Boutique-Kompressor

Sie suchen etwas Besonderes? Kein schnödes Outboard von der Stange, sondern einen exklusiven Stereo-Kompressor, der lediglich in kleiner Auflage produziert wird und auch noch hervorragend klingt? Dann sollten Sie diesen Test -besser gar nicht erst lesen, denn es könnte sein, dass Sie der VSC-2 zu einem Spontankauf verführt.  

Von Michael Nötges 

Voll ausgeschrieben hört das Schmuckstück auf den Namen VSC-2 Quad Discrete VCA Compressor und wird in Germering bei München in den Räumen von Vertigo Sound gefertigt. Firmengründer Andreas Eschenwecker und Markus Heilmaier bauen, wie es sich für eine richtige Manufaktur gehört, ausschließlich in penibler Handarbeit in kleiner Stückzahl und können die Nachfrage kaum befriedigen. Unter anderem haben sich Musiker wie Mark Knopfler und Produzenten wie Hans-Martin Buff oder Mousse T. sich schon ein Exemplar gesichert. Der Erfolg von Vertigo Sound kommt nicht von ungefähr, denn in der Pro-Audio-Szene sind die beiden Tontechniker und Musiker schon längst kein unbeschriebenes Blatt mehr sondern genießen dank des einschlägigen Know-hows einen sehr guten Ruf. Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit analoger Studiotechnik, vertreiben historisches Equipment unter dem Namen HE Studiotechnik und verdingen sich ganz nebenbei als Service-Techniker, Studiobauer und Akustikplaner.


Vertigo Sound existiert seit 2007 und Eschenwecker und Heilmaier geben mit dem Stereo-Kompressor VSC-2 ihr Produkt-Debüt für das noch junge Unternehmen. Dank ihrer langjährigen Praxis-erfahrung konnten die beiden Tüftler -einigen analogen Outboard und Konsolen unter die Haube schauen, -außerdem haben sie zahlreichen Mikrofonen und altersschwachen Vintage-Geräten wieder auf die Sprünge geholfen. Da wundert es nicht, dass der Anspruch in puncto Klang, Verarbeitung und Praxistauglichkeit extrem hoch und das Wissen in -Bezug auf analoges Schaltungsdesign und die Verwendung der richtigen Bauelemente sehr umfassend ist. Außerdem kann sich Vertigo Sound das Qualitätssiegel Made in Germany auf die Fahnen schreiben, da zwar – wie üblich – einzelne Komponenten zugekauft werden aber alle Bauteile bis hin zur Frontplatte mit dem orange hinterlegtem Firmenlogo, ausschließlich in Deutschland gefertigt werden. „Das ist natürlich teuer“, erklärt Eschenwecker „aber die Schwefelsäure vom Eloxieren der blauen Frontplatte landet eben auch nicht in einem Fluss und vergiftet die Umwelt. Natürlich lässt sich oftmals im Ausland billiger produzieren und damit auch der Preis drastisch senken. Unter welchen Bedingungen und mit welchen Konsequenzen für Land und Menschen, möchte man aber häufig gar nicht wissen.“

