Dynamik-Chamaeleon
Die deutsche Pro-Audio-Manufaktur Elysia dringt mit dem Xpressor in den Lowcost-Bereich vor und will dabei keine Abstriche in Sachen Sound machen. Was der Kompressor im schicken 19-Zoll-Gewand kann, was ihn so besonders macht und ob der Kauf lohnt, erfahren Sie im Test.
Von Georg Berger
Wer sich bislang mit Hinweis auf die zwar gerechtfertigten aber hohen Verkaufspreise davor gescheut hat, sich mit den Hardware-Produkten des Unternehmens Elysia auseinanderzusetzen, darf nicht erst seit heute umdenken. Denn bereits seit Mitte 2010 offeriert die Pro-Audio-Manufaktur mit dem Modell Xpressor 500 einen kostengünstigen VCA-Stereo-Kompressor in Form eines API 500-Moduls, der viele Gene seiner großen Highend-Brüder Alpha Compressor und Mpressor geerbt hat. Nicht ohne Stolz geben die Elysia-Macher Dominik Klaßen und Ruben Tilgner zu Protokoll, dass sich das API-Modul seit Markteinführung zu einem wahren Bestseller für das Unternehmen gemausert hat. Seit kurzem offeriert der Hersteller jetzt auch eine 19-Zoll-Variante des Kompressors unter der schlichten Bezeichnung „Xpressor“. Kostenpunkt: Knapp 1.200 Euro. Das hört sich im Vergleich zum rund 800 Euro kostenden API-Modul zunächst recht hoch an. Doch der Preis relativiert sich, denn für den Aufpreis gibt’s ein eigenes Gehäuse, ein integriertes Netzteil und darüber hinaus auch einen externen Sidechain, mit dem die 500er-Variante nicht aufwarten kann. Zudem musste für die Anschlüsse zusätzliche Elektronik entwickelt werden. Ansonsten sind beide Produkt-Varianten identisch.
Hier wie dort warten die Xpressoren mit Features wie Parallel-Kompression, negativen Ratios sowie einer Reihe spezieller Elysia-Highlights auf wie dem Gain Reduction Limiter und der aktivierbaren Warm- und Auto-Fast-Funktion, die dem Xpressor ein markantes Profil verleihen und Großes in Sachen Dynamik- und Klanggestaltung verheißen. Doch der Reihe nach. Bleiben wir zunächst noch ein wenig bei der Hardware. Der eine Höheneinheit messende 19-Zöller ist mit knapp zwei Kilogramm ein ausgewiesenes Leichtgewicht. Ursächlich dafür verantwortlich zeichnet das Voll-Aluminium-Gehäuse, das überdies äußerst dünnwandig ausfällt. So etwas sieht man nicht oft. Dennoch gibt es hinsichtlich Stabilität überhaupt nichts zu meckern. Gleiches gilt auch für die Bedienelemente und Anschlüsse, die bombenfest auf der Vorder- und Rückseite befestigt sind. Ein- und Ausgänge sind jeweils doppelt mit einer XLR- und Klinkenbuchse ausgeführt, die parallel verschaltet sind. Dazu gesellt sich in jedem Stereokanal noch eine Klinkenbuchse für den Sidechain. Allerdings führt die schlichte Bezeichnung „EXT 1“ und „EXT 2“ leicht aufs Glatteis und lässt den Schluss zu, dass jeder Stereokanal über einen eigenen Sidechain individuell steuerbar ist. Tatsächlich handelt es sich jedoch um Ein- (EXT 1) und Ausgänge (EXT 2), denn ein Dual-Mono-Betrieb ist am Xpressor nicht vorgesehen. Diese Option wäre zwar durchaus lobenswert und zählt bei vielen Stereo-Kompressoren zu den Standard-Features. Das Realisieren dieser Möglichkeit wäre jedoch mit einem höheren schaltungstechnischen Aufwand einhergegangen, was den Verkaufspreis merkbar in die Höhe getrieben hätte, weshalb wir dies nicht als Minuspunkt werten. Doch zurück zum Sidechain: Eindeutig sprechende Bezeichnungen, etwa Send und Return, wären jedenfalls deutlich besser. Der Clou: Durch diese Möglichkeit lässt sich externe Peripherie direkt am Xpressor durchschleifen, wobei am Sidechain-Send das in mono summierte Stereo-Signal anliegt. Auffällig ist schließlich die mittig positionierte Netzbuchse, was nicht alltäglich ist. Der Grund dafür wird nach dem Abheben des Gehäusedeckels rasch deutlich: Links und rechts findet sich, streng symmetrisch und übersichtlich von einander getrennt, jeweils eine Platine mit der kompletten