Die Wege des Sounds…

… sind unergründlich. Zuerst wird simuliert, was analog nicht niet- und nagelfest ist. Dann kommen Entwickler wie der israelische Plug-in-Spezialist Waves plötzlich auf den Trichter, ihre hochkarätigen Software-Simulationen wieder als Hardware zu reinkarnieren. Was das soll und ob es sich lohnt, klärt der Test des neuen PuigChild Hardware-Kompressors.

Von Michael Nötges  

Studio-Equipment, das schon mehrere Jahrzehnte auf dem Buckel hat, zählt heutzutage aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit und natürlich ihres Klangs zumeist zu den sündhaft teuren Raritäten. Dazu zählen auch die mittlerweile zu Legenden erklärten Fairchild-Regelverstärker. Wer einen der wenigen original Fairchild 670-Kompressoren besitzt, kann sich glücklich schätzen und wird ihn, wenn überhaupt, nur für einige 10.000 Euro verkaufen. Dabei ist der sechs Höheneinheiten messende 35-Kilo-Koloss mit 20 Röhren und 11 handgewickelten Transformatoren keineswegs ein unglaublich praktisches, dafür aber eben ein sensationell klingendes Gerät. Das ist auch der Grund, warum die ganze Audio-Welt von diesem sagenumwobenen Wunderverdichter spricht und der Plug-in-Spezialist Waves mit der Software-Simulation PuigChild 670 (siehe Test in Heft 12/2008) die Legende für die Massen salonfähig gemacht hat. Als Vorlage hat der amerikanische Produzent und Audio-Engineer Jack Joseph Puig, der einen unglaublichen Fundus an analogen Schätzen sein Eigen nennt, sein Original zur Verfügung gestellt, welches nach allen Regeln der Emulationskunst en détail nachgebildet wurde. Da es aber eben doch etwas anderes ist, ob an einem Plug-in oder an einem fassbaren Outboard geschraubt wird, geht Waves einen Schritt weiter und stellt mit dem PuigChild jetzt quasi die Hardware-Version eines Plug-ins vor.