Der VSC-2 ist, wie die Produktbezeichnung „Quad Discrete VCA Compressor“ verrät, ein Dynamikprozessor auf Basis der von Vertigo Sound eigens entwickelten VCAs (Voltage Controlled Amplifier). Nicht ohne Grund hat Vertigo Sound den komplett diskret aufgebauten VCAs die Produktbezeichnung „1979“ gegeben und erinnert damit an die Zeit vor dem Einzug integrierter Schaltkreise als Bauelemente zur Dynamikbearbeitung in analogen Highend-Konsolen á la SL 4000E, MCI JH 600 oder Kompressor-Modulen wie dem U 473 von Neumann. Beispielsweise fußte die Kompressor-Sektion der SSL-E-Serie Anfang der 80er-Jahre noch ausschließlich auf diskreten VCAs, wobei die G-Serie – ein Kind der frühen Neunziger – bereits mit ICs bestückt war. Diese kompakten Bauteile waren und sind wesentlich günstiger als diskret aufgebaute Schaltungen und haben unter anderem sehr geringe THD+N- und Noise-Werte. 
Aus klangästhetischen Gründen – hier sind die Geschmäcker und Meinungen in Bezug auf diskrete VCAs oder IC VCAs sehr unterschiedlich – hat sich Vertigo Sound aber zur aufwändigen Entwicklung eigener, diskret aufgebauter VCAs entschieden und dem VSC-2 gleich zwei pro Kanal spendiert: einen für jeden Audioweg und je einen weiteren für die Regelelektronik der Kompression. Da die VCAs auf eine stabile Umgebungstemperatur angewiesen sind, um gleichbleibende klangliche Ergebnisse zu liefern, hilft eine spezielle Keramik-Ummantelung, die thermischen Bedingungen für die zahlreichen Bauteile im Innern stabil zu halten. 
Es finden sich aber auch integrierte Schaltkreise auf den Platinen des VSC-2, wie die Ausgangsverstärker des Typs 1646 der amerikanischen Firma THAT. Für Eschenwecker ist das allerdings kein Widerspruch, denn die integrierten Schaltkreise dienen an dieser Stelle in erster Linie der Symmetrierung der Ausgangssignale und nicht der Verstärkung oder Klangbildung. Außerdem verfügen die Bauteile, wie bereits erwähnt, über exzellente technische Werte in Bezug auf Klirrfaktor und Rauschabstand und sind klanglich eher unsichtbar. Alle anderen ICs dienen lediglich der Steuerung der VCAs und befinden sich nicht im Audio-Signalweg. Prägender für den Klang sind allerdings neben den VCAs die Jensen-Trafos (JT-11P-17B) an den Eingängen, die aufgrund ihrer klanglichen  Eigenschaften und der hohen Gleichtaktunterdrückung auch gerne von anderen Pro-Audio-Herstellern wie Summit Audio, Brent Averill Enterprises, Pendulum oder Aphex genutzt werden. Großen Wert legt Vertigo Sound auf die saubere Trennung der Stromversorgungs-, Audio- und Signalprocessing-Leiterplatten, um Brummen, Übersprechen und Interferenzen weitestgehend auszuschließen. 
Im Gegensatz zu vielen anderen Kompressoren handelt es sich beim VSC-2 um einen Limiter im Peak-Forward-Design, dessen Gain-Reduktion nicht wie bei vielen RMS-Kompressoren von einem Mittelrespektive Effektivwert (Root Mean Square) bestimmt wird, sondern von einzelnen Pegelspitzen. Anders als beim 1176 von Universal Audio oder dem Fairchild 670 – der Output regelt die Kompression – ist das Forward-Design schneller und akurater. Grund: Der Input regelt die Kompression. Selbst im Stereo-Modus – die Bedienelemente von Kanal eins regeln automatisch die Parameter von Kanal zwei mit – reagiert der Kompressor nicht etwa auf ein summiertes Sidechain-Signal (l plus r), sondern auf den jeweils höchsten Peak, egal auf welcher Seite er ankommt. Da es sich beim VSC-2 um einen Dual-Mono-Konzeption handelt, können die beiden Kanäle auch völlig autark zur unabhängigen Bearbeitung von Einzelsignalen verwendet werden. Ansonsten hilft das -benutzerfreundliche Bedienkonzept (A Steuert B) zu einer unkomplizierten Stereo-Bearbeitung. Damit eignet sich der VSC-2 sowohl fürs Recording, als auch im besonderen Maße zur Bearbeitung von Sub-Gruppen sowie als Mastering-Tool.

Schaut man sich die außergewöhnlich schön designten, griffigen Drehregler auf der Frontplatte an, wie sie in einer waagerechten Zweierreihe angeordnet sind, fällt einem zunächst nichts außergewöhnliches auf. Für jeden Kanal sind die üblichen Verdächtigen vorhanden: Threshold, Ratio, Attack, Release und Make Up. Zum Einstellen des Arbeitspunktes zwischen -22 und +22 Dezibel und für die Aufholverstärkung hat Vertigo Sound zügig verstellbare Potentiometer verbaut, die aufgrund ihres zähen Drehmoments und der exzellenten Haptik überaus wertig wirken. Äußerst praktisch ist die sogenannte Zoom-In-Funktion dieser Regler, die in den jeweils wichtigen Regelbereichen eine höhere Auflösung ausweisen – eine Art Lupen-Effekt. Will heißen, zwischen -6 und +6 Dezibel für den Threshold reagiert das Potentiometer viel feiner, um sehr präzise Einstellungen vornehmen zu können. Gleiches gilt für die Aufholverstärkung im Bereich zwischen 0 und +6 Dezibel. Man merkt, die Entwickler kommen aus der Praxis und wissen, welche Details das Werkeln mit dem Kompressor erleichtern. Die Aufholverstärkung, die durch die VCAs bewerkstelligt wird, beeinflusst außerdem die Klangcharakteristik, da mit zunehmendem Pegel harmonische und unharmonische Verzerrungen auftreten (siehe FFT-Spektrum).

