Der Dynamik Spezialist
Ausgeklügelte Studio-Tools für Spezialaufgaben treffen bei vielen Anwendern auf offene Ohren. Werkzeuge beispielsweise für Phasenkorrekturen oder gegen Intonationsschwächen erleichtern den Alltag im Studio ungemein und ersparen jede Menge Zeit und Nerven. Eine der Firmen, die sich diesen „Helferchen“ verschrieben hat ist Sound Radix, die mit ihrem neuen Drum Leveler dem geplagten Tontechniker das Leben künftig noch leichter machen will.
Von Henning Hellfeld
Die in Israel ansässige Firma Sound Radix definiert ihre Ziele eindeutig. Schlaue, einfach zu nutzende Algorithmen, welche in der analogen Welt unmöglich zu realisieren wären, sollen uns das Leben erleichtern und uns schnellstmöglich zum besten Ergebnis verhelfen. Die derzeit dreiköpfige Company mit Nir Averbuch, Klang und Seele der Firma, sowie Yair Chuchem und Dan Raviv, welche die Algorithmen realisieren und codieren, machte bereits unter anderem mit dem Phasenkorrektur-Plug-in Auto Align oder mit dem Surfer EQ, welcher in der Lage ist gewählte Equalizer-Parameter auf die Tonlage eines Instruments oder einer Stimme anzupassen, auf sich aufmerksam (Test in Heft 08/2013, Editors Choice 2013). Nun kommt ein neues Smart-Tool ins Sortiment: der Drum Leveler.
Die Bezeichnung als solche verheißt zunächst einmal alles und nichts.
Stellt sich also als erstes die Frage, was so ein Drum Leveler überhaupt tut? Wie nicht anders zu erwarten ist das Konzept stimmig und ausgeklügelt. Das Plug-in ist in der Lage transientenreiches Material, vorwiegend Drums, dank einer Beat-Detection-Funktion zu analysieren, um dann einzelne Signalbestandteile innerhalb gewisser Dynamikstufen aufwärts oder abwärts zu komprimieren oder zu expandieren. Somit ist man beispielsweise in der Lage innerhalb eines Stereo-Overhead-Signals nur die Snaredrum oder Hit-Hat zu bearbeiten. Das klingt schon einmal sehr vielversprechend.
Unterstützt werden die gängigen Formate AU, VST2/3, AAX und RTAS im 32 und 64 Bit Format. Ein Intel Dual Core Prozessor mit 2 GHz Taktfrequenz und 4 GB RAM sollten vorhanden sein, um dem Plug-in ab Windows XP und ab Mac OS X 10.6 Leben einzuhauchen. Die Autorisierung erfolgt auf der Sound Radix Homepage über einen Account und die Eingabe der Seriennummer. Anschließend wird bei der Installation der Account auf die entsprechende Lizenz geprüft. Alles läuft reibungslos ab und nun steht uns der Drum Leveler als Mono- und Stereo-Version zur Verfügung. Die Oberfläche wartet mit einem futuristischen aber puristischen Look auf, welche die Vorgabe der Firma, intuitive Tools zu entwickeln gänzlich untermauert.
Smarte Algorithmen….
Zur Analyse des Materials dient das zentrale Graphik-Display. Darin verläuft die Wellenform der Spur, die mit Hilfe des Hi- und Low-Threshold-Reglers und dem Target-Level-Regler bearbeitet werden kann. Über drei Buttons oberhalb des Displays kann diese Bearbeitung wahlweise in Dual-Mono, Stereo oder M/S erfolgen. Je nach Modus besteht die Möglichkeit verschiedene Ansichten ins Hauptfenster zu wählen. Während im Stereo-Modus nur die Summe beäugt werden kann, lassen sich im Dual-Mono-Modus die beiden Seiten separat begutachten und im M/S-Modus das Mid- und Side-Signal. Um zweierlei Einstellungen miteinander vergleichen zu können, wurde dem Drum Leveler noch eine A/B Funktion spendiert. Das Einstellen des In- und Outputs übernehmen jeweils zwei Fader links und rechts, welche sowohl im Link-Modus als auch getrennt voneinander gesteuert werden können. Die eigentliche Dynamikbearbeitung erfolgt unterhalb des zentralen Displays über fünf Drehregler für Minimum Retrigger, Gain Range, Compression, Hold und Recovery. Die genaue Erklärung dieser Regler erfolgt später. Unterhalb der Kompressions-Einheit finden wir dann noch den Sidechain-Filter, welcher nicht nur in der Lage ist, das Trigger-Signal um die, über zwei Schieberegler gesteuerten, Grenzfrequenzen zu beschneiden, sondern umgekehrt gerade alles innerhalb dieser Grenzen abzusenken. Das gibt’s auch nicht alle Tage. Abgerundet wird das Ganze mit einem Solo-Button, der uns das Vorhören des gefilterten Sidechain-Signals ermöglicht.
Gewusst wie….