Der Hardware-Kompressor ist im Kern ein digitaler Klon des Fairchild 670, bloß steckt dieser in einem modernen schwarzen 19-Zoll-Gehäuse, das gerade einmal zwei Höheneinheiten im Rack in Anspruch nimmt. Zudem bietet er neben analogen Ein- und Ausgängen unterschiedliche digitale Schnittstellen (AES/EBU, S/PDIF), einen Wordclock-Eingang sowie hilfreiche Zusatzfunktionen wie einen Input-Trim-Regler, kalibrierbare Ein- und Ausgänge, sechs Zeitkonstanten-Presets sowie die Möglichkeit, unterschiedliche Netzfrequenz-Charakteristika (50/60 Hertz) aufzurufen. Dabei arbeitet der interne Prozessor mit 48 Bit Wortbreite. Die digitalen Schnittstellen unterstützen Samplingraten von bis zu 96 Kilohertz bei 24 oder 16 Bit Auflösung, wobei 24Bit-AD/DA-Wandler verwendet werden. Klingt gut, kostet aber auch seinen Preis, denn der PuigChild Hardware-Kompressor ruft stolze 3.284 Euro auf. Das ist kein Pappenstil. Im Vergleich zur Anschaffung eines Originals – wenn man überhaupt einen bekommt – ist das aber immer noch ein Schnäppchen. Vorausgesetzt der PuigChild hält klanglich, was der Hersteller verspricht. Die Originalschaltung des Fairchild 670, vom Ingenieur Rein Narma Anfang der 1950er Jahre ersonnen, beruht auf einfachen Gegentaktverstärker-Stufen, die sich durch sehr hohe Regelspannungen auszeichnen. Als Vari-µ-Kompressor/Limiter konzipiert, werden Röhren sowohl zur Gain-Reduction als auch für die Verstärkung eingesetzt. Will heißen, dass die Kompression direkt im Audio-Weg stattfindet und nicht durch einen separaten Regelkreis herbeigeführt wird. Eine einstellbare Ratio gibt es bei diesen Kompressoren nicht, sondern es gilt, dass die Ratio abhängig von der Intensität der Kompression steigt. Genau das haben Waves und J. J. Puig akribisch simuliert, um einen möglichst realistischen Klon zu bekommen. Dabei haben die Entwickler genauso an die charakteristischen Verzerrungen des analogen Geräts gedacht, wie an die klangliche Nachbildung der Transformatoren und des mitunter speziellen Regelverhaltens mit sehr langen Release-Zeiten. Soweit so gut. Wer jetzt aber glaubt, der schwarze Simulations-Koloss sei ein digitales Fliegengewicht, hat sich gewaltig geschnitten. Mit vier Kilogramm auf 19 Zoll und zwei Höheneinheiten steht er analogem Outboard in dieser Hinsicht um nichts nach. Zudem sieht der Simulant wie ein moderner Solid-State Boutique-Kompressor aus, was er aber nicht ist. Das Ziel ist vielmehr, die Röhren-Vintage-Legende von Fairchild mit allen Vorteilen moderner Emulationstechnik ins 21. Jahrhundert zu katapultieren. Vorteil: Beim PuigChild sind eben keine Röhrenwechsel nötig und auch die virtuellen Transformatoren und andere Bauteile unterliegen nicht dem Alterungsprozess analoger Elemente. Einmal ganz davon abgesehen, dass es nicht leichter wird, beispielsweise originale Röhren oder die passenden Transformatoren zu bekommen. Einmal emuliert steht der Klon-Datensatz aber sozusagen für die Ewigkeit zur Verfügung. So absurd der Weg des Herstellers – ein Simulations-Plug-in als wuchtigen Outboard-Boliden zu verpacken – auf den ersten Blick erscheint, so sinnvoll wird das Konzept bereits beim genauen Betrachten der Anschlüsse. Im Gegensatz zu reinen Software-Lösungen ist der PuigChild nämlich sehr kontaktfreudig und überaus flexibel in unterschiedliche Studio-Environments zu integrieren. Zunächst hat der PuigChild zwei analoge Eingänge, die als XLR/Klinke-Combobuchsen ausgelegt sind. Bei den Ausgängen hat Waves zu den XLR-Outputs separate Klinken-Buchsen spendiert. Beide Kanäle sind jeweils mit einem Ground-Lift-Switch versehen, um etwaige Brummschleifen zu eliminieren. Um den PuigChild sowohl eingangs- als auch ausgangsseitig an den jeweiligen Arbeitspegel anzupassen, stehen zwei sechsstufige Kalibrierungs-Regler (6 bis 24 dBu) zur Verfügung, die mittels eines Schraubendrehers einstellbar sind.