Beim Einstellen der Ratio, sowie der Attack- und Release-Zeiten setzt Vertigo Sound auf festgelegte Werte, die mit Hilfe der satt einrastenden und wiederum äußerst schön verarbeiteten Goldkontakt-Positionsschaltern ausgewählt werden. Zunächst nichts Besonderes aber auch hier steckt der Teufel im Detail: Für die Ratio bietet der VSC-2 Verstärkungsverhältnisse von 40:1 (Brickwall-Limiter), 10:1, 8:1, 4:1 und 2:1 an. Die Kompressor-Kennlinie zeigt eine klare Hard-Knee-Charakteristik (siehe Diagramm). Hinter der Position „Soft“ verbirgt sich ein spezieller Soft-Knee-Modus. Diese, als Tiptoe-Kompression (to tiptoe: engl. schleichen) bezeichnete intelligente Ratio-Einstellung bewirkt, dass sich bei steigendem Pegel oder sinkendem Threshold das Verstärkungsverhältnis von 1:1 bis zu 8:1 ändert, was zu einem sehr weichen Regelverhalten, ähnlich einem Optokompressor, führt. 
Die fünf einstellbaren Ansprechzeiten des VSC-2 rangieren zwischen sehr schnellen 0,1 und 30 Millisekunden, die Rückstellzeiten zwischen 0,1 und 1,2 Sekunden. Zusätzlich haben die Entwickler dem VSC-2 aber noch einen Auto-Modus für die Release-Zeit spendiert, der die Rückstellzeit intelligent dem Programmmaterial anpasst. Über das tatsächliche Regelverhalten (Gain-Reduktion) informieren die beiden analogen VU-Meter des englischen Herstellers Sifam, die mit weißem Licht hinterleuchtet sind. Im Gegensatz zu Anzeigen vieler amerikanischer Hersteller, die durch gedämpftes gelbes Licht und eine grobe Skala oft eher eine vage Vorstellung der Kompressions-Vorgänge vermitteln und in erster Linie den Vintage-Look repräsentieren sollen, entpuppen sich die Anzeigen des VSC-2 als gut ablesbar, exakt kalibriert und damit sehr praxisgerecht. Das liegt daran, dass Vertigo Sound mit Hilfe einer zusätzlichen Elektronik die lineare Gleichspannung in der Sidechain – diese bestimmt die Gain-Reduktion und wird für die Anzeige der VU-Meter herangezogen – auf die nicht lineare Skala anpasst. Das hört sich zunächst kompliziert an, ist es aber nicht: Die Skala der VU-Meter ist bis sechs Dezibel Linear – ein Teilstrich entspricht einem Dezibel. Zwischen den Positionen sechs und zehn entspricht dann aber ein Teilstrich zwei und zwischen zehn und 20 fünf Dezibel. Durch die spezielle Schaltung mit Umschaltpunkten bei sechs und zehn Dezibel haben die Entwickler die Skala optimal der Ballistik des VU-Meters angepasst und erreichen -dadurch eine sehr exakte Anzeige. „Die Abweichungen des Zeigers sind nicht größer als 0,2 Dezibel, was eine sehr gute Ablesbarkeit gewährleistet“, erklärt Eschenwecker nicht ohne Stolz.
Der VSC-2 hat neben den beiden symmetrischen Ein- und Ausgängen keinen separaten Sidechain-Eingang. Damit sind frequenzabhängige Spezial-Kompressionen – Stichwort De-essing oder Ducking –, nicht möglich. Allerdings haben die Entwickler bewusst auf diesen Zusatz verzichtet und sich auf die klassische Kompression konzentriert. Dennoch gibt es einen internen Sidechain-Filter pro Kanal. Dieser verfügt über zwei wählbare Einsatzfrequenzen (60 und 90 Hertz). Auf diese Weise lassen sich übermäßige Pump-Effekte gerade bei basslastigem Material – beispielsweise Techno-, House- oder Elektro-Produktionen – vermeiden, indem aus dem Sidechain-Signal tiefe Frequenzen herausgefiltert werden und sie dadurch für den Regelvorgang weniger stark ins Gewicht fallen. Die Flankensteilheit beträgt sechs Dezibel pro Oktave. Durch diesen flachen Filterverlauf ist eine sehr behutsame und musikalische Wirkungsweise garantiert, die sich von der eines Multiband-Kompressors, der durch steile Filterflanken die einzelnen Bänder scharf von einander abtrennt, deutlich unterscheidet. Selbstverständlich lässt sich der Sidechain-Filter auch deaktivieren, verfügt der jeweilige Kippschalter doch über drei Positionen (60 Hz, 90 Hz und Off).  