Kompressor-Schaltung für einen Stereokanal, weshalb nur in der Mitte Platz für das Netzteil übrig bleibt. Besonderheit: Für beide Geräte-Varianten werden die gleichen Kompressor-Platinen verwendet, was die Kosten entsprechend niedrig hält. Zusätzliche Kosten werden überdies durch die Fertigung in SMD-Technik gesenkt. Die Platinen werden dabei von einem Zulieferer gefertigt. Die Endfertigung und Qualitäts-Kontrolle erfolgt jedoch bei Elysia. Nächste Auffälligkeit: Die Verbindung beider Kompressor-Platinen mit der Buchsen-Platine erfolgt über weitere (Mini-)Platinen. Ruben Tilgner hat sich, ebenso wie bei den Highend-Produkten, bewusst für diese Lösung entschieden, um das Audio-Signal nicht über Kabel führen zu müssen, was letztlich Auswirkungen auf den Klang haben könnte. Die Kabel, die im Gerät zu finden sind, führen lediglich Steuersignale. Im Vergleich zu Elysias Highend-Boliden sind aus Kostengründen logischerweise nicht die gleichen Bauteile im Xpressor verwendet worden. Doch im Gespräch mit den beiden Elysia-Machern, die uns den Testkandidaten persönlich vorbeibringen und auch vorführen, wird rasch deutlich, dass trotz dieser Abstriche selbst beim Xpressor keine Kompromisse in Sachen Qualität und Sorgfalt gemacht werden. Dazu zählt nicht nur das aufgeräumte Innenleben des Elysia Lowcost-Kompressors. Das Schaltungs-Design ist durchweg diskret aufgebaut – OP-Amps von der Stange kommen nicht in Frage. So stammt etwa die Schaltung der Ein- und Ausgangsstufen aus dem rund 10.000 Euro teuren Alpha Compressor. Frontseitig laden die wertigen Drehknöpfe aus gefrästem Aluminium zum beherzten Eingreifen ins Signal ein. Dahinter werkeln aus Kostengründen herkömmliche Kohleschicht-Potis, die allerdings mit 41 Raststufen aufwarten, was ein präzises Editieren und Nachvollziehen von Einstellungen ermöglicht. Besonderheit: Das Nutz-Signal wird zu keiner Zeit über die Potis geschickt, um weitere unerwünschte Klangfärbungen zu vermeiden. Hinter den Potis arbeitet dabei entsprechende Elektronik, die sich um das Bearbeiten des Signals kümmert. Einzige Ausnahme bildet das Frequenzwahl-Poti für den Sidechain-Filter. Doch in diesem Fall wird das Audiosignal als Steuerspannung genutzt. Ansonsten wartet die Frontplatte mit einer Reihe von Druckschaltern, einer LED-Kette zum Anzeigen der Pegel-Reduktion sowie dem kreisrunden, hinterleuchteten Elysia-Logo auf, das sich mittig in Szene setzt. Insgesamt punktet der Xpressor alleine schon durch seine Verarbeitung und die vielen Finessen in Sachen Schaltung und Konstruktion, die ihn aus der Masse industriell gefertigter Produkte heraustreten lassen und alleine schon deswegen den geforderten Verkaufspreis voll und ganz rechtfertigt. Aber das ist ja erst der Anfang. Denn abseits der üblichen Einstellmöglichkeiten eines Kompressors trumpft der Xpressor mit einer Reihe zusätzlicher Funktionen auf, die aus den Boutique-Prozessoren entlehnt sind und jetzt auch im mittleren Preissegment für Aufsehen sorgen wollen. Erstes Highlight ist die schaltbare Warm-Funktion, die in der Aufholverstärkung, kurz vor dem Ausgang für einen kleinen Schuss an Klangfärbung sorgt. Im Hintergrund arbeitet dabei ein Slewrate-Limiter, der die Ansprache des Verstärker-Schaltkreises verlangsamt, was, ähnlich einem Equalizer, mit einer leichten Anhebung im Bass und einer Absenkung in den Höhen einhergeht sowie ursächlich für das Auftreten von harmonischen Oberwellen verantwortlich ist. Nächstes Highlight ist die aus den Highend-Boliden bekannte Auto-Fast-Funktion, die sozusagen ein doppeltes Attack realisiert. Das Geniale daran: Die Funktion kommt ausschließlich bei Transienten zum Einsatz und regelt diese unabhängig vom eingestellten Attack-Wert blitzschnell herunter. Im Anschluss daran reagiert der Xpressor laut eingestelltem Attack-Wert, was vergleichbar mit einer Peak- und