Multiband-Dynamik Wunder

Mit dem Pro-MB erweitert Fabfilter seine Pro-Serie um ein flexibel einsetzbares Multiband Kompressor/Expander Plug-in, das mit einem pfiffigen Konzept und einer Reihe spezieller, teils einzigartiger Features aufwartet. Am Ende, so der Hersteller, soll das Multiband-Processing gerade mit dem Pro-MB zum Kinderspiel werden. Ob das stimmt, haben wir für Sie überprüft. 

Von Stefan Feuerhake 

Multiband-Dynamik-Prozessoren gehören  wohl nach wie vor zu der Sorte Studio-Effekt, dem die meisten Anwender mit einer gehörigen Portion Respekt gegenüber treten. Kein Wunder, denn der Umgang mit den komplexen Einstellmöglichkeiten erfordert Routine und Sachverstand, denn anstelle eines einzigen werkeln gleichzeitig mehrere Kompressoren frequenzselektiv auf das eingespeiste Signal ein. So kann es nur allzu leicht passieren, dass das Signal am Ende damit eher verschlimmbessert wird. Mit dem rund 170 Euro kostenden Pro-MB Plug-in präsentierte der niederländische Software-Hersteller Fabfilter jüngst seine eigene Interpretation eines Multiband-Dynamik-Prozessors, der zwar dasselbe wie seine Mitbewerber leisten soll, dies aber auf eine individuelle Art und Weise realisiert, die nach dem Willen seiner Schöpfer das Arbeiten mit dieser komplexen Gerätegattung künftig deutlich einfacher machen soll. Damit nicht genug, beschränkt sich das Pro-MB-Plug-in nicht ausschließlich auf das frequenzselektive Komprimieren. Ausgestattet mit einer Reihe an Extra-Features empfiehlt sich das Plug-in sogar als Tausendsassa rund um die Dynamik-Bearbeitung. Mit wenigen Handgriffen kann er sich in einen De-esser, Limiter, Expander und sogar in ein Noise Gate verwandeln und nach Belieben sowohl breitbandig, als auch selektiv auf bestimmte, frei wählbare Frequenzbereiche einwirken. Mit diesem Leistungsspektrum erhält der Anwender für den geforderten Verkaufspreis schon einmal einen sehr guten Gegenwert. Doch Fabfilter setzt noch einen drauf und hat sich in besonderem Maße darum gekümmert, dass dies ohne störende Klangfärbung geschieht, insbesondere im Echtzeit-Einsatz. Damit empfiehlt er sich nicht nur fürs Mastering, sondern auch für einen Einsatz auf Subgruppen und sogar für das Säubern von Einzelspuren. Ob dem so tatsächlich ist, wird der Hör- und Praxistest zu zeigen haben.