Apropos Kippschalter: Alle zur Verfügung stehenden Bedienelemente dieser Art sind keine Stangenware, sondern überzeugen durch ihre angenehme Haptik und das satte Klacken bei der Auswahl der unterschiedlichen Optionen – hier haben Augen und Hände auch ihren Spaß. Wie detailverliebt die Entwickler denken, zeigt sich auch an vermeintlichen Kleinigkeiten. So besitzen die Kippschalter einen eindeutigen Farbcode – die Spitzen sind rot, blau oder schwarz gekennzeichnet – um Fehlbedienung zu vermeiden: Die beiden Bedienelemente der Sidechain-Filter sind blau, der Schalter zum Switchen zwischen Dual-Mono und Stereo-Modus schwarz und die Bypass-Schalter rot gekennzeichnet. Übrigens handelt es sich um einen Hardwire-Bypass, der sämtliche Elektronik aus dem Signalweg ausschließt und den direkten Vergleich mit dem Ausgangssignal ermöglicht.  
Bis auf die Werte der Gleichtaktunterdrückung, sie sinkt zu hohen Frequenzen bis auf -50 Dezibel bei 20 Kilohertz, liefert der VSC-2 im Messlabor von Professional audio Magazin eine überragende Vorstellung. Geräusch- und Fremdspannungsabstand liegen bei sehr guten 93,9 und 91,3 Dezibel. Im Vergleich zum Mpressor von Elysia (Test in Ausgabe 11/2007) oder dem Dynax² von Alternate Soundings (Test in Ausgabe 7/2008), die mit Werten von 82,6 und 76,7 beziehungsweise 91,4 und 88,5 aufwarten, setzt sich der VSC-2 damit problemlos auf eine Spitzenposition. Rauschen ist bei solchen Werten definitiv nicht zu erwarten. Es zeigt sich aber auch, dass er die Traumwerte des MaxxBCL von Waves (Test in Ausgabe 9/2008) von 95,5 und 101,3 nicht toppen kann. Die THD+N-Werte sind mit maximal 0,04 Prozent sehr gut und ein Blick auf das FFT-Spektrum zeigt, dass der Noise-Floor unterhalb von -110 Dezibel liegt und die Peaks der harmonischen und unharmonischen Verzerrungen – allen voran k2 und k3 mit etwa -65 Dezibel –  maßgeblich für den Klirr aber auch für den eigenen Sound des VSC-2 verantwortlich sind. Einstreuungen oder Störgeräusche wie Netzbrummen kommen nicht vor. Ausgezeichnet ist außerdem die Übersprechdämpfung, die mehr als 100 Dezibel beträgt und die saubere K-analtrennung belegt. 
Jensen-Transformatoren: die besondere Eingangs-Symmetrierung
Für den Hör- und Praxistest nehmen wir uns unterschiedliche Signale vor und testen den VSC-2 in seiner Funktion als Subgruppen- und Mastering-Kompressor, wenden ihn aber auch auf unterschiedliche Einzelsignale an. Als erstes nehmen wir uns eine Schlagzeugaufnahme vor, schalten den VSC-2 in den Stereo-Modus und konzentrieren uns – der Threshold steht noch auf Rechtsanschlag, die Aufholverstärkung auf Null-Position – auf den reinen Klang. Die Veränderung ist marginal und wir müssen unsere Ohren schon sehr spitzen, um einen Unterschied zwischen dem Signal mit und ohne Kompressor festzustellen. Der Klang kommt uns lediglich minimal direkter vor, aber ansonsten hält sich der VSC-2 klanglich völlig zurück. Das ändert sich bei steigender Make-Up-Gain. Wir drehen den Regler langsam auf. Sicher, das Signal wir lauter aber da ist noch -wesentlich mehr. Es klingt edler und satter, bekommt zunehmend mehr Griffigkeit und das, obwohl noch keine Kom-pres-sion am Werk ist. Von Färbung zu sprechen, wäre falsch, vielmehr ist es ein edler Eigencharakter, der sich sehr dezent aber trotzdem deutlich hörbar einschleicht. 