Bevor wir nun den Drum Leveler einem ausführlichen Praxistest unterziehen, wollen wir noch ein wenig näher auf die Funktionsweise des Plug-ins eingehen. Dreh- und Angelpunkt des Plug-ins ist, wie erwähnt, das Graphik-Display mit der Beat-Detection. Hier wird das Spurmaterial als durchlaufende Wellenform abgebildet und kann anhand der Transienten bearbeitet werden. Wird ein Drum-Loop ins Plug-in eingespeist, sieht man wunderbar die einzelnen Bestandteile wie etwa Hi-Hat, Bass-Drum oder Snare-Drum. Nun kommen die beiden Thresholds ins Spiel. Mit ihrer Hilfe ist es möglich einzelne Bestandteile aus dem Gesamtsignal zu separieren und dann nach Gutdünken zu bearbeiten. Der Low-Threshold fungiert dabei wie das Pendant bei herkömmlichen Kompressoren. Alles was oberhalb seines Wertes liegt wird komprimiert. Das Besondere am Drum Leveler ist nun allerdings der Hi-Threshold, der uns ermöglicht alle Signale die oberhalb seines Wertes liegen aus der Dynamikbearbeitung auszuklammern. So können beispielsweise nur die Snare Schläge bearbeitet werden ohne dabei die anderen Bestandteile, etwa die Hi-Hat oder die Becken zu beeinflussen. Optisch wird das sehr schön gelöst. Bearbeitete Transienten werden, je nachdem ob sie angehoben oder reduziert werden, in orange oder hellblau angezeigt. So hat man immer die Kontrolle darüber, ob nun auch wirklich nur das bearbeitet wird, was man möchte.
Die Treffsicherheit kann überdies mit Hilfe der Sidechain-Funktion noch erhöht werden, indem man beispielsweise die tiefen Frequenzen ausfiltert um besseren Zugriff auf die Snare oder Hi-Hat zu haben. Ist jetzt der gewünschte Bereich zum Bearbeiten ausgewählt, stehen uns zwei Varianten zur Verfügung: Kompression und Expansion. Welche Variante erwünscht ist, lässt sich über den Compression-Regler bestimmen. Alle Werte im positiven Bereich, also von 0,1 bis 100 Prozent führen zur Kompression, während alle negativen Werte (-0,1 bis -100 Prozent) zur Expansion des Materials führen. Die Ratio lässt sich hierbei nicht separat einstellen. Allerdings lässt sich per Gain-Range Regler die maximale Pegeländerung von Null bis 80 Dezibel bestimmen. Mit Hilfe des Minimum Retrigger-Reglers können wir zudem einstellen, wann der Drum Leveler nach einem Beat frühestens wieder angetriggert werden soll. Der Hold-Regler bestimmt dann noch, wie lange der Kompressions- oder Expansionspegel gehalten werden soll und mit Hilfe des Recovery-Reglers stellen wir ein, wie viel Zeit sich die Dynamikbearbeitung zum Erholen gönnen darf.
Praxistest
Nun wollen wir anhand einiger Beispiele den Drum Leveler auf Herz und Nieren prüfen. Wie der Name des Plug-ins schon verspricht, ist es hauptsächlich für die Bearbeitung von Drum-Spuren ausgelegt. Aber vielleicht findet sich ja noch die ein oder andere alternative Einsatzmöglichkeit für den Dynamik-Spezialisten. Beginnen wollen wir mit einem fertigen Drum-Loop aus dem Hip-Hop-Genre. Zugegebenermaßen eignen sich wenig oder gar nicht prozessierte Loops, die mit gewissen Dynamikunterschieden zwischen den einzelnen Instrumenten daherkommen besser zum Nachbearbeiten, denn wenn beispielsweise die Snare- und die Bassdrum beide schon an der 0dB-Marke kratzen, wird es logischerweise schwer für den Beat-Detektor die verschiedenen Trommeln voneinander zu unterscheiden. In unserem Falle können wir aus unserem Loop dennoch sehr schön die Snare herausarbeiten indem wir den Hi-Threshold auf 0db setzen und den Low-Threshold ein wenig über der lautesten Bassdrum einpegeln. Tatsächlich lässt sich nun mit dem Target-Level-Regler die Lautstärke der Snare nach Belieben bearbeiten. Sicherlich sind extreme Werte im Ergebnis deutlich hörbar, aber subtilere Absenkungen funktionieren ohne unangenehme Nebeneffekte. Ebenso verhält es sich mit der Bassdrum. Anheben, absenken, komprimieren, expandieren alles kein Problem. Nun wollen wir aber die Hi-Hat des Loops weiter nach vorne holen. Dies funktioniert mit den einzelnen Schlägen sehr gut. Fallen sie allerdings mit einem Bassdrum- oder Snaredrumschlag zusammen, werden sie nicht erkannt. Trotzdem lassen sich auf diese Weise neue Akzente in einen Loop zaubern ohne lästig schneiden oder automatisieren zu müssen. Das spart nicht nur eine Menge an Zeit und Nerven, sondern eröffnet auch neue kreative Möglichkeiten.