„Think in bands, not crossovers“, lautet das von Fabfilter selbst ausgegebene Motto zum Konzept des Pro-MB. Anders als sonst, teilt das Plug-in das Frequenz-Spektrum des ankommenden Signals nicht über ein Netz aus Frequenzweichen auf, sondern über einzelne, isoliert für sich arbeitende Filter. Vorteil: Frequenzbänder können auf die Art nur dort arbeiten wo sie eingesetzt sind und der Rest des Signals bleibt völlig unberücksichtigt. Noch besser: Die Filter-Bänder können jeweils eigene Flankensteilheiten besitzen und auch, unbeeinflusst von anderen Bändern, mit völlig verschiedenen Filterglockenbreiten arbeiten. Im althergebrachten Frequenzweichen-Ansatz ist dies nicht möglich, da sich die benachbarten Bänder nahtlos aneinander anschließen und gegenseitig im Frequenzbereich bedingen. Gleichzeitig wird auch ein Frequenzbereich mit einem Filter versehen, der überhaupt nicht bearbeitet werden soll. So wird beispielsweise, obwohl lediglich in den Höhen und im Bass eine Bearbeitung stattfinden soll, der Mittenbereich trotzdem mit einem Filter versehen. Je nach Ausstattung lässt sich überdies die Flankensteilheit der Frequenzweichen nur global einstellen. Der Clou: Im Pro-MB ist es mit diesem Konzept sogar möglich, ein schmalbandiges Frequenzband innerhalb eines anderen, breiteren Frequenzbands einzubetten, um weitere präzise Eingriffe vorzunehmen. So lässt sich damit etwa der Höhenbereich per Kompression zügeln und zusätzlich eine Resonanzfrequenz darin gesondert bearbeiten. Versuchen Sie das einmal mit einem anderen Multiband-Kompressor. Wer mag, kann mehrere Filter-Bänder aber auch per Snap-Funktion miteinander verkoppeln, so dass sich der Pro-MB sozusagen auch im Frequenzweichen-Modus betreiben lässt. Flankensteilheiten in einem Bereich zwischen sechs bis 48 Dezibel pro Oktave sind im Solo-Modus übrigens nahtlos einstellbar, wobei maximal bis zu sechs Bänder einsetzbar sind. Die Bänder selbst können zwecks Kontrolle wahlweise auf solo oder mute geschaltet werden.
Damit hat Fabfilter seine Arbeiten an den Filtern jedoch noch längst nicht eingestellt und den Pro-MB mit einem weiteren einzigartigen Feature ausgestattet. So lässt sich ein Minimum Phase-Modus aktivieren, der ein analoges Verhalten der Filter simuliert, wobei an den Frequenzübergängen entsprechende Phasenverschiebungen auftreten. Alternativ dazu kann auch ein Linear-Phasen-Modus eingesetzt werden, bei dem dies nicht auftritt. Nachteil: Prinzipbedingt treten Latenzen auf und es stellen sich sogenannte Preringing-Artefakte im Bassbereich ein. Neu und nach unserem Wissen bislang einzigartig ist die dritte wählbare Option, der sogenannte Dynamic Phase-Modus, der sozusagen das Beste aus dem Minimum- und Linearphasen-Modus in sich aufnimmt. Die Latenzen sind deutlich reduzierter und es treten keine Phasenprobleme und Preringing-Artefakte an den Frequenzübergängen auf, vorausgesetzt dass keine Lautstärkeänderung stattfindet. Somit treten solche klanglichen Artefakte nur dann auf, wenn auch tatsächlich ins Material eingegriffen wird, also wenn das Signal den Schwellenwert überschreitet. Das ist schlichtweg genial und uns stellt sich die Frage, wieso noch niemand vorher auf diese Idee gekommen ist.