Jetzt wählen wir die Soft-Position des Ratio-Reglers mit einer Attack-Zeit von einer Millisekunde und einer Rückstellzeit von 0,6 Sekunden und verringern langsam den Schwellenwert bis die Anzeigen-Nadel auf ungefähr vier Dezibel ausschlägt. Der Unterschied ist immer noch kaum zu hören, doch genau das ist es. Der VSC-2 geht sehr behutsam zur Sache, schärft behutsam die Transienten und begrenzt den Groove sehr musikalisch, so dass die Dynamik kontrolliert klingt, ohne dass der Einsatz des Kompressors offensichtlich zu hören wäre. Das ändert sich schlagartig, wenn wir den Ratio-Regler auf die Brick-Position (40:1) bringen und eine sehr kurze Attack- (0,1 ms) und Release-Zeit (0,1 s) wählen. Der VSC-2 packt plötzlich unerbittlich zu und stürzt sich in erster Linie auf die Transienten der Bassdrum und der Snare, die den Submix dominieren. Das ist uns etwas zu heftig, also schmeißen wir das Sidechain-Filter erst auf 90 und dann auf 60 Hertz an, so dass für die Kompression die Peaks der Snare den Ton angeben. Um etwas mehr Anschlagsgeräusch durchzulassen erhöhen wir die Attack-Zeit auf drei Millisekunden und erhalten eine fett klingende Snare bei einem insgesamt ausgewogenen Klangbild. 
Apropos Snare, wir setzen den VSC-2 auf das Einzelsignal an. Nun wird sehr schön deutlich, was alles in ihm steckt. Wenn der Kompressor soll, ist er schnell wie der Wind und gibt wirklich keiner Transiente die Chance zu entwischen. Je nach Belieben kann man den VSC-2 sehr effektiv und deutlich heraushörbar einsetzen. Ist es erwünscht, agiert der VSC-2 aber auch äußerst zurückhaltend. Wählt man einen lange Release-Zeit, ist der Raumanteil vordergründiger, hält man sie sehr kurz, gerät die Snare sehr schön knackig und konturiert. Allerdings muss man die richtige Balance finden, wenn das mitunter gefürchtete Pumpen vermieden werden soll. 
Wir laden ein anderes Projekt, eine Aufnahme nur mit Akustikgitarre und Gesang. Zunächst wollen wir sehen, wie sich der VSC-2 auf die Gitarre auswirkt. Die Antwort ist kurz und knapp: sehr gut. Das Schöne dabei ist: Das Signal klingt durch die Aufholverstärkung auf einmal edler und größer und die Kompression – auch hier begeistert der Soft-Modus – ist zunächst kaum hörbar, führt aber trotzdem zu einem kompakten und durchsetzungsstarken Sound. Es gelingt sehr einfach, die Anschlagsgeräusche zu featuren und herausragende Peaks sanft zu kontrollieren. Gleiches gilt für den Gesang. Wir stellen die Ratio auf 2:1, wählen eine mittlere Attack- und Release-Zeit und gönnen uns ungefähr fünf Dezibel an Aufholverstärkung. Die Stimme kommt sehr präsent und organisch, bleibt aber trotzdem natürlich. Sie wirkt insgesamt etwas größer und das Timbre gewinnt deutlich an Charakter, da die Feinheiten der Stimmbänder, sowie Atem- und Schmatzgeräusche leicht in den Vordergrund rücken. Sie wird veredelt und gewinnt an Profil und Durchsetzungskraft. 

