einsetzbaren Klangwerkzeug machen. Die wesentlichen Features dieses rund 4.000 Euro teuren 2-HE-Rackgerätes wurden auch für die in diesem Jahr neu vorgestellte 500er-Lunchboxvariante übernommen.

Uns interessierte zunächst die Frage,  wie es möglich war, den Lunchbox-Einschub, der mit lediglich 595 Euro (UVP) zu Buche schlägt, so zu entwickeln, dass die Klangqualität mit dem teureren 19-Zoll-Gerät mithalten kann. Ruben Tilgner stand uns hierzu höchstpersönlich Rede und Antwort und verriet gleichzeitig einige interessante technische Details. Der Preisunterschied relativiert sich schon dadurch ein wenig, dass die Rackversion ein zweikanaliges Gerät ist, während bei der Lunchbox-Version für die Stereobearbeitung zwei Module benötigt werden. Zudem fallen die Kosten für das Gehäuse und das Netzteil der Rack-Variante weg. Gerade das sehr aufwändige Netzteil des mpressor bietet sicherlich eine noch bessere Abschirmung gegen Störgeräusche. Mit diesem Kompromiss müssen aber naturgemäß alle Lunchbox-Geräte leben.

Abgesehen davon waren jedoch auch einige technische Kniffe nötig, um das mpressor-Design in das 500er Format zu portieren. Der mpressor ist ein VCA-Kompressor. Da gängige VCA-Chips die hohen klanglichen Anforderungen der elysia-Entwickler nicht erfüllen konnten, entwickelte sie für den Original-mpressor eine eigene Class-A-VCA-Schaltung, die aus diskreten Transistoren aufgebaut ist. Laut Ruben Tilgner ist es dabei besonders wichtig, dass paarweise zusammengehörige Transistoren einer solchen VCA-Schaltung immer unter absolut gleichen thermischen Bedingungen betrieben werden, weshalb der mpressor ein eigenes Gehäuse mit Temperaturregelung für diese Transistoren besitzt. Das 500er-Gerät ist dagegen als SMD-Schaltung aufgebaut. Da hier Bauteile verfügbar sind, die zwei Transistoren in sich vereinen, kann auf die aufwändige Temperatursteuerung verzichtet werden.

Eine weitere Änderung betrifft das Gain-Potentiometer. In der mpressor-Rackvariante ist dies der einzige Regler, über den tatsächlich ein Audiosignal läuft, alle anderen Potis des Kompressors regeln lediglich Steuersignale. Die Eigenschaften dieses Potentiometers stellten sich in der Entwicklung des mpressors als durchaus klangentscheidend heraus. Daher wurde hier ein kostspieliges Leitplastik-Exemplar verbaut. Da ein solch aufwändiges Bauteil beim mpressor 500 wirtschaftlich nicht umsetzbar gewesen wäre, griff man hier auf einen weiteren diskreten VCA zur Ausgangspegelregelung zurück. So läuft auch über das Gain-Poti nur eine Steuerspannung, was die Verwendung eines günstigeren Bauteils ermöglicht, ohne Klangeinbußen in Kauf nehmen zu müssen.

Last but not least bietet der mpressor eine zusätzliche Filterstufe, mit der der Frequenzgang des bearbeiteten Audiomaterials dezent angepasst werden kann. Im mpressor 500 musste diese schon aus Platzgründen wegfallen.

Der Elysia mpressor 500

Der mpressor 500 ist ein Einschub für das bekannte API-Format, der eine Standardbreite in der Lunchbox einnimmt. Die linke Hälfte der in Elysia-typischem blau gehaltenen Aluminiumfrontplatte bietet sechs untereinander angeordneten Drehreglern mit edlen silbernen Aluminiumknöpfen Platz. Über dem hinterleuchteten Elysia-Logo findet sich eine Gainreduction-Anzeige aus 14 LEDs. Hinzu kommen vier Taster für Bypass und einige Sonderfunktionen, die wir gleich noch besprechen werden.

Die Grundparameter des mpressor 500 sind zunächst wenig überraschend: Von oben nach unten gibt es gerastete Drehknöpfe für Threshold, Attack, Release, Ratio, GRL und Gain. Die erste Besonderheit verbirgt sich hinter dem Ratio-Regler, der auch negative Werte annehmen kann. Zur Erinnerung: Ein Ratiowert von 2:1 bedeutet, dass ein Eingangssignal, das den Thresholdwert um 4 dB übersteigt, am Ausgang nur mit 2 dB über dem Thresholdwert anliegt. Ein Ratiowert von ∞:1 bedeutet dementsprechend, dass niemals ein Pegel oberhalb des Threshold-Wertes ausgegeben wird – die klassische Limiter Betriebsart. All dies ist natürlich abhängig von den über Attack und Release definierten Regelzeiten. Negative Ratiowerte haben nun zur Folge, dass sehr laute Stellen des Eingangssignals bei steigendem Pegel immer leiser ausgegeben werden – die Dynamik wird also komplett „auf den Kopf gestellt“. Mit unauffälliger Kompression hat das selbstredend nur noch sehr wenig zu tun, dafür eröffnet sich eine interessante kreative Spielwiese, insbesondere zusammen mit einem weiteren Schmankerl des mpressor:

Als interessiertem Leser ist Ihnen in der Auflistung der Drehregler sicherlich der kryptisch GRL betitelte Parameter aufgefallen. Hinter dem Kürzel verbirgt sich der „Gain Reduction Limiter“, eine Funktion, die es meines Wissens nur im mpressor gibt. Dabei handelt es sich mitnichten um einen zusätzlichen Peak Limiter, wie ihn manch andere Kompressoren bereitstellen. Vielmehr wird hier das Detektorsignal, also die Steuerspannung, limitiert. Im Ergebnis führt dies zu einer Begrenzung der maximal möglichen Pegelreduktion. Man kann also extreme Einstellungen des Kompressors verwenden und dabei gleichzeitig vermeiden, dass das Signal völlig „tot komprimiert“ wird. Gerade – aber nicht nur – in Verbindung mit negativen Ratiowerten eröffnet dies ungeahnte kreative Möglichkeiten und man fragt sich, warum nicht schon längst jemand auf diese Idee gekommen ist.

 

Darüber hinaus bietet der mpressor 500 drei weitere Funktionen an, die nicht alltäglich sind:

Anti Log

Mit diesem Taster wird von der linear arbeitenden Releasephase des mpressors  auf eine logarithmische Abklingfunktion umgeschaltet: Hohe Pegelreduktionen führen nun zu längeren Releasezeiten, die erst im Bereich niedrigerer Pegel wieder schneller werden. Dadurch lassen sich bewusst pumpende Effekte erzielen, die besonders für Drumloops interessant sein können.

Auto Fast

Mit der Auto Fast Funktion steht quasi eine halbautomatische Regelung der Attackzeiten bereit. Bei längeren Settings, die meist musikalischer klingen, wählt der mpressor für schnelle Transienten automatisch kürzere Zeiten und hält diese damit im Zaum.

THD Boost

Bei aktiviertem THD Boost wird der Pegel vor dem Regelverstärker angehoben, wobei  ein durch Verzerrungen gesättigtes Signal mit hoher Durchsetzungsfähigkeit entsteht. Durch das Gain Poti kann der Verzerrungs-Grad geregelt werden. Da der Detektor des Kompressors parallel verschaltet ist, wird das Regelverhalten davon nicht beeinflusst.

Messwerte

Die Messwerte des mpressor 500 können sich erwartungsgemäß sehen lassen. Fremd- und Geräuschspannungsabstände liegen bei nicht nur für 500er Module sehr guten 80,9 beziehungsweise 83,4 dB und der Frequenzgang läuft erwartungsgemäß schnurgerade. Der Klirrfaktor liegt durchschnittlich bei sehr guten 0,05 Prozent, die Kurve fällt oberhalb 10 kHz sogar auf bis zu 0,02 Prozent ab. Das FFT-Spektrum zeigt bei einem sehr guten Noisefloor von -100 dB zwei deutliche Peaks auf Höhe von k2 und k3, die bis auf -63 dB hochreichen. Sie entstehen durch die spezielle Schaltungstopologie des Gerätes und man kann sie, soweit sei schon voraus gegriffen, auch hören. Bei aktiviertem THD Boost steigt insbesondere k3 sogar auf -40 dB an, wobei diese Werte gewollt und abhängig von der Stellung des Gain-Potis sind.

Weitere Messwerte können Sie den abgedruckten Kurven entnehmen. Besonders möchte ich an dieser Stelle auf die Dynamikkurve der „GRL 10“-Einstellung hinweisen, anhand der  Sie die Arbeitsweise des Gain Reduction Limiters anschaulich nachvollziehen können.

Praxis und Hörtest

Mein erstes Handanlegen an den mpressor 500 sorgte direkt für gute Laune. Das 500er-Modul wurde mit der von Elysia gewohnten, optisch ansprechenden, zeitlosen Qualität gebaut. Dass diese Qualitätsanmutung bis in die Liga vergleichsweise preisgünstiger 500er-Module durchgehalten wird, ist nicht selbstverständlich. Die Platine des mpressor 500 mit dem stolzen Schriftzug „The Compressor from the Future“ ist vorbildlich verarbeitet und sorgfältig mit der vier Millimeter dicken Aluminiumfrontplatte verschraubt. Alle Regler sind solide und laufen seidig und exakt, hier wackelt nichts.