Da wir es mit einem digitalen Gerät zu tun haben, dürfen natürlich weitere Schnittstellen nicht fehlen. Dabei hat Waves an alles gedacht: Es gibt eine S/PDIF-Schnittstelle mit coaxialen (Cinch) und auch optischen (TOSLINK) Anschlussmöglichkeiten. Für Profis ist allerdings das AES/EBU-Pendant in Form zweier XLR-Buchsen wesentlich erfreulicher. Wer digital funkt, muss sich auch immer mit dem Problem der Synchronisierung der verbundenen Geräte auseinandersetzen. Zum einen ist dies natürlich über die gerade erwähnten Schnittstellen möglich. Gibt es aber in komplexeren Setups einen zentralen Taktgeber, welcher per Wordclock-Signal alle angeschlossenen Devices synchronisiert, ist der PuigChild mit dabei. Schließlich verfügt er über einen Wordclock-Eingang (BNC-Buchse), um sich brav und zuverlässig einzugliedern. Ist der PuigChild das letzte Gerät einer Wordclock-Kette, kann mithilfe des Terminierungs-Kippschalters ein Abschlusswiderstand von 75 Ohm aktiviert werden, um reibungsfreie Synchronisation zu gewährleisten. Auf der Vorderseite halten die beiden hinterleuchteten VU-Meter den analogen Schein des PuigChild aufrecht. Diese sind mithilfe des Meter-Reglers umzuschalten, sodass sowohl der Ein- und Ausgangspegel, als auch die Gainreduction kontrolliert werden kann. Ein Bypass-Button ermöglicht unmittelbare A/B-Vergleiche, wobei für den Dual-Mono-Modus zwei separate Bedienelemente wünschenswert wären. Dient der PuigChild als Taktgeber – dafür muss der Sync-Regler auf ‚intern‘ (Int) stehen – ist die Sample-Rate zwischen 44,1 und 96 Kilohertz wählbar. LEDs oberhalb des Sample-Rate-Reglers informieren über den festgelegten Takt. Es gibt aber noch zwei weitere Sync-Modi: Im externen Betrieb (Ext) holt sich der PuigChild seine Informationen über die Wordclock-Schnittstelle, im D-Modus (digital input) wird über die AES/EBU- oder S/PDIF-Schnittstelle synchronisiert. Da der Kompressor-Klon sowohl über analoge, als auch digitale Anschlussmöglichkeiten verfügt, ist die Wahl der Signalquelle mit dem Input-Select-Regler zu treffen. Der PuigChild bietet aber noch zwei weitere übergeordnete Auswahlregler: Die sogenannten Mains-Modi simulieren die klanglichen Eigenschaften in Bezug auf den Noisefloor und das Netzbrummen des Originals, welche sich bei der Verwendung der unterschiedlichen Stromversorgungseinheiten ergeben. Wählbar sind die Auswirkungen für eine Netzfrequenz von 50-Hertz- (Europa) und 60-Hertz-Netze (Nordamerika) beziehungsweise das Abschalten (off) dieses Klangmoduls. Wie sinnvoll das Simulieren von eigentlich unerwünschten Störgeräuschen ist, muss jeder für sich selbst entscheiden, aber es zeigt die Akribie, mit der Waves und J. J. Puig die originalen Klangeigenschaften simuliert haben. Will man die hundertprozentige Klangkopie, gehört dieser Klangfaktor einfach dazu. Sehr schön: Waves hat den Hardware-Klon mit der schaltbaren Link-Funktion um einen praxisnahen Betriebsmodus erweitert. Beim Original gibt es nämlich keinen Stereo-Link-Betrieb, der aber gerade fürs Mastering oder das Bearbeiten von Stereogruppen sehr komfortabel ist, da alle Einstellungen des linken Kanals automatisch auf den rechten übertragen werden. Steht der Auswahlregler auf Left/Right, ist der Dual-Mono-Modus aktiv. Es stehen also zwei separat einstellbare Kanäle wie beim Original zur Verfügung. Mit dem Lateral/Vertikal-Modus hat Waves die Summen/Differenz-Matrix des Fairchild 670 übernommen: Dabei werden rechter und linker Kanal zunächst summiert (l plus r) und auf den linken Kanal gelegt. Gleichzeitig liegt die Differenz (l minus r) auf dem rechten Kanal. Nach der unabhängigen Bearbeitung führt eine weitere Matrix die beiden Kanäle wieder zu einem Stereo-Signal zusammen. Mancher wird sich fragen, wofür das gut sein soll. Zu Recht, denn eigentlich stammt dieses Verfahren noch aus der Zeit der guten alten Langspielplatte. Die Spezialkomprimierung galt der Reduzierung der vertikalen und lateralen Modulationen beim Mastern von Vinyl-Platten. Da herkömmliche Plattenspieler und deren Tonabnehmer mit zu extremen Auslenkungen nicht zurechtkamen – die Nadel springt schlicht und einfach aus der Rille –, musste darauf im Vorfeld geachtet werden.

Mit dem Lateral/Vertikal-Modus konnten die Modulationen in tolerablen Grenzen gehalten werden. Bei heutigen Produktionen, die meistens auf CD veröffentlicht werden, ist das doch eigentlich überflüssig? Vielleicht, aber durch die Matrix-Komprimierung bleibt laut Original-Handbuch des Fairchild 670 auch die räumliche Verteilung der Instrumente im Stereopanorama besser erhalten, als bei der herkömmlichen Bearbeitung. Die beiden Kanäle verfügen über die gleichen Bedienelemente. Die Eingangsstufe bietet einen Trim-Regler, der die Amplitude des analogen Inputs in einem Bereich von -6 bis +5 Dezibel anpasst. Das Bedienelement hat eine Auflösung von einem Dezibel pro Einheit. Der etwas größere Input Gain-Regler bestimmt dann die Intensität (-20 bis 0 dB; -14 dB = unity gain), mit der das Signal an den Kompressor-Schaltkreis weitergereicht wird. Viel Gain bedeutet also auch starke Obertonanteile durch die angeheizte, virtuelle Eingangsstufe. Der Threshold-Regler bestimmt erwartungsgemäß den Schwellenwert, ab dem der PuigChild mit der Kompression beginnt. Der Output-Gain-Regler übernimmt die Aufholverstärkung (-18 bis +18 dB) nach erfolgreicher Kompression. Der Legenden-Klon arbeitet in alter 670-Manier mit sechs Zeitkonstanten-Presets, die unterschiedliches Regelverhalten bezüglich der Attack- und Release-Zeiten zur Folge haben. Preset 1, 2 und 6 haben eine Attack-Zeit von 0,2 Millisekunden, die Stellungen 3 und 5 legen mit 0,4 Millisekunden etwas drauf und Preset 8 wartet mit 0,8 Millisekunden auf. Bei den Releasezeiten geht es noch etwas differenzierter zu: Die Rückstellzeiten der Presets 1 bis 4 betragen 0,3, 0,8, zwei und fünf Sekunden. Die Einstellungen 5 und 6 haben jeweils eine Rückstellautomatik in Abhängigkeit zum eingespeisten Programmmaterial vorgesehen: Preset 5 reagiert mit einer Release-Zeit von zwei Sekunden auf individuelle Peaks und mit zehn Sekunden auf mehrere, hintereinanderfolgende Pegelspitzen. Beim sechsten Preset ist die Aufteilung noch etwas differenzierter: Die Rückstellzeit beträgt bei einzelnen Peaks 0,3 Sekunden, bei mehreren aufeinanderfolgenden zehn Sekunden und bleibt bei durchgängig hohem Level auf extrem langen 25 Sekunden stehen. Die Ratio des PuigChild bewegt sich übrigens zwischen 1:1 und 1:20, je nachdem wie stark der Kompressor zugreift. Der Testkandidat gibt im Messlabor von Professional audio eine überzeugende Vorstellung. Geräusch- und Fremdspannungsabstand sind mit 86,4 und 76,3 Dezibel sehr gut, verschlechtern sich logischerweise sobald die Simulationen der unterschiedlichen „Netzbrumm-Charakteristika“ eingeschaltet sind. Im 50-Hertz-Modus betragen sie 75,0 und 58,5 Dezibel, im 60-Hertz-Betrieb 81,6 und 64,0 Dezibel. Unabhängig von den unterschiedlichen Modi ist im FFT-Spektrum ein deutlicher Peak bei 50 Hertz auszumachen, der allerdings (Mains: off) unterhalb -80 Dezibel bleibt. Der Bypass ist jedoch keine wirkliche Überbrückung vom Eingang zum Ausgang, da sowohl der 50-Hertz-Peak als auch Obertöne (k2 bis k5) im Spektrum zu erkennen sind. Im laufenden Betrieb sind deutlich mehr Obertöne (k2 bis k8) vorhanden, deren Peaks je nach Einstellung sehr unterschiedlich ausfallen. Steht der Input-Gain-Regler auf elf, die Ausgangsverstärkung auf null, erreichen k2 und k3 ein Maximum von -55 Dezibel. Bei starker Kompression und zusätzlicher Verstärkung der Ein- und/oder Ausgangsstufe kommt mitunter die typische Fischgräten-Darstellung durch zahlreiche Obertöne im FFT-Spektrum zum Vorschein. Das ist nicht weiter schlimm und gehört zum Charakter des Kompressors, welcher bewusst jedem Signal seinen Sound aufdrückt. Dementsprechend liegen auch die THD+N-Werte zwischen 0,05 und fünf Prozent, was weder als gut noch schlecht zu werten ist, sondern schlicht und ergreifend zum Sound des PuigChild gehört und die Eigenschaften der Original-Vorlage abbildet. Je nach Einstellung ist auch der Frequenzgang unterschiedlich, wobei grundsätzlich eine mehr oder weniger starke Absenkung im Bassbereich und eine Höhenanhebung oberhalb zehn Kilohertz, bis weit über den hörbaren Bereich hinaus (50 Kilohertz), vorhanden ist. Da sich der Hersteller mit seinen Wandlern rühmt, bin ich gespannt auf die Messwerte: Bis -100 Dezibel verläuft die A/D-Übertragung absolut linear, dann treten die ersten leichten Abweichungen auf und unterhalb -110 Dezibel ist endgültig Schluss.