Schlussendlich widmen wir uns dem Mastering mit dem VSC-2. Zunächst versuchen wir es mit  dem Singer-Songwriter-Projekt. Für eine unauffällige Komprimierung empfiehlt sich der Soft-Modus mit einer Attack-Zeit von einer und einer Rückstellzeit von 0,9 Sekunden. Den Threshold lassen wir relativ hoch, um wirklich nur die Pegelspitzen zu komprimieren und möglichst viel Dynamik zu behalten. Mit Hilfe der Make-Up-Gain heben wir insgesamt den Pegel an und bekommen einen Schuss VSC-2-Sound obendrein. Insgesamt wirkt die Stereo-Summe aufgeräumter und ruhiger und die Vocals erscheinen geschmackvoll herausmodelliert und direkt, während das Gitarrensignal frischer und plastischer gerät. Außerdem erscheint der eingestellte Hallraum ein wenig deutlicher und gibt dem Klangbild dadurch insgesamt mehr Tiefe. Mit Hilfe der Aufholverstärkung lässt sich sehr behutsam der Klirrfaktor beeinflussen und damit bestimmen, wie viel „Schmutz“ dem Signal hinzugefügt werden soll.
Das erweist sich bei einer etwas sterilen House-Produktion als sehr hilfreich. Zum einen bekommen wir den Mix sehr schön zum Atmen, indem wir Attack- und Release-Zeiten zunächst bei minimalem Threshold und maximaler Ratio so lange justieren, bis der Mix musikalisch, wenn auch noch sehr heftig, pumpt. Um zu -einem überzeugenden Ergebnis zu kommen setzten wir dann zunächst den Schwellenwert langsam herauf und aktivieren zusätzlich das Sidechain-Filter mit 90 Hertz Einsatzfrequenz. Der Mix klingt wesentlich lebendiger und insgesamt offener, aber immer noch ein wenig steril. Wir spendieren ihm eine gehörige Portion an harmonischen und unharmonischen Verzerrungen, indem wir die Aufholverstärkung auf sieben Dezibel hochziehen. Da der VSC-2 in der Stereosumme des Sequenzers eingeschleift ist, reduzieren wir den Send-Pegel, um keine Übersteuerung zu riskieren. Der Track ist jetzt nicht lauter als vorher, trotzdem knackiger, wesentlich griffiger und ordentlich angeheizt durch die Klirr-Anteile. Außerdem wirkt er insgesamt ausgewogener und wesentlich organischer. Hier zeigt der VCS-2 wieder einmal seine phänomenale Vielseitigkeit und eine Klanggüte, die restlos begeistert.

Fazit

Der VSC-2 von Vertigo Sound ist Made in Germany, voll mit erlesenen Bauteilen wie Jensen-Trafos, WIMA-Kondensatoren und THAT-ICs und verfügt nicht zuletzt über vier selbstentwickelte diskrete VCAs. Klanglich an den 1970er und 1980er-Jahren orientiert, hat der VSC-2 aber doch seinen ganz eigenen, zurückhaltend edlen Charakter. Vor allem hat er aber mit dem Soft-Modus, integrierten Sidechain-Filtern, -einer Rückstellzeit-Automation, sowie Zoom-In-Funktionen beim Einstellen der Aufholverstärkung und des Threshold, -einige praktische Zusatzfeatures an Bord. Der VSC-2 zeigt seine Stärken, sowohl beim Bearbeiten von Subgruppen und Einzeltracks, trumpft aber insbesondere als edles Mastering-Tool auf, das man so schnell nicht mehr aus der Hand geben möchte. Der VSC-2 von Vertigo Sound kostet zwar 3.628 Euro ist aber jeden Cent wert und – die Schwefelsäure gerät auch nicht in den Fluss.

Erschienen in Ausgabe 02/2009

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 3628 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: gut