Kompressor Plug-in
Algorithmix präsentiert mit dem LPSplit Comp ein mächtiges Kompressor-Plug-in für Mastering-Aufgaben mit teils einzigartiger Ausstattung und flexiblen Einsatzmöglichkeiten. Ob und für wen sich die Anschaffung lohnt, erfahren Sie im Test.
Von Georg Berger
Die Software-Schmiede Algorithmix hat sich mit der Veröffentlichung seines jüngsten Produkts, dem Kompressor-Plug-in LP SplitComp wahrlich viel Zeit gelassen. Bereits auf der Musikmesse 2007 konnten wir schon den ersten Prototypen in Augenschein nehmen. Seit kurzem ist es endlich verfügbar und will neben einem glasklaren und transparenten Highend-Sound vor allem mit einem wahren Füllhorn an Features punkten und dem Thema Dynamikbearbeitung neue Aspekte hinzufügen. Das Haupt-Feature des Plug-ins findet schon mal Niederschlag in der Modellbezeichnung, die in voller Gänze „Linear-Phase Split Compressor“ lautet. Das Plug-in enthält einen flexibel einstellbaren linearphasigen Filter mit dem sich der Frequenzbereich anliegender Signale in zwei Hälften teilen lässt, wobei sich eine Hälfte anschließend frequenzselektiv in der Dynamik bearbeiten lässt. Vorteil: Durch die Phasenstarre des Filters entstehen beim Summieren des bearbeiteten und unbearbeiteten Frequenzbereichs keinerlei Verzerrungen. Zusätzliche Features wie ein integriertes Oversampling, eine interne Berechnung mit 80 Bit Fließkomma sowie die Signalverarbeitung bis 384 Kilohertz unterstreichen den Highend-Anspruch des Plug-ins, mit dem es sich eindeutig als Mastering-Effekt zu erkennen gibt. Doch die Entwickler haben sich nicht nur auf die frequenzselektive Dynamikbearbeitung beschränkt. Zusätzlich wartet der LP SplitComp mit der Möglichkeit auf, intern parallele Kompressionen durchzuführen. Ein justierbarer Sidechain-Equalizer und eine Soft-Clipping-Sektion am Ende der Signalkette runden die beeindruckende Feature-Liste ab, die aus dem LP SplitComp einen wandlungsfähigen Dynamikprozessor machen sollen. Schade ist, dass der Algorithmix-Neuling ausschließlich für die Windows-Plattform angeboten wird. Eine Version für Mac ist zwar langfristig geplant. Ein Veröffentlichungs-Termin ist jedoch noch nicht in Sicht. Mit knapp 1.500 Euro ist der Verkaufspreis auch nicht gerade bescheiden, im Test muss der LP SplitComp also beweisen, ob er sein Geld wert ist.
Nach dem Aufruf des Plug-ins zeigt sich eine in sechs Sektionen unterteilte und klar strukturierte Bedienoberfläche, die auf den ersten Blick mit den üblichen Parametern eines Kompressor-Plug-ins aufwartet. Bei näherer Betrachtung zeigt sich eine Reihe von unüblichen Parametern, die zur näheren Begutachtung einladen. Mit dem Parallel-Fader lässt sich dabei der Anteil des direkt durchgeschleiften Signals, dem bearbeiteten hinzumischen. Genial: Laufzeitunterschiede zwischen den beiden Signalwegen werden automatisch vom Plug-in ausgeglichen.
Bemerkenswert sind auch die verfügbaren Parameter der Dynamic Characteristics Sektion. So findet sich dort eine Look-ahead-Funktion, die das Einspeisen der Signale in den Kompressions-Schaltkreis verzögert, der Com/Lim-Parameter nimmt Einfluss auf die Verhaltensweise des Plug-ins und reagiert in den Randpositionen entweder auf die Gesamtlautstärke oder eintreffende Transienten und der Auto Release Program Parameter offeriert – Nomen est Omen – ein Signal-abhängiges Regulieren der Release-Phase. Diese Features sind zwar nicht neu und auch hier und da in anderen Produkten zu finden. Doch durch die Möglichkeit des stufenlosen Ausbalancierens der Parameter sticht der LP SplitComp die Konkurrenz aus. Bemerkenswert ist auch der Hold-Parameter, der anders als erwartet, keinen Delay-Schaltkreis zum verzögerten Einsatz der Release-Phase regelt. Stattdessen haben die Entwickler eine Art zweite Threshold-Stufe hinter den Attack implementiert, die in Abhängigkeit zum anliegenden Programmmaterial reagiert und in Konsequenz für musikalischere und organischere Ergebnisse sorgt. Die Soft Clipping Sektion, positioniert am Ende des Signalflusses, schneidet gnadenlos Pegel oberhalb des gewählten Grenzwerts ab. Mit dem Color-Parameter ist es zusätzlich möglich, anliegenden Signalen beim Clipping durch Verstärken der dabei auftretenden harmonischen Oberwellen ein wenig Färbung hinzu zu fügen.