Als nächstes stellen wir den Drum Leveler bei akustischen Schlagzeug-Aufnahmen im Studio auf die Probe. Zunächst wollen wir uns der Stereo-Spur zweier Overhead-Mikrofone widmen. Auch hier lassen sich Snare- und Bassdrum sehr schön separieren und absenken beziehungsweise anheben. Die Bearbeitung der Hi-Hat funktioniert besser als zuvor bei unserem Loop. Allerdings fällt das Ausklingen der Snare gelegentlich genau ins gleiche Lautstärkeregister und wird mit bearbeitet. Trotzdem lässt sich mit einer kürzeren Hold-Zeit und einem schnelleren Release-Wert ein hörbares Ergebnis erzeugen.
Übersprechungen gerade bei akustischen Schlagzeugaufnahmen ist eine Problematik, die oft nur mit Gates oder aufwändigem Editieren beziehungsweise Automatisieren beseitigt oder verringert werden kann. Doch auch dafür hat der Drum Leveler die passende Antwort parat. Hierzu nehmen wir uns zwei Snare-Drum Spuren (von oben und unten mikrofoniert), auf denen man zwischen den Schlägen trotz Highpass-Filter deutlich Bass-Drum Schläge hört und versuchen nun diese ohne hörbare Gate-Effekte leiser zu bekommen. Schnell ist die störende Bass-Drum lokalisiert und kann beliebig leiser gemacht werden. Dabei muss man allerdings in Kauf nehmen, dass bei der von oben mikrofonierten Spur die Snare-Schläge kürzer werden und nicht mehr so obertonreich ausklingen. Trotzdem klingt es unserer Meinung nach angenehmer als die von herkömmlichen Gates erzeugten Artefakte. Bei der von unten mikrofonierten Spur können wir hingegen, ohne Abstriche machen zu müssen, die große Trommel fast ganz verschwinden lassen. Auch Bass-Drum Spuren lassen sich auf diese Weise schnell und effizient von Nebengeräuschen befreien. Als nächstes testen wir das Plug-in nun an Schlagzeug-Raumsignalen. Auch hier lassen sich einzelne Bestandteile wunderbar separat bearbeiten und in der Lautstärke verändern. Natürlich immer vorausgesetzt, dass die Signale im Ausgangsmaterial nicht genau gleich laut sind, denn dann kann der Drum-Leveler nicht mehr zwischen unterschiedlichen Instrumenten unterscheiden.
Welche Aufgaben könnte der Drum Leveler neben der Bearbeitung von Schlagzeugspuren noch bieten? Um dies zu beantworten wagen wir uns an eine nicht minder transientreiche Aufgabe: Akustische Gitarre. Das Aufnehmen einer gezupften akustischen Gitarre birgt oft Schwierigkeiten. Gerade perkussive Akzente auf dem Backbeat preschen oftmals nach vorne. Diese Aufgabe kann man zwar mit einem Kompressor lösen, allerdings selten ohne dabei den Gesamtklang der Gitarre zu beeinflussen. Auch hier leistet der Drum Leveler sehr gute Arbeit und verringert den Pegel an den gewünschten Stellen um zwei bis drei Dezibel und das ohne jegliche Klangfärbung. Grundsätzlich können wir uns sehr gut vorstellen, das Plug-in auch in weiteren transientenreichen Gefilden einzusetzen. Hierbei gilt: je kürzer die Akzente sind, desto besser funktioniert der Drum Leveler.
Fazit
Alle Einsatzgebiete des Drum Levelers zu ergründen, würde sicherlich den Rahmen eines solchen Artikels sprengen. Doch reicht für ein Gesamturteil der primäre Einsatzzweck des Plug-ins bereits voll und ganz aus. Im Test hat sich das Plug-in ohne Zweifel als hilfreiches Tool für Spezialaufgaben herausgestellt. Zugegebenermaßen ist nicht jedes Material zur Bearbeitung geeignet. Im Grundsignal sollten schon Pegelunterschiede zwischen verschiedenen Tönen oder Instrumenten bestehen, um diese adäquat erfassen und analysieren zu können. Alles andere würde auch an Hexerei grenzen. Unter optimalen Bedingungen funktioniert der smarte Algorithmus jedoch sehr gut und ohne lästige Nebengeräusche oder Gate-Effekte. Die feinen Einstellmöglichkeiten bringen uns Stück für Stück an immer bessere Ergebnisse. Vor allem die Tatsache, dass der Drum Leveler nur die gewünschten Beats bearbeitet, erspart uns ganzheitliche klangliche Veränderungen, wie beim Einsatz von herkömmlichen Kompressoren oder Expandern. Dieses Tool ist also bestens dazu geeignet uns im Studioalltag eine Menge an Clip-Schnibbeleien und Linien malen in Automationsspuren zu ersparen. Gerade Musiker und Produzenten die viel mit vorgefertigten Loops arbeiten, werden am Drum Leveler ihre Freude haben. Der Preis von rund 150 Dollar ist dafür voll und ganz gerechtfertigt.
Erschienen in Ausgabe 03/2015
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 149 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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