Favoritenschreck
Wer bisher annahm, dass kostengünstige Kopfhörer für den professionellen Einsatz nichts taugen, darf sich eines besseren belehren lassen. Der RP-21 von Equation Audio hat das Zeug zum Favoritenschreck.
Von Harald Wittig
Das amerikanische Unternehmen Equation Audio ist spezialisiert auf die Herstellung von Mikrofonen und Kopfhörern und genießt in den USA bereits einen Geheimtipp-Status. Den Equation Audio-Produkten wird nämlich von Eingeweihten ein sensationelles Preis-Leistungsverhältnis nachgesagt. Der Hersteller gibt sich entsprechend selbstbewusst und verspricht dem Käufer eines Mikrofons oder eines Kopfhörers einen besonders hohen Gegenwert. Mit anderen Worten: Die Produkte von Equation Audio sollen in puncto Verarbeitung, vor allem aber bei der Klangqualität durchaus mit erheblich teureren Mitbewerbern konkurrieren können. Dass die Amerikaner insoweit nicht nur heiße Werbeluft heraus blasen, bewiesen die Tests der Equation-Mikrofone DS-V9 und F.20 in Professional audio: Während sich das nur 86 Euro teure DS-V9 beim großen Mikrofonvergleichstest in Ausgabe 9/2009 als passables Gesangsmikrofon erwies, glänzte das Elektret-Mikrofon F.20 (siehe Test in Ausgabe 11/2009) mit hervorragender Verarbeitung, ausgezeichneten Messwerten, sehr gutem Impulsverhalten und feiner Auflösung. Auch wenn das F.20 mit rund 500 Euro kein billiges Mikrofon mehr ist, vermutete die Redaktion bei einem Blindtest ein mindestens doppelt so teures Mikrofon.
Aufgrund dieser positiven Testerfahrungen wollen wir wissen, ob auch die Equation-Kopfhörer eine vergleichbar hohe Qualität bei sehr günstigen Preisen bieten. Von den gerade mal drei Modellen, die Equation Audio anbietet, haben wir uns den RP-21 ausgesucht. Der soll sich nämlich für Aufnahme und Monitoring gleichermaßen eignen. Ein echter Allrounder also, den der deutsche Vertrieb D.C. Electronic für gerade mal 70 Euro anbietet. Der niedrige Verkaufspreis ergibt sich aus zwei Gründen: Zum einen setzt der Herstellung konsequent auf die Fertigung in China, wobei die Amerikaner betonen, dass die Serienproduktion in Händen erfahrener Ingenieure und Arbeiter liege und zudem unter strengster Aufsicht erfolge. Zum anderen gibt es nach Auskunft von David Cassidy von D.C. Electronic keinen Zwischenhändler für die Equation Audio-Produkte, diese kommen via Direktimport nach Europa, was die Kosten und damit die Endverbraucherpreise niedrig hält.
Der RP-21 ist ein dynamischer Kopfhörer in geschlossener Bauweise. Entwickelt wurde er auf Basis des nicht mehr hergestellten Modells RP-20, den Anwender und Fachpresse mit anerkannten Studio-Profis wie den AKG K271 Studio oder den Sony MDR7506 gleichgesetzt haben. Für den RP-21 entwickelte Equation Audio allerdings einen neuen Wandler mit einer leichten 50 Millimeter-Membran, der von einem starken Neodymium-Magneten angetrieben wird. Der RP-21 habe deswegen, laut Hersteller, ein deutlich verbessertes Impulsverhalten als sein Vorgänger, einen höheren Wirkungsgrad und löse feiner auf. Neu ist auch, dass sich das – wie bei Profi-Kopfhörern üblich – einseitig geführte Kabel austauschen lässt. Im Unterschied zu anderen Herstellern, namentlich AKG und Sennheiser, ist das Kabel über eine Miniklinke mit der linken Ohrmuschel verbunden. Es ist nicht einfach nur gesteckt sondern mit einer Art Bajonett-Verschluss verriegelt. Das hält das 3-Meter-Kabel im Arbeitseinsatz sicher fest, bei einem Defekt, wenn mal wieder der Regiestuhl übers Kabel gerollt ist, ist es geschwind entfernt und lässt sich gegen ein neues ersetzen.
Die Ohrmuscheln selbst sind drehbar und die Aufhängung in Kunststoffbügeln macht einen stabilen Eindruck, wenngleich sie vermutlich kaum die Langzeitstabilität der Federstahl-Bügel der allerdings erheblich teureren Beyerdynamic-Profi-Kopfhörer erreichen wird. Das Kopfband ist mit einem dünnen Polster versehen, das sich zur individuellen Anpassung ausziehen lässt.
Ein wichtiges Kriterium für Kopfhörer ist neben dem Klang auch der Tragekomfort. Der RP-21 ist mit seinem Gewicht von 350 Gramm gerade ein Leichtgewicht – der AKG K 271 MkII bringt beispielsweise nur knapp die Hälfte auf die Waage –, dennoch trägt sich der RP-21 angenehm. Tatsächlich erscheint er sogar leichter als der in etwa gleichschwere AKG K 702. Dank der Kunstleder-Polster sitzt er angenehm auf den Ohren und stresst auch bei längeren Hörsitzungen nicht. Beim Einspielen kann es – je nach dem, wie sehr sich Instrumentalisten und Sänger anstrengen – hingegen zu Hitzstau kommen, was allerdings dem RP-21 nicht anzulasten ist, denn das ist bei geschlossenen Kopfhörern unvermeidbar und stellt keinen Minuspunkt dar.
Kommen wir zur alles entscheidenden Frage: Wie klingt er denn, der RP-21? Klanglich sorgt der Kopfhörer für eine waschechte Überraschung: Er klingt deutlich besser, als sein günstiger Verkaufspreis vermuten lässt. Zunächst erweist er sich als impulsfreudig und folgt perkussivem und transientem Material mit einer Leichtigkeit, die auch einigen deutlich teureren Hörern gut zu Gesicht stände. Insofern steht er der Referenz bei den geschlossenen Kopfhörern, dem AKG 271 MkII kaum nach. Der AKG ist gleichwohl noch eine Spur präziser. Bei einem direkten Vergleich ist unbedingt zu berücksichtigen, dass der RP-21 ein lauter Kopfhörer ist. Deswegen haben wir ihn für den direkten Vergleich mit anderen Hörern an dem vorzüglichen Kopfhörer-Verstärker Violectric V200 betrieben, der dank seiner Pre-Gain-Funktion eine perfekte Lautstärke-Anpassung gestattet.
Die Auflösung des RP-21 ist auf gutem bis sehr gutem Mittelklasse-Niveau, leichte Abstriche sind aber im Höhenbereich zu machen, was sich besonders bei sehr obertonreichen Signalen wie Blech-Bläsern oder Becken zeigt. Dennoch ist der Abstand zum AKG 271 MkII keineswegs – wie vielleicht vermutet – groß, bei der Raumabbildung ist er sogar auf Ohrenhöhe mit dem AKG. Dafür schiebt der RP-21 Bässe und Tiefmitten stärker an, wobei er sich auch hier noch vergleichsweise zurückhaltend gibt. Insgesamt klingt er sogar noch ausgewogen, weiß der Anwender um seine dezente Vorliebe für tiefere Frequenzen, eignet er sich durchaus fürs Monitoring. Einsatzschwerpunkt ist aber sicherlich die Aufnahme und in dieser Disziplin haben wir ihn inzwischen schätzen gelernt: Denn beispielsweise bei der Positionierung von Mikrofonen ist er eine echte Hilfe, da er den Eigenklang der Schallwandler nicht verfälscht und somit das Auffinden der besten Mikrofon-Position sehr vereinfacht.
Fazit
Wer einen guten und zuverlässigen geschlossenen Kopfhörer unter 100 Euro sucht, ist mit dem Equation Audio RP-21 bestens bedient. Er ist universell einsetzbar und kann es klanglich mit zweieinhalbmal so teuren Kopfhörern aufnehmen.
Erschienen in Ausgabe 02/2010
Preisklasse: Mittelklasse
Preis: 72 €
Bewertung: gut – sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut – überragend
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