Daneben kann auch die Ausstattung der Band-Kompressoren mit einigen nicht alltäglichen Extras aufwarten. Dies wird in Form einer schwebenden Parameterleiste über der graphischen Band-Darstellung realisiert. Außer den Standard-Parametern wie Ratio, Threshold, Attack, Release, Output, Knee findet sich eine einstellbare Lookahead-Funktion, was nicht alltäglich ist. Zusätzlich gibt es noch einen Range-Regler, der in einem Bereich zwischen  plus/minus 30 Dezibel bestimmt, ob eine Upward- oder Downward-Kompression stattfindet (siehe Kasten auf Seite 41). Zusätzlich kann jedes Band wahlweise zwischen Kompression oder Expansion umgeschaltet werden. Besonderheit: Attack und Release wurden laut Hersteller intelligente, programm- und frequenzabhängige Kurven für das „Auf- und Zuschnappen“ jedes Bandes verpasst. So werden bei tieferen Frequenzen längere Zeiten genutzt, um Verzerrungen und Aliasing zu vermeiden. Dadurch erreicht er die bestmögliche Transparenz und Klarheit im Signal. Anstelle einer Millisekunden-Skalierung wird daher mit Prozent gearbeitet. Damit nicht genug lässt sich noch ein Expert-Dialog aufrufen, in dem weitere Spezial-Features einstellbar sind. So kann dort ein externer Sidechain aktiviert und eingestellt werden, es lässt sich sogar im M/S-Modus arbeiten, wobei wahlweise das Mitten- oder Seitensignal bearbeitet wird und eine Stereo-Link-Funktion sorgt für ein gleichmäßiges Bearbeiten beider Stereo-Kanäle. Das klingt ja schon einmal alles sehr vielversprechend, aber bevor wir den Sound des Pro-MB genauer unter die Lupe nehmen, wenden wir uns zuerst einmal der Optik und dem Bedienkomfort des Plug-Ins zu. 
Das GUI erinnert stark an den Equalizer Pro-Q (Test in Heft 2/2010), was schon einmal gefällt. Im Zentrum steht ein Graphik-Display, das nicht nur als Frequenz-Analyser fungiert, sondern in dem sich mit Hilfe der Maus alles rund um die Filter einstellen lässt. Im Gegensatz zum Pro-Q wird es aber auf der Oberfläche des Pro-MB viel lebendiger, denn nicht nur der Analyser zeigt in Echtzeit die Frequenzverteilung des ankommenden Signals an. Zusätzlich zeigen auch die einzelnen Bänder durch eine Animation den Grad der Pegel-Reduktion an. Wie erwähnt erscheinen die Dynamik-Parameter in Form einer schwebenden Leiste über der Graphik, was der Übersichtlichkeit sehr gut tut. Im Test überzeugt uns dieses Bedienkonzept trotz aller Komplexität. Alles ist wirklich kinderleicht bedienbar und alle Einstellungen komfortabel erreichbar. Bei kaum einem anderen Plug-In in diesem Bereich haben wir das Gefühl so präzise und dennoch ohne Fingerkrampf eingreifen zu können. Auch in Sachen Klang und Regelverhalten legt das Pro-MB Plug-in eine glänzende Vorstellung hin. In Sachen Grundsound besticht der Pro-MB durch einen äußerst transparenten Klang, der wie von Zauberhand behutsam, aber dennoch merkbar ins Material eingreift. Im Praxistest setzen wir ihn als Insert in eine Vocal Spur, um ihn als De-Esser zu nutzen. Im Frequenzanalyser lässt sich sehr genau erkennen, wo die Sibilanten-Überbetonung liegt und mit einem Doppelklick ist schnell ein Frequenzband erzeugt und der Kompressor eingestellt. Die Sibilanten sind nun nicht mehr so überbetont und der Rest des Signals leidet auch nicht unter der Absenkung. Im Vergleich zu dezidierten De-Essern gefällt uns das Realisieren dieser Aufgabe mit dem Pro-MB dabei deutlich besser.