RMS-Kompression ist. Unschlagbarer Vorteil: Die Attack-Zeit kann moderat gewählt werden, um das Signal ohne Überkompression in seiner Gänze zu zügeln. Den Rest übernimmt das Auto-Fast-Feature. Vom Mpressor entlehnt ist schließlich die Umschaltmöglichkeit der Releasephase zwischen linearem und logarithmischem Verlauf. Ist letztgenannter Modus aktiv erfolgt das Rückstellen auf die Ausgangs-Lautstärke in Abhängigkeit zur Kompressionsstärke ungleich lebendiger als bei linearem Verlauf. Anders ausgedrückt: Je stärker die Pegelreduktion erfolgt, desto schneller regelt der Xpressor wieder zurück. Ebenfalls vom Mpressor übernommen ist der sogenannte Gain Reduction Limiter, der sozusagen für das Definieren eines zweiten Thresholds sorgt. Das Besondere daran: Die Funktion arbeitet ausschließlich auf Steuersignal-Ebene und definiert eine Obergrenze für die Dynamik-Reduktion. Das Ergebnis: Laute Stellen behalten ihre Dynamik, da sie oberhalb des eingestellten Limiter-Wertes nicht weiter komprimiert werden. Anders ausgedrückt: Analog zur Einstellung des Limiter-Reglers erfolgt unabhängig von der Signalstärke stets eine maximale Pegel-Reduktion um beispielsweise sechs Dezibel. Auf diese Weise sind damit Ducking-, aber auch Upward-Kompressions-Effekte möglich, indem nur die leisen Signalanteile angehoben werden, ohne insgesamt die eigentliche Dynamik zu verändern. Das integrierte, stufenlos zwischen 31 Hertz bis ein Kilohertz einstellbare Sidechain-Filter und der Mix-Regler zum Realisieren paralleler Kompression wirken im Vergleich zu diesen Spezial-Features geradezu banal, wenngleich sie in vielen Produkten der Mitbewerber entweder gar nicht oder nur in eingeschränkter Form anzutreffen sind. Mit diesen Spezial-Features an Bord schafft es der Xpressor auch in der Disziplin Ausstattung locker, sich von den Mitbewerbern im gleichen Preissegment deutlich abzusetzen. Die in den großen Brüdern bereits bewährten Funktionen stellen auch im Xpressor gleichermaßen pfiffige wie praxisgerechte Problemlöser für Standard-Anwendungen dar, die gleichzeitig auch Tür und Tor für eine Vielzahl kreativer Gestaltungsmöglichkeiten öffnen. Dass der Xpressor ein flexibler Dynamik-Prozessor ist, zeigt sich bereits auf eindrucksvolle Art im Mess-Test, der alsbald zu einem wahren Mess-Marathon ausufert. Sämtliche Erkenntnisse und Ergebnisse auflisten zu wollen, würde locker den gesamten Platz des Artikels ausfüllen. Denn ganz gleich welcher Regler bedient wird, die Ergebnisse fallen stets unterschiedlich aus. Dies betrifft sowohl die Messungen des FFT-Spektrums, die immer wieder mit unterschiedlichen Ausschlägen in den harmonischen Oberwellen aufwarten, je nachdem wie etwa der Gain Reduction Limiter, der Threshold oder das Ratio eingestellt ist. Gleiches gilt auch für den Klirrfaktor, der in Abhängigkeit zu den Einstellungen den Xpressor mal transparent, das andere Mal als Klangfärber ausweist. Selbst die Messungen von Fremd- und Geräuschspannung fallen immer wieder anders aus (siehe Steckbrief). Insgesamt wartet der Xpressor mit exzellenten Werten auf, die eines Spitzenklasse-Gerätes würdig sind. Auffällig ist jedoch der Einfluss des Gain Reduction Limiters, der – siehe die abgebildeten Mess-Diagramme – je nach Stellung erheblichen Einfluss auf die Messergebnisse nimmt. Im Hörtest setzt sich der Xpressor schließlich eindrucksvoll in Szene und komplettiert den bis dahin gewonnenen exzellenten Eindruck. Das mit den Worten „Willkommen im Kompressor-Wunderland“ eingeleitete Handbuch bringt die Klang-Eigenschaften des Xpressor treffend auf den Punkt. Dabei ist er in der Lage sowohl unauffällig und transparent, als auch kraftvoll und nachhaltig färbend auf die anliegenden Signale einzuwirken. Bei moderaten Einstellungen ist auffällig, wie behutsam der Xpressor ans Werk geht, was uns zunächst veranlasst das Ratio höher einzustellen als unsere Erfahrung es sagt. Die Kompressor-Kennlinien auf Seite 68 sprechen dabei für sich, denn der Xpressor besitzt ein Soft-Knee-Verhalten, das sich durch diese Eigenschaften auszeichnet. Erst beim Schalten auf Bypass wird deutlich, was und wo der Xpressor regelt. Signalverdichtungen geschehen jedenfalls in höchstem Maße organisch, homogen und lassen dabei die Binnendynamik und Lebendigkeit des Signals unangetastet. Mit diesen Eigenschaften kann er sich problemlos im Mastering behaupten. Mit den schaltbaren Zeitkonstanten-Funktionen schießt der Xpressor überdies den Vogel ab, denn mit ihrer Hilfe liefert er probate Mittel zum Bearbeiten selbst kritischen Materials. Mit aktivierter Auto Fast-Funktion sind unangenehm laut klingende Transienten-Anteile etwa von Snares problemlos beseitigt. Im Test klingt der so bearbeitete Drum-Groove wie von Geisterhand deutlich kompakter und geschlossener. Der Einsatz eines zweiten nachgeschalteten Kompressors zum Abfangen dieser Transienten erübrigt sich dadurch. Die Log/Release-Funktion steht dem in nichts nach. Hörbare Pumpeffekte sind vor allem bei Schlagzeug-Aufnahmen wie von Zauberhand per Tastendruck verschwunden. Mit beiden Funktionen verfügt der Xpressor über eine fast schon unheimliche Art von Intelligenz, die überdies narrensicher ist. Mit aktivierter Warm-Funktion erhält der Anwender schließlich eine zusätzliche Option zum Klang-Design. Auf eine E-Bass-Linie angewendet ist zwar sehr subtil, aber dennoch hörbar, dass das Signal an Volumen und Plastizität gewinnt. Vokalaufnahmen erhalten ebenfalls deutlich mehr Körper und klingen eine Spur gefälliger, schmeichelnder. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille, denn der Xpressor kann auch als mächtiges Dynamik-Werkzeug Signale auf äußerst nachhaltige Art und Weise verbiegen. Auffällig: Stehen Attack und Release auf den kleinsten Werten, sind sofort Verzerrungen hörbar, was ursächlich an den dort anliegenden Werten liegt, die mit 0,01 und fünf Millisekunden für einen Kompressor doch recht gering ausfallen. Abseits davon sorgt die Möglichkeit zum Einstellen negativer Ratios für markanate Effekte, die von hörbarem Pumpen bis hin zu Rückwärts-Effekten reichen und das Signal komplett zerstören. Der Ausdruck „compressed to fuck“ erfährt hierbei seine klingende Entsprechung. Doch mit Hilfe des Mix-Reglers und vor allem des genialen Gain Reduction Limiters, den wir uns am liebsten als Standard-Feature in jedem Kompressor wünschen, lassen sich im Test diese Effekte feinfühlig auf das Signal aufprägen und es nachhaltig formen. In Kombination mit den oben beschriebenen Funktionen offeriert der Xpressor mannigfaltige Möglichkeiten zur Dynamik- und Klanggestaltung. Die Arbeit mit dem Elysia-Prozessor macht im Test einen Heidenspaß und wirkt stets inspirierend. Überdies sind funktionierende Einstellungen, nicht zuletzt durch die Zeit-Funktionen, rasch erstellt. Fazit Elysia legt mit dem Xpressor in seiner 19-Zoll-Variante einen Dynamik-Prozessor mit allen Schikanen vor, der sich sowohl fürs Mastering und nicht zuletzt auch durch seine Sounddesign-Qualitäten auch für die Bearbeitung von Einzelsignalen empfiehlt. Das Spektrum an einstellbaren Optionen ist überwältigend und dabei stets praxisgerecht. Dabei sticht dieses Dynamik-Chamaeleon nicht nur durch die individuellen Spezial-Features hervor. Konstruktion und Verarbeitung sind schlichtweg atemberaubend und Elysia hätte den Xpressor mit diesen Qualitäten locker für das doppelte des Preises verkaufen können, weshalb das Urteil für die Preis-Leistung nur überragend lauten kann.
Erschienen in Ausgabe 11/2011
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 1180 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: überragend
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