Das Haupt-Feature, das Aufsplitten des anliegenden Signals in Frequenzbereiche zur selektiven Dynamikbearbeitung, ist über die Bedienelemente der Advanced Options Sektion erreichbar. Der Mode-Dialog bietet insgesamt drei Betriebs-Modi: Fullband, Split Band und Selective. Im Fullband-Modus arbeitet der LP SplitComp als herkömmlicher Vollband-Kompressor. In Stellung Split Band teilt das Plug-in mit Hilfe des linearphasigen Filters das Frequenzspektrum in zwei Hälften auf von denen eine anschließend komprimiert wird. Durch Druck auf den Split Band-Button erscheint ein freischwebendes zusätzliches Fenster, das zum Einstellen des Filters einlädt. Der Dialog wartet dabei mit einer enormen Vielfalt an Einstellmöglichkeiten auf. Denn anders als sonst, stehen nicht nur Hoch- und Tiefpassfilter in Flankensteilheiten von sechs bis 24 Dezibel pro Oktave zur Auswahl. Darüber hinaus lassen sich auch Bandpass und -sperrfilter sowie eine kombinierte Hoch-/Tiefpassfilter-Variante auswählen, mit denen sich präzise Frequenztrennungen wie mit einem microchirurgischen Instrument vornehmen lassen. Wichtig: Mit dem Complementary Band Regler kann man die Lautstärke des unbearbeiteten Frequenzbereichs mit dem komprimierten ausbalancieren. Sehr schön: Durch Aufruf des Monitoring-Dialogs, der ebenfalls als frei positionierbares separates Fenster aufpoppt, erscheinen je nach Betriebs-Modus verschiedene Schaltbilder, die anschaulich Auskunft über den Signalfluss abgeben. Das Schaltbild des Selective-Modus gibt sich übrigens als Variante des Split Band-Modus zu erkennen. Einziger Unterschied: Der Modus summiert den unkomprimierten Frequenzanteil nicht und schaltet ihn einfach stumm.
Einzigartig: Bis zu neun wählbare Buttons an verschiedenen Stellen der Schaltbilder routen das dort anliegende Signal blitzschnell auf den Summenausgang, was ein Abhören an vielen Stellen innerhalb der Signalverarbeitung ermöglicht, was schlichtweg genial ist und ein Sonderlob in Sachen Bedienkomfort einheimst. Der Anwender erhält dadurch einen detaillierten akustischen Einblick in jede wichtige Station der Signalverarbeitung und kann bei der Feineinstellung des Plug-ins zielgerichtet Parameter-Änderungen auf Richtigkeit hin überprüfen. Last but not Least sorgt ein Side-Chain-Filter, bestehend aus zwei einstellbaren Filtern, für ein zusätzliches Feintunen der Dynamikreduktion. Außer Hoch- und Tiefpassfiltern, stehen auch vollparametrische Varianten zur Auswahl, mit denen sich vielfältige Equalizerkurven erstellen lassen und eine weitere Option zum zielgerichteten frequenzabhängigen Komprimieren offeriert. Insgesamt wartet der LP SplitComp also mit einer exorbitanten Profi-Ausstattung auf, bei der so gut wie keine Wünsche offen bleiben. Was fehlt, ist lediglich die Möglichkeit, externe Signale in den Sidechain einzuspeisen. Algorithmix arbeitet jedoch bereits an einer Portierung des Plug-ins auf die VST3-Schnittstelle, die dies ermöglichen wird. Voraussichtlicher Veröffentlichungstermin: Ende 2009.
Kritische Leser mögen jetzt einwenden, dass es dem LP SplitComp an Ausstattung mangelt, vergleicht man ihn mit einem klassischen Multiband-Kompressor wie etwa dem Drawmer S3 (Test in Heft 8/2007). Die Algorithmix-Entwickler haben sich jedoch bewusst für dieses Konzept entschieden, um den ohnehin überbordenden Umfang an Einstellmöglichkeiten nur für zwei Bänder überschaubar zu halten. Wer eine klassische Multiband-Kompression realisieren will lädt einfach eine zweite Instanz in den nächsten Insert-Slot der DAW. Allerdings soll in dem Zusammenhang nicht verhehlt werden, dass der LP SplitComp schon einiges an CPU-Ressourcen verbraucht. Im Test schlägt das CPU-VST-Meter von Nuendo 4 bei ausschließlichem Einsatz von zwei SplitComp-Instanzen schon bis 50 Prozent aus, was den Einsatz weiterer Plug-ins wie Equalizer und Limiter problematisch gestaltet. Ein Einsatz innerhalb einer Mix-Session ist, ausweislich unseres Tests, wenig bis überhaupt nicht möglich. Hier liegt Verbesserungspotenzial brach. Dafür ist die technisch bedingte Latenz des Plug-ins erfreulich niedrig. Anlass zur, wenngleich behebbaren, Kritik geben die per Button aufrufbaren Zusatz-Dialoge. Zwar bieten sie einen hohen Bedienkomfort beim Editieren. Doch sobald man einen Parameter auf der Haupt-Bedienoberfläche anklickt, verschwinden sämtliche Pop-up-Dialoge, was uns je nach Arbeitssituation fortwährend zum permanenten Aufruf der gewünschten Fenster, vor allem des Monitoring-Dialogs, zwingt. Algorithmix verschenkt hier deutlich Punkte in Sachen Bedienkomfort und qualifiziert die genial durchdachte Lösung damit ab. Eine aktivierbare Permanent-Anzeige dieser Zusatz-Dialoge würde uns deutlich besser gefallen.
Ohne Fehl und Tadel fällt jedoch der Hörtest des LP SplitComp aus, der sich ohne Mühen in die Spitzenklasse einordnet. Als erstes setzen wir das Plug-in im Fullband-Modus ein. Der LP SplitComp überzeugt durch einen glasklaren und transparenten Grundklang, der behutsam und musikalisch ans Werk geht. Trotz Einschränkung der Dynamik klingen Signale immer noch auffallend musikalisch lebendig. Selbst in Extrempositionen von Threshold und Ratio wohnt den Signalen immer noch ein Funken Lebendigkeit inne, bei gleichzeitig hoher Signaltreue.
Der LP SplitComp ist ein subtil arbeitender Signalprozessor, der mit einer angenehm-unauffälligen Effizienz besticht. Klangfärbungen sind weder beabsichtigt, noch gewollt. Gerade durch diese Subtilität und das feine Regelverhalten gehört der LP SplitComp in die Hände von Profis mit geschultem Gehör. Gleichwohl bietet er mit seinen vielen Zusatz-Features ein wahres El Dorado an dynamischen Feinmechaniker-Features, um behutsam die Dynamik weiter auszuformen. Von großem Wert zeigt sich dabei die einstellbare Look-ahead-Funktion mit der wir noch ohne Einsatz des Sidechain-Equalizers tieffrequente Signalanteile ohne unerwünschte Nebeneffekte effizient komprimieren. Ein Nachregulieren der Attack-Zeit reduziert sich dadurch merkbar. Die Soft Clipping Funktion zeigt sich in gleichem Maße subtil, die den anliegenden Signalen eine Art feinen Glanz verleiht. Bei allzu starken Kompressionen sorgt ein geschmackvolles Hinzumischen des Direktsignals über den Parallel-Fader für ein Auffrischen des Signals. Gerade bei Schlagzeug-Parts zeigt sich die Effizienz des parallelen Komprimierens: Der Sound klingt durch die Kompression deutlich druckvoller und mächtiger und durch den Direktanteil sorgen wir für den Erhalt der Lebendigkeit im Spiel. Dieselben Eigenschaften zeigen sich natürlich auch bei Einsatz des Split-Band-Modus. Dank des eingesetzten linearphasigen Filters klingt das summierte Signal der zuvor aufgeteilten Frequenzbereiche exzellent signaltreu. Im Test zügeln wir auf behutsame Weise den tieffrequenten Anteil einer Mischung durch Teilen des Frequenzbereichs mittels Lowcut-Filters.
Beim Schalten auf Bypass klingt wirklich nur der zuvor bearbeitete Frequenzbereich anders, um nicht zu sagen unangenehm und sogar falsch, was wiederum für die hohe musikalische Güte des LP SplitComp spricht. Bei Einsatz der parallelen Kompression im Split-Band-Modus droht jedoch leicht ein Ungleichgewicht im Frequenzbereich. Doch mit der Möglichkeit, das unbearbeitete Komplementärband in der Lautstärke abzusenken, stellen wir die Balance wieder her und kitzeln den komprimierten Frequenzanteil sogar noch ein wenig mehr heraus. Wer es ganz drastisch mag, wählt einfach den Selective-Modus. Den Vogel schießt der Algorithmix-Kompressor jedoch mit den Bandpass- und -sperrfiltern im Split-Dialog ab. Durch die einstellbare Filtergüte lassen sich wirklich wie mit einem Mikroskop einzelne Frequenzen zielgerichtet komprimieren beziehungsweise aus der Kompression herausnehmen. Doch darf dabei nicht verhehlt werden, dass dies wirklich nur von Experten souverän beherrschbar ist. Im Test bei Einsatz der Passfilter zeigt sich gerade der Monitoring-Dialog mit seinen verschiedenen Abhörpunkten als unverzichtbares Hilfsmittel, um die fast schon unmerkbaren Feinst-Kompressionen gehörsmäßig erfassen zu können. Anfänger werden in jedem Falle nicht davon profitieren.
Fazit
Algorithmix präsentiert mit dem LP SplitComp ein rundherum gelungenes Mastering-Plug-in mit überbordender Profi-Ausstattung und Highend-Sound, das sich für viele Anwender demnächst als unverzichtbares Feinmechaniker-Werkzeug erweisen dürfte. Sein Geld ist das Plug-in allemal wert. Gleichwohl würde ein etwas geringerer Verkaufspreis die Attraktivität dieses markanten Signalprozessors deutlich steigern.
Erschienen in Ausgabe 10/2009
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 1490 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: gut
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