Als nächstes bearbeiten wir eine Gitarren-Aufnahme mit dem Pro-MB, indem wir ihn fast wie einen Equalizer einsetzen. Es gilt das Ungleichgewicht zwischen Bass und Höhen, dass durch fehlerhafte Mikrophonierung entstanden ist, zu nivellieren. Auch in diesem Fall ist das Ergebnis sehr beachtlich, die Gitarre klingt nach dem Eingriff mit drei verschiedenen Bändern deutlich sauberer und klarer. Es reicht sogar, die Kompression nur subtil einzusetzen, was im Übrigen auch für alle anderen Anwendungen gilt. Insgesamt verhilft er vielen Signalen zu einem ausgewogeneren Klang und der Sound ist einfach besser als vorher, auch wenn man im A/B Vergleich nicht immer gleich sagen kann warum. Alles ist mehr im Gleichgewicht. In einigen Fällen werden wir den Pro-MB künftig anstelle eines Equalizers einsetzten. Auch auf Subgruppen kann sich der Pro-MB gehörig in Szene setzen. Auf einer Drumgruppe eingesetzt besticht vor allem die intelligente Attack- und Release-Schaltung, die traumwandlerisch in den einzelnen Bändern sehr organisch auf das ankommende Signal reagiert. Mit Hilfe des globalen Mix-Reglers ist eine parallele Signalverarbeitung übrigens ein Klacks. Besonderheit: Der Mix-Anteil ist zwischen Null bis hinauf 200 Prozent skalierbar. Alles über 100 Prozent lässt den Wirkungsgrad entsprechend ansteigen, was sehr nützlich ist. Abseits dessen vermag der Pro-MB unsere Drums schön zusammenzukleben und gleicht so ganz nebenher auch noch etwas die Diskrepanz von Mitten und Bass aus. Für die Königs-Disziplin, das Mastering, haben wir einige Problemfälle aus den letzten Wochen aus unserem Mastering-Ordner reanimiert und mit dem Pro-MB noch einmal neu bearbeitet. Dabei picken wir uns schwierige Fälle heraus in denen einige Mixfehler enthalten sind und denen mit herkömmlichem Single-Band-Komprimieren und Entzerren nicht beizukommen ist. So haben wir es mit einem Song zu tun, der viel zu dumpf klingt und mehr Höhen vertragen könnte. Allerdings ist die Hihat viel zu laut gemischt und würde logischerweise noch lauter werden, wenn wir einfach den Bereich anheben. Hier geht das Konzept der getrennten Bänder im Pro-MB voll auf indem wir ein Band in einem Band einsetzen, das sich in diesem Fall um die Hihat kümmert. Mit herkömmlichen Methoden und Plug-ins ist dies entweder nicht oder ungleich umständlicher zu realisieren. Ungeachtet dessen klangen weitere Master nach der Bearbeitung mit dem Pro-MB am Ende stets merkbar besser. Zugegeben bei einigen Mixen lässt sich zwar auch mit anderen Multiband-Prozessoren ein identisches Ergebnis erreichen. Doch das markante Multiband-Prinzip des Pro-MB macht ihn einfach flexibler als die Konkurrenz.

Fazit

Fabfilter legt mit dem exzellent klingenden Pro-MB-Plug-in die Messlatte extrem hoch, wenn es um Multiband-Processing geht. Ausgestattet mit markanten, nicht alltäglichen und sogar einzigartigen Features sticht der Pro-MB aus dem Gros der Mitbewerber heraus. In Konsequenz punktet er mit einer atemberaubenden Flexibilität. Nicht zuletzt durch das Band-Prinzip und das Bedienkonzept ist der Pro-MB tatsächlich leicht und komfortabel bedienbar und dürfte auch Einsteigern in diese komplexe Gerätegattung ein verlässlicher Begleiter sein.

Upward vs. Downward
Die Downward-Kompression ist die am meisten anzutreffende Form der Dynamik-Reduktion. Einfach gesagt macht sie laute Signale leiser, indem alle Signale, die den Threshold überschreiten, abgesenkt werden. Die hingegen nicht ganz so verbreitete Upward-Kompression macht leise Signale hingegen lauter. Das bedeutet, dass alle Signale unterhalb des Thresholds lauter gemacht werden. Sie kann sehr gut dazu eingesetzt werden, um die Lautheit eines Signals zu erhöhen und dabei die wichtigen Transienten unangetastet zu lassen. Mit Hilfe von Upward-Kompression lassen sich etwa interessante Pump-Effekte erzeugen, bei gleichzeitig extremer Einstellung von Ratio, Range und Release. Gleiches gilt auch für die Expansion von Signalen. Downward-Expansion, die gebräuchlichste Form, macht leise Signale noch leiser sobald sie unter den Threshold fallen. Hingegen macht Upward-Expansion laute Signale noch lauter. Sie kann sehr gut benutzt werde um etwa ein einzelnes Instrument in einem Drumloop mehr zu betonen, indem man die Transienten vergrößert.

 

Erschienen in Ausgabe 02/2014

Preisklasse: Oberklasse
Preis: 149 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut