Spezialisten

Audio-Technica hat sein Kopfhörerangebot um zwei echte Spezialisten erweitert, die sich für besondere akustische Umgebungen und Aufgaben anbieten.

Von Harald Wittig

Kopfhörer von Audio-Technica genießen sowohl im Consumer- als auch im Pro-Audio-Bereich ein hohes Ansehen. Der japanische Hersteller schafft es wie auch bei seinen Mikrofonen immer wieder, rundum überzeugende Qualität für vergleichsweise wenig Geld anzubieten. So hat sich beispielsweise der geschlossene, dynamische Allround-Hörer ATH-M40fs, den wir vor nunmehr vier Jahren im Rahmen unseres allerersten Kopfhörertest in Ausgabe 6/2006 testen, zu einem echten Studio-Klassiker entwickelt. Für rund 94 Euro bietet er einen sehr guten, ausgewogenen Klang, so dass sich Amateure und Profis in der ganzen Welt auf seine Dienste verlassen. Seit kurzem bietet Audio-Technica sein Schlachtross alternativ mit anderer Abstimmung an. Das neue Modell ist unser erster Testkandidat, nennt sich ATH-D40fs, kostet genauso so viel wie der ATH-M40fs auf und baut auf dessen bewährter Technik auf. Der Kopfhörer hat allerdings laut Hersteller einen „erweiterten Bass-Frequenzgang“, wobei – soviel sei schon vorweggenommen – diese Aussage von Audio-Technica nicht ganz zutrifft. Während der ATH-D40fs ein konventioneller Kopfhörer ist, beweist der zweite Testkandidat den Innovationsgeist des japanischen Herstellers: Der ATH-ANC7b ist mit einer aktiven, patentierten  Geräuschunterdrückung ausgestattet, die Umgebungsgeräusche bis zu 90 Prozent beziehungsweise um 20 Dezibel unterdrückt. Anfang dieses Jahres erhielt Audio-Technica für den ATH-ANC7B den CES Innovations Design and Engineering Preis. Strenggenommen richtet sich dieser Kopfhörer nicht an den professionellen Anwender, allerdings ist eine optimale Abschirmung gegen Umgebungsgeräusche in DJ- und Musikerkreisen wie auch unter Tonschaffenden ein immergrünes Thema. Daher wollen wir herausfinden, was die sogenannte Noise Cancelling-Technologie wirklich leistet und ob der rund 240 Euro teure Kopfhörer auch Profi-Ansprüchen genügen kann. 

Beginnen wir die Beschreibung der Testkandidaten direkt mit dem ATH-ANC7b und seinem herausragenden Ausstattungsmerkmal, der Audio-Technica-eigenen QuietPoint-Technologie. In beiden Ohrschalen befinden sich zwei Miniaturmikrofone, die Umgebungsgeräusche aufnehmen. Auf der Basis dieses Messwertes erzeugt die eingebaute Miniaturelektronik ein  Signal mit derselben Frequenz des ermittelten Umgebungsgeräuschs, allerdings mit invertierter Phase. Das Ergebnis: Es kommt zu einer Phasenauslöschung, das Störgeräusch von außen verschwindet und der Träger des Kopfhörers ist komplett gegen den Umgebungslärm abgeschirmt. Soweit die Theorie. Allerdings kann die aktive Geräuschunterdrückung nicht sämtliche Umgebungsgeräusche aussperren. Zunächst kann die Elektronik nur länger anhaltende Störgeräusche zuverlässig erfassen, beispielsweise das Betriebsgeräusch einer Klimaanlage oder auch das Verkehrsrauschen. Kurze, impulshafte Schallereignisse kann die Elektronik nicht schnell genug analysieren. Hinzu kommt, dass die Geräuschunterdrückung in erster Linie auf tieffrequente Signale reagiert. Einen Dauer-Sinus bei 100 Hertz sperrt die Kopfhörer-Elektronik beispielsweise wirksam aus. Bei Geräuschen, die bekanntlich ein Gemisch verschiedenen Teiltönen darstellen, fällt der Effekt weitaus weniger spektakulär aus. Der Kopfhörer blockiert zwar besser als ein passiver geschlossener Hörer, dennoch bleiben Geäusche, die auch höherfrequente Anteile oder Obertöne enthalten, weiterhin hörbar. Außerdem muss die Elektronik vor Klängen und Geräuschen Signalen im mittleren und hohen Frequenzbereich kapitulieren. Bevor jetzt aber lange Gesichter gezogen werden: Der ATH-ANC7b ist kein Gehörschutz, wie in beispielsweise Arbeiter in sehr lauten Umgebungen wie auf Flughäfen oder Baustellen tragen, sondern in erster Linie ein Kopfhörer. Tatsächlich schirmt dieser Hörer beim Musikhören mit aktivierter Geräuschunterdrückung ganz hervorragend ab. Auch bei vergleichsweise geringen Pegeln schafft er für den Hörer eine innere Insel der Ruhe, die so kein passiver geschlossener Kopfhörer erreichen kann. Wer beispielsweise an einer vielbefahrenen Straße wohnt, wird verblüfft sein, dass das unterschwellig immer vorhandene Verkehrsbrummen praktisch ausgeknipst ist. Allerdings benötigt die aktive Geräuschunterdrückung – aufmerksame Leser haben es sich ohnehin gedacht – Strom, genauer Batterie-Strom. Eine frische Micro- oder AAA-Batterie reicht für etwa acht Stunden Dauerbetrieb. Nicht vergessen: Nach Gebrauch die Geräuschunterdrückungs-Funktion ausschalten. Wie sich der ATH-ANC7b klanglich verhält, klären wir im finalen Hörtest.

Sehen wir uns nun den ATH-D40fs an. Äußerlich ist er von seinem älteren Bruder, dem ATH-M40fs nicht zu unterscheiden. Tatsächlich sind beide Kopfhörer konstruktiv und von ihren Leistungsdaten her eng verwandt: Die großen 40-Millimeter-Wandler mit ihren kräftigen Neodymium-Magneten und den Schwingspulen aus kuperkaschiertem Aluminium-Draht sind gleich, für beide Modelle gibt der Hersteller einen Frequenzgang von 20 Hertz bis 28 Kilohertz an. Aha. War nicht zu Anfang die Rede von einem „erweiterten Bassfrequenzgang“? Richtig, diese Aussage ist irrführend. Tatsächlich ist es, ausweislich unserer Messungen so, dass beim ATH-D40fs die tiefen Frequenzen unterhalb 60 Hertz im Pegel angehoben sind. Interessanterweise ist das auch anhand der Frequenzgang-Kurve, die auf die Verpackung gedruckt ist, klar zu erkennen. Das wirkt sich – soviel sei schon verraten – auf das Klangverhalten des Hörers aus. Widmen wir uns, bevor wir beide Audio-Technicas mit unseren naturgegebenen Messinstrumenten, unseren Ohren untersuchen, noch der weiteren Ausstattung und dem wichtigen Kriterium Tragekomfort. Der ATH-D40fs ist ein Kopfhörer für den professionellen Anwender, folgerichtig ist sein glattes, rund dreieinhalb Meter langes Kabel einseitig geführt. Allerdings kann es nur der Audio-Technica-Service austauschen, das gilt auch für die kunstledernen Ohrpolster und die Wandler. Beim ATH-ANC7b ist das sehr dünne Käbelchen, das pfleglich zu behandeln und nur 1,0 Meter lang ist, über einen Miniklinken-Stecker verbunden und damit einfach austauschbar. Im Lieferumfang finden sich sogar ein zweites, allerdings kürzeres Kabel sowie ein sogenannter Fluglinienadapter mit zwei Miniklinkensteckern zum Anschluss an Entertainment-Systeme in Flugzeugen. Die austauschbaren Ohrpolster aus Leder fühlen sich beim Tragen angenehmer als die des ATH-D40fs an, dennoch bietet der Profi-Kopfhörer einen höheren Tragekomfort. Der kleinere Technologie-Träger hat nämlich nicht nur schmalere Ohrpolster, er sitzt auch strammer als sein angenehm leichter großer Bruder. Dennoch verdient der ATH-ANC7b – wenn er an den Kopf des Benutzers angepasst ist –, ein „Gut“ in puncto Tragekomfort. Der ATH-D40fs ist in dieser Disziplin auch kein perfekter Einserkandidat, denn sein geringes Gewicht sorgt dafür, dass er bei ruckartigen Kopfbewegungen verrutschen kann. Sehr gut gefallen aber seine drehbaren Ohrschalen, die vor allem DJs schätzen, denn damit ist ein einohriges Hören einfach zu bewerkstelligen.

Jetzt ist es an der Zeit, die Klangeigenschaften der Audio-Technicas zu untersuchen. Wie bei unseren Kopfhörertest üblich, betreiben wir die Testkandidaten an unserem Referenz-Kopfhörerverstärker, Violectric HPA V200, als Vergleichshörer dienen die AKG-Modelle K 271 MkII und K 702.  Als erster Prüfling tritt der ATH-D40fs an: Er spielt impulsstark und dynamisch auf, seine Raumabildung ist auf gehobenem Niveau, wenngleich er in dieser Disziplin zwar hinter dem AKG K 702 einen Schritt zurücktritt, dafür sehr nahe am AKG 271 MkII ist. Seine Höhendarstellung und die Wiedergabe des Präsenzbereichs gefällt uns subjektiv besser als die des präsenteren 271 MkII. In puncto Detailtreue und Auflösungsvermögen ist der Audio-Technica in jedem Fall auf Ohrenhöhe mit dem AKG 271 MkII. Im Bereich der unteren Mitten bis zu den Höhen klingt der ATH-D40fs immer noch ausgewogen, der Bassbereich, genauer der Basspegel ist allerdings, wie zu erwarten, angehoben. Daraus resultiert ein basslastiger Grundklang, der die Tugenden des Kopfhörers bei der Mitten- und Höhenwiedergabe zumindest bei flüchtigem Hören etwas nach hinten rücken lässt. DJs werden die angehobenen Bässe allerdings lieben, aber auch Musiker wie Schlagzeuger, Gitarristen und Bassisten, die beim Einspielen einen druckvollen, nicht notwendig neutralen Cue-Mix bevorzugen, werden den ATH-D40fs gerne aufsetzen. Fürs Monitoring eignet er sich weniger, dafür wäre ein weniger bassiger, also eher linear abgestimmter Kopfhörer, beispielsweise der Klassiker ATH-M40fs besser geeignet. Der ATH-ANC7b hat interessanterweise zwei Klangcharakteristika. Ist die Geräuschunterdrückung aktiviert, ist der Klang insgesamt gut ausgewogen, die Bässe sind vergleichsweise schlank und erinnern an den AKG 271 MkII, der Mittenbereich ist ebenfalls ausgewogen, die Höhen erklingen fein aufgelöst und angenehm weich. Allerdings ist der Kopfhörer mit aktiver Geräuschunterdrückung recht laut: Wir müssen am HPA V200 die Vorverstärkung um -12dB herabsetzen, um bei optimaler Stellung zwischen zwölf und drei Uhr des V200-Lautstärkepotis Material- und Gehörschäden vorzubeugen. Dann überzeugt der ATH-ANC7b mit einer sehr guten Raumdarstellung, die sogar dem AKG K 702 gefährlich wird. Im Passiv-Betrieb ändert sich das aber. Der Kopfhörer klingt jetzt sehr direkt, die Raumabildung ist flacher. Hinzu kommt ein bassbetonter Grundklang mit einem Schuss Präsenz, die Trennschärfe nimmt ab, der Gesamtklang ist indifferenter, weniger trennscharf und leicht verwaschen. Außerdem ist der Kopfhörer bei deaktivierter Geräuschunterdrückung nur noch halb so laut. Daher unser Tipp: Auch wenn es wertvollen Batterie-Strom kostet, sollten Sie die Geräuschunterdrückung eingeschaltet haben. Damit schirmt der ATH-ANC7b nicht nur sehr gut ab, er eignet sich dann auch fürs Einspielen und Monitoring – vor allem unterwegs, beispielsweise im Zug.

Fazit 

Die neuen Kopfhörer ATH-D40fs und ATH-ANC7b von Audio-Technica sind spezielle Kopfhörer für bestimmte Situationen und Anwendungen. Obwohl strenggenommen kein Profikopfhörer, überzeugt der ATH-ANC7b bei aktivierter Geräuschunterdrückung mit einem erfreulich ausgewogenen Klang bei hervorragender Abschirmung, so dass er sich nicht nur fürs Musikhören, sondern durchaus für Mix und Monitoring, vor allem unterwegs, eignet. Lediglich im Passiv-Betrieb kann er nicht überzeugen. Der ATH-D40fs ist ein guter Tipp für DJs, die einen bassbetonten Klang für den  Live-Einsatz benötigen, kommt aber auch Musikern beim Einspielen entgegen. Der Toningenieur greift für Mix und Monitoring aber zum linear abgestimmten ATH-M40fs.  

Erschienen in Ausgabe 05/2010

Preisklasse: Oberklasse
Preis: 236 €
Bewertung: gut
Preis/Leistung: befriedigend – gut