Den Praxistest begann ich mit der E-Bass-Spur eines Midtempo-Rock/Popsongs. Der mpressor 500 wurde bewusst mit einer Hard-Knee-Charakteristik konzipiert, was auch sofort ohrenfällig wird. Im Vergleich zu softeren Vertretern gibt dieser Kompressor erstmal Vollgas, was nicht zwingend heißt, dass der mpressor bei entsprechenden Settings nicht auch unauffällig arbeiten kann. Beim ersten Einschalten des mpressors spielte sich mein Bass aber vom Fleck weg geradezu frech in den Vordergrund. Nach einigen Parameteranpassungen saß das Instrument sehr schön im Mix. Wie schon im Kapitel über die Messtechnik angedeutet, gibt der mpressor, selbst wenn er keine Regeltätigkeit ausführt, dem Signal eine sehr subtile Färbung mit, die man in aller Regel als angenehm empfindet. Der THD-Boost macht diese Zurückhaltung zunichte und sorgt für nachhaltig angedickte Tracks, die sich prominent im Mix platzieren.

Gespannt auf die weniger alltäglichen Funktionen des mpressors insertierte ich das Gerät auf einer Snaredrum-Spur, auf welcher der Drummer neben  prominenten Schlägen auf den Zählzeiten „2“ und „4“ des Taktes viele Ghostnotes gespielt hatte. Mit dem mpressor ist es ein Leichtes, den Snaredrumsound nach Gusto zu formen. Attack und Release sind so feinfühlig und exakt zu justieren, dass Geräte wie Transient Designer in vielen Fällen obsolet werden. Mit dem THD-Boost bekommt man auf jeden Fall die gewünschte Durchsetzungsfähigkeit, selbst wenn sonst nichts mehr helfen sollte.

Soweit das Standardprogramm, aber jetzt geht‘s erst richtig los: Wir stellen die Ratio auf -0,8:1 und können den Kompressor nun mit Threshold- und Zeitparametern dazu bringen, dass praktisch nur noch Ghostnotes zu hören sind. Die (lauteren) Snareschläge auf „2“ und “4“ werden restlos weggebügelt. Das ist faszinierend, aber in der Praxis einigermaßen unbrauchbar. Doch nun kommt der Gain Reduction Limiter ins Spiel: Mit GRL kann man die maximale Gain Reduction, die vorher bei -24dB lag, nach Geschmack einstellen und so die prominenten Snareschläge im Verhältnis zu den Ghostnotes in der Lautstärke regeln. Hat man das richtige Verhältnis gefunden, so lässt sich mit unterschiedlichen Variationen von Attack, Release und Anti-Log ein Verhalten des Kompressors erzeugen, das die Musik wirkungsvoll unterstützt und den Groove in Szene setzt. Einzigartig!

Ähnliches lässt sich natürlich mit auch einem kompletten Drumloop bewerkstelligen, wobei ich zusätzlich einen interessanten Einsatzbereich des „Auto Fast“-Parameters gefunden habe. Stellt man die Attack-Zeit so ein, dass die Transienten der Snaredrum abgefangen werden, so zieht der Kompressor die Bassdrum weg. Mit Auto Fast kann man eine längere Attackzeit wählen – die Funktion fängt die Transienten der Snare zuverlässig ab und lässt die Kickdrum unangetastet.

Ein Kompressortest wäre nicht komplett ohne Vocal-Bearbeitung. Ich lud einen Song der Live-CD des Akustik-Quartetts „4 Souls“, die wir kürzlich fertiggestellt haben. Im CD-Mix hatte ich den Black Cat Audio Jaguar 670 für die Stimmen verwendet, einen 13.000 Euro teuren Fairchild-Clone, der extrem unauffällige Röhrenkompression gewährleistet. Auch wenn der mpressor als Hard-Knee-VCA-Vertreter technisch gesehen quasi das Gegenteil dieses Variable-Mu-Boliden ist, brachte er sehr ansprechende Ergebnisse. Die Transienten der Vocal-Tracks ließen sich wunderbar formen, Konsonanten durch längere Attackzeiten betonen, Pegelsprünge ausgleichen. Um zu extreme Regelvorgänge zu bremsen, tat einmal mehr der Gain Reduction Limiter hervorragende Dienste.

Fazit

Da uns kein Vergleichsgerät zur Verfügung stand, können wir zwar nicht verifizieren, wie groß ein klanglicher Unterschied zum 19“-mpressor tatsächlich ausfällt. Das spielt aber letztlich auch keine Rolle. Der mpressor 500 ist für sich genommen ein großartiges Gerät, das neben einzigartigen Dynamikeffekten, die sich so mit kaum einem anderen Kompressor erreichen lassen, auch Standardanwendungen hervorragend bedient. Das prädestiniert ihn auch für das Tracking von Vocals und Instrumenten, um bereits vor der Digitalisierung kompakte und durchsetzungsfähige Signale zu erhalten. In letzter Zeit hatte ich zunehmend den Eindruck, man müsse wirklich tief in die Tasche greifen, um analoge Hardware zu erwerben, die besser als aktuelle Plug-ins arbeitet. Der mpressor 500 hat mich eines Besseren belehrt. Meine ausdrückliche Empfehlung!