Absolute Spitzenwandler wie der Benchmark ADC16 (Test in Heft 12/2011) oder die Referenz von Stagetec, der Truematch RMC (Test in Heft 5/2011), zeigen mit einem linearen Verlauf bis weit unter -130 Dezibel, was technisch machbar ist. Das Fireface UCX von RME (Test in Heft 8/2012) zum Vergleich mit einer anderen Gerätegattung, weist einen linearen Verlauf bis hinab zu -120 Dezibel auf. Dennoch braucht sich der PuigChild mit seinen Messwerten nicht zu verstecken, das Ende der Fahnenstange haben die Israelis an dieser Stelle allerdings noch nicht erreicht. Um den Klang und die Praxistauglichkeit des PuigChild zu testen, verbinde ich den Koloss per S/PDIF-Schnittstelle mit dem Audio-Interface. Die Synchronisierung findet problemlos statt, wobei ich die bearbeiteten Signale über die analogen Ausgänge ausgebe und über das Interface zurück spiele. Die Bedienung ist sehr komfortabel, wofür vor allem die umschaltbaren, gut lesbaren VU-Meter und die griffigen Regler verantwortlich zeichnen. Vor dem Start kalibriere ich noch die Ein- und Ausgänge per Trim-Schraube, um optimale Arbeitspegel zu erhalten. Zunächst lasse ich die Kompression außen vor, während ich die unterschiedlichen Klangmöglichkeiten ausprobiere, die sich allein durch die Ein- und Ausgangsverstärkung ergeben. Ich verwende die Sprach-, Gesangs- und Gitarrenaufnahmen aus dem Test des Josephson C716 Mikrofons (Test auf Seite 56) und schicke sie durch den PuigChild. Die Sprachaufnahme klingt angenehm organisch, transparent und in den unteren Mitten leicht gestärkt. Bei extremen Einstellungen bringt der PuigChild die Aufnahme bis an die digital simulierte analoge Verzerrungsgrenze, ohne diese unangenehm klingend auszureizen. Vielmehr wird die zunehmend angenehme Röhrensättigung ohrenfällig. Ich teste natürlich auch die unterschiedlichen Mains-Modi, die sich auf den Noisefloor und das Brummverhalten auswirken sollen. Wer jetzt lange Beschreibungen unterschiedlicher Netzfrequenz-Charakteristika und Noisefloor-Analysen erwartet, den muss ich enttäuschen. Die Unterschiede sind marginal und wirklich nur bei sehr genauen A/B-Vergleichen zu hören und dabei sehr schwer zu beschreiben. Unterm Strich gefällt mir die neutrale Position am besten, da sie mir am transparentesten und ehrlichsten erscheint. Richtig Spaß macht das Kompressor-Modul als mir plötzlich klar wird, dass ich es mit einem digitalen Gerät zu tun habe, was ich bei der Arbeit ganz vergessen habe. Beim Bedienen und Anwenden denke ich völlig analog und drehe an den Reglern, als ob ich damit tatsächlich eine Armada an Röhren beeinflussen würde. Das Kompressionsverhalten ist, wie es bei Vari-µ-Kompressoren nicht anders zu erwarten war, sehr sanft. Anfangs hört man den Kompressionsvorgang kaum und erst bei niedrigem Threshold, wenn der PuigChild richtig zugreift, wird der Effekt deutlich hörbar. Mit steigender Kompression wird auch der Sound in sich satter und beginnt zu strahlen. Das gefällt mit besonders bei den Vocals sehr gut, die ich mit unterschiedlichen Zeitkonstanten-Presets versehe. Dabei gelingt mir ein heftiger aber sehr geschmackvoller und präsenter In-Your-Face-Sound ebenso wie eine dezente Edelverdichtung, die vor allem dann auffällt, wenn der Kompressor abgeschaltet ist. Überdies kommt mir immer auch der transparente und edel klingende Grundsound des PuigChild zugute. Für Konzertgitarren würde ich den Verdichter nicht zwingend bevorzugen. Für eine Steelstring-Gitarre kann ich ihn aber durchaus empfehlen, da auch bei sehr dezenten Einstellungen der Sound mächtiger und größer wirkt, ohne dabei seine natürliche Herkunft zu verleugnen. Besonders die Anschlaggeräusche und die Höhen kommen angenehm abgerundet und treten bei stärkerer Kompression in den Vordergrund, ohne dabei zu nerven. Jetzt setze ich den PuigChild noch als Mastering-Kompressor ein und bearbeite einige fertige Mischungen. Sehr hilfreich ist natürlich der Link-Modus, um kanalgleiche Einstellungen vorzunehmen. Das Ergebnis lässt aufhorchen: Irgendwie rückt der PuigChild die Instrumente wie von Zauberhand an den richtigen Platz. Dabei profiliert er die Gesangsstimme in der Mitte und es wirkt gleichzeitig so – das ist gerade bei den Presets 5 und 6 mit Releasezeit-Automatik der Fall –, als ob jemand unmerklich den Mix aufräumt und alle Beteiligten angenehm in Szene setzt. Das gelingt sogar noch ein wenig besser, als ich auf den Vertikal/Lateral-Modus umschalte. Was genau der Puigchild-Prozessor mit dem Programmmaterial anstellt ist schwer zu beschreiben, aber als Limiter – auch wenn er keine Brickwall-Qualitäten hat – und Sound-Veredler möchte ich den PuigChild eigentlich kaum noch missen. Der Grund: Er putzt die Mixe angenehm unauffällig heraus und verleiht ihnen am Ende doch eine angenehme Strahlkraft und Kompaktheit.

Fazit

Der PuigChild von Waves ist ein sehr gut klingender Kompressor/Limiter, der die vielseitigen klanglichen Möglichkeiten des Fairchild 670 übernimmt und die Legende als digitales 19-Zoll-Gerät mit zahlreichen Anschlussmöglichkeiten und entsprechender Bedienungsausstattung erfolgreich ins 21. Jahrhundert transferiert.

Erschienen in Ausgabe 12/2012

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 3284 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: gut – sehr gut